Frauen an die Macht

«Blick», «Blick», hurra!

Ringier vermeldet das Erwartete: «Buchli und Inguscio übernehmen den Blick-Newsroom».

Genauer: «Steffi Buchli übernimmt den Bereich «Content», Sandro Inguscio den Bereich «Digital & Distribution». Beide gehören künftig der Geschäftsleitung an.»

Ach, war da nicht noch was, noch so einer, über dessen Schicksal nichts vor Ablauf seiner Auszeit am 12. September gesagt werden sollte? Doch, da war noch einer:

«Im gegenseitigen Einvernehmen und basierend auf dem Culture Audit haben die Ringier-Spitze sowie der bisherige Chefredaktor der Blick-Gruppe, Christian Dorer, entschieden, dass Dorer sein Amt nach seiner Auszeit nicht wieder aufnimmt.» Plus Packungsbeilage: In den kommenden Wochen werde «definiert, ob und in welcher journalistischen Funktion …» Die Gespräche seien «aufgenommen worden und auf gutem Weg».

Das muss man nun abschmecken. Auch auf die Gefahr hin, schon wieder als frauenfeindlich abgestempelt zu werden: eine in der Wolle gefärbte Sportjournalistin soll zukünftig für den gesamten Inhalt eines doch immer noch einigermassen relevanten Organs verantwortlich zeichnen? Hat Ringier denn das abschreckende Beispiel von Tamedia nicht zur Kenntnis genommen, was passiert, wenn nach Geschlecht befördert wird?

Und Inguscio wäre dann nur sozusagen für das Formale zuständig, also den Inhalt auch gebührend unter die Leute zu bringen, natürlich vor allem «Blick+». Mission impossible, muss man leider jetzt schon sagen. Immerhin, Buchli ist nicht etwa Chefredaktor geworden, sondern wurde eher seitwärts befördert. Denn vorher war sie das ad Interim, nun ist sie «Chief Content Officer». Das ist Management-Blabla und hat eigentlich nichts mit Journalismus zu tun.

Schliesslich wurde die Entscheidung, Dorer begründungslos endgültig zu entsorgen (etwas anderes ist das ja nicht, vielleicht bekommt er noch einen Job als «besondere Aufgaben»-Mann), von der «Ringier-Spitze» gefällt. Wer das wohl ist? Die direkte Verantwortliche Ladina Heimgartner? CEO Marc Walder? Michael Ringier himself? Alle zusammen?

Hier scheint es ja ein gröberes Problem zu geben. Hätte der «Culture Audit», was immer das sein mag, ein nachweisbares Fehlverhalten von Dorer zu Tage gefördert, hätte das wohl erwähnt werden müssen. Denn für nix und wieder nix sägt man doch nicht von einem Tag auf den anderen den erfolgreichen «Blick»-Oberchefredaktor ab, der immerhin sechs Jahre lang das Schiff recht skandalfrei durch die Wellen steuerte und auch alle hinderlichen Zwischenrufe von weiter oben solidarisch überhörte.

Aber statt Erklärungen folgt nur noch das übliche Gewäsch. « … sind gut aufgestellt … Position weiter ausbauen und festigen … Christian Dorer danke ich im Namen der Blick-Gruppe, aber auch des Ringier Group Executive Boards …»

Der arme Dorer kann sich nur das hier abringen: «In den vergangenen sechs Jahren hatte ich das Privileg …»

Aha. Und wie ist das nun genau mit der bevorzugten Behandlung einer bestimmten Mitarbeiter-Gruppe und nicht genügende Trennung von Privat und Geschäft? Das habe doch lückenlos und brutalstmöglich aufgearbeitet und aufgeklärt gehört, tönte damals Ringier. Und jetzt? Ist wohl das ähnliche Hornberger Schiessen wie die «Aufklärung» der anonymen Vorwürfe von 78 Tamedia-Frauen. Grosse Kriegstänze – dann gehen alle friedlich nach Hause.

Gegen diesen Abgang von Dorer ist selbst das Bauernopfer Arthur Rutishauser noch anständig abgesägt worden. Es gab nie auch nur im Ansatz konkrete Vorwürfe gegen Dorer (ausser, man will seine sexuelle Orientierung gegen ihn ins Feld führen), es gab in den vergangenen Monaten kein Sterbenswörtchen gegen ihn, was in den klatschsüchtigen Medien was heissen will. Also hätte er sich in der Illusion wiegen können, dass eine entscheidungsoffene Untersuchung ihn genauso ent- wie belasten könnte.

Aber das wäre mit einem Gesichtsverlust seiner direkten Vorgesetzten verbunden gewesen, die ihn auf diese grausame Weise exekutierte. Ein guter Mann weg, eine überforderte Führungskraft mit dem richtigen Geschlecht als Ersatz, eine Hilfsstütze an der Seite, der Titel Chefredaktor wird immerhin nicht mal in den Mund genommen, ein heruntergewirtschaftetes Blatt ohne Boulevard, Kanten und Ecken, ein kastrierter SoBli mit einem Mikrophonständer als Chefredaktor, das werden gloriose Zeiten für die glückliche «Blick»-Familie.

15 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    So geht ‹Geschichte›:
    ‹der immerhin sechs Jahre lang das Schiff recht skandalfrei durch die Wellen steuerte›

    Ich lote mal die Wassertiefe von zackbum aus, denn die waagrechte Lage scheint beim Herrn Doktor (wegen der Hitze?) heute, gestern, etwas verloren gegangen.
    Da leben wir in historisch herunter gestürzten Zeiten, Kriminelle kungeln mit Kriminellen. Nur weil die Staatsanwaltschaft und Gerichte auch mit dabei sind, heisst das nicht, dass hypochondrische CEOs Volksverhetzung und verstrickte Landesverräter ihre ‹Kinder› schamlos um ihre Gesundheit (neben allem andern) belügen und betrügen dürfen.
    Hier lebt eine Medien-Kritikplattform vom täglichen Überfluss an echten Skandalen, Skandälchen und oft (Danke) vom spitzen Stift und klaren Kopf angesichts des alltäglichen, totalen Wahnsinns in den die Welt
    parallel zur Dorer-Ära herunter gewirtschaftet wird. Herauf für die paar, die alles wollen.
    Wir driften aus denunzieären und diffamierenden Tiefstzeiten schnurgerade in episches Chaos einer kollabierenden Unwertewelt ab und Herr Zeyer verliert im Ablenkungs-Tratsch zeitweilig das Lot aus den Händen?
    Dank an Herrn Studer, der als Einziger immerhin daran erinnert, was für eine obermiese Type auch dieser Dorer war, total orientierungslos (in Sachen Anstand, geschweige Logik oder Intelligenz) ganz unabhängig von Orientierung.

    Und wenn schon etwas zum ‹content›, obwohl ich mich vom Tratsch ansonsten raus zu halten versuche, dann versuche ich wahres zackbum-Niveau in dieser Rainbow-Seifenoper für das neu- und wissbegierige Publikum zu retten:
    musste Dorer gehen, weil die verbliebenen Frauenversteher sich vom Chef nicht noch betatschen (von Weibern schon abgeklatscht) lassen wollten? Oder waren – neben ‹Weisungen von oben› und dem Herrn Bundesrat – es nur noch solche Komplimente, die die Männlein nicht auch noch wollten?
    Klar, das in eine Mitteilung zu giessen wär für Abfluss-Rohr oberschwierig. So etwa wie duschen ohne nass zu werden.

    Soviel zum Tratsch & Klatsch für’s Publikum, als Abwechslung zur oft harten und schwer verdaulichen Kost auf zackbum;
    aber offene Geschichtsfälschung und das Ausblenden oder Übertünchen von epischen Skandalen der Neuzeit mit diesen Nebengeräuschen einer entarteten Führungsriege im Lande, NEIN DANKE.

    Wie sollen wir das überstehen, was alles schon herauf zieht (für die, die noch sehen und/oder spüren), wenn wir schon vom Vorgeplänkel der letzten 3 Jahre total überfordert waren?

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  2. Hans Keller
    Hans Keller sagte:

    Diese kulturelle Aneignung nach dem Drehbuch von #MeToo zeigt auf, wie dieser wirre Haufen bei Ringier funktioniert. Ein überfordertes Topkader macht sowas möglich.

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  3. Reto Studer
    Reto Studer sagte:

    Einer der übelsten Corona-Hetzer nennen Sie skandalfrei. Ich hoffe er kriegt nur noch eine Stelle als Laufbursche bei der Coop-Zeitung.

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  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    «Culture audit», unglaubliche Worthülse, können die «Head of headless» bei Ringier noch Sprache? Wie bei TA, bei anspruchsvollen Situationen krachendes scheitern, wegducken, nicht informieren. Raum für Gerüchte schaffen, BLICK immer bereit allen Gerüchten nachzugehen, auszubreiten, schweigt kläglich zu der Interna. Buchli und Inguscio üben sich in Stillschweigen, sind kleinkarierte und willige Sesselkleber, denen das Pöschtli wichtiger ist als Anstand und Respekt vor den LeserInnen, die ein Recht auf Aufklärung hätten.

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    • Rolf Karrer
      Rolf Karrer sagte:

      Nach dieser damalig völlig überstürzten Aktion, will Ringier bloss das Gesicht wahren. «Culture audit» hat doch bloss eine diffuse Alibifunktion.

      Lucien Scherrer schreibt es heute in der NZZ wohlüberlegt. Der interne Untersuchungsbericht bleibt bei Ringier unter Verschluss, den die Dufourstrasse nach der Bekanntgabe von Dorers «Auszeit» in Auftrag gab. Scherrer meint: «Damit dürften sich all jene bestätigt sehen, die das Vorgehen des Ringier-Verlags als vorverurteilend empfanden, als PR-getriebene Selbstreinigung im Zuge der «#MeToo»-Welle, die zu jenem Zeitpunkt auch den Ruf des ehemaligen «Magazin»-Chefredaktors Finn Canonica zerstörte».

      Diese exerzierte PR-Selbstreinigung in Chaosistan dürfte ein Nachspiel haben.

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    • Basil Weiss
      Basil Weiss sagte:

      Woraus leiten Sie ein Recht der LeserInnen auf Aufklärung ab? Warum soll ein Gratis-Medium die Gründe für einen Chefwechsel in allen (persönlichen) Details offen legen, wenn nicht mal börsenkotierte Unternehmen dies müssen? Für mich als Leser zählt der Inhalt.

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      • Victor Brunner
        Victor Brunner sagte:

        Warum zerrt BLICK bei Unglücken und Verbrechen um jeden Preis Betroffene an die Öffentlichkeit und stellt sie bloss, Private sind auch nicht börsenkotiert! Das ist eben der Unterschied, bei Ereignissen im eigenen Haus wir gemauert, unter dem Deckel gehalten, extern wird um Klicks zu generieren ausgeschlachtet bis zum geht nicht mehr, auch die Privatspähre geritzt!

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  5. Eveline Maier
    Eveline Maier sagte:

    Ladina Heimgartner scheint diese Prüfung nicht bestanden zu haben. Gerade sie, «die mit ihrer Partnerin in Zürich und Chur lebt» (NZZ vom 2.11.2019), hätte zur Lösung für solche (menschliche) Dissonanzen, souveräner auftreten müssen. Das «Culture Audit» scheint ein dümmliches Tool zu sein mit Alibicharakter, um unausgesprochene Entscheidungen zu rechtfertigen. Würde dieses «Culture Audit» Relevanz haben, so müsste der BLICK ein ziemlich anderes Gesicht haben

    Klar schielt ex SRG-Frau Heimgartner insgeheim auf den Job vom jetzigen SRG-Generaldirektor Gilles Marchand, der in weniger als vier Jahren in den Ruhestand treten dürfte. Sie dürfte kaum die geeignete Person sein, für ein solches Amt.

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  6. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Christian Dorer wird bei Ringier auf demütigste Weise und in aller Öffentlichkeit zur Schnecke gemacht. Diese Exekution muss im obersten Familienrat, zusammen mit dem Einflüsterer aus Berlin, beschlossen worden sein und stand im Voraus fest. Ein grausames Spiel welches da mit Christian Dorer abgeht. Hingegen passt ein Marc Walder, mit seiner perfiden Panikmache während Corona, auch weiterhin bestens zur Ringier-Firmenkultur. Woraus diese besteht, zeigt sich jetzt allen, welche noch einen Funken von Gerechtigkeitssinn in sich verspüren.

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  7. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Christian Dorer mit ausgezeichneten kommunikativen Fähigkeiten, sollte diesen absaufenden Laden an der Dufourstrasse umgehend verlassen. Erinnern wir uns im Vergleich an Sandro Brotz in der Arena, wo er den SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi forsch als Rassisten bezeichnete. Er musste sein Fehlverhalten in diesem öffentlichrechtlichen Sender des SRF nachträglich zugeben. Konsequenzen hatte es für Brotz keine.

    Interessant, wie verschiedenartig im Fall Brotz und der Angelegenheit Dorer umgegangen wird.

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  8. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Sie bringen es in allen Facetten auf den Punkt. Erbärmliche Zustände im kastrierten, orientierungslosen BLICK. Quasi dieselbe schmierige Situation, wie die anonymen Vorwürfe von 78 Tamedia-Frauen im März 2021. Nie hat man dort ein aufschlussreiches Untersuchungsergebnis gelesen. Nie

    Ein Gnadenbrot bei Ringier sollte Christian Dorer umgehend ausschlagen. Er findet bestimmt wieder eine Anstellung bei einen Institution mit aufrichtigen Charaktereigenschaften.

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