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Wenn Skandale leise Servus sagen …

Läderach? Ach was. Katholische Kirche? Gähn.

Ausser, dass Trump mal wieder verurteilt wurde und die Krankenkassenprämien exorbitant steigen, was ist die Gewichtung der Qualitätsmedien?

Der KK-Schock sitzt bei den meisten Schweizern tief. Bis zu zehn Prozent mehr, bei sowieso schon exorbitant hohen Prämien. Das ist das Aufreger-Thema Nummer eins. Nur: ist ein wenig kompliziert. Nur: der Gesundheitsminister ist halt ein Sozi und kein SVPler. Nur: so viele Fachleute, so viele Meinungen.

Also tun die Medien das, was sie am liebsten machen. Sie wollen unbedingt zwei deutlich absaufende Skandale über Wasser halten, die schon komatösen Leichen wieder wachküssen. Denn beides ist unter dem Stichwort «Skandal» gespeichert. Da gibt es dann kein Halten mehr.

Aber verflixt, dass katholische Priester vor allem Kinder missbrauchen und dass Läderach Senior einen religiösen Sparren hat und an einer Schule beteiligt ist, in der es vor vielen Jahren recht rustikal zuging: das ist beides eigentlich weitgehend auserzählt. Opfer melden sich, gibt es noch weitere solche Schulen, was sagt der Experte dazu, was bewirkt das bei den Kindern?

Das sind bereits die vorletzten Zuckungen eines Skandals. Noch weiter ist man beim Abnudeln des Priester-Skandals:

So sieht es zuoberst auf der Homepage des «Tages-Anzeiger» aus. Von Tamedia, vom «Tages-Anzeiger», ach verflixt, what ever.

Nun werden sogar noch Kirchenhistoriker befragt. Die freuen sich über diesen unerwarteten medialen Sonnenschein, wo sie sonst doch eher unauffällig forschen. Dann gibt’s scheint’s noch eine Herbstsession vor den Wahlen, natürlich tickt der «Ukraine-Ticker», eine «Analyse von Abstimmungen» ist auch immer gut. Fehlt noch was? Natürlich, ein Frauenthema. Voilà: «Frauen bei Krebsvorsorge und Behandlung benachteiligt».

Oh, und das in der reichen  Schweiz? Ach was, natürlich weltweit. Aber jetzt gebe es eine «neue Kommission» dagegen. Ach, in der reichen Schweiz? Ach was, in den auch nicht armen USA. Die kommt zu erschütternden Erkenntnissen wie: «Frauen seien auch nicht genügend über die Krebs-Risikofaktoren Tabak, Alkohol, Adipositas (Fettleibigkeit) und Infektionen aufgeklärt.»

Vielleicht in finsteren Gegenden der USA oder Afrikas – aber in der reichen Schweiz? Erschwerend kommt noch hinzu, dass es sich um eine SDA-Tickermeldung handelt. Wäre nicht «Frau» im Titel gestanden, sie hätte es nicht mal auf die Homepage geschafft.

Aber mal im ernst, lieber Tagianer: Krankenkassen? Inflation? Lebensmittelpreise? Mieten? Heizkosten? Asylanten? Altersvorsorge? Sieben Themen, die die Schweizer umtreiben. Kein einziges ist hier vertreten. Aber immerhin: es gibt auch keinen Artikel über korrektes Gendern oder die Verwendung des Sternchens zur Verhunzung der Sprache.

Auch der «Blick» hat im Moment so ziemlich alles aus diesen beiden Skandalen rausgemolken – Eimer leer. Also ein neues Schwein durchs Dorf treiben:

Die 57-jährige Marie Theres Relin hat ein Buch geschrieben. Eigentlich wollte die Schauspielerin hier über ihre gescheiterte Ehe mit Franz Xaver Kroetz schreiben. Das interessierte aber offensichtlich nicht wirklich.

Also packt sie nach 43 Jahren ein «dunkles Familiengeheimnis» aus. Sie sei von ihrem Onkel «sexuell missbraucht, verführt, entjungfert – ohne Gewalt, aber gegen meinen Willen» worden. Praktisch dabei: Maximilian Schell ist 2014 gestorben, ihre Mutter Maria Schell schon 2005. Auch über die zieht Relin her: «Meine Mutter in ihrer dämlichen Männerverehrung hatte die pädophilen Neigungen sozusagen gefördert.»

Relin hatte ein paar frühe Rollen, dann machte sie Pause, um bei hochwertigen Filmen wie «Rosamunde Pilcher – Das Geheimnis der Blumeninsel» aufzutreten. Sie hatte es schon 2011 mit «Meine Schells: Eine Familie gesucht und mich gefunden» probiert. Wurde nicht gerade zum Bestseller.

Nun also diese Nummer. Die klare Nummer eins beim «Blick».

La, La, Läderach

Wie schlägt sich Johannes Läderach im kleinen Orkan?

Klarer Fall für Krisenkommunikation. Es war ein Sturm mit Ansage. Spätestens, als die SRG Vater Läderach mit Vorwürfen konfrontierte, an der evangelikalen Privatschule «Domino Servite» habe es Gewalt gegen Zöglinge gegeben und gar einen Vergewaltigungsfall unter Schülern, wusste CEO Johannes Läderach, dass sich Gewitterwolken zusammenballten. Und konnte mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Vergangenen Donnerstag schlug dann der Blitz ein, die Doku wurde ausgestrahlt. Inzwischen zählt das SMD (Stand Montagmittag) bereits 274 Treffer für das Stichwort Läderach. Natürlich sind sehr viele Doubletten dabei, weil die Schweizer Medienszene überwiegend aus Kopfblättern von Tamedia und CH Media besteht, in denen jeweils die gleiche Einheitssauce auf die Leser geschüttet wird.

Am Donnerstag vermeldete SRF die Resultate einer zweieinhalbjährigen Recherche. Darunter diese Aussage eines M.: «Er sei dabei gewesen, als Jürg Läderach seine Mitschüler mit seinem Gurt gezüchtigt habe, erzählt M, der anfangs 2000 auf dem «Hof Oberkirch» zur Schule ging.»

Dagegen steht: «Jürg Läderach dementiert. In einer eidesstattlichen Erklärung lässt er notariell festhalten, dass er «niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder anderweitig misshandelt habe»

Das ist die Ausgangslage. Unbestritten ist wohl, dass es in der Schule zu Schlägen und körperlichen Bestrafungen kam; wieweit Sexuelles dabei eine Rolle spielte, ist unklar. Umstritten ist hingegen, ob Läderach Senior selbst auch geschlagen hat, wobei zumindest klare Indizien darauf hinweisen, dass er von körperlichen Züchtigungen wusste.

Nun ist die Firma Läderach nicht irgendwer, sondern Arbeitgeber von rund 1800 Angestellten, laut Aussage des aktuellen CEO und Sohnes des im Feuer stehenden Läderach. Zwei Produktionsstandorte, weltweit 140 Läden, ein Schoggi-Museum in Bilten, für 50 Franken kann man eine geführte Tour inkl. Degustation, Schokoladenbrunnen und selbstdekorierter Schokolade buchen. Umsatz rund 180 Millionen Franken im Jahr. Ein Zwerg im Vergleich zu Lindt & Sprüngli (rund 5 Milliarden Franken Umsatz), aber immerhin.

Also ging es am Donnerstag los: «Happige Vorwürfe gegen Ex-Schoggi-König Jürg Läderach», titelte Tamedia flächendeckend. ««Kinder gezüchtigt»: schwere Vorwürfe gegen Chocolatier Jürg Läderach», echote der «Blick». Etwas gemässigter die SDA: «Vorerst keine Untersuchung von Christlicher Privatschule». Auch CH Media stimmt in den Chor ein: «Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chocolatier Jürg Läderach: Auch er soll «Domino Servite»-Schüler gezüchtigt haben

Dann natürlich der Sektenexperte, Fragen nach der Auswirkung auf das Image, wie steht es mit der Partnerschaft mit dem Zurich Film Festival (ZFF). Eher ausgewogen neutral meldete sich die NZZ mit etwas Verspätung zu Wort: «Vorwürfe gegen Ex-Patron von Läderach».

Während das ZFF noch am Freitag tapfer zu Läderach stand, machte es am Samstag kehrtum und beendete die Zusammenarbeit mit der Schokoladenfirma.

Das war die Ausgangslage. Es war völlig klar, dass sich CEO Läderach zwischen zwei Optionen entscheiden musste, nachdem er in einer ersten Stellungnahme die Distanz zwischen Firma und Vater betont hatte und dass die dritte Generation Läderach «keinerlei Verbindungen zu der Kirche» mehr habe.

Entweder es dabei bewenden lassen, Kopf einziehen und abwarten, dass auch dieser Sturm – wie alle anderen auch – mal vorbeigehe. Oder offensiv werden und sich in der Sonntagspresse melden. Auch da ist die Auswahl sehr überschaubar. SonntagsBlick kam eher nicht in Frage, keine angemessene Plattform. NZZaS wäre natürlich eine Option gewesen, aber offensichtlich konnte man sich nicht über die Rahmenbedingungen einigen.

Also kam Rico Bandle von der SoZ zum Handkuss, das grosse Interview. Über die Entstehungsgeschichte, die Vereinbarungen und Absprachen ist natürlich nichts bekannt. Es war aber sicherlich nicht so, dass sich Bandle und Läderach bei einer Schokolade zusammensetzten, dann drückte er auf die Aufnahmetaste, und los ging’s. Dafür stand für Läderach zu viel auf dem Spiel.

Also wurden sicherlich die Themengebiete abgesteckt, die Grenzen der Veränderung bei der Autorisierung auch. Ob das Interview mündlich oder gleich schriftlich geführt wurde, weiss man auch nicht. Auf jeden Fall sind entscheidende Antworten von einer eleganten Glätte, die es fast ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein gestresster Läderach sie so druckfertig äusserte.

Am Samstag hatte noch Tamedia nachgelegt: «Läderach und der Reputationsschaden». Ein vermeintlich schlauer «Marketingexperte» gab Flachheiten zum Besten: «Es ist nun wichtig, dass Läderach proaktiv das Vertrauen bei den Kunden und Geschäftspartnern raschmöglichst wiederherstellt.» Wie er das anstellen soll – vielleicht mit Gratis-Schoggi für alle? – verrät das Marketing-Genie aber nicht.

Aus dem fernen Peru meldet sich Pensionär Alex Baur markig in der «Weltwoche» zu Wort: «SRF betreibt mit dem Läderach-«Dok» Kloaken-Journalismus übelster Machart.». Da ist ihm beim Schreiben etwas die Klobürste in den Weg gekommen.

Dann also Läderach im Interview. Der beste Satz: «Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Im Niveau etwas liefergelegt machte sich dann auch Reza Rafi, der Mikrofonhalter vom SoBli, so seine Gedanken. Er verwies auf den Fall der Pastamarke Barilla, deren Patron gesagt hatte, dass er niemals mit einem homosexuellen Paar einen Werbespot drehen werde. Er unterschätzte etwas den Aufschrei und musste zu Kreuze kriechen und viel Geld für Schadensbegrenzung ausgeben. Und einen Spot mit einem lesbischen Paar drehen.

Was hat das mit den aktuellen Problemen von Läderach zu tun? Genau nix. Macht nix.

Am Montag war das Thema immer noch so heiss, dass es über 50 Treffer für Läderach im SMD gibt. Es wird allerdings weitgehend an alter Schokolade gelutscht. Das ZFF stellt die Zusammenarbeit ein, der Läderach-Sohn büsse für angebliche Taten des Vaters, «Inside Paradeplatz» will wissen, dass er weiter «mit umstrittenem Vater» geschäfte.

Baur legt in der WeWo noch einen drauf: «Die von SRF befeuerte Cancel-Orgie tritt so ziemlich alles mit Füssen, was uns seit der Aufklärung heilig sein sollte. Sie setzt auf Sippenhaft, hetzt gegen religiöse Minderheiten und verstösst gegen die Unschuldsvermutung. Mehr Verlogenheit, mehr Doppelmoral ist kaum noch möglich.»

Gegen den Strom schwimmen muss nicht immer zielführend sein.

Der «Blick» zieht einen weiteren «Reputationsexperten» aus dem Hut: «Die Marke ist stark beschädigt.» Vielleicht, weil sie nicht «proaktiv» vorgeht. Woher er das wissen will, wie er das misst: das bleibt Amtsgeheimnis.

Geradezu brüllend komisch ist die Schlusspointe im «Blick»: «Bleibt die Frage, ob allein der zu erwartende Umsatzrückgang in der Schweiz reicht, damit sich die Firma klar und deutlich von den Ansichten und dem Verhalten der Familie distanziert.»

Abgesehen davon, dass sich der aktuelle CEO bereits überdeutlich von den Ansichten seines Vaters distanziert hat: die Firma gehört der Familie, bzw. CEO Johannes Läderach  …

Ob Schokoladessen schlau macht, Christian Kolbe?

Ach, und das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern, die in den Kakaofarmen in Westafrika schuften müssen, denen Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die misshandelt werden, auch missbraucht – in all den rund 300 aufgeregten Artikeln zum Thema kein Wort dazu. Das ist echt erbärmlich.

 

 

 

Eine überfällige Rubrik

Tata, ZACKBUM hebt aus der Taufe: die Leserverarschung.

In dieser Rubrik werden künftig in unregelmässigen Abständen wunderschöne Beispiele aus dem Schweizer Mediensumpf aufgespiesst; meistens erklären sie sich selbst oder durch einen angefügten Kurzkommentar.

Zum Einstieg:

Ein Angebot von «Blick+» für zahlungswillige Leser. Das ist offenbar so gut, dass es inzwischen fast eine Woche lang zuoberst in der Rubrik «Politik» beim «Blick» steht. Man sieht mal wieder: politisch ist in der Schweiz selbst im Wahlkampf nichts los. Jedenfalls in diesem Organ.

Das hatte schon so einen Bart, als der «Tages-Anzeiger» noch Schwarzweissfotos druckte. Der wichtigtuerische Aufruf an einen Politiker, einen Wirtschaftsführer, einen Trainer, einen Chef, an wen auch immer, irgend was zu «übernehmen». Das geht zwar dem Adressaten wie auch den Leser schwer am hier titelgebenden Körperteil vorbei. Aber der Journalist fühlt sich wenigstens einen Moment lang bedeutend. Sollte man ihm aber nicht gönnen.

Luzi Bernet, der abservierte Chefredaktor der NZZaS, hat den Schoggi-Job (oh, darf man ds noch sagen?) – Italien-Korrespondent der NZZ mit Sitz in Rom – gefasst. Natürlich nicht für das politische Tagesgeschäft, mehr so für das Spezielle und Schöne im Leben. Gut, auch Lampedusa und die Flüchtlingspolitik spielen eine Rolle, aber auch die zwei Intendanten der Oper von Neapel. Oder Schmonzetten wie «Räuber bringt gestohlenes Auto mit Brautkleid zurück». Oder eben das x-te Interview mit Saviano.

Diese aus «People» abgeschriebene Meldung bestätigt das Vorurteil, dass ein Gratisblatt wie «20 Minuten» halt auch nichts wert ist.

Natürlich gibt es ein digitales Blatt, das immer locker einen drauflegen kann. Passend zur Meldung aus der Welt der Schokolade ein Promotext von Fairtrade auf «watson», wie das Label Max Havelaar honduranischen Kaffeebauern helfe. Auch dazu gäbe es eigentlich einiges Kritisches zu sagen. Aber das wäre ja, pfuibäh, mit Recherche verbunden.

Schliessen wir mit dem Dreierschlag eines Blatts, das wir viel zu wenig berücksichtigen: Die «Südostschweiz». Ein Sonntagsquiz über Schlafen, eine launige Kolumne des CEO Masüger (dem halt keiner reinreden darf), und schliesslich eine Umfrage der Woche mit dem etwas kryptischen Titel «Ihr habt eure Nachbarn gern, aber verfolgt nicht die Uefa Champions League». Irgendwie ticken die Südostschweizer anders als der Rest der Welt.

 

Versager 2

«Ich war schon bei Tyson auf dem Sofa». Das sagt alles.

Nein, nicht ganz. Das sagt der neue «Head of Sports». Hä, Head of? Head off? Kopf ab? Nein, keine Scherze, er ist ja nur einer von vielen neuen Häuptlingen. Denn beim ehemaligen Boulevardblatt «Blick» wimmelt es nur so von Heads. Und Officers.

Eine unvollständige Liste: Chief Content Officer Steffi Buchli. Chief Digital & Distribution Officer Sandro Inguscio. Dann haben wir den Head of Newsroom, dann hätten wir noch das «audiovisuelle Production Center», gesucht wird noch ein Head of Storytelling. Das ist alles etwas verwirrlich, deshalb gibt es natürlich auch noch einen Head of Newsroom Coordination. Head of Blick.ch, schliesslich gibt es noch neu das Ressort Desk, wohl ohne Head.

Head of Product & Innovation Newsroom, Head of Product/Quality, Head of Growth Management, Head of Heads, Heads of Officers, Chiefs of Heads, da schwirrt einem der Head, Pardon, Kopf.

Man kann sich jede Menge Slapstick vorstellen, wie diese Heads, Officers und Chiefs die Köpfe zusammenstecken und herauszufinden versuchen, was dieser Scheiss eigentlich soll. Denn das muss sie sagen, und das glaubt nicht mal Steffi Buchli selbst:

«Ich freue mich auf starke Charaktere und maximale Fachkompetenz. Damit ist die Basis gelegt, um die besten multimedialen Geschichten zu erzählen und unsere Inhalte auf ein noch höheres Level zu hieven.»

Noch höher? Also die Köpfe in den Wolken? Wahrscheinlich hat es der «Blick» endlich geschafft, denn es gibt ja noch so etwas Altmodisches wie Chefredaktor SoBli, sein stellvertretendes Investigativ-One-man-Team und jede Menge weiterer Häuptlinge. Was geschafft? Die Idealvorstellung jedes Versagers in oberster Position, der sein Versagen durch unablässiges Rumschrauben an Organigrammen verstecken möchte: endlich gibt es mehr Häuptlinge als Indianer.

Der grösste Vorteil ist aber: wer Head ist, kann auch einen Kopf kürzer gemacht werden. Wer Officer ist, wer Chief ist, kann an etwas schuld sein. Denn eines ist klar: die oberste Chefin ist an überhaupt nichts schuld. denn auch sie ist dank Dreifachbonus unkaputtbar.

Also, ein kräftiges «head, head, hurra!» Wir warten sehnsüchtig darauf, die ersten Inhalte auf noch höherem Level geniessen zu dürfen. Wir warten. Wir warten und warten und warten und hoffen, dass unsere Lebenserwartung dank neuer Erkenntnisse auf weit über 100 Jahre gesteigert wird. Denn dann warten wir noch immer.

Zuvor stellen wir uns aber kurz die Entstehung eines Inhalts auf noch höherem Niveau vor.

Indianer: «Ich habe von der Polizei gehört, dass da einer seine Frau und seine Kinder umgebracht hat. Und seine Katze. Und dann sich selbst.»

Head of Sports: «Ich bin dann mal weg

Head of Newsroom Coordination: «Okay, ich übernehme dann mal.»

Head of Blick.ch: «Online first, ich übernehme dann mal

Head of Newsroom: «Das entscheide immer noch ich, okay

Chief Content Officer: «Kann ich mal kurz gebrieft werden? War gerade an einer Sitzung mit der Geschäftsleitung.»

Chefredaktor SoBli: «Wir übernehmen die Hintergründe, ich setze sofort mein Investigativ-Team dran.»

Head of Investigativteam: «Ich recherchiere gerade eine Story über den Griff ins Kässeli beim Gesangsverein Alpenglühn Unterentfelden, keine Zeit

Head of Product/Quality: «Das sollte sich doch der Head of Storytelling mal anschauen. Ups, das Ressort ist ja noch kopflos.»

Indianer: «Wenn ich auch etwas sagen darf …»

Alle Heads im Chor: «Schnauze, siehst du nicht, dass wir hier arbeiten?»

Indianer: «Ich wollte aber nur …»

Alle Heads im Chor: «Wenn du nicht unter Artenschutz stehen würdest, wärst du gefeuert

Indianer, tapfer: «Ich wollte nur sagen, dass «20 Minuten» die Story gerade online gestellt hat.»

Du kannst nicht …

«Blick» und Bibel: teuflische Mischung.

Das Blatt der Frömmigkeit und stillen Andacht hatte mal eine Idee. Das ist löblich. Einer der vielen Häuptlinge des Blatts mit Regenrohr im Logo kriegt sich vor Stolz darüber gar nicht ein:

«Der höchste Massstab des Christentums sind die zehn Gebote. Der Rest war Handwerk, geleitet vom einfachen, einprägsamen Sprachduktus der Bibel. So kam es, dass die zehn Gebote heute an den Kiosken präsenter sind als in manchen Kirchen.»

So salbadert Andreas Dietrich auf «persönlich.com». Und so sieht das Wunderwerk aus:

Nun ist das mit den 10 Geboten natürlich auch so eine Sache. Es gibt zum Beispiel verschiedene Versionen. Vom lutherischen kleinen Katechismus über den Katechismus der katholischen Kirche und der evangelischen. Die unterscheiden sich nicht grundlegend, aber doch in mehr als Nuancen.

Offenbar hat sich der «Blick» weitgehend an die katholischer Version gehalten, mit Ausflügen ins Lutherische. Aber gut, das ist ja okay, damit jedes Gebot auf einer Zeile Platz hat, denn es gibt ja auch weltliche Zwänge.

Nun ist es aber eher blöd, dass in den zehn Geboten keine Rede von sexuellem Missbrauch an Kindern ist. Also kann in diesem Sinn die Kirche schlecht «ihre eigenen Gebote verhöhnen». Das ist zwar eine starke Ansage, sie liegt aber höchstens im Streubereich der Wahrheit.

Das ändert natürlich nichts an diesem Skandal, der allerdings in Fortsetzungen die Geschichte der katholischen Kirchen seit Jahrzehnten begleitet.

Die Wurzel des Übels liegt bekanntlich in dem Zölibat, also der sexuellen Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit von Gottesmännern. Auch das ist eine komplizierte Geschichte; einige Jahrhunderte lang durften Priester zum Beispiel nach der Weihe nicht mehr heiraten, vorher war aber okay. Oder es war die Wiederverheiratung untersagt.

Erst so um 1135 wurde dann dekretiert, dass Priester ehelos zu leben hätten. Das hatte den grossen Vorteil, dass Erbschaften an die Kirche als Geschenke für Gott angepriesen werden konnten, da ja Priester selbst nichts an Nachkommen vererben könnten.

In der Bibel gibt es dieses Gebot nicht, es wird aus der unklaren Formulierung «um des Himmelreichs willen» oder aus dem unverheirateten Leben von Christus abgeleitet. Wobei die Rolle von Maria Magdalena in seinem Leben eher unklar bleibt.

Dazu gibt es unzählige auslegungsfähige Bibelstellen im Neuen Testament. Also auch eine komplizierte Kiste.

Wie steht es nun aber mit sexuellen Beziehungen zu Minderjährigen? Da gibt es immerhin eine klare Aussage von Jesus: «Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.» (Matthäus 18,6).

Feinsinnige Kirchenmänner könnten nun natürlich einwenden, dass sich das nur auf getaufte Christenkinder beziehe. Ausserdem musste natürlich noch ausgelegt werden, was alles unter «zum Bösen verführt» zu verstehen ist, ausser der Abfall vom Glauben.

Also ist alles mal wieder ein wenig komplexer, als es der plötzlich fromme «Blick» darstellen kann. Der ja überhaupt ganz handzahm geworden ist:

Screenshot «Blick».

Ist es unchristlich, darauf hinzuweisen, dass wohl auch so mancher Gottesmann mit irdischem Vergnügen jeweils auf die Seite drei wartete? Wo er jahrelang so belohnt wurde:

Womit ZACKBUM natürlich keinerlei religiösen Gefühle verletzen möchte … Wie schrieb «Blick» zur Abschaffung launig: «Früher war ein BLICK ohne Seite-3-Girl undenkbar. Die Zeiten haben sich geändert: Heute sollen andere Themen die Leser scharfmachen.» Das, muss man leider sagen, gelingt eher schlaff …

Grosse Portionen Geheucheltes

Linke sind ziemlich schamlos.

Ihr Problem besteht häufig darin, dass sie sich als geübte Intellektuelle fast alles schönschwatzen können. Gelenkig machen Sie aus Weiss Schwarz oder umgekehrt. Lösen Widersprüche auf, quatschen Rundes eckig. Oder Eckiges rund.

Da protestiert ein Klimakleber auf Strassen und am Flughafen. Um dann für seine wohlverdienten Ferien nach Mexiko zu fliegen. Privatreise. Zu seinem Prozess schwebt er aus London ein. Dienstreise. Der Mitarbeiter der Hilfsorganisation Swissaid Marc Ummel verfasst mit Fehlern gespickte Goldreports. Für satte 10’000 Franken Salär im Monat, über viele Monate hinweg.

Da fliegen die beiden Möchtegern-Grosspolitiker Wermuth und Molina für ein Selfie nach Berlin, obwohl sie gerne innereuropäische Flugreisen an solche mit der Bahn erreichbare Ziele verbieten wollen. Wäre dann wohl kein Problem für sie, zur Not tut’s der Privatjet.

Die aufrechte Kämpferin gegen Hass und Hetze Meret Schneider wird auf X mal für Mal gesperrt. Zuletzt widerruflich, um dann doch wieder aufzutauchen. Denn ihren angeblichen Humor oder Sarkasmus versteht auch nicht jeder. Sie sei halt mit «unkonventionellen Äusserungen» aufgefallen, redet das Tamedia schön. Man möchte nicht wissen, wie das Blatt schäumte, wenn ein SVP-Politiker solche Tweets absetzte.

Gerade die Grünen sind ein Nest von Heuchelei, Opportunismus und Wendehalsigkeit. Neuerdings sprechen sie sich gegen Solarkraftwerke in den Alpen aus. Aber das ist nicht mal das Schlimmste. Der Obergrüne Bastien Girod gehört zu den vielen Gut- und Besservdienern, die Wein saufen, aber Wasser predigen. In seinem gut bezahlten Job bei «South Pole» kam er ins Kreuzfeuer der Kritik – was er cool abtropfen liess.

Sein Nationalratskollege Balthasar Glättli kommt zusammen mit seiner Gattin auf ein nettes Einkommen von rund 300’000 Franken im Jahr. Dafür verspricht er aber auf seiner Webseite grosse Transparenz, vorbildlich. Seine Lohnausweise von 2012 bis 2018 (nachher leider nicht) habe er aufgeschaltet, transparenter geht’s nicht. Doch; denn wer auf den Link klickt, landet hier:

Macht ja nix, auf jeden Fall könnte sich Glättli glatt eine Mietwohnung im Besitz des grünen Stadtrats Daniel Leupi leisten. Einerseits verwaltet der als Finanzvorstand der Stadt Zürich das städtische Immobilienwesen. Bekanntlich ist es eine Sauerei, die von vielen linken Politikern beklagt wird, dass die Wohnungen in den Städten für den Normalverdiener unbezahlbar werden – auf dem freien Wohnungsmarkt.

Andererseits muss sich auch ein gut verdienender Stadtrat um seine Altersvorsorge kümmern. So begründet Leupi, dass er eine 5,5-Zimmer-Wohnung im nicht wirklich hippen oder zentrumsnahen Wollishofen für schlappe 5080 Franken vermietet. Immerhin: Nebenkosten inklusive.

Da laut allgemeiner Forderung der Mietzins nicht mehr als ein Drittel des Einkommens wegfressen soll, ist diese Wohnung also ideal für die Leichtlohngruppe von 15’000 Franken aufwärts. Der Mietzins sei zwar «hoch», räumt Leupi auf Anfrage des «Blick» ein, aber doch auch «branchenüblich und gerechtfertigt». Schliesslich habe er seine Liegenschaft mit insgesamt drei Wohnungen 2011 totalsaniert, das muss natürlich bezahlt werden, auch noch 11 Jahre später.

Oder nach Leupi: «Somit muss ich auch sicherstellen, dass ich die getätigten Investitionen über meine Zeit im Stadtrat refinanzieren kann. Jeder Hauseigen­tümer handelt so. Alles andere wäre fahrlässig und kann in den Privatkonkurs führen.»

Natürlich wünschen wir ihm keinesfalls einen Privatkonkurs, Himmels willen. Allerdings wünschen wir all diesen unsäglichen Heuchlern die Abwahl, denn sie desavouieren mit ihrem Gebaren durchaus edle und erstrebenswerte Ziele. Denn wer glaubt da noch an links-grünes Gequatsche von sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz?

 

 

 

«Blick», Blick, Blick

Es gibt Organe, wo Buchstaben eigentlich nur stören.

Daher die Gelegenheit für eine neue Folge unserer beliebten Fotoromanza. Als Materiallieferant kann es natürlich nur einen geben. Das Organ mit dem Regenrohr im Logo, logo.

ZACKBUM dachte, es handle sich um eine Reklame für Haarwuchsmittel.

Aber, schluchz: die Ideen sind hinter der Bezahlschranke verborgen; schockierend. Dabei ist es nicht mal eine «Blick»-Eigenleistung. Der Text stammt von der «Handelszeitung». Aber auch dort, heul, kann man die Ideen nur lesen, wenn man ein Abo löst. Wir könnten sie hier verraten. Tun wir aber nicht, ätsch.

 

Gut, auch die Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen im Newsroom haben es nicht leicht. Daher schreiben sie nur ganz klein, dass dieser fiese Trick in Wales stattfindet.

Hier nun eine originelle Lösung für das alte Problem: wie bebildere ich ein mildes Erdbeben? So:

Vielleicht hätte es der «Blick» bei dieser Bebilderung bewenden lassen sollen, denn dieses Trümmerteil von Text, zudem abgeschrieben, erfreut den Leser nicht wirklich:

«Wie die italienische Zeitung «Corriere del Mezzogiorno» berichtet, sei das Beben in ganz Neapel spürbar gewesen. Menschen strömten auf die Strasse, Trümmerteile stürzten von Häusern herab und es kam zu Stromausfällen.»

Wir wussten es doch: in Neapel leben die Italiener in Trümmerhäusern.

Und gleich noch ein Dreierschlag der guten Unterhaltung:

Wenn Ermotti und die UBS den «Blick» nicht hätten, die nächste Bankenkrise wäre vorprogrammiert.

Jetzt wird es einen Moment lang ganz ernst, denn hier packt ein Soldat Militärgeheimnisse aus:

Es ist nicht bekannt, ob er nach diesem Verrat standrechtlich erschossen wurde.

Wollen wir mit diesem Dreierpack an überzeugenden Argumenten aufhören, wieso man unbedingt ein «Blick+»-Abo lösen sollte?

Nein, das wäre zu deprimierend. Also hören wir damit auf. Ist zwar bezahlte Werbung, aber dennoch das Lustigste auf der «Blick»-Homepage:

Und bevor einer fragt: nein, der «Blick» kommt hier nicht vor. Warum eigentlich nicht?

 

«20Min» ist der neue «Blick»

So geht Boulevard. Tamedia macht’s Ringier vor.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Der «Blick» wurde enteiert und seines Markenkerns beraubt. Leser mit Entzugserscheinungen haben nun einen rettenden Hafen gefunden:

«Töchter bei BDSM-Sessions gefesselt? Jetzt spricht der Stiefvater». So macht man das. Nur noch leicht optimierbar; dass BDSM die Abkürzung für «Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism» ist, dürfte wohl nur Anwendern dieser Praktik bekannt sein. «Perverse Sexspiele» heisst das im gepflegten Boulevard.

Auch der nächste Dreierschlag auf der Homepage ist bester Boulevard:

Geht da noch einer? Klar:

Aber auch ernste Themen kann «20 Minuten»:

Natürlich darf die Abteilung «jöh» und Lebenshilfe nicht fehlen:

Aber auch die Politik und die Wahlen kommen kurz und knackig:

Sex-Ratgeber, da bist du, warst du:

Und noch eine Kategorie, die auch anderen Medien gut anstünde:

Muss man nicht wissen, ist aber gut zu wissen. Es kann dann auch nicht alles gelingen:

Uralt-Sonnenbrillenmodelle, rezykliert und für 200 Franken aufwärts, na ja. Der Dicke mit der merkwürdigen Frisur als Trendsetter? Wunderbar. Nur sollte man dann den Titelbalken nicht über seinen Trend legen, denn das unförmige Jacket und die zerknitterten Hosen sind’s nicht, sondern das hier:

Nach unten schauen, ganz nach unten. Genau, Fischersandalen heisst das, weil da das Wasser rein und auch wieder rauslaufen kann. Was uns der nordkoreanische Diktator damit sagen will, das entzieht sich allerdings der rationalen Analyse, genau wie die meisten seiner Taten.

ZACKBUM ist begeistert. «20 Minuten» illustriert mal wieder ein Grundprinzip des Kapitalismus. Wenn ein Marktteilnehmer ohne Not und aus Dummheit ein Marktsegment aufgibt, nach dem Nachfrage existiert, kommt ein anderer und füllt die entstandene Lücke.

Stellen wir dagegen die Front des Print-«Blick»:

Dafür wollen die tatsächlich 3 Franken. Ablöscher-Headline im abgenudelten «Darum wird ...»-Stil. Schon veraltete Stricker-Headline. Aufreger-Versuch mit dem «Wolfs-Massaker», Dragqueens, die den meisten Lesern dann doch am Allerwertesten vorbeigehen, der deutsche Bundeskanzler mit Augenklappe; ein Foto, das jeder schon überall gesehen hat, ein «Bild des Tages», oder auf Deutsch: ein Füller, wir konnten beim besten Willen nichts anderes zusammenkratzen und auf die Front klatschen.

Und schliesslich das missglückte Logo, das nicht mal durch Gewöhnung besser wird. Kein Knaller mehr, wie es sich für Boulevard gehören würde. Rechts ein unverständlicher Strich, das L als Regenrohr, fort mit allem Kantigen, so soll es angeblich weiblicher werden, was bekanntlich – neben dem grün-woken Intellektuellen, das Stammpublikum des «Blick» ausmacht.

So macht man das richtig:

Ach, und übrigens, das Original, das nur deswegen ungestraft abgekuppelt werden durfte, weil es ja im Hause bleibt, ist wie fast immer viel besser als die Kopie:

Ach, und während «20 Minuten» konsequent gratis ist und bleibt, setzt «Blick» neuerdings auch noch auf eine Bezahlschranke, hinter der Unbezahlbares versteckt wird. Unbezahlbar, weil wertlos.

«20 Minuten» müsste nur noch hier und da etwas nachschärfen und sich vielleicht überlegen, ob es die vornehme Zurückhaltung aufgeben wollte und in den Kampagnen-Journalismus einsteigen. Ja nicht mit Kommentaren und Meinungen, aber mit knackigen Wellen. Zum Beispiel: «Wir fordern gerechte Renten für alle». Aufregerthema, populistische Nummer, das könnte noch weiter Schub geben.

Auf diese naheliegende Idee ist das Blatt der einfachen Worte für einfache Menschen auch nicht gekommen, dafür aber «20 Minuten»:

Und nein, das ist kein «Paid Content»; ZACKBUM ist konsequent werbefrei wie die «Republik», hat aber weder Steuerprobleme noch einen Sex-Skandal am Hals.

 

«Blick» im Tal der Beliebigkeit

Wie macht man Boulevard ohne Boulevard?

10 Prozent. Minus. Die Auflage von «Blick» und «Sonntagsblick». Der «Blick» verkauft noch etwas mehr als 80’000 Exemplare. Bei Zahlen gibt es in der «Blick»-Familie nur zwei Varianten. Sie zeigen nach unten – oder bleiben geheim.

Einschaltquote bei «Blick TV»? Sendepause. Erfolg der Bezahlschranke «Blick+»? Geheim. Ein Bild sagt da mehr übers Elend als viele Worte:

Dafür soll im Ernst jemand zahlen? Wenn das «Das Beste» ist, man wagt sich nicht vorzustellen, was dann das Schlechteste von «Blick+» wäre.

Verunglücktes, aber schweineteures Redesign des Logos – eine Übung, die man immer macht, wenn einem nix einfällt; siehe Post, siehe Sunrise.

Ein erfolgreicher Oberchefredaktor: mit nebulöser Begründung in die Zwangsferien geschickt, dann ganz abgesägt. Als Nachfolge ein Duo mit Quotenfrau, die sicher etwas von Sport versteht. Der Chefredaktor des SoBli wirft das Handtuch und wird durch einen Mikrophonständer ersetzt.

Aber das alles könnte man noch zur Not als Begleiterscheinungen einer allgemeinen Medienmisere schönreden. Aber dann hätten wir noch den Inhalt, moderndeutsch Content. Die Marke «Blick» hat Jahrzehnte daran gearbeitet, für Boulevard zu stehen. Für grosse Buchstaben, bunte Bilder, Sex, Crime und Kampagnen. Für Aufreger, für Volkes Stimme, für die Artikulierung all dessen, wozu der Arbeiter, der Angestellte sagt: so ist es, endlich sagt’s mal einer.

«Blick» stand für: wir zeigen’s denen da oben. Wir sagen es einfach und klar. Wir halten im Zweifelsfall den feuchten Finger in den Wind und richten uns danach, was Volkes Stimme so murmelt, um das als Lautsprecher weiterzutransportieren.

Natürlich hatte der «Blick» schon früher, nach den gloriosen Zeiten von Peter Übersax, kleinere Schwächeanfälle. Unvergessen die Einrichtung eines «Feuilletons» für den lesenden Lastwagenfahrer. Dann gab es den Flop «Blick Basel», aber seit der Einfluss des Hausgespensts Frank A. Meyer schwindet, sind solche Merkwürdigkeiten nicht mehr vorgekommen. Der Leser muss nur noch seine wöchentliche Kolumne überblättern.

Viel gravierender ist, dass dem «Blick» der Markenkern zerstört worden ist. Die oberste Verantwortliche mit extrabreiter Visitenkarte, Ladina «Resilienz» Heimgartner, hat es in einem Interview gnadenlos auf den Punkt gebracht:

«Wir nennen es nicht mehr Boulevard. Wir verstehen uns als Newsplattform, die schnell ist und auch komplexe Themen sehr einfach erklären und erläutern kann. Dabei stellen wir immer den Menschen ins Zentrum – das macht uns aus, dafür stehen wir.»

Dazu gebe es hinter der Bezahlschranke viel Service und Ratgeber – obwohl das Internet vor Gratis-Ratgebern geradezu platzt.

Man kann versuchen, aus Twitter X zu machen. Das geht, wenn der Markenkern von Twitter erhalten bleibt. Man kann einen Namen ändern, wenn er verbrannt ist. Aber ein Geschäftsmodell, eine USP, einen Markenkern, durchaus auch ein Erfolgsmodell ohne Not ändern – das ist fatal.

Das verunsichert den Leser und den Inserenten. Ständige Wechsel in der Führungsetage – ohne Erklärungen – verunsichert die Redaktion. Als Leser statt verstanden belehrt werden, statt kritisch die Mächtigen begleiten eine Standleitung zur Regierung haben, statt die Vorteile des Boulevard auszuspielen, kastrierte woke Storys abliefern: das ist alles das Gegenteil von richtig.

Dazu kommt noch Intransparenz. Die Ergebnisse der gross angekündigten Untersuchung gegen den scheibchenweise gekillten Oberchefredaktor Christian Dorer: bleiben geheim. Wie die «Blick»-Familie mit diesem Personal und dieser obersten Verantwortlichen aus der Abwärtsspirale herausfinden will: geheim. Wie der «Blick» weiterhin erfühlen will, was in der Bevölkerung so vorgeht, nachdem fast alle lokalen Korrespondenten und altgedienten Boulevard-Journalisten entsorgt und durch Kindersoldaten im Newsroom ersetzt wurden: unbekannt.

Wie ein Ein-Man-Investigativteam mit einem Journalisten, der über seine eigenen Füsse stolpert, Skandale aufdecken und Aufreger produzieren will: nicht nachvollziehbar. Weinwissen und Tipps für Hobbygärtner, keine Sex-Beratung mehr, inzwischen berichtet selbst der Tagi boulevardesker als der «Blick»: das ist Desaster mit Ansage. Weiblich, grün und lieb – statt männlich, kantig und böse: den «Blick» so zu enteiern, das macht ihn zum Eunuchen. Zum Zombie. Zum komatösen Patienten auf der Intensivstation. Bis dann jemand die Geräte abschaltet.

Recht und Moral

Wenn Medien auf dem ungeordneten Rückzug sind.

Nehmen wir als exemplarisch den Kommentar von Michael Graber in den CH Medien: «Verfahren eingestellt: Das ist kein Grund zum Jubeln».

Die CH Medien, das muss gesagt sein, waren im Fall Till Lindemann zurückhaltender als die übrigen Medien der Schweiz. Bei Tamedia forderte ein Amok gleich die Absage von Konzerten von Rammstein in der Schweiz. Der NZZ rutschte heraus, dass Lindemann ein «Täter» sei. Und der «Blick» musste zu Kreuze kriechen, einen Artikel löschen und ein schleimiges Interview mit einem der Anwälte des Sängers ins Blatt heben. Kommt halt davon, wenn man sich mit jemandem anlegt, der mehr Geld hat als ein Journalist.

Wir fassen kurz zusammen: eine Frau legte mit unklaren Behauptungen Feuer an die Zündschnur, dann explodierte die übliche Beschuldigungsorgie. Entweder in den asozialen Medien oder aber in der Mainstreampresse, wo sich sogar Journalisten der «Süddeutschen Zeitung» oder des «Spiegel» nicht entblödeten, angeblichen Opfern von Lindemann eine Plattform für anonyme, wildeste Beschuldigungen zu bieten.

Davon animiert, wurden Strafanzeigen eingereicht. Eine von der Brandstifterin, dann noch weitere von gar nicht selbst Betroffenen, die aber dennoch furchtbar betroffen waren. Nun ist’s vorbei, und Graber behauptet kühn: «Die Rammstein-Welt ist wieder in Ordnung. … Alles vom Tisch. Die grosse Show kann weitergehen.»

Ist das so? Nein, anschliessend legt er den Rückwärtsgang ein: «In der ganzen Affäre gibt es eigentlich nur Verlierer. Beginnen wir mit der Selbstkritik: Ja, die Medien haben teilweise übermarcht.» Lustig, dass die Medien immer zunächst an sich selbst denken, nicht an das eigentliche Opfer dieser Hetze.

Dann kommt eine ganz üble Nummer: «Die Einstellung eines Verfahrens ist kein Freispruch. Es heisst, dass nicht genügend Beweise gesammelt werden können, die ausreichen würden, um ein richtiges Verfahren einzuleiten

Das ist ein wenig richtig und kreuzfalsch. Richtig ist, dass es kein Freispruch ist. Weil es den gar nicht braucht. Denn dieser Fall verröchelte bereits an der ersten Hürde der Strafverfolgung: dass überhaupt eine Strafuntersuchung begonnen wird. Wäre das der Fall, käme es dann allenfalls zu einer Anklage, dann zu einem Prozess, und schliesslich zu einem Schuld- oder Freispruch. Und dann würde es nochmal eine Weile dauern, bis das nach dem Instanzenzug rechtsgültig würde. Und bis dahin, selten so gelacht, würde die Unschuldsvermutung gelten.

Aber die ist in solchen Fällen längst durch die Schuldbehauptung abgelöst worden. Meistens haarscharf an der Grenze des Einklagbaren formuliert. Und sollte sich die als purer Rufmord, als Verleumdung, als unqualifizierte Übernahme und Publikation von unbewiesenen Behauptungen herausstellen, dann wird im Nachhinein gerechtfertigt, dass sich die Balken biegen.

«Wir sprechen hier nur von justiziablem Missbrauch. Also wenn eine Frau gefügig gemacht worden ist. Das System hinter der sogenannten Row Zero, bei dem Frauen vorgängig selektiert worden sind und später teilweise auch Lindemann zugeführt wurden, war nicht Teil der Untersuchungen. Auch darüber gab es Medienberichte.»

Und wenn es darüber Medienberichte gibt, dann entspricht das natürlich der Wirklichkeit. Weil die Medien nur und ausschliesslich überprüfte Tatsachen rapportieren. Für wie blöde hält dieser Graber eigentlich seine Leser?

Schliesslich kommt er unweigerlich zum Argument der Argumente: «Nur weil etwas rechtlich in Ordnung ist, muss es das nicht unbedingt auch moralisch sein.»

Immerhin, in diesem Satz kristallisiert sich die ganze Problematik. Denn er ist nicht zu Ende gedacht. Grundsätzlich ist er richtig. Alles, was nicht strafbar ist, ist erlaubt. Aber das bedeutet tatsächlich nicht, dass es auch moralisch-ethischen Massstäben einer zivilisierten Gesellschaft entspricht.

Nur: wer legt die fest? Wer darf das richten? Wer darf moralische Urteile, moralische Verurteilungen abgeben? Die Medienschaffenden? Ausgerechnet die Gesinnungsjournalisten, die Gutmenschen, die sich über alles erhaben fühlenden Schreiber in ihren Verrichtungsboxen im Newsroom? Deren Kenntnisse von Moral und Ethik, von moralischen Grundsätzen und deren Herleitung, von Immanuel Kant oder anderen Philosophen, vom Unterschied zwischen Gesinnungsethik oder Verantwortungsethik auf einer Nadelspitze Platz haben?

Ausgerechnet Journalisten, die eins übers andere Mal unter Beweis stellen, dass sie zu fast allem eine Meinung, aber von fast nichts eine Ahnung haben? Die dem Herdentrieb folgen, sich in jedes beliebige Framing ergeben, Narrative nachplappern, wenn die von Vorreitern vorgegeben werden?

Wie lachhaft. Überhaupt nicht lustig ist dann die Schlussfolgerung von Graber am Ende seines Kommentars:

«Am Ende gehen alle verwundet aus der Schlacht. … Die mutmasslichen/angeblichen (je nach Schwarz-oder Weiss-Schattierung ankreuzen) Opfer von Lindemann, die nun endgültig zur Internet-Hetzjagd freigegeben sind. Und, fast am wichtigsten: Alle Opfer von sexuellem Missbrauch ganz generell.»

Nun, wer eine Internet-Hetzjagd eröffnete oder fleissig an ihr teilnahm, muss sich dann nicht beklagen, wenn ihm das Gleiche passiert. Und die Opfer generell? Richtig, darin besteht diese bodenlose Schweinerei von Möchtegern-Opfern, die sich damit ihre vergänglichen 15 Minuten Ruhm abholen wollen, indem sie sich entweder selber als Opfer präsentieren oder Opfergeschichten weitergeben wie diese unsägliche deutsche Bloggerin, der ihre rufschädigenden Verleumdungen verboten werden mussten. So wie sie diversen Presseorganen verboten werden mussten.

Viel wichtiger als das ist die Tatsache, dass nur jemand, der über so viel Geld (und eine treue Fanbasis) wie Lindemann verfügt, einen solchen Sturm stehend überleben kann. Der Schweizer Ex-Chefredaktor, dem genauso übel mitgespielt wurde, hat schlichtweg das Geld nicht, um gegen den «Spiegel» weiter vorzugehen, der eine ganze Latte von nachweislich falschen Behauptungen veröffentlichte. Der «Spiegel» kräht nun Triumph, dabei hat die Schmiere über Anstand und Moral gesiegt.

Opfer sind die zu Unrecht Angeschuldigten, auf lange Zeit an Ruf und Ehre beschädigt, oftmals wirtschaftlich ruiniert, sozial geächtet, stigmatisiert und mit einem Makel behaftet.

Während sich die daran Schuldigen mit ein paar launigen Sprüchen («Ja, die Medien haben teilweise übermarcht») aus der Affäre ziehen können. Was fehlt, ist die völlig richtige Forderung des deutschen Juristen und Bestsellerautors Ferdinand von Schirach von allen Zinnen zu rufen und alles dafür zu tun, dass sie umgesetzt wird. Drakonische Strafen für alle Medienorgane, die falsche Anschuldigungen im Bereich «sexuelle Übergriffe» kolportierten.

Nein, das unterbindet nicht jegliche Verdachtsberichterstattung. Aber es zieht diejenigen zur Verantwortung, die bislang Existenzen vernichten können, dann mit den Schultern zucken und zur nächsten Hetzjagd weiterziehen.