Schlagwortarchiv für: Arthur Rutishauser

Alles Müller oder was?

Der Dritte im Bunde, Patrik Müller, ist auch aktiv.

Im Vergleich zu Tamedia geht’s im Wanner-Imperium recht ruhig und rumpelfrei zu. Obwohl man dort die neuste Runde des grossen Rausschmeissens einläutete. Das ist nicht zuletzt das Verdienst des dortigen Oberchefredaktors Patrik Müller. Der ist als einziger von der Trinität übriggeblieben. Arthur Rutishauser, Oberchefredaktor Tamedia, lupfte es über den Protest von hysterisch-erregten Tamedia-Frauen, die eine ganze Latte von anonymen und nicht belegten Behauptungen in die Welt setzten, über Sexismus und unerträgliche Arbeitsbedingungen.

Dann lupfte es Christian Dorer, Oberchefredaktor der «Blick»-Gruppe. Über ein nie genauer erklärtes angebliches Fehlverhalten. Die Ergebnisse einer «Untersuchung» wurden angekündigt, aber niemals veröffentlicht. Was nachkam, war in beiden Häusern kläglich.

Nur Müller hält sich, ging sogar als Sieger im Zweikampf mit Pascal Hollenstein, der publizistischen Leiter des Hauses CH Media, hervor. Dieser hatte sich zu oft als Sprachrohr für eine ehemaliger Zuger Politikerin hergegeben, die ständig öffentlich wiederholt, dass sie aus der Öffentlichkeit verschwinden will.

Müllers bislang ungetrübte Karriere kann auch darin ihren Grund haben, dass er recht flexibel ist, was seine politische Positionierung betrifft. Denn offensichtlich sind im Hause Wanner die Befürworter einer engeren Anbindung an die EU tonangebend. Diese Marschrichtung wurde von ganz oben schon vorgegeben.

Also interviewt Patrik Müller den Staatsrechtler Georg Müller, der überhaupt nichts von der Kompass-Initiative hält: «Die Kompass-Initiative – von einem Komitee lanciert, dem drei Milliardären angehören – gibt vor, die direkte Demokratie in der Schweiz zu stärken. Aber in Wirklichkeit wollen die Initianten verhindern, dass die Erweiterungen der Bilateralen Verträge mit der EU (Bilaterale III) zustande kommen

Wumms. Müller (der Staatsrechtler) lässt kein gutes Haar an der Initiative:

«… unnötige Ausweitung, welche den Entscheidungsprozess  verzögern, komplizieren und unsicherer machen würde … würde die Initiative die Handlungsfähigkeit der Schweiz einschränken … das macht die Initiative zu einem verzweifelten Versuch, die bereits laufenden Verhandlungen zu stören … die Rückwirkung der Initiative wäre verheerend. Eine solche Regelung könnte zu gravierender Rechtsunsicherheit führen».

Dann noch seine Schlusssalve: «Es liegt nahe, dass die Initianten auf einen Abschreckungseffekt setzen. Sie wissen, dass ihre Initiative rechtlich und praktisch problematisch ist, hoffen aber, damit die Verhandlungen über die Bilateralen III zu torpedieren. Sollte dies ihr wahres Ziel sein, wäre dies ein verantwortungsloses Störmanöver. Für die Wahrung der aussen- und wirtschaftspolitischen Interessen sowie für die Glaubwürdigkeit der Schweiz als Vertragsstaat wäre dies verheerend.»

Mit anderen Worten: die Initiative ist so ziemlich das Schlechteste, was jemals seitdem es das Initiativrecht gibt, auf die Rampe geschoben wurde. Von ein paar verantwortungslosen Milliardären, die eigentlich keine Ahnung von staatsrechtlichen Aspekten haben.

Dieser Meinung kann man unbenommen sein. Es wäre allerdings einem Chefredaktor durchaus angestanden, sich nicht nur als Stichwortgeber oder als Souffleur mit ein paar pseudokritischen Fragen aufzuführen. Denn an Staatsrechtler Müllers Philippika gibt es dermassen viele Schwachpunkte, sie enthält dermassen viele polemisch-demagogische Unterstellungen und Halbwahrheiten, dass sich hier ein munteres Streitgespräch hätte entwickeln können.

Müller hätte zum Beispiel fragen können, was genau die finanziellen Auswirkungen einer Übernahme von EU-Recht wären. Was die Gewinne, was die zusätzlichen Ausgaben durch die Anpassung an das Bürokratiemonster Brüssel.

Aber das hätte dann nicht ganz den Absichten des Besitzerclans entsprochen.

Ein cleverer Mann, dieser Müller (nein, nicht der Staatsrechtler).

Potz SoZ

Wie Tamedia wohl daherkäme, wenn man Rutishauser nicht abgesetzt hätte …

Das ist mal eine feine Rache. Der einzige Chefredaktor der Welt ohne Redaktion hat wieder eine «SonntagsZeitung» rausgehauen, die randvoll mit Lesespass ist.

Das fängt mit den Anrissen auf der Front an. Pistazie, warum nicht; Geschenke, das muss halt sein, und die Merkel-Autobiographie niedermachen, das ist ebenfalls nötig. Nun gut, ob man so viel über Meret Schneider wissen will, das ist die Frage. Aber niemand ist perfekt, nicht mal Arthur Rutishauser.

Sein Editorial ist mal wieder erste Sahne; er leitet unwiderlegbar die Prognose her, dass noch vor Weihnachten der Bundesrat verkünden wird, dass es eine Übereinkunft mit der EU gebe. «So kommt das Werk ins Parlament und dann vors Volk, und alle hoffen, dass es abgelehnt wird.» Grossartig.

Nicht minder gut ist der Hoffnungsschimmer als Aufmacher: «Woke wankt». Darauf hofft ZACKBUM auch schon seit Langem – bislang vergeblich. «Die Bewegung wurde immer schriller, gnadenloser», analysiert Bettina Weber, und das schürte schon lange die Hoffnung, dass sie ihren Zenith überschritten hat. Was aber bislang noch nicht passierte. Wer’s nicht glaubt, muss nur den Tagi aus dem gleichen Medienhaus lesen, wo nach wie vor Woke-Besoffene mit all der Begrifflichkeit hantieren, von «toxischer Männlichkeit» über «männlich gelesen» bis «cisgender», die in der SoZ in einem «Woke-Glossar» aufgespiesst werden.

Dann nimmt sich Adrian Schmid die starke Aussage von Elon Musk zur Brust: «Idioten bauen immer noch F-35». Was Brisanz dadurch bekommt, dass die Schweiz bekanntlich für 6 Milliarden Franken diese Idiotie kaufen will. Auch ein ETH-Professor gibt Musk recht: ««In absehbarer Zukunft werden Drohnen bemannte Kampfflugzeuge ablösen», sagt der Robotikexperte» Roland Siegwart.

Dann hat Rico Bandle einen neuen «Eklat an der Universität Bern» aufgedeckt. Nachdem dort das Nahost-Institut aufgelöst wurde, weil sich ein Mitarbeiter über das Hamas-Massaker vom 7. Oktober als «Geburtstagsgeschenk» gefreut hatte. Und von seiner Chefin Serena Tolino in Schutz genommen wurde – nicht zuletzt, weil die Äusserung von ihrem Mann stammte.

Zuvor noch lud es mit Geldern des Nationalfonds einen zum Islam konvertierten US-Professor ein, der mit mehr als schrägen Aussagen auffällt. Israel gehe in die Geschichte ein als ein Land, «das vor allem für seinen Genozid, seinen Rassenfanatismus auf dem Niveau des Dritten Reichs und seines religiösen Fanatismus bekannt ist, der den IS harmlos erscheinen lässt». Zudem ist er strikt gegen jegliche «LGBTQ-Ideologie», weil der Islam sowohl gleichgeschlechtlichen Sex wie auch Geschlechtsänderungen verbiete.

Dazu ein Verschwörungstheoretiker, der behauptet, Israel wolle mit dem Verbreiten von Krankheiten «den schlimmsten Völkermord seit dem Zweiten Weltkrieg» begehen. Als damals das Institut aufgelöst wurde, nicht zuletzt auch wegen Vetternwirtschaft, blieb aber die Institutsleiterin Tolino. Das müsste sich nach diesem Skandal wohl ändern.

Dass dann «SPONSORED Eine Anzeige von Südtirol» täuschend ähnlich wie eine redaktionelle Doppelseite daherkommt, nun ja. Dicht gefolgt von der «Publireportage Die Rolle der Milchkuh im Grasland Schweiz». Dargeboten von «swissmilk». Nun ja.

Dann hat Solarpionier Bertrand Piccard jahrelang bezahlte Promotion für die Firma PrimeEnergy gemacht. Was Tausende von Kleinanlegern im Vertrauen auf seine Expertise dazu brachte, dort Geld zu investieren. Das könnte nun futsch sein, denn PrimeEnergy ist Konkurs. Pleite. Bankrott. Und Piccard versucht sich damit herauszureden, dass es ihm leidtue und doch auch niemand Roger Federer einen Vorwurf mache, dass der für die untergegangene Credit Suisse Werbung gemacht habe.

Selbst das Ausland ist – dank David Pfeifer von der SZ und der Tickeragentur AFP – leidlich gut unterwegs, dazu noch das Tagi-Urgestein Martin Suter, der nicht wie all seine Kollegen eine Trump-Phobie hat, lesbar. Glücklicherweise sind hier nicht so Moralkreischen wie Oliver Meiler unterwegs, der nicht weniger als «die Welt» dazu auffordert, «nach Avignon zu blicken». Was die SoZ verdankenswerterweise nicht tut.

Dann die Seite mit Markus Somm und Gülsha Adilji. Aber mehr als «Die schlimmsten …» und «Die Juso setzen sich …» hat ZACKBUM nicht gelesen, so schüttelte es uns.

Wenn der «Wirtschaft» nun wirklich nichts einfällt, dann macht sie damit auf:

Oh je, ein Ratgeber auf dem «Blick»-Niveau. So geht’s dann auch weiter, bis immerhin Armin Müller den neuen Trend aufnimmt, dass «weniger Staat» und Schluss mit ungehemmt Schuldenmachen «wieder im Trend» sei. Dazu sagt natürlich auch der ehemalige Wirtschaftschef der NZZ Gerhard Schwarz etwas.

Schliesslich interviewt Christian Mayer den Bestsellerautor Robert Harris. Natürlich aus der SZ übernommen, und ob Harris wegen seines gerade erschienenen nicht wirklich starken Buchs «Abgrund» so viel Aufmerksamkeit verdient? Aber die «Kulturedaktion» von Tamedia ist wahrscheinlich mal wieder mit der Verteidigung des Gendersternchens ausgelastet.

Dann wird’s etwas Gerümpelturnier, bis eine Jubel-Reportage über das türkische Antalya im Winter die SoZ beschliesst. Aparte Fussnote: «Die Recherchereise wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und Tourismus-Agenturen». Recherchereise? Unterstützt? Selten so gelacht.

Kollektive Dummheit

Raumschiff Redaktion Tamedia: völlig losgelöst von der Erde …

Besteht die Redaktion des ehemaligen Qualitätsblatts «Tages-Anzeiger» ausschliesslich aus kleinen Major Toms? Wohl schon deswegen nicht, weil nicht einmal die sogenannte Kulturredaktion David Bowie noch kennt.

Aber Schmerz beiseite: wie bescheuert kann man denn sein? Bevor sich da jemand auf die Hinterbeine stellt und in typischer Realitätsblindheit fragt, wie ZACKBUM denn auf eine so beleidigende Frage käme: dagegen setzen wir zwei Zahlen.

78’107 und 213’738. Das ist nicht die Entwicklung des Gehalts der Chefredaktion zwischen 2008 und heute. Das war damals schon höher. Das ist die Entwicklung der Printauflage des «Tages-Anzeiger». In zeitlich umgekehrter Reihenfolge. Denn würden die Beteiligten gute Arbeit abliefern, wäre die Auflage heute höher als 2008.

Jetzt lassen wir mal alles Gedöns von Internet, Inserate, Arglist der Zeiten, allgemeine Krise, Leseunlust, Social Media, neue Informationskanäle und so weiter weg.

Ein Absturz der Auflage um 135’631 Exemplare – und lassen wir grosszügig die an Flughäfen und anderswo verteilten Gratisexemplare weg – ist ein Desaster. Eine Katastrophe. Seit 2007 ist Pietro Supino VR-Präsident von Tamedia, dann von TX. Seither heisst er vornehm «Executive Chairman».

Supino war auch von 2016 bis 2022 Präsident des Verbands Schweizer Medien. Obwohl er höchstselbst zum Griffel griff und in einem Kommentar (so viel zur strikten Trennung von Redaktion und Verlag) die Vergabe von einer Milliarde Steuergelder an reiche Medienclans befürwortete, schiffte das Vorhaben an der Urne ab. Dafür hatte nicht zuletzt die Ausschüttung einer Sonderdividende an den geldgierigen Coninx-Clan gesorgt.

Der Mann fällt auch immer wieder durch ruppige Eingriffe in die redaktionelle Freiheit auf, was auch nicht gerade zur Steigerung der Glaubwürdigkeit seiner Organe beiträgt.

Er schaut dem Wirken und Wüten einer oberhalb ihrer Liga spielenden Damenriege in der Führungsetage von Tamedia tatenlos zu. Was Jessica Peppel-Schulz, Raphaela Birrer und die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi hier anstellen, ist bodenlos. Visuell wird das durch das völlig verunglückte Redesign des Online-Auftritts sichtbar gemacht, nachdem sich der verantwortliche AD Knall auf Fall wieder nach Berlin abseilte.

Inhaltlich ist das Errichten von Paketverteilungsstationen, eine fürs Digitale, eine für Print, das wohl unsinnigste Newsverarbeitungssystem, das einem einfallen kann.

Inhaltlich sorgt diese Mitteilung für Lachsalven unter den verbleibenden Lesern:

«In eigener Sache. Die Trennung von Berichterstattung und Kommentierung gehört zu den Kernprinzipien unserer Redaktion.»

Ob das all die Losers, Toblers, Reichens, all die Genderstern-Apologeten, Trump-Hasser, Putingegner, also fast alle Journalisten, die die Zeilen füllen, von nah und von ferne aus München, auch mitgekriegt haben?

Wenn das zu den «Kernprinzipien» (was sind eigentlich die anderen?) gehören soll, dann ist diese Redaktion prinzipienlos.

Aber das alles erklärt restlos, wieso die Printauflage auf genau 36,54 Prozent der ehemalige Höhe abgesackt ist. Es erklärt aber nicht, wieso dieses Katastrophe keine ernsthaften Konsequenzen hatte.

Gut, Supino als Mitglied des Coninx-Clans ist unkaputtbar. Daran ändert auch seine Personalpolitik leider nichts. Einen Schwätzer wie Mathias Müller von Blumencron, diesen Digital Native, zum interimistischen Leiter Publizistik zu machen, wo er unter anderem die Totgeburt eines «Verkehrsmonitor» (abgekupferte Idee vom Berliner «Tagesspiegel») zu verantworten hatte, abenteuerlich. Eine Frau zum CEO vom schlingernden und lecken Schiff Tamedia zu machen, die bislang bei einem Lifestyle-Kleinverlag kurz Karriere machte, bis sie sich wieder in ein Sabbatical verabschiedete, abenteuerlich.

Zuschauen, wie die ein Jahr lang schweigt oder einen Avatar für sich sprechen lässt, um dann die wohl unsinnigste Neuordnung eines Medienkonzerns zu verkünden, mitsamt 90, ähm 55, ohalätz, 17, eigentlich 21 Kündigungen, absurd.

Den begabten Oberchefredaktor Arthur Rutishauser wegen des hysterischen Protests von 78 erregten Tamedia-Redaktorinnen und ihren unbewiesenen Behauptungen abzusägen und zum Chefredaktor ohne Redaktion zu machen, bescheuert.

Jeden Egotrip, jede Bauchnabelschau, jede strenge Zurechtweisung der Welt durch frustrierte und leichtbemittelte Schreiber (generisches Maskulin) zuzulassen, während alle, die können, das Weite suchen – tödlich.

Rücksichtslos das Grundprinzip des erfolgreichen Journalismus über Bord werfen «beim Schreiben an den Leser denken», das lässt den Begräbniszug Fahrt Richtung Grab aufnehmen.

Oder in einem Bild: Der Tanker leckt und tropft aus allen Löchern, die Passagiere springen wie Lemminge von Bord, im Maschinenraum tasten sich die Arbeiter nach Wehwehchen ab, statt zu heizen. Auf der Kommandobrücke herrscht wildes Durcheinander, der Kapitän hat sich zum Geldzählen in seine Kajüte zurückgezogen. Wer an Bord bleibt, wird für immer mieseren Service mit immer höheren Preisen abgezockt.

Dagegen war die Titanic eine zweckrational gesteuerte Veranstaltung, bei der der Kapitän immerhin mutig mitunterging. Das wird bei Tamedia nicht der Fall sein. Auch bei TX nicht.

Aber wenn dann beim Begräbnis Krokodilstränen vergossen werden, alle Verantwortlichen beteuern, dass sie alles versucht hätten, nichts dafür könnten, die Umstände, die Zeit, die Welt, der Klimawandel daran schuld seien, dann soll fürs Protokoll hier festgehalten werden:

Alles gelogen. Das Desaster ist hausgemacht. Es sind nicht die Umstände, es ist das krachende Versagen der Führung. begleitet von einem dissonanten Redaktionsorchester, wo jeder erste Ego-Geige spielen will und Publikumswünsche konsequent ignoriert werden.

Wumms: Arthur Rutishauser

Was der Tausendsassa so alles selber macht.

Zunächst ist er der einzige Chefredaktor der Welt ohne Redaktion, aber mit Blatt. So füllt er verbissen jede Woche die SonntagsZeitung aus der Restenrampe der demotivierten und dezimierten Tamedia-Redaktion. Und tut das viel besser als seine Kollegin Raphaela Birrer beim Hauptblatt «Tages-Anzeiger» plus Kopfsalat.

Dann schreibt er ein staatsmännisches Editorial zu den US-Wahlen, das von gelassenem Überblick zeugt. Während Birrer nachhaltig verstummt ist. Was hat denn die Oberchefredaktorin von Tamedia, die immer noch über eine Million Leser beschallt, zu einem nicht unwichtigen Ereignis zu sagen? In der Vergangenheit äusserte sie sich nicht immer glücklich zu Pipifax.

Aber seit der Ankündigung des Totalflops «neue strategische Ausrichtung» und einem Online-Redesign, das den Leser zu Hunderten in Wallungen bringt, schweigt sie eisern. Mal so als Chefredaktorin einige besänftigende Worte zu aufgebrachten Konsumenten, die das neue Erscheinungsbild online das Allerletzte finden? Wenigstens das übliche «nehmen die Bedenken ernst, werden weiterhin optimieren, verbessern, noch schöner, noch näher, noch Blabla»? Nein, nichts.

Als hätte sie Schreibstau.

Rutishauser hingegen wuppt nicht nur eine ganze Sonntagszeitung, die inzwischen sogar die NZZaS immer wieder abtrocknet, sondern er schreibt auch weiterhin wie ein Weltmeister einen Wirtschaftsartikel nach dem anderen.

Als wäre das nicht schon eine beeindruckende Leistung, trekkt er noch kurz durch die abgelegensten Gebiete von Pakistan.

Mit der Gelassenheit eines abgebrühten Reisereporters beschreibt er Pakistan als solches und noch einen abenteuerlichen Trip ins Hochgebirge in Sichtdistanz zu den gigantischen Bergen.

Und füllt auch hier locker zwei Seiten im Alleingang. Obwohl die Reise durchaus anspruchsvoll war: «Nicht wenige Passagiere schliessen wie ich die Augen, doch der Pilot setzt die Maschine routiniert auf die Piste neben das kleine Flughafengebäude.»

Auch körperlich verlangt sie einiges ab: «Und es wird anstrengend. Die Sonne brennt, es ist staubig, es geht steil aufwärts, aber noch fühle ich mich fit.» Auch gut dosierte Ironie hat Rutishauser im Gepäck: «Der Reiseleiter warnt, wir sollen uns mit einer Kopfbedeckung vor der Sonne schützen. Baseballkäppis sind etwas für Trump-Anhänger, denke ich und ignoriere die guten Tipps.»

Er hat’s überlebt: «Runter gehts am nächsten Morgen in einem Tag. Wie genau das Knie hier mitgemacht hat, weiss ich im Nachhinein nicht mehr. Man kann Schmerz ja auch ignorieren, sage ich mir jedenfalls, und irgendwann bin ich unten.»

Schmerz ignorieren, das ist ein gutes Motto fürs Überleben im Glashaus an der Werdstrasse.

Begleitet wurde das Trekking nicht nur von Reiseleitern, sondern sogar von einer Regierungsdelegation, die sich wohl nicht unberechtigte Sorgen um die Sicherheit der kleinen Gruppe von Reisejournalisten machte. Wäre denen was passiert, wäre die grosse Tourismus-Initiative ein Schuss in den Ofen geworden.

So resümiert Rutishauser am Schluss: «Ich glaube, es braucht die Liebe zu den Bergen, etwas Kondition und vor allem eine gute Portion Abenteuerlust. Wer das mitbringt, der ist hier am richtigen Ort. Ich bin jedenfalls froh, dass ich das Abenteuer gewagt habe

Dann kommt noch der übliche Abbinder: «Die Reise wurde unterstützt von Nature Tours». Unterstützt ist gut.

Beim Lesen von Rutishausers Abenteuern kommt einem aber der schreckliche Verdacht, dass vielleicht einige im Hause Tamedia gar nicht unglücklich gewesen wären, wenn er nicht zurückkäme. Aber auch diesen Gefallen hat er den Versagern in der Chefetage nicht getan.

Vielleicht gönnt man ihm als nächsten Trip dann einen Ausflug auf die Seychellen oder nach Mauritius. Oder aber nach Valencia.

Chefredaktor sucht Zeitung

Wie geht’s dem Qualitäts-Irgendwas am Sonntag?

Was macht Arthur Rutishauser, ein Chefredaktor ohne Redaktion, mit seiner SoZ? Er erfüllt tapfer eine Mission impossible. Denn er muss ja sein Blatt mit dem Angebot füllen, das eine demotivierte und vor der nächsten Entlassungswelle (wen’s trifft, ist immer noch nicht bekannt) zitternden Redaktion herstellt. Also Artikel von der Restenrampe. Wo alle, die noch Marktwert haben und etwas können, die meiste Zeit damit verbringen, Fühler auszustrecken und Bewerbungen zu schreiben.

Oder wie Simon Bärtschi das nennen würde: die Weichen für mehr Qualität stellen.

Also gibt’s halt eine «Liebeserklärung an die Kartoffel», ein Skistar rede «so offen wie noch nie», rasend originell sei man in London «unterwegs mit den Locals», weil das vom Touristen überhaupt nicht touristisch ist.

Immerhin, ein respektvolles Interview mit Kurt Aeschbacher über sein Politik-Engagement, dann aber aufgewärmter kalter Kaffee über einen russischen Spion, weil Thomas Knellwolf sein neustes Werk promoten möchte und darf. Immerhin, nach seinem erschütternden Enthüllungsroman «Die Akte Kachelmann» nun ein ewiges Thema, Spionage.

Dann auch, da schäumt die woke Gutmenschenredaktion beim Tagi sicher wieder, «Flüchtlingsfrauen sind sechsmal häufiger von Missbrauch betroffen als Schweizerinnen». Ausser, Schweizerinnen sind mit Menschen mit Migrationshintergrund aus arabisch-fundamentalistischen Ländern verheiratet, mag man hinzufügen.

Aber das ist natürlich eindeutig unsensibel. Schürt Vorurteile. Berücksichtigt den sozio-kulturellen Hintergrund und die Traumatisierung durch Flucht nicht genügend, ist überhaupt diskriminierend und gibt rechtspopulistischen Hetzern Munition in die Hand.

Von einem kläglichen Füller auf «Blick»-Niveau muss man hier sprechen:

Echt jetzt, eine SDA-Meldung, basierend auf einem Polizeibericht? Das soll Qualität sein? Was sagt Bärtschi dazu?

Ähnlich verstörend ist dieser Ganzseiter:

Ist das nicht ein klarer Fall, dass Journalisten Menschen vor sich selbst schützen, statt öffentlich zur Schau stellen sollten? Aber Chris Winteler kennt offenbar solche Hemmungen nicht, und Rutishauser war wohl froh, dass wieder eine Seite gefüllt ist. Aber auch hier hat Bärtschi als publizistische Leiter nicht eingegriffen. War er immer noch ausgelastet, die neuen Werbemöglichkeiten beim Tagi schmackhaft zu machen? Was ja ungemein viel mit publizistischer Qualität zu tun hat.

Auch einem gewichtigen Thema widmet sich die «Wirtschaft»-Neuredaktorin Edith Hollenstein:

Echt jetzt? Geworden? Werbung war doch immer «noch besser und billiger», abgesehen von ein paar wenigen Highlights. Werbung war immer «kauf das, und du hast Freunde, scharfe Frauen und bist glücklich». Naheliegender wäre doch eine andere Frage gewesen: Warum sind die Medien so trivial geworden? Vielleicht, weil die Redaktionen zu Tode gespart werden und dann solche Artikel auf die Front des Wirtschaftsbunds kommen, der mal eine Reputation hatte.

Da helfen selbst die Fleissarbeiten eines Rutishausers nicht, der sich an seinen Lieblingsthemen Vincenz und Ermotti abarbeitet.

Danach hat der Leser wirklich nicht verdient, dass sich Nina Kobelt («sie bildet sich derzeit in Kräuterkunde weiter») der Kartoffel widmet. «Sie kann alles – wirklich alles». Wenn man das von Tamedia-Journalisten nur auch sagen könnte.

Aber es gibt auch Lichtblicke. Echt. Zunächst einmal für Liebhaber fliegender Tiere:

Offenbar war gerade auf keinem Luxus-Liner und in keinem Luxus-Ressort oder -Zug ein Plätzchen frei. Aber nun noch der Höhepunkt der Ausgabe; etwas, was ZACKBUM schon gar nicht mehr erwartet hätte. Etwas Bezahlbares und Volkstümliches auf der Autoseite:

Gut, für die SoZ war das auch kostengünstig; schön im Lead verpackt: «Wir waren mit Chef Klaus Zellner in einem Vorserienmodell auf Probetour.» Auf Deutsch; Skoda übernahm gerne die gesamten Spesen, und der Autor Dave Schneider hätte selbstverständlich auch einen kritischen Bericht schreiben dürfen. Kicher. Nur wäre er dann niemals mehr eingeladen worden.

Grauenhaft

Was passiert, wenn der Brachialpolit-Aktivist und Andreas Tobler aufeinandertreffen? «The Horror», würde Marlon Brando sagen.

Jan Böhmermann ist – gelinde gesagt – umstritten. Ob er sich mittels eines geschmacklosen Gedichts mit dem türkischen Machthaber anlegt, ob er regelmässig offenkundigen Unsinn verzapft wie den, dass ein AfD-Politiker am Oktoberfest eine Runde Champagner mit 200 Flaschen bestellt haben soll – regelmässig ist er in Rechtshändel verwickelt, die er dank der wohlbestückten juristischen Abteilung des öffentlich-staatlichen Rundfunks locker wegstecken kann.

So unterstellte er dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik Nähe zu russischen Geheimdiensten. Damit erlitten er (und das ZDF) vor Gericht eine bittere Niederlage; Fake News.

Über den wirren, missionarischen und unausgegorenen Gast-Beitrag Böhmermanns in der «Zeit» urteilte noch der gleiche «Tages-Anzeiger», die Zeilen des sogenannten Komikers hätten «die intellektuelle Schärfe eines Butterbrots».

Nun kommt Böhmermann in die Schweiz, also eine gute Gelegenheit, ihm auf den Zahn zu fühlen. Der Lead in der «SonntagsZeitung» verspricht immerhin: «Im Gespräch nimmt er Stellung zur Kritik an seiner Arbeit». Das ist aber ein leeres Versprechen, so wie die Behauptung Böhmermanns, dass seine Politverarsche lustig sei.

Denn Andreas Tobler (welche Fehlbesetzung für dieses Interview) versucht es nun mit Fragen, weich wie ein gut gewässertes Butterbrot.

Hier kann Böhmermann nun unwidersprochen blanken Unsinn verzapfen. Was passiere bei seinem Gastspiel in der Schweiz? «Wir reichen uns die Hand über den Graben und schauen, was das andere politische Lager so zu bieten hat.» Das hat immerhin einen gewissen Charme einer Realsatire. Denn im Vergleich zu Böhmermann arbeitet selbst Andreas Glarner mit ganz feiner Klinge.

Wie Böhmermann Kritiker seiner Sendung verortet, lässt auch an Realitätsferne nichts zu wünschen übrig: «In Berlin hatten wir bei einem unserer letzten Auftritte eine grosse Demo gegen unser Konzert. Da haben sich Querdenker, Rechtsextreme und Verschwörungsmystiker zusammengeschlossen.»

Aber dann rafft sich Tobler zu einer pseudokritischen Frage auf. Pseudo deswegen, weil er das scheunentorgrosse Loch in Böhmermanns Antwort nicht für eine einzige kritische Nachfrage verwendet. Tobler sagt, natürlich abgedämpft durch «viele nehmen Sie anders wahr», dass Böhmermann ein politischer Aktivist sei:

«Aber das Bild ist falsch. Das «ZDF Magazin Royale» ist nichts anderes als eine sehr gut recherchierte, extrem mühevoll hergestellte, auf Faktentreue bedachte, von vielen schlauen und kreativen Menschen gemeinsam verfasste und aufgeführte Meinungskolumne. Also im Grunde das genaue Gegenteil von dem, was Roger Köppel alle zwei Tage auf seinem «Weltwoche»-Blog rausballert.»

Das tut Köppel sogar täglich, aber das ist der gut recherchierenden, auf Faktentreue bedachten Redaktion um Böhmermann offenbar entgangen.

Aber während sich bei diesem «Interview», das den Namen nicht verdient, zwei Gesinnungsgenossen in den Armen liegen und den Leser in den Schlaf wiegen, hört sich der Original-Böhmermann, wenn er die Hand zu Andersdenkenden reicht, so an:

«Sackdoof, feige und verklemmt
ist Erdogan, der Präsident.
Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner,
selbst ein Schweinefurz spricht schöner.»

Über Maybrit Illner schnödete er, dass die fleissig AfD-Mitglieder in ihre Talkshow einlade, damit sie selbst nach deren Machtergreifung weiterhin eine Sendung habe.

Auch vor billigsten Scherzen schreckt er nicht zurück: «Die letzte deutsche Produktion, die im Ausland so sehr in der Luft zerrissen wurde, war von Messerschmitt

Auch unübertroffen geschmackvoll:

«Nicht immer die Nazi-Keule rausholen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen.»

Ebenfalls geschmackssicher: «Die Queen ist tot und auch Putin ist vergänglich.»

Auch vor Resultaten demokratischer Wahlen hat er nicht wirklich Respekt, wenn sie ihm nicht passen: «Wer hat die durchgeknallten, rechtsextremen Corona Leugner in den Reichstag gelassen? Etwa wir alle bei der letzten Bundestagswahl

Es hätte allerdings genug Material gegeben, um «Kritik an seiner Arbeit» zu untermauern. Aber doch nicht Tobler. Der findet auch einen Mordaufruf gegen Köppel ganz okay, sei doch nur ein «Theatermord». Ansonsten kümmert er sich seitenlang um Sprachvergewaltigung und Leserquälung mit Gender-Sternchen und ähnlichem Unfug. Drischt faktenfrei auf die Bührle-Sammlung im Kunsthaus ein. Und interviewt den Bruchpiloten Böhmermann in sanfter Umarmung zweier Gesinnunsgenossen.

Sicher, der arme Arthur Rutishauser als Chefredaktor ohne Redaktion kann sich auch nicht um alles selber kümmern. Aber solchen Schrott hätte er früher nicht in seine SoZ gelassen.

Die subversive Ausgabe

Ist nicht so, könnte aber sein: die SoZ probt den Aufstand.

Das fängt schon mit der Aufmacher-Story an. «Die Supermacht verliert ihre Superkraft», könnte man das nicht auch auf Tamedia bezogen lesen? «Lohnwachstum ist höher als bisher bekannt», ist das nicht eine Travestie auf die Schrumpfung der Payroll bei Tamedia? Wobei ZACKBUM ausdrücklich lobend erwähnen muss, dass der Konzern den unermüdlichen Bitten gefolgt ist und Kerstin Hasse entsorgt hat.

Und «Was würde Pippi zu Putin sagen», das ist nun einfach höherer Gaga, ebenso die Sozialneid-Story «Die Luxusmaklerin vom Zürichsee» oder der x-te Versuch, das Erfolgsgeheimnis von «kreativen Genies» zu ergründen.

Der Chefredaktor ohne Chef und ohne Redaktion Arthur Rutishauser doppelt in seinem Editorial nach: «Raphaela Birrer nimmt niemand mehr ernst». Oh, natürlich musste er Joe Biden schreiben, aber es weiss ja jeder, wer gemeint ist.

Es folgen Seiten gepflegter Langeweile, bis im «Fokus» wieder mal ein langweiliges Interview den Niedergang des einstmals stolzen Gefässes fortschreibt. «Kreativ werden wir durch den Austausch mit anderen», sagt da ein Physiker und Bestsellerautor. Das mag so sein, genauso wie dass ein Genie wie Immanuel Kant ganze Welten im stillen Kämmerlein für sich selbst erdachte.

Da ist sogar «Jenny Streichan vermittelt exklusive Häuser und Wohnungen», das Gratis-Wohnungsmaklerinserat, interessanter. Es gibt tiefe Einblicke in neue Wohngewohnheiten: «Heute soll im besten Fall jedes Schlafzimmer über eine Nasszelle en suite verfügen. Sowie ein Gäste-WC on top.» Nasszelle, en suite, on top, merkwürdige Wortwahl im Makler-Universum. Oder ist der Autor einfach sprachbehindert?

In der «Wirtschaft» wird dann eine erschütternde Wahrheit gelassen ausgesprochen: «Mehr bauen ist das beste Rezept gegen die Wohnungsknappheit.» Das ist so umwerfend richtig wie mehr saufen ist das beste Rezept gegen Durst.

Aber der Überhammer der Ausgabe versteckt sich auf Seite 40. Das neue Eigeninserat. Es wurde wohl vor dem Kahlschlag entwickelt, bevor der SoZ ihre Redaktion, aber nicht ihr Chefredaktor abhanden kam:

Der Slogan könnte in seiner Unverständlichkeit von Simon Bärtschi stammen. Man kann ihn mehrfach lesen, er bleibt holpriges Gestammel ohne Sinn und Verstand. Dazu passt die Illustration mit den drei Affen. Während zwei wie üblich nichts sehen und nichts sagen (offenbar, weil sie weiterhin nichts wissen), hört der dritte weiterhin nichts, sagt aber was. Aber ohne, dass er es hört. Wahrscheinlich ist hier das Geld für eine Werbebude eingespart worden und man griff auf eigene Kräfte zurück. Das Resultat ist typisch für Tamedia, ein Schrotthaufen.

Aber auch Geldonkel und ehemaliger Chefredaktor Martin Spieler spart nie mit wertvollen Geldtipps:

Da hätte schon mancher Anleger bittere Verluste vermieden, wäre er im Besitz dieser Weisheit gewesen. Aber eben, wer überprüft schon das Risiko, bevor er ins Casino geht und alles auf Rouge setzt.

In «Leben & Kultur» finden wir die Antwort, wenn die Redaktionsrunde der SoZ (also Rutishauser stellt vor sich einen Spiegel auf) scharf darüber nachdenkt, was man denn zum 7. Oktober machen könnte, so einen Tag zuvor. Glücklicherweise steht «der jüdische Schriftsteller» Thomas Meyer zur Verfügung, obwohl er seit 2019 nichts mehr veröffentlicht und daher kein neues Buch zu promoten hat.

Dann ein Beitrag zu «gibt es urälter als uralt?» Die Antwort ist ein klares, verstaubtes, angemieftes Ja. Denn Marco Maurer machte einen Rundgang im Geburtshaus von Astrid Lindgren, «die Ur-Woke». Der Text selbst ist, nun, etwas verschroben. «Eine erste Antwort gibt der Garten, in der (sic!) sie aufgewachsen ist.» Wenn ein Garten zu dir spricht, weisst du, dass das Zeugs doch stärker war, das du geraucht hast.

Völlig benebelt wird’s, wenn Maurer die klare Antwort der Enkelin von Lindgren auf solche Fragen zitiert: «Wir haben den Grundsatz, keine Aussagen darüber zu machen, was Astrid über dieses oder jenes gedacht hätte, wenn sie noch am Leben wäre.» Spätestens hier hätte Chefredaktor Rutishauser den Blattmacher Rutishauser anweisen sollen, dem Ressortleiter Rutishauser mitzuteilen, dass der Text gespült wird.

Gibt es denn wenigstens einen an den Haaren herbeigezogenen Anlass für diesen Text, was Lindgren über Putin und andere sagen würde, lebte sie noch und setzte man sich über die klare Aussage ihrer Enkelin hinweg? Nun ja: «Pipi Langstrumpf, das vor genau 75 Jahren erstmals auf Deutsch zu lesen war ...» Was für ein Jubiläum.

Sonst noch was beim Aufräumen ins Blatt gefallen? Da muss Rutishauser ganz weit hinten ins Regal gegriffen, kräftig Luft geholt und abgepustet haben:

Allerdings darf man auch hier versteckte Subversion vermuten. Nach der Devise: seht ihr, so schaut’s halt aus, wenn man einem Sonntagsblatt die Redaktion wegnimmt, es aber dennoch für stolze 6.40 Franken verkaufen will.

ZACKBUM macht die definitive Rechnung auf: Fr. 6.40 minus eine Redaktion, plus ein Rutishauser gleich Leserverarsche. Oder «In die Weichteile des Qualitätsjournalismus», wie Bärtschi sagen würde. Der hoffentlich bald Selfies mit Hasse knipst.

Betrachtung einer Ruine

Rauchzeichen aus der Trümmerlandschaft Tamedia.

Es mag sein, dass es eine wirtschaftliche Notwendigkeit dafür gibt, Dutzende von Mitarbeitern zu entlassen. So ist das im Kapitalismus. Wenn ein Angebot nicht mehr auf genügend Nachfrage trifft, wenn sich aus technologischen oder anderen Gründen die Einkommensquellen verändern, dann muss das Businessmodell angepasst werden.

Das ist der Lauf der Dinge.

Das ist bei Tamedia anders. Hier ist den Newsmedien willkürlich ihre Haupteinnahmequelle weggenommen worden, während ihnen gleichzeitig absurde Renditeziele vorgegeben wurden. Hier hat ein unbegabter, aber unkaputtbarer Boss wie weiland die Swissair Schrottairlines Zeitungen ohne Sinn und Verstand zusammengekauft. Der Investition von einer runden Milliarde steht ein lächerlicher Ertrag gegenüber.

Der Versuch, lokal verankerte Zeitungen in Bern, Basel und Zürich aus einem Eintopf zu bedienen, ist kläglich gescheitert. Versprechen wie das, die «Berner Zeitung» und den «Bund» niemals nicht zu fusionieren, wurden kaltlächelnd gebrochen.

Hier durfte Simon Bärtschi sein Gesellenstück abliefern, wie man so etwas kaltblütig durchzieht.

Wenn aufgrund solcher krachender Fehlentscheidungen und einer selten blöden Personalpolitik schmerzliches Rausschmeissen angesagt ist, wird das Können der Führungsfiguren auf die Probe gestellt. Schönwetterkapitäne haben’s leicht. Aber wenn Leichtmatrosen und Schwachmate in einer Krise am Steuer sind, dann sinkt die Stimmung in der Mannschaft auf den Nullpunkt.

Pietro Supino lässt sich am besten nicht blicken. Jessica Peppel-Schulz hat angeblich ein Jahr lang nachgedacht – selten ist etwas so Lächerliches und Verpeiltes und Unverständliches als neue Strategie präsentiert worden. Den Zuschauern wurde es schwindlig vor Kopfschütteln. Der als Terminator vorgesehene Simon Bärtschi zeigte sich inkompetent, uninformiert, reihte Flop an Flop. Die Redaktion des «Züri Tipp» erfuhr zeitgleich mit Öffentlichkeit und so nebenbei, dass sie über die Klinge springen muss. Nur so als Beispiel. Unglaublich.

Mit seiner «Weichenstellung für Qualitätsjournalismus» schuf Bärtschi einen Lachschlager, der ihn für Positionen ausserhalb von Tamedia untauglich macht. Denn wer möchte so einen in leitender Stelle beschäftigen.

Die vier Nasen in der Chefredaktion fallen durch Unauffälligkeit oder ärgerliche Kapriolen auf. Die Oberchefredaktorin, ihre beiden Beisitzer, die «Digital Storytelling»-Nulpe Kerstin Hasse, neben aller Verunsicherung durch die angekündigte Massenentlassung muss die Mannschaft auch noch solche Leitfiguren aushalten.

Wer für rund 120 Indianer rund 50 Häuptlinge beschäftigt (wenn man alles bis hinunter zum stellvertretenden Irgendwas als Kopfschmuckträger zählt), macht sowieso etwas falsch. Hier könnten ganze Hierarchiestufen, ganze Abteilungen eingespart werden. Das wird aber nicht geschehen.

Alleine die Existenz eines Chefredaktors ohne Redaktion ist ein Witz, ein Hohn für Arthur Rutishauser, der gerade die SoZ wieder flottmachte und als Dank aufs Abstellgleis geschoben wurde. Nicht zuletzt, weil seine Leistung die anderen Pfeifen noch schlechter aussehen liess.

Es trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer kann, verlässt das sinkende Schiff. Wer nicht kann, tritt von leitenden Positionen zurück, weil er die Exekution weiterer Entlassungen nicht mehr erträgt. Oder er opfert sich selbst wie der ehrenhafte Nik Walter.

Wer nicht kann, weil zu alt, zu spezialisiert, zu unbeweglich, macht sich schwer Sorgen um seine Zukunft. Es muss ein widerlicher Anblick sein, wie die mit der Lizenz zum Töten, die oberen Entscheidungsträger mit zusammengeklemmten Arschbacken durch die Redaktion huschen, damit ihnen nicht ständig jemand hinten reinkriecht.

Dann gibt es noch die unvermeidlichen Karrieristen, denen Mehrbegabte in der Sonne standen, die jetzt aber ihre grosse Chance wittern, das Leiterchen hochzuklettern, weil rückgratlose Opportunisten und Schönschwätzer des Elends gefragt sind.

Oder in einem Satz: Fäulnis ist der unter Sauerstoffmangel ablaufende Prozess der Zersetzung von Stoffen durch Mikroorganismen. Tamedia in der Kurzfassung.

Zwergenaufstand

Was fällt den Kälbern von Tamedia als Protest gegen ihre Metzger ein?

Mit einer lachhaften Begründung wurde bei Tamedia zuerst die Einsparung von 90, dann von rund 55 Stellen verkündet. Warum gerade so viele, was Arthur Rutishauser als Chefredaktor ohne Redaktion so tut, wie damit die Qualität gesteigert werden soll – von Pietro Supino, Jessica Peppel-(Plapper)-Schulz (oder ihrem Avatar), von Simon Bärtschi oder von Raphaela Birrer gab es dazu keine Auskünfte. Birrer schweigt überhaupt seither verkniffen; so sieht die Führungsqualität einer Chefredaktorin aus.

Nun haben diese Versager in der Chefetage sich immerhin ein ziemliches fieses Stück ausgedacht. Sie verkünden zwar das grosse Rausschmeissen, lassen aber die Indianer im Maschinenraum im Unklaren, wie viele genau und vor allem wen es trifft.

Das sorgt ungemein für Stimmung in der Reaktion; wenn ZACKBUM die Frage stellen würde, ob sich Schwulstschwätzer Bärtschi noch ohne Bodyguards im Glashaus bewegen kann, kriegten wir sicher wieder ein Schreiben des Hausanwalts, dass das als Aufforderung zur Gewalt verstanden werden könnte. Also schreiben wir es nicht.

Nun könnte man meinen, dass die meinungsstarken und tapferen und unbeugsamen Mannen und Frauen (und auch Flinta) bei Tamedia nach erster Schockstarre massive Proteste auf den Weg gebracht haben.

Nun ja, in der Romandie gab es einen Bonsai-Streik von geschätzten 4 Minuten. An der Türe des Glashauses in Zürich wurden handgekritzelte Protestkartons aufgestellt (sowohl inhaltlich wie von Layout her erbärmlich). Und sonst? Alle Rotationsmaschinen stehen still, wenn Dein starker Arm es will?

Ach was. Bei Tamedia wird das Rückgrat an der Garderobe abgegeben; keiner will den Unmut der Leitung auf sich lenken, niemand wagt zu fragen, was die Chefredaktion, was Birrer, was Kerstin Hasse (ausser Gaga-Podcasts) eigentlich so treiben.

Aber nun hat einer «watson» eine grossartig-subversive Form des Protests durchgestochen. Offenbar fanden das alle anderen Medien zu gaga, um darüber zu berichten.

Es handle sich um einen «Hosentelefon-Aufstand». Besser gesagt um einen Höseler-Aufstand. «Die Redaktionen in der Deutschschweiz nehmen den massiven Stellenabbau nicht kampflos hin», weiss Klaus Zaugg von  «watson». Wahnsinn, welche Kampfmassnahmen sind denn in Vorbereitung? Werden Barrikaden gebaut, Sandsäcke aufeinander gestapelt? Wird die Türe zur Chefetage zugeklebt? Wenigstens gesprayt? Flattern anonyme Flugblätter durch die Gänge? Werden Puppen verbrannt?

Ach was. Das hier wird gemacht: «Die modernen Telefone, die wir in der Hand- oder eben der Hosentasche versorgen können, eignen sich auch vorzüglich für qualitativ gute Videoaufnahmen. Also sind nun die Chronistinnen und Chronisten in diesen Tagen unterwegs, um bei Prominenten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport Video-Protestbotschaften aufzunehmen. In Videos von 15 bis 20 Sekunden sagen Prominente, wie sehr sie den Abbau des Print-Qualitätsjournalismus bedauern.»

Die mutigen Betroffenen wollen Promis für sich sprechen lassen, so nach der Devise: sorry, ich selbst bin zu feig dafür, also sag› mal was Kritisches, aber nur ganz kurz. Und sprich mich ja nicht mit meinem Namen an.

Und was soll dann mit dieser rabiaten, wilden, die Chefetage ins Zittern bringenden, flammenden Protestaktion geschehen? «Die gesammelten Statements – geplant sind zwischen 30 und 50 «Hosentelefon-Protestbotschaften» – sollen zusammengeschnitten in einem Dokument der Chefetage übergeben werden.»

Wie sagt doch einer aus dem «Kreis der betroffenen Tagi-Medienschaffenden» so mutig wie anonym wie bescheuert: «Es geht darum, dass wir ein Zeichen setzen

Ein Zeichen setzen? Slapstick, reiner Slapstick.

Ausserdem könnte es noch bei der Übergabe des «Hosentelefon»-Zwergenaufstands ein Problem geben. Daran könnte es noch scheitern: wer übergibt dieses Dokument des Widerstands? Wer traut sich? Trägt der Überbringer vielleicht eine Tüte über dem Kopf? Einen Ganzkörperpräservativ, damit er nicht erkannt werden kann? Spricht er in einen Sprachverzerrer? Oder nein, ZACKBUM hat  – wie immer – die Lösung. Da kann es nur einen geben. Ignaz Staub. Unbedingt. Der kann das. Der traut sich. Der hat nix mehr zu verlieren.

ZACKBUM gibt dieser Aktion auf der Bärtschiskala der Peinlichkeit flotte 9 Punkte.

Ist das alles erbärmlich, Oder sagten wir das schon?

Folterkammer Glashaus

In jeder normalen Firma würde das zu Entlassungen führen.

Hoppla, bei Tamedia gibt es ja Entlassungen. Sogar massenhaft. Nur an der falschen Stelle. Nämlich im Maschinenraum statt auf der Kommandobrücke.

Denn die Unfähigkeit derjenigen, die hier die grossen Räder drehen, ist himmelschreiend. Ein Magazin wird einfach mal so eingestellt. Ohne Vorwarnung, nach der Devise: ach, ist uns gerade noch eingefallen, den «ZüriTipp» braucht’s nicht mehr.

Bei «ZürichStadtleben/Züritipp» arbeiten 12 Menschen, Claudia («Nutella») Schmid als Ressortleiterin, Isabel Hemmel als stv. Ressortleiterin und Leitung Züritipp. Plus zehn Indianer. Braucht’s die noch? Wer weiss. Braucht’s die Chefredaktoren der eingesparten Lokalblätter noch? Reden wir mal drüber. Braucht’s die Redaktionsleitung «SonntagsZeitung» noch? Schauen wir mal. Wozu braucht es Arthur Rutishauser als Chefredaktor ohne Redaktion genau? Ach, irgendwie.

Aber der Gipfel des Zynismus ist: Weder Jessica Peppel-Schulz noch Simon Bärtschi haben das Rückgrat, den Leuten in die Augen zu schauen und zu sagen «you’re fired». Denn zuerst 90, dann 55 eingesparte Stellen in den Raum zu stellen, das war der einfache Teil. 200 Drucker rauszuschmeissen, nun ja, da muss wenigstens nicht selektioniert werden. Sondern einfach alle müssen weg.

Aber Familienväter, Ü-50-Jährige, welche Lebensplanung wird nun vom unfähigen Management von TX (oder Tamedia oder «Tages-Anzeiger») über den Haufen geworfen? Niemand weiss nichts Genaues. Gerüchte besagen, dass vielleicht im Verlauf des Oktobers das grosse Schlachten beginnen soll, aber eher in der zweiten Hälfte. Damit sich die Betroffenen dann so richtig auf die Feiertage freuen können.

Schon Koryphäen wie Mathias Müller von BlumencronVerkehrsmonitor») fiel mit geborgten Ideen auf die Schnauze. Laberte aber, wenn man ihn liess, von der neuen Digitalstrategie, so auf dem Niveau: «noch näher beim Leser».  Diese Worthülsen sind zurzeit verräumt, nun geht es um «Qualität». Ach, und «noch näher beim Leser».

In Wirklichkeit besteht aber die Tragödie darin: Weder Peppel-Schulz, noch Bärtschi, noch ein anderes Mitglied der GL oder gar des Verwaltungsrats hat auch nur die blasseste Idee, was man mit dem von Bigboss Pietro Supino wild zusammengekauften Tageszeitungsimperium eigentlich anstellen soll. Wozu es eigentlich noch Ableger in Bern und Basel braucht. Wozu es noch eine Sonntagszeitung braucht. Wieso es noch einen Ableger in der Romandie braucht.

Die bittere Wahrheit ist doch: an der Werdstrasse breitet sich langsam Verwesungsgeruch aus. Und der Aussenstehende wird den Verdacht nicht los, dass sich Supino mit solchen Flaschen umgibt, damit er nicht weiter auffällt. Denn im Vergleich zu einer Pasquale Bruderer, einer Peppel-Schulz, einem Bärtschi ist er doch geradezu ein visionärer Macher.

Es ist allerdings ein unwürdiges Ende, das der einst stolze «Tages-Anzeiger» nimmt. In seinen besten Zeiten war er eine ernstzunehmende Stimme mit Einfluss und Wirkung. Stiess er Themen an, beherrschte Diskurse, kam in seinen besten Momenten sogar an die NZZ heran.

Und jetzt? Würde man an der Eingangspforte zum Glashaus an der Werdstrasse ein Gedankenlesegerät aufstellen, wenn die motivierten, enthusiastischen, auf mehr Qualität brennenden Journalisten hineinströmen, man würde erbleichen und schamvoll Augen und Ohren schliessen.

Opferlämmer und Folterknechte. Leiter mit langer Leitung. Führungspersonal im gähnenden Vakuum der Ideenlosigkeit. Hektisches Holzen ohne Sinn und Verstand. Oder gar Plan. Wer erbarmt sich dieses Trümmerhaufens? Ringier? CH Media? Beide gesättigt und mit genug eigenen Problemen. NZZ? Kä Luscht. Ein ausländischer Investor? Schwierig, der Schweizer Markt ist klein und speziell.

Also gilt auch hier: der Letzte macht das Licht aus.