Die subversive Ausgabe
Ist nicht so, könnte aber sein: die SoZ probt den Aufstand.
Das fängt schon mit der Aufmacher-Story an. «Die Supermacht verliert ihre Superkraft», könnte man das nicht auch auf Tamedia bezogen lesen? «Lohnwachstum ist höher als bisher bekannt», ist das nicht eine Travestie auf die Schrumpfung der Payroll bei Tamedia? Wobei ZACKBUM ausdrücklich lobend erwähnen muss, dass der Konzern den unermüdlichen Bitten gefolgt ist und Kerstin Hasse entsorgt hat.
Und «Was würde Pippi zu Putin sagen», das ist nun einfach höherer Gaga, ebenso die Sozialneid-Story «Die Luxusmaklerin vom Zürichsee» oder der x-te Versuch, das Erfolgsgeheimnis von «kreativen Genies» zu ergründen.
Der Chefredaktor ohne Chef und ohne Redaktion Arthur Rutishauser doppelt in seinem Editorial nach: «Raphaela Birrer nimmt niemand mehr ernst». Oh, natürlich musste er Joe Biden schreiben, aber es weiss ja jeder, wer gemeint ist.
Es folgen Seiten gepflegter Langeweile, bis im «Fokus» wieder mal ein langweiliges Interview den Niedergang des einstmals stolzen Gefässes fortschreibt. «Kreativ werden wir durch den Austausch mit anderen», sagt da ein Physiker und Bestsellerautor. Das mag so sein, genauso wie dass ein Genie wie Immanuel Kant ganze Welten im stillen Kämmerlein für sich selbst erdachte.
Da ist sogar «Jenny Streichan vermittelt exklusive Häuser und Wohnungen», das Gratis-Wohnungsmaklerinserat, interessanter. Es gibt tiefe Einblicke in neue Wohngewohnheiten: «Heute soll im besten Fall jedes Schlafzimmer über eine Nasszelle en suite verfügen. Sowie ein Gäste-WC on top.» Nasszelle, en suite, on top, merkwürdige Wortwahl im Makler-Universum. Oder ist der Autor einfach sprachbehindert?
In der «Wirtschaft» wird dann eine erschütternde Wahrheit gelassen ausgesprochen: «Mehr bauen ist das beste Rezept gegen die Wohnungsknappheit.» Das ist so umwerfend richtig wie mehr saufen ist das beste Rezept gegen Durst.
Aber der Überhammer der Ausgabe versteckt sich auf Seite 40. Das neue Eigeninserat. Es wurde wohl vor dem Kahlschlag entwickelt, bevor der SoZ ihre Redaktion, aber nicht ihr Chefredaktor abhanden kam:
Der Slogan könnte in seiner Unverständlichkeit von Simon Bärtschi stammen. Man kann ihn mehrfach lesen, er bleibt holpriges Gestammel ohne Sinn und Verstand. Dazu passt die Illustration mit den drei Affen. Während zwei wie üblich nichts sehen und nichts sagen (offenbar, weil sie weiterhin nichts wissen), hört der dritte weiterhin nichts, sagt aber was. Aber ohne, dass er es hört. Wahrscheinlich ist hier das Geld für eine Werbebude eingespart worden und man griff auf eigene Kräfte zurück. Das Resultat ist typisch für Tamedia, ein Schrotthaufen.
Aber auch Geldonkel und ehemaliger Chefredaktor Martin Spieler spart nie mit wertvollen Geldtipps:
Da hätte schon mancher Anleger bittere Verluste vermieden, wäre er im Besitz dieser Weisheit gewesen. Aber eben, wer überprüft schon das Risiko, bevor er ins Casino geht und alles auf Rouge setzt.
In «Leben & Kultur» finden wir die Antwort, wenn die Redaktionsrunde der SoZ (also Rutishauser stellt vor sich einen Spiegel auf) scharf darüber nachdenkt, was man denn zum 7. Oktober machen könnte, so einen Tag zuvor. Glücklicherweise steht «der jüdische Schriftsteller» Thomas Meyer zur Verfügung, obwohl er seit 2019 nichts mehr veröffentlicht und daher kein neues Buch zu promoten hat.
Dann ein Beitrag zu «gibt es urälter als uralt?» Die Antwort ist ein klares, verstaubtes, angemieftes Ja. Denn Marco Maurer machte einen Rundgang im Geburtshaus von Astrid Lindgren, «die Ur-Woke». Der Text selbst ist, nun, etwas verschroben. «Eine erste Antwort gibt der Garten, in der (sic!) sie aufgewachsen ist.» Wenn ein Garten zu dir spricht, weisst du, dass das Zeugs doch stärker war, das du geraucht hast.
Völlig benebelt wird’s, wenn Maurer die klare Antwort der Enkelin von Lindgren auf solche Fragen zitiert: «Wir haben den Grundsatz, keine Aussagen darüber zu machen, was Astrid über dieses oder jenes gedacht hätte, wenn sie noch am Leben wäre.» Spätestens hier hätte Chefredaktor Rutishauser den Blattmacher Rutishauser anweisen sollen, dem Ressortleiter Rutishauser mitzuteilen, dass der Text gespült wird.
Gibt es denn wenigstens einen an den Haaren herbeigezogenen Anlass für diesen Text, was Lindgren über Putin und andere sagen würde, lebte sie noch und setzte man sich über die klare Aussage ihrer Enkelin hinweg? Nun ja: «Pipi Langstrumpf, das vor genau 75 Jahren erstmals auf Deutsch zu lesen war ...» Was für ein Jubiläum.
Sonst noch was beim Aufräumen ins Blatt gefallen? Da muss Rutishauser ganz weit hinten ins Regal gegriffen, kräftig Luft geholt und abgepustet haben:
Allerdings darf man auch hier versteckte Subversion vermuten. Nach der Devise: seht ihr, so schaut’s halt aus, wenn man einem Sonntagsblatt die Redaktion wegnimmt, es aber dennoch für stolze 6.40 Franken verkaufen will.
ZACKBUM macht die definitive Rechnung auf: Fr. 6.40 minus eine Redaktion, plus ein Rutishauser gleich Leserverarsche. Oder «In die Weichteile des Qualitätsjournalismus», wie Bärtschi sagen würde. Der hoffentlich bald Selfies mit Hasse knipst.