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Das Betrachten von Schnee ist spannender

Ich muss mich nicht verkaufen, meint die «SonntagsZeitung».

Früher, ja früher war es so, dass die Sonntagszeitungen wussten, dass sie am besten mit einem Knaller aufwarten, damit sie auch am Sonntag gekauft werden. Aber das hat – wohl auch mangels Vermögen – inzwischen schwer nachgelassen und ist durch eine gewisse Wurstigkeit ersetzt worden.

Fragt heute der Chefredaktor am Samstagabend «und, was ist unsere Titelstory, der Aufmacher, der Lockstoff, was wird am Montag zitiert», dann herrscht allgemeines Nasebohren und Wegblicken. Nur so ist zu erklären, dass über einem merkwürdig kolorierten Riesenfoto von Marco Odermatt die kryptische Schlagzeile prangt: «Ich muss kein Star sein». Wer muss das schon, nicht wahr.

Immerhin eine kleine Sternstunde ist der Titel «Fertig luftig» über das angebliche Ende der Cabrios.

Arthur Rutishauser reitet dann sein Steckenpferd zuschanden; er erzählt und erzählt die Geschichte des traurigen Endes der Credit Suisse.

Dann ein Artikel, der mal wieder zeigt, dass Journalisten Storys über Journalisten oder über Medienmanager einen viel höheren Stellenwert zumessen als der Durchschnittsleser. Den interessiert es nämlich einen feuchten Kehrricht, dass Ringier-CEO Marc Walder aus Rache den ehemaligen Sonderermittler Peter Marti anzeigte – und damit abblitzte. Denn Marti hatte als Beifang aufgedeckt, dass es faktisch eine Standleitung zwischen Bundesrat Alain Berset und dem Ringier-Boss gab, der ziemlich hysterisch auf die Pandemie reagierte.

Eine gewisse Originalität kann man dann dem Interview mit Reto Dürrenberger nicht absprechen. Der betreibt die Vermittlungsfirma «Rent a Rentner»; angefangen beim Namen eine clevere Idee.

Dann aber wieder ein Artikel, auf den weder die Welt, noch die Schweiz gewartet hat:

Sagen wir so: auch der ehemalige Sportredaktor Thomas Hahn, inzwischen Tokio-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung», muss auch seine Existenz rechtfertigen. Aber auf Kosten des SoZ-Lesers? Oder auf Kosten der Geishas, die hier seitenfüllend fotografiert wurden?

Apropos; woran erkennt man, wenn die Fotoredaktion einen Politiker ganz sicher nicht mag? Daran:

Hier sieht Donald Trump so aus, als hätte ihm gerade jemand den Schnuller gezogen. Dabei gibt er sich doch immer so Mühe, konsequent energisch, strahlend oder dämonisch-bestimmt auszusehen.

Die neue und wirklich originelle Rubrik «Schnappschuss» ist bereits nach wenigen Folgen am Ende angelangt, beziehungsweise sie ist im Füdli:

 

«Der Wonderbra für den Po». Dafür müsste der Leser erst mal wissen, was ein Wonderbra war oder ist. Und sich für einen «Hinterteil-Verstärker» interessieren. Aber vielleicht ist das auch ein subversiver Scherz zum Niveau der ganzen Seite. Denn drunter keift Jacquelin Badran «Mitte rechts wird immer unanständiger», was ein etwas kühner Titel von jemandem ist, der häufig unanständig ist. Und links vom Hintern fragt sich Markus Somm, ob «Maillard der neue Blocher» sei. Da hat der Blocher-Biograph überraschenderweise so seine Zweifel, die er zum Schluss mit einem seiner missglückten Sprachbilder versemmelt: «Zumal Blocher, der alte Tyrannosaurus Rex, immer noch da ist.» Das unterscheidet ihn tatsächlich vom Schicksal dieses Dinosauriers.

Ist das neu? Ist das aktuell? Ist das mutig, auf ein totes Pferd einzudreschen? Weiss jemand wirklich noch nicht, wer am Untergang der CS schuld ist? Und weiss man nicht, dass niemand niemals zur Rechenschaft gezogen werden wird?

Etwas peinlich ist es dann, dass Rutishauser Joe «Victory Zeichen» Ackermann die Bühne für ungehemmte Selbstdarstellung freiräumt. Der Abgang Ackermanns sei «der Anfang vom Ende» der CS gewesen, titelt der Chefredaktor der SoZ kühn. Dabei war Ackermanns Wechsel zur Deutschen Bank der Anfang des Niedergangs dieser deutschen Institution. Von weiteren dunklen Flecken auf der Weste des vielfach gescheiterten Ackermann ganz zu schweigen. «Mein Weg» nennt der seine Autobiographie. Blöd nur:

«Seit mehr als 20 Jahren angelt Chris Ackermann gezielt auf Karpfen – besser gesagt: große Karpfen», heisst es in der Inhaltsbeschreibung. Man ist versucht zu sagen: diese Lektüre könnte sich lohnen. Und dann heisst der Autor auch noch Ackermann; ob das nicht vielleicht Krach mit dem anderen grossen Fisch geben könnte?

Vielleicht etwas interessanter als die überfotografierten Geishas, aber nun auch nicht gerade der Brüller in der Schweiz:

Aber immerhin, angeblich 12,5 Milliarden US-Dollar abgeräumt im sozialistischen Vietnam, nicht schlecht.

Und dann wieder der ewige Kalauer, wenn sonst ein weisses Blatt Papier gedroht hätte:

Oder ist die Stimmung schuld an den miesen Medien? Oder verbreiten solche immer wieder aufgewärmte Fragen miese Stimmung?

Es gibt doch so viele Trends auf der Welt, und gäbe es sie nicht, könnte man einen erfinden. Den Trend zum Zweithund. Zum dressierten Hamster. Zur Drittfrau. Zum farbigen T-Shirt. Zum alkoholfreien Rausch. Aber nein, die SoZ setzte auf einen Schnarchstil:

«Haben Sie wirklich die ideale Schranklösung»? Wer dabei Hilfe braucht, kann sich wohl auch die Schuhe nicht selbständig anziehen oder geradeauslaufen.

Oder ohne fremde Hilfe eine Auto-Seite basteln: «Dieser Artikel stammt aus der «Automobil-Revue»» und ist eine schlecht verkleidete Publi Reportage über den Opel Zafira Life Silvaplana. Genau wie der Artikel über das französische Städtchen Menton, der nicht nur «zum Teil unterstützt wurde vom Fremdenverkehrsamt Menton», sondern so aufdringlich werblich ist, dass es sogar den meisten Kommentarschreibern den Hut gelupft hat. Mütterchen: «Kennzeichnet solche Artikel bitte am Anfang klar als Werbung. Danke.»

Aber die gute Nachricht ist: hiermit endet der offizielle Teil der SoZ.

 

 

Das Terrain wird planiert

War da nicht mal was von «alle wollen Geld vom Staat»?

Gleich vier Schreibkräfte wirft die «SonntagsZeitung» in die Schlacht, um zu barmen:

«Armutsbetroffene wissen oft nicht, dass sie eine Verbilligung bekommen könnten.» Gilt man als herzlos und von sozialer Kälte beherrscht, wenn man sich fragt: echt jetzt, zu dumm dafür?

Wenn Arthur Rutishauser halt mal nicht aufpasst … Der spiesst dagegen den armen Schweizer Aussenminister Cassis auf: «Das ist europapolitischer Selbstmord», donnert er ihm entgegen. «Anfängerfehler … man kann sich nur wundern, warum sich Cassis dies antut … Himmelfahrtskommando».  Zack.

Aber gleich nebendran wird das Terrain für die nächste Attacke auf Steuergelder eingeleitet: «Wir haben kein Leben mehr», dürfen hier Betroffene jammern, die kaum mehr die Krankenkassenprämien zahlen können. Ein perfekt inszenierter Sozialporno, mit Fallbeispielen und allen Schikanen. Und wer die Message dann immer noch nicht kapiert hat, bekommt noch das Erklärstück «Das müssen Sie zur Prämieninitiative wissen».

Also eigentlich nichts, ausser, dass sie ein paar Milliarden kostet, geschickt auf den Mittelstand gezielt ist (die wirklich Armen – ausser, sie sind zu blöd – bekommen ja bereits Prämienverbilligungen) und dass schon ein MWST-Prozentchen mehr 3,2 Milliarden Franken in die Staatskasse spült. Also wer ja sagt zur 13. Rente, wieso sollte der hier nein sagen?

Was steht denn sonst noch so in der SoZ? Riesen-Symbolbilder, zum Beispiel:

Ist das wenigstens ein reales Opfer der Telefonbetrüger? I wo, das ist ein Getty Images Archivbild, der Ausdruck völliger fotografischer Beliebigkeit, reine Platzverschwendung.

Dann führt uns die SoZ weit weg, ganz weit weg. Genauer auf die Insel Gross Nikobar, zu den dort wohnenden Shompen. Hä? Doch, doch, wenn Sie von den Andamanen noch nie etwas gehört haben, direkt unter dieser Insel liegen die Nikobaren, darunter Gross Nikobar. Hier will Indien sein Hongkong hinklotzen, und da sind die Shompen ein wenig im Weg. Gilt man als herzlos und von interkultureller Kälte beherrscht, wenn man dazu sagt: schlimm, aber was genau geht uns das an?

Etwa so viel wie die Ansicht des «Ökonomen und Glücksforschers» Mathias Binswanger: «Die 13. AHV-Rente wird das Glücksgefühl der Rentner kaum steigern.»

Nichts Gehaltvolles im Blatt? Doch, glücklicherweise gibt es noch Bettina Weber. Die spuckt der Feierveranstaltung «Weltfrauentag» kräftig in die lila Betroffenheitssuppe: «Das mit der Solidarität ist so eine Sache, und das mit der weiblichen Solidarität erst recht. Denn die ist keineswegs so international, wie das die Gesänge an den Demonstrationen gerne glauben machen: Es kommt schon sehr darauf an. Für die Israelinnen, die am 7. Oktober von Hamas-Terroristen verschleppt wurden und seit Monaten unter grauenhaften Bedingungen gefangen gehalten und misshandelt werden, gilt die Anteilnahme zum Beispiel nicht. Es gab am 8. März jedenfalls nicht haufenweise Demos, die ihre Freilassung forderten, es gab auch keine Plakate und keine Sprechchöre.»

Ganz im Gegenteil, weiss Weber: «Vielmehr wurden etwa in Lausanne jene Frauen, die es versuchten, daran gehindert, aggressiv angegangen, bedroht und beschimpft. Während die Menge «Free Palestine!» skandierte, seien die verschleppten Jüdinnen mit Schimpfnamen verhöhnt worden, berichten geschockte Teilnehmerinnen.»

Aber Weber geht noch ein paar Schritte weiter: «Mental Load, Care-Arbeit, Doppelbelastung, Vereinbarkeit. Man fragt sich, warum das allesamt exklusiv weibliche Probleme sein sollen – und ob damit nicht uralte Geschlechterklischees zementiert werden.»

Weitere Müsterchen weiblicher Heuchelei?

«In Saudiarabien gilt die Todesstrafe, kaum ein anderes Land verhängt sie so häufig, und vor allem herrscht Geschlechter-Apartheid, denn Frauen brauchen einen Vormund und für alles die Erlaubnis wie ein kleines Kind vom Papi. Das hinderte die Sängerin und Feministin Alicia Keys aber nicht, dort am 8. März ihren «Women-to-Women»-Talk zu veranstalten. Es passte ja auch terminlich grad so gut, denn einen Tag später gab sie ein Konzert in Jeddah – vor den Mannen des Formel-1-Zirkus. Keys sagte über ihre Veranstaltung, es sei «inspirierend, sich mit wunderbaren Frauen auszutauschen, um grenzüberschreitende Narrative zu diskutieren».»

Fulminanter Höhepunkt der Abrechnung mit weiblicher Verlogenheit: «Der 8. März heisst Weltfrauentag. Zumindest war das mal so. Neuerdings aber sollen Frauen und Queers gemeinsam auf die Strasse gehen. Mit vereinten Kräften sei man stärker, wird argumentiert. Ist ja schon recht. Bloss haben doch die Queers schon den Christopher Street Day und die Pride. Und wenn nun der Frauentag als eine Art Sammelbecken für alle möglichen Opfer des Patriarchats herhalten muss, sagt man den Frauen das, was man ihnen seit Jahrhunderten sagt: Nehmt euch nicht so wichtig, jetzt habt euch doch nicht so, macht mal Platz, wir haben im Fall auch noch ein Anliegen. Deswegen ist ja oft nicht einmal mehr von «Frauen» die Rede, sie verschwinden im Begriff «Flinta» (Female, Lesbian, Intersex, Non-Binary, Trans und Agender).»

Von da an geht’s wieder bergab:

Und bergab:

Echt jetzt? Bewusstes Atmen? Achtsames Schlafen? Sich einmitten beim Pinkeln? Kopfkratzen entspannt? Meditatives blinzeln? Geradeauslaufen ist gesund?

Und was ist dann mit der Lektüre der SoZ? Macht die krank? Fördert Magengeschwüre? Lässt das Portemonnaie leiden? Betäubt den Verstand? Wir bitten um Aufklärung und atmen bis dahin bewusst durch.

Slalom auf engstem Raum

Der Tagi verschlankt. Da muss man engere Kurven fahren.

Dabei quietscht es dann gehörig, und den einen oder anderen trägt es aus der Kurve. Medial eher einmalig ist das Abarbeiten mit Kommentaren an der 13. Rente.

Das ist ein Trauerspiel in bislang vier Akten. Eine klassische griechische Tragödie hat aber fünf, auf die Katharsis warten wir also noch.

Aber Vorhang auf.

Erster Akt: Am 20. Februar griff Oberchefredaktorin Raphaela Birrer in die Tasten und haute einen Leitartikel ihren Lesern in die Fresse: «Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus». Das war so massiv gegen das eigene Publikum getextet, dass es weit über 1000 Kommentare absetzte; wie viele weitere nicht publiziert wurden, kann man sich vorstellen.

Also kroch Birrer gegen Ende des ersten Akts halbwegs zu Kreuze, indem sie der verblüfften Leserschaft erklärte, wie denn so ein Leitartikel vor einer Abstimmung zustande komme. Das sei häufig nachgefragt worden. Nein, am häufigsten hatte sich der Leser über den forschen Ton von Birrer erregt, aber eben, Slalomfahren ist auch eine Kunst. Der erste Vorhang fällt, während das Publikum amüsiert gluckst.

Zweiter Akt: Wie der Deus ex machina tritt Arthur Rutishauser auf und schleudert in der «SonntagsZeitung» Blitze: «Wir sind auf dem Weg zur Gerontokratie, also jener Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen.» Wie ein zürnender Zeus weist er die Erdenmenschen zurecht: «Alle sehen den Staat als Milchkuh, die endlich auch für sie etwas abwerfen soll.» Obwohl beim Schreiben seines Editorials das Ergebnis noch gar nicht feststand. Aber Rutishauser hat halt mit Zeus gemeinsam, dass er in die Zukunft sehen kann. Und was er da sah, erfüllte ihn überhaupt nicht mit Freude.

Der zweite Vorhang fällt, das Publikum schweigt betroffen und harrt gespannt der Fortsetzung.

Neuerlicher Auftritt Birrer, diesmal bereits halbwegs geläutert, obwohl es noch gar nicht Zeit dafür ist. «Dieses Ja ist eine Sensation», begeistert sie sich plötzlich, als hätte sie nicht kurz zuvor vor solch kurzsichtigem Populismus streng gewarnt. Aber was geht Birrer im dritten Akt die Birrer im ersten an? Eben. Diesmal gewinnt sie das Publikum mit grosser Empathie, geradezu mit einer Arie in Anteilnahme: «Ausbau des Sozialstaats … und noch nie haben die Medien so intensiv berichtet … Viele Seniorinnen und Senioren plagen Existenzängste … Die Bedeutung dieses historischen Abstimmungssonntags kann gar nicht überschätzt werden …»

Offener Szenenapplaus, das Publikum zückt die Taschentücher und schnieft hörbar. Schon fällt wieder der Vorhang, lautstark werden Nasen geputzt, Brillengläser auch, und die eine oder andere Träne wird abgewischt. Man schaut sich im Publikum an und nickt sich anerkennend zu. Grosses Kino, das hier geboten wird.

Vierter Akt: Schon wieder wird neues Personal in die Schlacht geworfen, als retardierendes Element tritt Fabian Renz auf, Leiter «Ressort Analyse und Meinungen» und schon mehrfach verhaltensauffällig geworden. Der barmt nun auf offener Bühne: «Bitte das Rentenproblem jetzt ernst nehmen.» Leichte Unruhe im Publikum, denn wer hätte das bislang denn nicht ernst genommen?

Doch, so ernst wie Renz tut das niemand, er deklamiert: «Vielleicht spüren einfach immer mehr Rentnerinnen und Rentner, wie ihnen Inflation und Prämienschock das Geld wegfressen. Vielleicht packt immer mehr Erwerbstätige der Schrecken, wenn sie von ihrer Pensionskasse eine Rentenprognose erhalten.» Da nickt das Publikum bedächtig, schaut sich ins Gesicht und wiederholt: «Vielleicht, vielleicht, vielleicht».

Renz liest nun die Leviten, ruft zur Ordnung, klärt auf: «FDP, Mitte und SVP müssen den Missstand endlich anerkennen und anpacken. Alle Ideen sind ergebnisoffen zu prüfen – auch eine Gewichtsverschiebung von der zweiten zur ersten Säule darf nicht mit einem Denkverbot belegt sein.»

Ergebnisoffen, jubiliert das Publikum, Misstand anerkennen, murmelt es anerkennend, keine Denkverbote, das geht von Mund zu Mund.

Renz verbeugt sich erschöpft, in den fallenden Vorhang hinein brandet Applaus auf.

Fünfter Akt: Das wäre Sophocles nie passiert, aber während das Stück schon aufgeführt wird, ist der noch nicht geschrieben. Peinlich, aber wahr. Dabei werden die Slalomstangen nun ganz eng gesteckt, denn während noch bis vor Kurzem drei Bünde zur Abhandlung zur Verfügung standen, sind es nurmehr zwei.

Wie ein Menetekel an der Wand hängt ein letzter Satz von Renz in der Luft: «Beschränkt sich Tamedia hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und einbrechende Werbeeinnahmen …»

Hoppla, da scheint ein Übersetzungsfehler aus dem Altgriechischen vorzuliegen. Renz sagte natürlich: «Beschränken sich die Parteien hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und Eigenverantwortung ..

 

Die Selbst-Abschaffung

Echt jetzt? Dafür noch Geld verlangen?

ZACKBUM lotet und lotet. Inzwischen geht uns die Lotleine aus, und das Gewicht am unteren Ende verschwindet im Dunkel der Tiefe. Beim Versuch, den Inhalt der aktuellen «SonntagsZeitung» auszumessen.

Selbst die Kaffeetasse oben rechts macht ein falsches Versprechen. Hier werden «Alternativen» vorgestellt. Mangels anderen Themen versucht Chefredaktor Arthur Rutishauser, noch etwas aus dem Vincenz-Skandal herauszumelken. Vergeblich. Der Kampf zwischen Jung und Alt bei der AHV. Das holt nicht mal die Oma aus dem Koma. Bei den Pensionskassen seien die «künftigen Rentner die grossen Verlierer». Das ist bekannt, seit es Pensionskassen gibt.

Was können wir noch schreiben, die Frage bestimmte auch die Berichterstattung über die 13. AHV-Rente. «Das Rentnerpaar, das mit einem Inserat gegen die Initiative kämpft», so sieht journalistische Verzweiflung aus. Begleitet von «Die Zwanzigjährige, die in  der «Arena» der Bundesrätin widersprach». Was eigentlich die News wäre, müsste man nicht noch neben einem Riesenfoto etwas Text drapieren.

Die obligate Solidarität mit der Ukraine, die ist der SoZ so wichtig, dass sie es bei einem freispaltigen Foto und einer einspaltige Meldung von der SDA bewenden lässt.

Dann der Sozialporno: «Lidl setzt sich stärker für Pflückerinnen ein als Coop oder Migros».

«Die Verteidigung bröckelt überall», lamentieren inzwischen die gleichen Kriegsgurgeln, die zwei Jahre lang unermüdlich den Kampfes- und Siegeswillen der Ukrainer besungen haben, denen nur noch ein paar Waffen fehlten, um die völlig demoralisierte, dezimierte, verzweifelte russische Armee endlich aus dem Land zu werfen.

Der «Fokus» war einmal das Parade- und Filetstück der SoZ. Hier gab man sich Mühe, brachte gut recherchierte Longstorys unter. Seit Jahren ist es zum Interview-Abfüllbecken verkommen. Aber auch da geht noch einer nach unten; das Interview mit der «Vorturnerin der Nation». Meine Güte, ist denen denn nichts mehr zu peinlich?

Nein, ist es nicht.

Wirklich nicht: «Wieso ich gestresst auf der WC-Schüssel sitze», das wollen wir ganz sicher nicht von Gülsha Adilji wissen. Leider erzählt sie es trotzdem. Vielleicht hätte sie dabei auch die Kolumne von Markus Somm einer sinnvollen Verwendung zuführen können, denn die ist genauso unlesbar und ungeniessbar wie ihre eigene.

Aber irgendwie scheint das das Motto, das Prinzip dieser Ausgabe zu sein:

Das ist schön für diese Männer, nur findet das die überwiegende Mehrheit der Leser*Innen** keinesfalls prickelnd. Apropos, der grosse Test: «Wir haben Zichorien-, Getreide- und auch Lupinengetränke getestet.» Das taten viele Menschen in finsteren Zeiten, als Kaffee ein unerschwingliches Luxusgut war. Und wieso genau soll man das heutzutage wieder tun? Nur weil den Testern überhaupt nichts eingefallen ist?

Das gilt auch für den «neusten Trend» mit dem Supertitel «Geist ist geil»: «Bücher sind das neue, alte Stilsymbol». Auch darauf muss man mal kommen. Kommt man nur, wenn einem auch nach tiefem Grübeln überhaupt kein Trend eingefallen ist.

Dann noch eine erschütternde Erkenntnis aus der Automobilproduktion: «Mit kleinen Modellen ist es schwieriger, Geld zu verdienen». Dann noch ein abgelegener Tourismus-Quark, bei dem die Fussnote eigentlich alles erklärt: «Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde teils unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und Tourismus-Agenturen.» Recherche? Und welches Teilchen wohl nicht?

Was macht eine Tourismus-Redaktion, wenn auch ihr wirklich nichts einfällt? Genau, da hat es doch mal wieder einer geschafft, durch Nordkorea zu reisen. und zu fotografieren. Wahnsinn, löst sofort «muss hin»-Schübe beim Leser aus. Aber es gibt eine gute Nachricht: damit ist das Ende der Quälerei erreicht.

Nun hurtig zur Kasse im Glashaus an der Werdstrasse: Fr. 6.40 zurückverlangen. Plus Schmerzensgeld. Und zwar in einer Höhe, die selbst Pietro Supino erschauern lässt. Und der denkt nur in grossen Zahlen.

Laientheater um Vincenz

Auch Rutishauser vergaloppiert sich.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, nach dem Prozess ist vor dem Prozess. Diese Fussballerweisheit gilt nun auch für die Justiz. Worin sich alle einig sind: selten ist ein Staatsanwalt so abgewatscht worden wie Marc Jean-Richard-dit-Bressel, der Leiter der Abteilung A der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich. Genauso langfädig wie Name und Titel war auch seine Anklageschrift.

Die führte dann zu einem Auflauf von 1200 Seiten Urteilsbegründung des Bezirksgerichts Zürich. Alles Mumpitz, befand das Obergericht, der Prozess hätte gar nicht stattfinden dürfen. Weil schon die Anklage untauglich ist.

Dieses Versagen kostet den Steuerzahler ingesamt Millionen. Obwohl ihm das Obergericht eine detaillierte Rechtsbelehrung mit auf den Weg gegeben hat, dass gegen seinen Beschluss kein Rekurs möglich ist, gelangte der unbelehrbare Staatsanwalt dennoch ans Bundesgericht. Weitere Geld- und Zeitverschwendung.

Nun hat ein Trio vom Recherchierdesk von Tamedia bereits im juristischen Unterholz dilettiert und unter Beweis gestellt, dass ihm der Unterschied zwischen einem Strafbefehl und einer Anklageschrift nicht geläufig ist.

Auf diesen Spuren wandelt nun auch der Chefredaktor der «SonntagsZeitung». Auch er meckert am Beschluss des Obergerichts herum, er stehe «im Widerspruch zum Bundesgericht», behauptet er. Gleich dreimal schlägt Arthur Rutishauser damit auf. Aufmacher «Wirtschaft», Aufmacher Front «Das Obergericht widerspricht sich selber» und Editorial («Ein Entscheid der niemandem etwas bringt»).

Damit strapaziert Rutishauser ein wenig die Meinungsfreiheit und sein Privileg, dass sich natürlich niemand traut, dem Chefredaktor zu widersprechen. Ein Phänomen, unter dem auch Raphaela Birrer leidet – und letztlich die Leser von Tamedia.

Zum einen ist Rutishauser bis heute nicht klar, was die Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbestands der ungetreuen Geschäftsbesorgung sind. Wie ihm Strafrechtsprofessor Niggli und andere schon vergeblich zu erklären versuchten, ist ein wesentlicher Bestandteil die Schädigung desjenigen, dessen Geschäfte besorgt werden. Wenn nun aber Raiffeisen (und natürlich auch Vincenz und Stocker) profitierten?

Dass Puffbesuche auf Geschäftskosten zumindest anrüchig sind, möglicherweise Spesenbetrug, nun gut. Aber der Staatsanwalt hatte sich mit dem Verhängen von U-Haft in der exorbitanten Dauer von mehr als 100 Tagen selbst unter Zugzwang gesetzt, nicht nur einen banalen Spesenbeschiss anklagen zu können.

So verkantet war der Fall von Anfang an, begleitet von einem unablässigen Strahl von durchgesickerten internen Ermittlungsergebnissen, mit denen das mediale Terrain für eine Vorverurteilung planiert werden sollte. Erfolgreich, und Hauptprofiteur dieser durchgestochenen Dokumente war ausgerechnet – Rutishauser.

Der halst heute: «Es ist ein echter Schildbürgerstreich, den sich das Zürcher Obergericht leistet.» Kann man im Rahmen der Meinungsfreiheit als juristischer Laie so sehen. Allerdings hat wohl auch der Chefredaktor die konzise, knappe und vernichtende Begründung des Beschlusses des Obergerichts gelesen. Was ihm aber offensichtlich nicht in den Kram passte.

Dass er zudem dem Obergericht vorwirft, es habe selbst das Unterlassen von Übersetzungen nicht beanstandet, nehme das nun aber als einen von zwei Vorwänden, um nicht nur das Urteil, sondern auch die Anklageschrift zu kippen, zeugt doch von tiefem Unverständnis juristischer Feinheiten.

Wie ein begossener Pudel, auch diese Würdigung unterlässt Rutishauser, steht nun der Staatsanwalt mit dem länglichen Namen da. Solche Niederlagen pflastern seinen Weg an die Spitze der Staatsanwaltschaft. Eine Anklage gegen Martin Ebner wurde vom Bezirksgericht des Saales verwiesen, auch eine seltene Klatsche. In einem anderen Prozess nahm sich der Staatsanwalt dank seines lockeren Mundwerks wegen Befangenheit selbst aus dem Rennen, selten blöd. Und nun noch das. Was als krönender Abschluss einer jämmerlichen  Karriere gedacht war, gerät zum Desaster sondergleichen.

Das wären genügend Gründe für Rutishauser gewesen, sich aufzuregen. Aber statt auf den eigentlichen Versager prügelt er auf das Obergericht ein, das doch nur zu retten versucht, was bei diesem Justizskandal noch zu retten ist.

Birrerweich

Man soll keine Namensscherze machen. Aber …

Wenn Tamedia-Oberchefredaktorin Raphaela Birrer zum Leitartikel greift, gehen ihre Untergebenen in Deckung.

«13. AHV-Rente: Es braucht ein Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus», donnerte Birrer am 19. Februar vor der Abstimmung. Mit durchaus richtigen Argumenten erläuterte sie die Position der Redaktion, die eine Ablehnung empfiehlt. Der Leitartikel provozierte über 1000 Kommentare; sehr viele davon waren nicht gerade schmeichelhaft.

Ein Müsterchen: «Weil Ihnen wirklich schlagende Argumente fehlen, unterstellen Sie den Befürwortern der 13. AHV-Rente Populismus, Egoismus und Kurzsichtigkeit. Es ist sehr bedenklich, wenn solche Äußerungen von der ganzen Tamedia-Redaktion getragen werden

Das rüttelte dann offenbar die Chefredaktorin gehörig durch und sie beeilte sich, zu erklären und zu besänftigen: «Wie unsere Redaktion vor Abstimmungen zu ihrer Position kommt». Das hat allerdings den erregten Leser nicht wirklich interessiert, obwohl Birrer behauptet: «Unter anderem stellte sich die Frage, wie wir zu unserer Positionierung kommen. Hier lesen Sie, wie

Dann wiederholt sie langfädig Langweiliges und Altbekanntes:

«Die Positionierung der Redaktion kommt vor jeder Abstimmung und zu jeder Vorlage jeweils im sogenannten Leitartikel zum Ausdruck. Der Leitartikel ist ein Meinungsstück. Er zeigt die Argumentation der schreibenden Person (im Fall der 13. AHV-Rente: der Chefredaktorin) und basiert auf dem vorgängig definierten Positionsbezug der Redaktion. In diesem Prozess hat die Chefredaktorin ein Vetorecht. Davon hat sie aber bei der 13. AHV-Rente nicht Gebrauch gemacht, weil ihre Meinung deckungsgleich mit jener der per Stimmabgabe demokratisch ermittelten Mehrheit der Redaktion ist.»

Gälte es hier, einen Schulaufsatz zu bewerten, womit dieses Erklärstück durchaus Ähnlichkeiten hat, würde die Bemerkung lauten: «Thema verfehlt.»

Besonders köstlich ist auch der Schluss. Das sei eine «im Schweizer Journalismus übliche Vorgehensweise». Denn schliesslich, nicht wir, die anderen auch: «So empfehlen etwa auch die NZZ oder sämtliche Medien des CH-Media-Verlags («St. Galler Tagblatt», «Aargauer Zeitung», «Luzerner Zeitung» usw.) Abstimmungsvorlagen zur Annahme oder zur Ablehnung.»

Ätsch, machen doch alle, eigentlich, also reg dich wieder ab, Tamedia-Leser. Nur hat der sich gar nicht über dieses Prozedere aufgeregt und will Tamedia oder seiner Oberchefredaktorin auch nicht untersagen, bei einer Abstimmung Stellung zu beziehen. Die lautet angesichts der binären Ausgangslage halt ja oder nein (oder allenfalls Enthaltung).

Was den Leser zum Kochen brachte, war der Keulentitel, den Birrer in ihrem Rechtfertigungsstück wohlweislich nicht mal erwähnt. Daher nochmal in aller Hässlichkeit: «Es braucht ein Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus». Dadurch fühlten sich nun zahlreiche Leser auf den Schlips getreten (ja, gilt auch für Frauen, Quere, Nonbinäre, Hybride und insbesondere Kim).

Auch mit diesem nachgeschobenen Stück sammelt Birrer nicht bei allen Kommentatoren Punkte: «In dieser Frage hat Frau Birrer oder der Tagi Kampagnenjournalismus betrieben. … Die Stellungnahme war absolut verantwortungslos von der Tagi-Redaktion. … Es ist offensichtlich nicht ganz so einfach, einen anständigen Journalismus zu praktizieren.»

Natürlich gibt es auch vereinzelt Lob für diese klare Haltung. Was hier aber mal wieder schmerzlich an den Tag tritt: irgendwie nimmt in der Chefetage bei Tamedia die Dünnhäutigkeit zu. Arthur Rutishauser holzt gegen «Roger Köppel, der letzte Freund Putins», Birrer beschimpft die Befürworter einer 13. AHV-Rente (darunter wohl mindestens die Hälfte der Tagi-Leser) als kurzsichtige Populisten, Pietro Supino entsetzt sich coram publico über einen Artikel, der von allen anderen Instanzen, inkl. Recherchedesk, als korrekt und tadellos gesehen wird – und sorgt für seine «Depublizierung» also Löschung. Obwohl nicht mal die Direktbetroffenen eine Gegendarstellung oder Löschung verlangt hatten. Irgendwas ist da faul im Staate Coninx.

Während im Fall des gespülten Artikels wieder viel die Rede von Qualitätsmassstäben ist, scheinen die für die Oberchefredaktorin nicht zu gelten. Aber immerhin, sie meldet sich gelegentlich (wenn auch viel seltener als alle ihre Kollegen) zu Wort. Die zweite Quotenfrau in der Chefredaktion bleibt völlig unsichtbar, abgesehen von Ferien-, Ess- oder Lift-Selfies.

Die wenigen noch verbliebenen Qualitätsjournalisten erleben einen Leidensweg bis zur nächsten Sparrunde, der ihnen die Entlassung wohl als Erlösung erscheinen lässt. Und wie meist kümmert sich Supino um irgend einen Pipifax, während sein gravierendes Problem, eine Oberchefredaktorin, die birreweiche Kommentare schreibt, seiner Aufmerksamkeit entgeht.

SoZ verkehrt, NZZaS funkelt

Der Titel ist ein Hilferuf, das Editorial ein Schrei bei der SoZ.

Woran merkt man, wenn einer Sonntagszeitung mal wieder überhaupt kein Aufreger, kein Primeur, kein aufgedeckter Skandal eingefallen ist?

Ganz einfach, aus der Mottenkiste des Stehsatzes wird eines von drei Themen herausgezogen: Meinungsumfrage, Ratgeber oder Sex.

Ene, mene, muh, getroffen hat es den Sex. Nur: Himmels willen, was soll man über dieses Thema denn noch zu einer Titelgeschichte hochzwirbeln? Nun, man nehme ein bescheuertes Symbobild und hole den Titel aus der Abstellkammer, kurz den Staub wegpusten, et voilà:

Welweit hätten die Menschen immer weniger Sex, weiss die «SonntagsZeitung». Ob das an der Genderdebatte und Aufklärungskampagnen über «Catcalling» liegt? Egal, das ist nicht lustig: «Es geht ja nicht nur um Spass, sondern letztlich um nichts weniger als das Überleben der Menschheit.» Also bitte etwas mehr Ernst. Allerdings gibt es da doch eine Erklärung, die zu denken geben sollte: «Die zunehmende weibliche Selbstbestimmung führt dazu, dass Frauen öfter und entschiedener Nein sagen.» Aha. Ist dann die Lösung, es geht ja um das Überleben der Menschheit, doch wieder ein Nein als ein Ja zu nehmen? Rät das etwa die SoZ? Wir sind erschüttert.

Arthur Rutishauser, der zurückgestutzte Chefredaktor der SoZ, ist es auch. Es kommt hier im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Gipfeltreffen:

Ui. ZACKBUM wusste, dass es eher einsam um Präsident Putin steht, aber nur noch Roger Köppel ist sein Freund? Ob das beide wissen?

Rutishauser muss offensichtlich einen Kreischkobold gefrühstückt haben, denn er holzt los wie eigentlich noch nie zuvor:

«Einerseits gibt es auf der linken Seite ein paar Wirrköpfe, die nach wie vor nach Moskau schielen. Andererseits fallen die AfD in Deutschland und ein Teil der SVP in der Schweiz völlig aus der Rolle. Angeführt werden die russophilen SVPler von Roger Köppel, der seine «Weltwoche» zum Propagandablatt umgebaut hat.»

«Der Missverstandene» auf dem Titel, pfuibäh, dann sei die Todesursache von Nawalny noch unklar, schreibe Köppel, dabei weiss doch jeder, zumindest Rutishauser, dass ihn Putin höchstpersönlich umgebracht hat. Natürlich gibt es sicherlich einen kausalen Zusammenhang zwischen der jahrelangen Quälerei in Straflagern, aber nichtsdestotrotz ist die Todesursache tatsächlich noch ungeklärt, was einem Qualitätsjournalisten wie Rustishauser auch auffallen müsste, wären ihm nicht alle Sicherungen durchgebrannt.

Die SVP «inszeniert sich» gerne als «Verteidigerin der Schweiz». Inszeniert, wohlgemerkt, denn ernsthaft tut sie das doch wohl nicht. Nun aber:

«Aber von Putin, da distanziert man sich nicht. Im Gegenteil und mit Verlaub, so Moskauhörig wie Köppel, der noch vor einem halben Jahr für die SVP im Nationalrat sass, waren im Kalten Krieg nicht einmal die Kommunisten Westeuropas. Und das ist sicher nicht im Interesse der Schweiz.»

Moskauhörig, in der Erregung falsch geschrieben, hörten wir das nicht zum letzten Mal im Kalten Krieg, «Moskau einfach», «rote Gefahr», Fünfte Kolonne», «wehret den Anfängen», «die Kommunisten wollen eine rote Schweiz», sie haben nicht die Interessen der Schweiz im Sinn, daher sind sie «Landesverräter».

All das Gequatsche gab es, nun plappert Rutishauser das im Ernst nach? Ist das eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt der «Weltwoche»? Oder soll das einfach eine Schmähkritik sein, ein Rülpser nach schlechter Verdauung?

Die «NZZamSonntag» hat auch nach durchwachter Nacht keine Idee für eine Titelgeschichte gehabt. Sex, das wäre für sie aber doch zu niveaulos. Dann halt so:

Ui. Ist es soweit? Nun ja Theodor Winkler muss in seinem doppelseitigen Rehash aller bekannten Konfliktherde tief Luft holen:

«Schuld an der gegenwärtig prekären Lage tragen Russland, China, Iran und Nordkorea. Unter ihren machtbesessenen nationalistischen Diktatoren bilden diese aggressiven Länder zunehmend einen Bündnisblock. Alle vier ersticken jede Opposition und versuchen, ihren Machtbereich gewaltsam auszudehnen. Alle haben schon vor Jahren gezielt aufzurüsten begonnen – ohne dass der Westen aufgewacht wäre und die Gefahr erkannt Das Resultat ist eine militärische Überlegenheit der Diktaturen, die bis etwa 2035 anhalten dürfte.»

Wie bitte? Militärbudget USA: 877 Milliarden US-Dollar. China: 292 Milliarden, Russland 86,4 Milliarden, alles Zahlen von 2022.

Oder in anderen Worten: das Militärbudget der USA ist grösser als die Militärausgaben der nächsten zehn Staaten zusammengenommen. Wobei Iran oder gar Nordkorea in dieser Statistik gar nicht auftauchen. Wie man da auf eine «militärische Überlegenheit der Diktaturen» kommen kann? Was für Zeugs mag Winkler wohl geraucht haben?

Wohl das Gleiche wie die Bildredaktion:

Eine halbe Seite Gaga-Symbolbild, über einem mässig originellen Titel? Na ja.

Aber. An diesem Wochenende verziehen wir der NZZaS (fast) alles. Nicht wegen dem Inhalt des Stammblattes, der ist mässig. Aber wegen dem «NZZ am Sonntag Magazin». Doch. Das spinnt zwar wie üblich:

Das sei ein «Design von Daunenjacken jenseits der wuchtigen Steppmäntel». Muss haben, lallt der Leser. Wenn er das Gleiche geraucht hat wie alle hier.

Aber:

Das Interview mit der Psychoanalytikerin Erika Freeman ist fantastisch. Nicht unbedingt wegen der erst 22-jährigen Maja Goertz, die sie interviewt hat. Sondern wegen den Antworten der 96-jährigen Erika Freeman, die häufig im Wiener «Imperial» absteigt. Warum? «Es ist meine Rache an Adolf Hitler, dass ich hier bin. Er hat einmal im «Imperial» übernachtet.»

Ob sie mutig sei, bei diesem Lebenslauf? «Ich habe getan, was getan werden musste. Ist es mutig, keine Angst zu haben? Oder ist es mutig, seine Angst zu überwinden? Ich denke, es ist beides.» Was für eine Frau, was für altersweise, abgeklärte, dennoch messerscharfe Einsichten, ein seltener Hochgenuss, dringend empfohlen.

 

 

 

Arbeitsbiene Rutishauser

Der Chefredaktor der SoZ leistet alleine so viel wie 50 Nasen der «Republik» zusammen.

Verdient aber entschieden weniger als die. Legt man den angeblichen Einheitslohn von 8500 Franken brutto zugrunde, kommen die Republikaner auf locker über 400’000 Franken im Monat. Das kassiert Arthur Rutishauser im Jahr nicht.

Dennoch hat er gerade mal wieder ein Editorial und drei Artikel in der neusten SoZ rausgehauen. «Der Rohrkrepierer von Economiesuisse», in seinem Kommentar spiesst er die völlig missglückte Intervention von vier ehemaligen Bundesräten gegen die 13. AHV-Rente auf. Sein Verdikt:

«Dass so ein Aufruf beim Volk schlecht ankommt, wäre eigentlich voraussehbar gewesen. Um glaubwürdig zu wirken, hätten die Ex-Magistraten schon während ihrer Amtszeit überlegen müssen, ob es wirklich noch zeitgemäss ist, wenn ein Regierungsmitglied eine Rente bekommen soll – selbst wenn sie oder er mit unter 50 Jahren abtritt oder abgewählt wird.»

Dann vermeldet er, dass die UBS eine teilweise Schwärzung des WEKO-Berichts verlangt. Zum Hintergrund: Die UBS hat bekanntlich 2023 nur deswegen einen Riesengewinn gemacht, weil sie die CS zum Schnäppchenpreis nachgeworfen bekam. Sonst läuft das Geschäft schlecht.

Nun prüfte die zahnlose Bankenaufsicht Finma diesen Notverkauf. Und prüft und prüft und prüft. Dabei hat die Wettbewerbskommission WEKO ihren Bericht bereits im Oktober letzten Jahres eingereicht, Aber der darf erst dann veröffentlicht werden, wenn die Finma zu Potte gekommen ist. Das lässt aber auf sich warten; Rutishausers Bilanz: «im Resultat führt das dazu, dass die UBS bald ein Jahr nach der Fusion ihre Marktmacht ausspielen und Fakten schaffen kann».

Dann hat Rutishauser offensichtlich ein Hörrohr in der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), die sich ebenfalls mit dieser Affäre CS – UBS befasst. Seine bittere Zusammenfassung, was bislang geschah: «Jahrelanges Versagen und übertriebener Formalismus der Aufsicht, aber keiner ist schuld. Das ist das Zwischenfazit der parlamentarischen Untersuchungskommission.» Insbesondere habe die Finma einen geplanten Verkauf des US-Geschäfts der schlingernden Bank durch übergrossen Formalismus verhindert. Und damit einen Beitrag zum Untergang geleistet.

Und schliesslich nimmt sich Rutishauser nochmals den Präsidenten der Bank Bär zur Brust. Der hat bekanntlich seinen CEO geopfert und hält sich selbst krampfhaft an seinem Sessel fest. Obwohl Romeo Lacher unter anderem im Risikoausschuss sass, der alle inzwischen geplatzten Kredite an den österreichischen Hasardeur René Benko durchwinkte.

Noch schlimmer sei aber das Wirken von Lacher als VR-Präsident der Schweizer Börse Six. Dort habe er sogar einen doppelt so grossen Verlust als die über 600 Millionen bei der Bank Bär zu verantworten. Einmal ein lausiger Verkauf des Kreditkartengeschäfts an die französische Worldline. Dafür erhielt Six deren Aktien «und diese verloren im letzten Jahr 70 Prozent ihres Werts». Und dann noch der versemmelte und viel zu teure Einstieg bei der spanischen Börse, der zu einem gewaltigen Goodwill-Abschreiber führte, aus dem letztes Jahr ein Verlust von 340 Millionen resultierte. Also alles in allem weit mehr als das Doppelte im Vergleich zu Bär.

Rutishauser resümiert: «Ausbaden muss die gescheiterte Strategie nun sein Nachfolger Thomas WellauerDer ehemalige McKinsey-Mann «versuchte um die Jahrtausendwende, die Winterthur-Versicherung mit der Vermögensverwaltung der CS zusammenzubringen. Damals scheiterte er.»

Was wieder die Frage aufwirft, wie gigantisch man eigentlich in der Finanzwelt versagen muss, um vom Präsidentenstuhl abmontiert zu werden.

Aber im Journalismus leben ja diverse Leichen auch immer noch, und durchaus komfortabel, von links bis rechts. Von der «Republik» über «bajour» bis zum «Nebelspalter».

Falscher Titel

Die «SonntagsZeitung» schlägt mal wieder Alarm.

ZACKBUM weiss, was passiert ist. Wir können auch ein untrügliches Indiz anführen. Es gibt kein Editorial und auch keinen Artikel von Arthur Rutishauser. Also ist er in den Ferien. Und die Leser haben die Bescherung.

Es ist mal wieder ein Cover, bei dem man sich fragt, wieso eigentlich der Mut fehlt, den Leser mit der Mitteilung zu überraschen: diese Woche ist uns einfach mal wieder überhaupt nix eingefallen.

Stattdessen: «So lebt eine polyamore Familie, Odermatt, Rösti». Zwei Jung-Nationalrätinnen sind sich uneinig. Verblüffend, die eine ist in der SVP, die andere in der SP. Und dann der falsche Titel des neuen Jahres: «Schweizer Berge schrumpfen». Richtig wäre: «SonntagsZeitung» schrumpft.

Beweise gibt es überreichlich: «50 Jahre «Kassensturz»». Nichts gegen Roger («wer hat’s erfunden?») Schawinskis Meisterleistung, aber eine Doppelseite? Und hätte man von Schawi nicht ein besseres Foto nehmen können?

«Der Streit unter den rechten Parteien spitzt sich zu», ein schönes Stück Wunsch- und Blasenjournalismus. Dann erschütternder Mülltourismus, begleitet vom Lacher des Monats: «Ärztin lässt zwei Verletzte liegen, die von ihrem Hund angefahren wurden». Ein grossartiges Stück Qualitätsjournalismus.

Neu daher kommt auch die Seite «Standpunkte». Das Lustigste, nämlich die Bildsatiren von Peter Schneider, sind verschwunden. Stattdessen das brüllend originelle Gefäss «Schnappschuss». Aber immerhin, dank der unablässig quengelnden Jacqueline Badran und des unablässig knödelnden Markus SommWarum Deutschland nicht zur Schweiz gehört», auf diesen Titel muss man erst mal kommen), kann die Seite schmerzlos überblättert werden.

Womit man beim Porträt des «interkulturellen Beraters» gelandet wäre, der sich gegen Gewalt in Migrantenfamilien einsetzt. Putziger Titel: «Auch meine Klienten wissen, dass es falsch ist, die Partnerin zu schlagen». Aber sie tun es halt dennoch, da sollte man nicht eurozentrisch und postkolonialistisch unser Wertesystem anderen Kulturen aufzwingen wollen.

Wenn dem Wirtschaftsressort auch mal wieder gar nichts einfällt, dann wärmt es diese Uralt-Geschichte auf: «So viel Food-Waste verursacht der Detailhandel». ZACKBUM warnt: wenn man schon Anfang Jahr den ganzen Stehsatz verballert, dann wird es spätestens in der Sommerflaute ganz dünn. Denn das Stichwort «Food-Waste» ergibt im Medienarchiv SMD in den vergangenen 12 Monaten satte 1886 Treffer

Aber, ZACKBUM widerspricht seinem Ruf, alles nur negativ zu sehen, dann kommt das Highlight der Ausgabe; ein selten mutiger Peter Burkhardt titelt: «Wo Kettensägen-Mann Javier Milei recht hat». Und legt in der Unterzeile noch nach: der argentinische Präsident sei in Europa als irrer Rechtspopulist verschrien, «dabei ist sein Wirtschaftsprogramm vernünftig und angesichts der Krise des Landes dringend nötig». Vielleicht sollte Burkhardt das mal seinem Kollegen Simon Widmer schonend beibringen.

Aber dann geht es weiter in der Abteilung eingeschlafene Füsse in ungewaschenen Socken: «Die Angst vor der nächsten Finanzkrise wächst». Und wächst und wächst und wächst. Gestern, heute und morgen. Auch der Geldonkel und ehemalige Chefredaktor Martin Spieler hat sich wohl noch nicht wirklich von der Sause an Silvester erholt: «Nur auf Megatrends zu setzen, ist riskant». Mindestens so riskant, wie auf Mikrotrends zu setzen. Oder überhaupt zu setzen.

Dann kommen wir auf das Niveau «Hund überfährt Passanten» zurück: «Wechseljahre mit Anfang 30». Daraus könnte man problemlos eine Serie basteln: «Herzinfarkt unter 30, graue Haare unter 30, MS unter 30, Demenz unter 30, Glatze unter 30, Dritte Zähne unter 30».

Nachdem Jean-Martin Büttner bereits alles Nötige zur «singenden Nervensäge» gesagt hat, darf nun Joan Baez in der SoZ selbst etwas zu sich sagen.

Dann noch etwas reinster Gesinnungsjournalismus: «Putins Aufstieg vom Hinterhofschläger zum neuen Stalin». Allerdings macht der Rezensent dieses sicherlich ausgewogenen Romans die Lektüreempfehlung gleich am Anfang kaputt: «Doch der Ukraine-Krieg macht auch seinen Roman kaputt.» Frage: wieso sollte man das dann lesen? Und bis zu einem neuen Stalin ist’s dann doch noch ein Weilchen hin für den Kremlherrscher.

Dann wieder zurück zu «Hund überfährt Mann»: «Ein Kind, eine Mutter und zwei Väter». Huch. Wir kommen zum Intelligenztest dieser Ausgabe: welchen Einrichtungstipp gibbs Anfang Jahr? Bravo, genau: «Neues Jahr, neue Ordnung». Dann eine brandneue Erkenntnis: «Im Winter schlafen Bäume nur mit einem Auge». Und was machen von Geburt an einäugige so?

Aus der Frühzeit gibt es hingegen Schreckliches zu vermelden, wenn auch nur in Frageform: «Schnitten sich die Menschen der Steinzeit Fingerglieder ab?» Nüchterner geht es in die Gegenwart zurück, wo der Autobauer zu den letzten Mohikanern gehört, die Printinserate schalten: «Der Traum von vergangener Grösse», die SoZ begrüsst das Comeback von Cadillac. Zweiter Intelligenztest, was wird im Reise-Teil thematisiert? Bravo, schon wieder richtig: «Da wollen wir 2024 hin. Traumziele».

Aber, schluchz, schon nach 58 Seiten ist dann Schluss. Mehr würde der Leser auch nicht aushalten …

 

 

 

 

Strafaufgabe «Republik»

Ein Angebot zur Selbstquälung aus dem Rothaus.

Meistens sind Newsletter der «Republik» erheiternd. Sie schreiben um, schwafeln schön und haben ellenlange PS-Orgien am Schluss. Mit dieser Tradition bricht nun die Co-Chefredaktorin Bettina Hamilton-Irvine. Ihre Endjahr-Bilanz ist kurz (weniger als 3000 A), hat kein PS und fängt auch ganz ungewohnt an: «Guten Tag». Eigentlich hätte man vom zweiten Co-Chefredaktor auch ein Wort erwarten können, aber die schreibende Schmachtlocke ist offenbar indisponiert oder beyond.

Ein guter Tag wird es dennoch nicht, wenn man den Ratschlägen von Hamilton-Irvine folgt. Zunächst übt sie sich im Schönsprech «… auch intern bei der Republik hatten wir ein paar grössere Hürden zu überwinden». Das bietet noch Anlass für einen kurzer Lacher, aber anschliessend wird es knüppelhart. Eingeleitet mit Eigenlob: «Wir machen keinen Newsticker-Journalismus, sondern konzentrieren uns auf die grossen Bögen: Wir legen Zusammenhänge offen und leuchten Hintergründe aus.»

Dafür führt die Co-Chefredaktorin drei Beispiele an. Zunächst ein Stück von Constantin Seibt. Es ist 41’663 A lang. Und wird gekrönt von einer demagogisch-üblen Karikatur in faschistoider Tradition des längst vergessenen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis. Dessen Gesicht verzerrt sich zu einer Teufelsfratze:

Man kann nicht einmal vom abgehärteten ZACKBUM-Redaktor erwarten, dieses Geschwafel eines nach eigenem Bekunden unter ADHS leidenden Menschen mit Sprachdurchfall zu lesen. Allerdings meldete sich der Starschreiber zum letzten Mal am 22. Juli mit der Folge 2 seiner unendlichen Geschichte über «Die Zukunft des Faschismus» zu Wort. Muss man sich Sorgen um Seibts Gegenwart machen?

Dann halt das angeblich «lesenswerte» Stück «Wie die Schweizer Medien auf SVP-Kurs» geraten seien. Es stammt vom gerade vom Presserat gerügten Mitglied des Presserats und «Medienredaktor Dennis Bühler». Die «Republik» hat schon Schlimmeres auf diesem Gebiet verbrochen, erinnert sei nur an die Serie über eine angebliche «Reise ans Ende der Demokratie», in der Daniel Ryser zusammen mit Basil Schöni ein ganzes «Netzwerk aus rechten etablierten Journalistinnen und verschwörungsideologischen Akteuren» enttarnt haben wollte. Kleiner Schönheitsfehler: um sich diese absurde These nicht kaputtmachen zu lassen, sprachen die Recherchierenden mit einem einzigen der vielen denunzierten Netzwerker.

Ähnlich geht auch Recherchiergenie Bühler vor. Er schmiert über 33’000 Anschläge zusammen, um seine steile These zu illustrieren: «Die «SonntagsZeitung» bedient eine rechts­populistische Agenda, auch der «Tages-Anzeiger» zieht zunehmend mit.» Ist die «Republik» oder Bühler immer noch sauer, dass ihnen die SoZ ihrer aufgeplusterten Skandalstory über angebliches Mobbing an der ETH die Luft rausliess?  Die SoZ rechtspopulistisch zu nennen, traut sich Bühler nicht. Aber sie habe eine solche «Agenda». Das Blatt der  Überkorrektheit, das seitenweise Anleitungen über die korrekte Verwendung des Gendersterns und der politisch korrekten Schreibe gibt, soll rechtspopulistisch geworden sein? Das mag in einem Paralleluniversum so sein, in dem böse Mächte, Hexer und gar ein Teufel wie DeSantis regieren. Aber in der Schweizer Wirklichkeit?

Stattdessen klaubt Bühler Beispiele wie die Berichterstattung über eine wissenschaftliche Untersuchung über das Karrieredenken von Studentinnen oder über die Intoleranz der städtischen Linken zusammen. Dass die SoZ dabei einfach Ergebnisse referierte, die auch nicht ins Weltbild des intoleranten Linken Bühler passen, was soll’s. Ein weiterer «Beweis» in seiner verqueren Logik besteht darin, dass der Gottseibeiuns Christoph Blocher die Berichterstattung der SoZ gelobt haben soll.

Man stelle sich vor: käme das Herrgöttli vom Herrliberg auf die Idee, die «Republik» zu loben, wäre die dann auch rechtspopulistisch unterwegs und müsste sich sofort entleiben? Aber bei Artikeln auf diesem bescheidenen Niveau ist diese Gefahr eher gering. Und am Entleiben arbeitet sie sowieso schon.

Auch hier ist für Gelächter gesorgt. Denn Bühler zitiert den SoZ-Chefredaktor: «Linken sei die Ideologie nun mal oft wichtiger als die Fakten, behauptete Chefredaktor Arthur Rutishauser». Wie Bühler beweist, ist das keine Behauptung …

Bühler greift weit in die Vergangenheit zurück und zerrt Kurt Imhof aus dem Grab, der schon 2012 seherisch vor solchen Zuständen gewarnt haben soll. Richtig ein Dorn im Auge ist dem um Objektivität bemühten Bühler der USA-Korrespodent Martin Suter. Der langjährige Kenner der Sachlage scheut sich im Gegensatz zu Bühler nicht, ohne Scheuklappen zu berichten. Suter hat doch tatsächlich zur Kenntnis genommen, dass Donald Trump einmal die Präsidentschaftswahlen gewann, und neulich titelte Suter doch gar: «Amerika stöhnt auf: Joe Biden möchte es noch einmal wissen». Aus der sicheren Schreibstube in der Schweiz weiss Bühler natürlich, dass das nicht stimmt; Amerika jubiliert, dass es die Wahl zwischen einem senilen und einem Amok-Kandidaten hat.

Dann lobt Bühler als letzten Mohikaner einen Tamedia-Mitarbeiter, der dermassen unappetitlich ist, dass er hier eigentlich nicht mehr vorkommt: Philipp Loser. Der habe, schon wieder darf gelacht werden, «eine exzellente Schreibe». Exzellente Konzernjournalismus-Schmiere, die auch schon wegen Qualitätsmängeln gelöscht werden musste, das wäre eine realitätsnähere Beschreibung.

Das darf bei einem solchen reinen Behauptungs- und Vermutungsstück nicht fehlen, der Aufschwung ins Allgemeine am Schluss: «Die beiden Tamedia-Publikationen «Sonntags­Zeitung» und «Tages-Anzeiger» sind keine Einzelfälle». Auch dass das linke Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) in einer aktuellen Untersuchung «ein anderes Bild» zeichne, vulgo mit wissenschaftlicher Methode zeigt, dass Bühler Quatsch fantasiert, kann den nicht erschüttern; diese Studie beruhe «auf einem fragwürdigen Politik­verständnis». Besser kann man es nicht zum Ausdruck bringen: passt die Wirklichkeit nicht in Bühlers ideologische Vorstellung von ihr, wird sie halt passend gemacht.

Schliesslich wagt sich Bühler noch auf richtiges Glatteis. Ein ideologisch Verblendeter will in die Zukunft sehen und behauptet, Daniel Fritzsche oder Benedict Neff seien die heissesten Anwärter auf den Chefredaktorposten bei der NZZamSonntag. Aber wenn Bühler was sagt, stimmt das eigentlich nie.

Dass rechte Provokateure – genauso wie linke – Erregungsbewirtschaftung betreiben, um in die Medien zu kommen, welch umwerfend neue Erkenntnis. Dass Bühler die gleiche Art von Gossenjournalismus betreibt wie sein Bruder im Geist Ryser, fällt ihm allerdings nicht mal auf: kein einziger der von ihm namentlich Angepinkelten bekam Gelegenheit zur Stellungnahme. Sollte bei dieser Platzverschwendung eigentlich drinliegen, oder nicht?

Natürlich wurde Bühler, denn wir sind hier nicht bei der «Republik», die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten. Dass scheiterte aber daran, dass er ab Weihnachten bis zum 15. Januar (hoffentlich 2024) nicht arbeite und auch keine Mails beantworte, wie man seiner automatischen Antwort entnehmen kann. Auch die Bitte um Weiterleitung an die von ihm angegebenen Kontaktadressen «in dringenden Fällen» brachte keine Reaktion.

Man soll «Republik»-Mitarbeiter, nicht nur Constantin Seibt, keinesfalls in ihrer schöpferischen Pause stören. Denn geschähe das, passierte Fürchterliches: sie würden aus dem Tiefschlaf erwachen und schreiben. Und schreiben und schreiben und schreiben.