Tagerin-Anzeigerin*

Das Blatt überschlägt sich mal wieder vor Feminismus.

Kaum hat Nadine Jürgensen nachgeplappert, dass sexualisierte Gewalt überall sei (statt sich um das asexuelle und auch erfolglose ElleXX zu kümmern, dessen Namen hingegen, aber lassen wir das), quillt die Tagi mal wieder über vor Themen, die nur eine bestimmte Gesinnungsblase interessieren.

Da hätten wir mal das hier:

Schon wieder «ordnet eine Expertin ein», Jan Bollinger hilft ihr dabei. Der ist sowieso dauererregt (Pardon), wenn es um Diskriminierung, Sexismus, Rassismus, Postkolonialismus und so schlimme Dinge geht. Er war dabei, als «Blackfacing» am Sechseläuten enthüllt wurde, wollte das zu einem Riesenskandal aufblasen, der dann keiner wurde.

Nun also mal wieder der Arbeitsplatz als Brutstätte von üblen triebgesteuerten Untaten. In der Mediendatenbank findet man im vergangenen Jahr sagenhafte 4635 Treffer zu sexuelle Belästigung. Zum auch in der Schweiz begangenen furchtbaren Verbrechen der Klitorisbeschneidung – ganze 4, davon 3 aus ZACKBUM. Darüber hat die Expertin Franziska Saxler schon ein Buch geschrieben, deshalb ist sie ja Expertin, logo (nein nicht über die Klitorisbeschneidung). Sie beantwortet darin zum x-ten Mal die ewig gleichen Fragen: «Was ist ein toxisches Arbeitsumfeld und wo beginnt grenzverletzendes, sexualisiertes, machtmissbräuchliches Verhalten

Was qualifiziert sie denn dazu? «Als leidenschaftliche Podcasterin bei den Trashologinnen und engagierte Sozialpsychologin setze ich mich für Themen wie Belästigung, Diversität und psychologische Sicherheit ein.» Ach so.

Nun darf sie, Tagi sei Dank, ungehemmt Werbung für ihr Werk machen. Dafür souffliert Bollinger süsse Fragen. Man spürt richtig, wie betroffen er ist, schliesslich beschwerten sich ja auch schon mal 78 erregte Frauen über das angeblich völlig versaute, sexualisierte, diskriminierende und demotivierende Arbeitsumfeld bei Tamedia und beschuldigten pauschal alle Männer (also auch Bollinger!), daran teilzuhaben, weil sie nur anonyme Fallbeispiele aufführten.

Blöd nur: kein einziges, aber keines liess sich dann bei einer anschliessenden umfangreichen Untersuchung erhärten oder belegen oder verifizieren. Waren wohl alles Frauenfantasien.

Aber gut, Saxeer sieht das natürlich anders: «Die Problematik von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wird maximal unterschätzt.» Daher sieht sie da die maximale Chance, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Dann fragt Bollinger pseudokritisch nach, ob ein blöder Spruch über Frauenparkplätze im Büro denn wirklich schon als sexuelle Belästigung zähle. Aber natürlich, behauptet Saxer, «kommen diese (solche Witze, Red.) sehr oft vor, können sie bei den Betroffenen zu einem Grundlevel an psychischem Stress führen. Ständige Sprüche über Frauen geben diesen zum Beispiel das Gefühl, dass sie im Unternehmen nicht für voll genommen werden.»

Aber es ist ja noch viel schlimmer, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, inkl. dumme Sprüche, haben furchtbare Auswirkungen. «Dazu gehören Depressionen, Schlafprobleme und körperliche Beschwerden.» Auch Saxer ist natürlich Verfechterin der Theorie, dass die Betroffene das Alleinentscheidungsrecht hat, ob und wie sie belästigt wurde, auch die Behauptung, es sei ein Missverständnis, nützt da dem Mann, diesem Schwein, überhaupt nichts:

«In den allermeisten Fällen von Belästigung war die Absicht genauso unangemessen, wie es sich angefühlt hat. Aber auch wenn es sich um ein Missverständnis handelt, ist das letztendlich irrelevant.»

Denn, diese Absurdität im Belästigungswesen ist nicht wegzukriegen: «Entscheidend sind die Gefühle der Opfer.» Das ist zwar gaga, aber halt weibliche Logik.

Wer noch nicht genug kriegen kann von solchen Themen, das «Magazin» hilft weiter.

Gestellt werden die 50 Fragen von Annik Hosmann. Die hat sich schon zu Absurditäten wie der verstiegen, dass «auf verschiedenen Schweizer Festivalbühnen diesen Sommer bedenklich wenig Frauen spielen». Ihre Lösung? Sie fordert «in einem ersten Schritt» Frauenquoten. Anschliessend kämen noch Quoten für Sprachregionen, kulturelle Hintergründe, Körpergrösse und -umfang, Haarfarbe, Behinderungen, sexuelle Orientierungen, geographische Herkunft, usw. Bis der Festivalveranstalter sich den Kopf zerbrechen darf: ich bräuchte noch einen dunkelhäutigen, transsexuell orientierten Flötisten aus Asien, der unter einer Gehbehinderung leidet und Rastas trägt und auf Vietnamesisch summt.

Nun also «50 überfällige Fragen an Carolin Lerchenmüller», die erste Professorin für Gendermedizin (kein Witz) in der Schweiz. Überfällig? Zum Beispiel die hier?

«Im Jahr 1900 schrieb der Neurologe und Psychiater Paul Julius Möbius in seinem Essay «Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes» den Satz: «Körperlich genommen ist das Weib ein Mittelding zwischen Kind und Mann und geistig ist sie es, wenigstens in vielen Hinsichten, auch.» Woher kommt die Idee, dass die Frau das «schwache Geschlecht» sei

Wie oft ist dieser dumm Essay, der vor inzwischen 124 Jahren geschrieben wurde, anklägerisch herumgereicht worden? Oder diese hier: «Was hat es mit dieser Hysterietheorie auf sich?» Da weiss die Genderprofessorin aber ordentlich Bescheid: «Die Diagnose wurde im Grunde benutzt, um Frauen ihre Mündigkeit und Handlungsfähigkeit zu nehmen.»

Weiterlachen kann man bei Frage 20:

«Welches ist der häufigste Fehler bei der Abbildung des weiblichen Körpers? – Oft fehlen die Genitalien im Beckenbereich. Während die Brüste häufig dargestellt sind, fehlt oft die Vulva.» Man kann’s auch nie recht machen. Entweder sind die Darstellungen des weiblichen Körpers zu sexistisch und für lüsterne Männerblicke gemacht, oder es fehlt die Vulva.

Auch Frage 34 hat es in sich: «Eine Frau ist circa 24 Stunden pro Monat fruchtbar, ein Mann dagegen rein hypothetisch jeden Tag 24 Stunden. Trotzdem gibt es für Männer bis heute nur zwei Verhütungsmethoden: das Kondom und die Vasektomie. Wieso

Dann nähern wir uns auch schon dem Ende, der Göttin sei Dank. Die letzten drei Fragen sind so gut, die müssen hier, wenn auch ohne Antworten, unbedingt zitiert werden:

«48. Warum?
49. Welche Bücher empfehlen Sie zum Thema?
50: Und ganz zum Schluss: Welchen Satz wollen Sie nie mehr hören oder lesen?»

Da ging aber der Befragen ganz schön die Luft aus, während sie 50 Fragen stellte. ZACKBUM muss hingegen ehrlich gestehen, auf die letzte Frage würde wir antworten: jeden beliebigen Satz von Hosmann zum Thema Gendern, Feminismus, Quoten oder Diskriminierung.

Wer hat Angst vor Milei?

Die NZZ zeigt mal wieder, was Journalismus ist.

Der argentinische Präsident Javier Milei? «Bricht mit allen Regeln der Diplomatie, um eine rechtsextreme Internationale aufzubauen» (WoZ), «demonstriert wurde gegen ein umstrittenes Reformpaket der ultraliberalen Regierung» (SRF), «Diese Woche brannten mal wieder die Straßen von Buenos Aires. Dabei trat Argentiniens Präsident Javier Milei vor einem halben Jahr mit dem Versprechen an, das Land zu goldenen Zeiten zurückzuführen» («Süddeutsche Zeitung»).

Lateinamerikas Trump, Kettensägen-Präsident, Ultra-Liberaler, Anarcho-Kapitalist, selbst seine Frisur war Anlass zu launigen Bemerkungen in der Mainstreampresse. Thomas Fuster resümiert in der NZZ: «Noch vor einem Jahr schwankte der europäische Blick auf Javier Milei zwischen Belustigung und Entsetzen.» Wobei doch das Entsetzen überwog.

Denn das Problem war und ist: sollte Milei mit seiner Radikalkur gegen alles, was dem woken Gutmenschen lieb und teuer ist, Erfolg haben, dann sind mal wieder alle Illusionen eines solidarischen, sich verschuldenden Sozialstaats in Lateinamerika geplatzt. Die waren in Argentinien selbst für den härtesten Linken schon vorher am Ende. Zu offenkundig korrupt und unfähig richtete der Kirchner-Clan das Land zugrunde. Präsidentin Kirchner versuchte noch vergeblich, mit Kampftiraden gegen Geierfonds zu verhindern, dass Argentinien endlich einmal seinen Versprechungen nachkommen musste, seine Schulden auch wirklich zu bezahlen. Vergeblich, der nächste Staatsbankrott war fällig.

Und nun das, wie Futer Zwischenbilanz nach einem Jahr Milei zieht: «Er hat die Staatsausgaben real um fast einen Drittel gesenkt, die Zahl der Ministerien halbiert, Bürokratie abgebaut und dringend benötigte Devisen zurück ins Land geholt. Mit disziplinierter Finanzpolitik ist es ihm gelungen, dass der Staat wieder Primärüberschüsse ausweist; ohne den Schuldendienst übersteigen die Einnahmen somit die Ausgaben

Es ist eine nötige Rosskur eines Landes, das jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt hat und dabei gigantische Schuldenberge auftürmte: «Die Reformen beginnen zu greifen, wobei der Bevölkerung grosse Opfer abverlangt werden. Argentinien durchleidet eine schwere Rezession. Die Armutsquote steigt. Und im öffentlichen Sektor, der von den Peronisten zuvor stark aufgebläht worden war, sind schon Zehntausende von Stellen gestrichen worden

Dennoch – oder vielleicht deswegen – ist die Popularität Mileis in der Bevölkerung ungebrochen hoch, zum Leidwesen aller, die in ihm ein politisches Feindbild par excellence sehen. Dazu schreibt Futer richtig:

«Diese Popularität wird oft mit Populismus verwechselt. Doch wenn ein Populist ein Politiker ist, der den Leuten nach dem Mund redet, ihnen das Blaue vom Himmel verspricht und Probleme verharmlost, dann ist Milei der Anti-Populist. Er hat dem Wahlvolk nichts versprochen ausser Blut, Schweiss und Tränen. Er sagt: «No hay plata» – da ist kein Geld. Nach Jahrzehnten der Misswirtschaft gibt es nichts mehr zu verteilen.»

Nicht einmal zu dieser einfachen und logischen Einsicht sind die meisten übrigen Analysten, Lateinamerikaspezialisten und Rechthaber in der Lage, die die Welt so hinschreiben wollen, wie sie ihnen in den Kram passt.

Auch die Gleichsetzung von Trump und Milei ist gugus, hält Futer fest: «Der Argentinier wehrt sich gegen fast alles, was der Amerikaner will: Zölle, Protektionismus, Subventionen für die Industrie. Milei fordert vielmehr Freihandel, Wettbewerb, Austerität. Dass dies kurzfristig unbequemer ist als staatliche Rundumversorgung, verheimlicht er nicht.»

Also Operation in vollem Gange, der Patient leidet, stirbt aber nicht. Will man das auf Europa übertragen, dann wäre zum Beispiel im zweitgrössten EU-Staat Frankreich mit seiner gigantischen Staatsverschuldung von über 3,3 Billionen Euro eine ähnliche Rosskur dringend nötig. Oder in Italien. Oder in Griechenland. Oder langsam sogar auch in Deutschland.

Aber das wird nicht geschehen. Vielleicht schon deswegen, weil es an einer charismatischen Figur wie Milei fehlt, der seine Exzentrik durchaus als Propagandawaffe einsetzt.

Aber wer dem Stimmbürger Rentenerhöhungen, mehr Sozialleistungen, Ausbau staatlicher Dienstleistungen und Ähnliches verspricht, das Ganze – wenn er überhaupt davon spricht – über ungehemmtes Schuldenmacher finanzieren will, der sammelt in Europa immer noch mehr Wählerstimmen als einer, der bittere Wahrheiten verkündet.

In der Schweiz hält ein SP-Co-Präsident eine 12-Millionen-Schweiz für «machbar», ist stolz über das Bodigen des Ausbaus der Infratstruktur, schimpft über Singapur, ohne von dem Stadtstaat die geringste Ahnung zu haben, und fantasiert, dass die Schweiz doch die Schuldenbremse über Bord werfen könnte und sich doppelt so hoch wie aktuell verschulden, damit seien dann fast alle Probleme gelöst.

Höchstwahrscheinlich sind also Traumtänzer wie Cédric Wermuth eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil sie ungedeckte Checks auf Kosten der nächsten Generationen einlösen wollen. Und Liberale wie Milei ein Hoffnungsschimmer.

Auch das muss nicht so sein; ein Jahr ist eine zu kurze Zeit, um zu beurteilen, ob er mit seiner Radikalkur Erfolg haben wird – oder ob er mit Schimpf und Schande von einer gequälten Bevölkerung aus dem Amt gejagt wird. Das eigentliche Trauerspiel ist aber mal wieder die Berichterstattung über ihn, die dem Leser null Nahrung gibt, um sich selbst ein Bild über die Politik und die Erfolge Mileis zu machen. Daher ein dickes Lob an Futer und die NZZ.

 

 

«Republik» rechnet

Es darf gelacht werden, denn Zahlen sind Feinde, so wie die Wirklichkeit.

Es ist halt schon dumm, dass der Aufenthalt in der gemütlichen Gesinnungsblase von fast 50 Nasen viele Millionen kostet. Denn ob sie etwas leisten oder nicht, wenn etwas sicher ist, dann das Gehalt.

Nun berichtet die «Republik» mal wieder über «die wichtigsten Zahlen». Packungsbeilage: es darf gelacht werden, verstehen muss das aber niemand:

«3,5 Millionen Franken: Der Umsatz, den wir kumuliert bis Ende Januar erreichen müssen, um Kürzungen im laufenden Geschäfts­jahr zu vermeiden.
1,8 Millionen Franken: Der Umsatz, den wir kumuliert von Juli bis Ende November erreicht haben.

Mal schauen, wie weit ZACKBUM, die Gratis-Postille mit einem gleich hohen Output wie die «Republik»,  beim Versuch kommt, das zu verstehen.

Also, von Juli bis Ende November, das sind fünf Monate, wurde ein kumulierter Umsatz von 1,8 Millionen Franken erzielt. Das sind pro Monat, Moment, 360’000 Franken. Nun müssen angeblich von Dezember bis Ende Januar 3,5 Millionen Umsatz geschafft werden. Oder von Juli bis Januar, das ist nicht so ganz klar.

Aber nehmen wir doch hoffnungsfroh an, dass es sich um insgesamt 7 Monate handelt. Nun sind 3,5 Millionen das Ziel, minus 1,8 Millionen, das bislang Erreichte, nach Adam Riese 1,7 Millionen. Das bedeutet, dass in den zwei verbleibenden Monaten haargenau zweimal 850’000 Franken Umsatz gemacht werden müsste. Mehr als das Doppelte des bislang erzielten Umsatzes.

Ähm.

«Allein im Dezember und im Januar steht für mehr als 7000 Verleger die Erneuerung ihrer Mitgliedschaft an – das ist ein Viertel von Ihnen! Entschliessen Sie sich alle, an Bord zu bleiben, wären das über 1,5 Millionen Umsatz.»

Ähm.

Also wenn sich alle 7000 Verleger entscheiden würden, «an Bord» zu bleiben, fehlten immer noch 200’000 Franken in der Kasse. Wobei eine Erneuerung aller Abos in der Höhe von 240 Franken nicht 1,5 Millionen Umsatz wäre, sondern 1,68 Millionen. Ausser, eine grössere Anzahl profitiert von einer der vielen Rabattmöglichkeiten. Ausserdem ist auch nicht bekannt, wie viele Monatsabos denn so abgeschlossen werden.

Ähm.

Aber keine Bange: «77 Prozent: Die durch­schnittliche Erneuerungs­rate seit Beginn des Geschäfts­jahres im Juli. Sie ist um 2 Prozent­punkte höher als in vorherigen Jahren, was zum Jahresende einen wichtigen Unterschied machen kann.
Damit sind wir auf dem geplanten Kurs.»

Ähm.

77 Prozent von 7000 sind 5’390. Wenn also so viele ihr Abo erneuern und alle die volle Jahresgebühr zahlen, sind das haargenau 1’293’600 Franken. Also fehlten dann rund 400’000 zum Ziel. Auf dem geplanten Kurs in den Konkurs?

Ähm.

Jedes normale Unternehmen, das nicht auf die tiefen Taschen zweier reicher Erben und die Spendenfreudigkeit von Sympathisanten zählen kann, wenn es mal wieder mit Selbstmord droht, würde bei solchen Zahlen ernsthaft an zwei Dinge denken.

Entweder, die Ausgaben endlich mal den Einnahmen anzupassen. Oder aber, das ganze Unternehmen, ohnehin eigentlich überschuldet, einzustellen. Hat der «Kosmos» doch schliesslich auch gemacht.

Der Unterschied ist allerdings: den Betreibern des «Kosmos» waren die 72 Angestellten, die damit ihren Job verloren, schlichtweg scheissegal. Bei der «Republik» sind die Angestellten die wichtigsten Sharholder und kämen nie im Traum auf die Idee, ihre üppigen Gehälter zu kürzen oder gar das Hausen in der warmen Gesinnungsblase im Rothaus aufzugeben.

Aber immerhin, wenn sie Zahlenakrobatik betreiben, darf laut gelacht werden. Und lachen ist nicht nur gesund, sondern richtig hilfreich in diesen trüben Zeiten.

 

Freier Narr

Wieso darf sich Daniel Ryser so in der «Weltwoche» austoben?

Niemand sonst darf eine reich bebilderte siebenseitige (!) Story ins Blatt heben. Ausser dem Besitzer, Verleger, Herausgeber und Chefredaktor himself, natürlich.

Dass er den Fake Tom Kummer – die Schande des Journalismus – schreiben lässt, ist schon unverständlich genug. Aber auch Daniel Ryser? Der als opportunistischer Wendehals Köppel und die «Weltwoche» als Teil einer rechten Meinungsmachmaschine denunzierte – ohne mit den zahlreich in seiner Schmiere vorkommenden Protagonisten auch nur ein Wort gewechselt zu haben.

Über «Köppels Sturm» behauptete Ryser, damals noch im Sold der «Republik»:

«In der Zürcher Seegemeinde Stäfa musste die Sekundar­schule einen «Gender-Tag» absagen, nachdem Mord­drohungen bei der Schule eingegangen waren. Mitverantwortlich für die Absage waren die beiden SVP-Politiker Andreas Glarner und Roger Köppel.»

Dann wurde Ryser recht ruppig aus der «Republik» gehauen, es gab da üble, aber nie bewiesene Gerüchte über angebliche Übergriffigkeiten. Darauf tauchte Ryser plötzlich im Sold seines vormaligen Feindbilds WeWo auf – und darf seither durch die Welt gondeln und Riesenschinken schreiben, deren Inhalt in keinem Verhältnis zu ihrer Länge steht.

Als neugeborener Kampffeminist verteidigte Ryser auch schon die Bachelorette der Politik, die mit Schiessübungen unangenehm auf sich aufmerksam machte.

Aktuell hat Ryser Jean Peters in Berlin besucht. 37’000 Anschläge wie weiland bei der «Republik» über den «Mann hinter der Potsdam-Story, der journalistischen Bombe des Jahres in Deutschland». Man erinnert sich, die schlecht benannte Organisation «correctiv» schlich sich in ein Treffen in Potsdam ein, wies auf die Nähe zu Wannsee hin und machte daraus ein «Geheimtreffen», an dem finstere Umvolkungs-, Remigrations- und andere üble Deporatationspläne geschmiedet worden seien.

Das führte tatsächlich zu einem Riesenhallo in Deutschland, Demonstranten gingen mit betroffen-entschlossenem Gesicht auf die Strasse und setzten massenhaft «Zeichen gegen Rechts». Gegen Neonazis, Faschisten Rassisten, das üble Gesocks der AfD und dem sie umgebenden braunen Sumpf.

Dummerweise waren aber auch Anwälte und Verfassungsrechtler bei diesem Treffen anwesend, die sich diese Verleumdungen, die auch durch die ganze Presse rauschten, nicht gefallen liessen. Und gerichtlich die Rücknahme dieser wilden Behauptungen verlangten – und Recht bekamen.

Das hindert Ryser, zurückfallend in alte Reflexe, nicht, heute noch zu behaupten, das Treffen habe dazu gedient, «um die massenhafte Vertreibung von Menschen aus Deutschland zu besprechen und um Geld zu sammeln». Schliesslich betreibt Ryser in aller Offenheit Buddy-Journalismus: «Jean Peters ist, vollständige Offenlegung, ein Freund von mir.»

Dieser Freund ist auch klar der Meinung: «Die Frage ist nicht, ob man die AfD verbieten soll, sondern wie.» Das ist nun extremer Meinungspluralismus, dass die Co-Chefin dieser Partei von Köppel gerne interviewt wird und nun sogar eine eigene Kolumne in der «Weltwoche» hat, was wiederum Wendehals Ryser überhaupt nicht stört. Ob er das allerdings seinem Freund in Berlin erzählt hat?

Der hat klare Auffassungen, was in einer Demokratie gewählt werden darf und was nicht: «Die Leute können Werteunion wählen, BSW, Bündnis Deutschland. Aber du hast in Deutschland nicht das Recht, Faschisten zu wählen.» Und wer Faschist ist, das bestimmt natürlich Jean Peters, wer denn sonst.

Was will uns Ryser mit diesem Stück über seinen Freund eigentlich sagen? Dass das ein toller Typ ist, der zu Unrecht kritisiert wurde? Dass die AfD eine Bande von Faschisten ist? Dass es sein Brötchengeber Köppel unterlassen sollte, Alice Weidel und anderen AfD-Exponenten eine Plattform zu bieten, da diese Partei verboten gehört?

Bei seiner «Reise ans Ende der Demokratie», wie Ryser seinen Rundumschlag gegen rechts damals nannte, beschreibt er seinen aktuellen Chef so: «Roger Köppel und Daniel Stricker: wütende, monologisierende Männer auf den Platt­formen Youtube, Locals, Rumble.»

Bei Kummer ist das Problem, dass man nie weiss, ob er Fakt als Fiktion verkauft oder umgekehrt. Da Journalismus kein Romanerzählen sein soll, sind seine Texte unbrauchbar und unlesbar. Bei Ryser ist das Problem, dass der seine Positionen beliebig wechseln kann, wie ein Chamäleon jeweils die gewünschte Farbe annimmt. Das machte seine Texte unbrauchbar und unlesbar.

Will Köppel hier seine Liberalität unter Beweis stellen, mit der Einstellung eines Renegaten, dem er unglaublich Auslauf und Platz zur Verfügung stellt? Wer soll denn die Meinung eines Wendehalses ernst nehmen, der seinen Kopf schneller als ein Kreisel drehen kann?

Fakten, Fakten …

… und an den Leser denken. War mal ein Erfolgsgarant. Tamedia pfeift drauf.

Ein ganz normaler Freitagmorgen in der Woke-Küche namens Zentralredaktion. Da behauptet die Kolumnistin Nadine Jürgensen unter dem Brachial-Titel «Brechen wir das Schweigen!»: «Jede Frau ist von sexualisierter Gewalt betroffen.»  Und zitiert die Brachial-«Expertin» Agota Lavoyer, die Kreische der angeblich überall vorhandenen «sexualisierten Gewalt», was immer das sein mag. Aber auf jeden Fall geht sie nur von Männern aus.

Das hat Tamedia schon des Langen und Breiten bis zum Überdruss ausgebreitet. Aber Jürgensen scheint gerade das Buch dazu gelesen zu haben. Immerhin relativiert sie: «Nicht alle Männer sind sexuell übergriffig.» Gut, nur sind keineswegs alle Frauen «von sexualisierter Gewalt» betroffen. Nur interessiert diese larmoyante Wiederholung sicherlich die Mehrheit der Tamedia-Leser einen feuchten Dreck.

Der missglückte Online-Auftritt macht mit der Hammer-Meldung auf: «Mein Sohn geht ins Gymi: Es ist der Himmel – und die Hölle». René Hauri weint den Lesern mit seinen höchstpersönlichen Erfahrungen ins Hemd. Aber da die Mehrheit der Tamedia-Leser keinen Sohn haben, der ins Gymi geht, und wenn, dann wohl auch nicht so drunter leiden …

Dann jubelt Paul Munzinger von der «Süddeutschen Zeitung» über die erste Präsidentin Namibias, weil sie eine Frau ist. Grossartig. Dass sie gegen Abtreibung und Homosexualität ist, nun ja, aber he, sie ist eine Frau, und das ist doch super. Versteht der Tamedia-Leser nicht, interessiert ihn auch nicht gross. Wie viele könnten spontan angeben, wo Namibia liegt? Und ist die Geschlechtszugehörigkeit wirklich wichtiger als die politischen Auffassungen?

Dann nahm der Bote des Gottseibeiuns an einem Ministertreffen der OECD teil. Die Rede von Sergei Lawrow fasst der SZ-Mann Matthias Kolb mit aller gebotenen Objektivität zusammen: «Er warnt, die Sache könne «in ein heisses Stadium» übergehen. Es folgen Verdrehungen, Lügen und Phrasen des Kreml inklusive der Behauptung, in der Ukraine regiere ein Naziregime, das Russland bekämpfen müsse.»

Im Titel behauptet Tamedia, dass es einen «Schlagabtausch mit Baerbock» gegeben habe. Allerdings muss die deutsche Aussenministerin, die ansonsten von Fettnapf zu Fettnapf eilt, ins Leere geschlagen haben, denn Lawrow hatte nach seiner Rede den Saal verlassen.

Roger Köppel interviewt Aleksander Vucic, Anlass für kübelweise Häme. Wenn Richard Gere über die durchaus kontroverse Figur des Dalai Lama schwärmt, der sich auch schon mal von einem Knaben die Zunge küssen lässt, verschont ihn Pascal Blum von jeder kritischen Frage, möchte vielmehr leicht schleimig wissen, wie er selbst denn zum Buddhisten werden könnte.

Dann drückt immer wieder die Gutmenschensprache durch, die jeden Liebhaber von gutem Deutsch die Wände hochtreibt: «Mehr Platz für Pendelnde». Die Armen, sie sind keine Pendler, sondern pendeln unablässig, Tag und Nacht.

Will der Tamedia-Leser das über Ronja Fankhauser wissen? «In meiner Krankenakte habe ich drei Diagnosen für meine Psyche, bald kommt eine vierte hinzu.» Will ihre Mutter wirklich so öffentlich vorgeführt werden? «Du, Mama, hältst davon nicht viel. Als Kind wolltest du mich und meine Geschwister nie abklären lassen.» Brr.

Dann darf ja nicht zu viel vorweihnachtliche Stimmung aufkommen:

Soll man, darf man, soll man nicht, gewichtige Fragen, die sicherlich alle Tamedia-Leser brennend interessieren.

Dann liefert Eva Novak ein klassisches Einerseits-Andererseits ab, das dem Leser beim Einordnen unglaublich hilft: «Der Freihandelsdeal Schweiz – Indien kann ein Lottosechser werden. Oder ein Debakel». Um ein Debakel zu verhindern, weiss die praktizierende Wirtschaftskennerin Novak, tue die Wirtschaft «gut daran» sich an ihre Ratschläge zu halten: «Will sie von den unbestrittenen Vorteilen profitieren, muss sie darlegen, wie sie die Milliarden in Indien umweltverträglich und unter Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu investieren gedenkt. Damit sich der vermeintliche Lottosechser nicht als Fehltipp erweist.»

Wie soll sie das, warum soll sie das, reicht es etwa nicht, wenn sich die Wirtschaft an die indischen Gesetze hält? Interessiert «die Wirtschaft» diese Meinung von Novak? Interessiert sie den Leser? Nein.

Ganz zuunterst, nur noch vor den Rätseln und dem Inhalt des «Magazins», hängt immer noch die Kochserie «Elif x Tagi», die keinen interessierte und einer der vielen Flops der inzwischen eingesparten Kerstin Hasseoffen für Neues») ist.

Soviel als Schnelldurchlauf. Mal im Ernst, liebe Tamedia-Redaktion, liebe Leitung: meint ihr wirklich, damit könnt Ihr den Leserschwund aufhalten? Habt Ihr auch schon mal etwas davon gehört, dass der Leser an Fakten interessiert ist, nicht an Meinungen? Denkt irgend einer von Euch beim Schreiben an den Leser? Also anders, als dass er zu erziehen, zu massregeln, mit Betrachtungen des eigenen Bauchnabels zuzumüllen ist?

Besteht eigentlich das Personal von Tamedia nur noch aus Kamikaze-Piloten (generisches Maskulin)? Oder soll das ein Wettkampf mit dem «Blick» sein, wer besser und schneller Leser und Abonnenten vergrault?

Wieso kann man die ganze Webseite durchscrollen, das ganze schwindsüchtige Blatt lesen – ohne irgendwo Lesespass zu empfinden?

Und wieso wird dem meistgelesenen Verkaufs-Titel von Tamedia, der noch einigermassen Niveau hält, die eigene Redaktion weggenommen? Will man denn unbedingt, dass Arthur Rutishauser, der einzige kompetente Macher, auch noch scheitert? Weil er den anderen Nulpen sonst in der Sonne stünde?

Oder arbeitet Pietro Supino schon an seiner Grabrede für den Tagi plus Kopfsalat?

 

Das passende Tamedia-Thema

Nora Zukker hat Humor. Galgenhumor. Den braucht’s auch bei Tamedia.

Eigentlich soll Zukker angeblich die Literaturchefin von Tamedia sein. Davon merkt man aber wenig, was der Literatur durchaus nicht schadet. Stattdessen kümmert sie sich in der Adventszeit um solche Themen:

«Ein Tag mit einer Bestatterin». Gehört zu den Betroffenheitspornos des Journalismus. So in der Liga «Weihnachten auf einer Polizei- oder Notfallstation» Oder «Eine Nacht mit Obdachlosen unter der Brücke».  Irgendwie hat Tamedia dann auch noch Pech mit dem eingeklinkten aufdringlichen Inserat:

Das macht den Kunden sicherlich froh …

Was hat denn die Bestatterin (Achtung, politisch korrekter Ausgleich nach dem «Bestatter»!) so zu erzählen: «Die Särge sind bei uns auch in gekühlten Räumen und nicht im ‹Kühlraum›, da denkt man direkt an den Schlachthof.» Wow, da sind wir aber gleich beruhigt und sehen dem Tod gelassener entgegen. Was plaudert sie denn sonst so aus dem Nähkästchen? Nun, auch Tote können noch tropfen, aber: «Wenn noch etwas aus der Nase rinnt, gibt es eine spezielle Watte, genannt «Engelshaar», die dagegen hilft.» Ob das die gleiche ist, die in der Dubai-Schoggi verwendet wird? Man darf ja wohl noch fragen.

Während der Leser noch weiter jeden Schrecken vor dem Tod verlieren soll, kommt schon wieder so ein blödes Inserat in die Quere:

Slapstick, Realsatire oder pietätlos, was darf’s denn sein?

Was ist denn so das Schlimmste für eine Bestatterin, stellt Zukker dann die Allerweltsfrage. Und bekommt die Antwort, die Bestatter überall auf der Welt geben, es sei «der Geruch der Verwesung. Seit sie ihn einmal gerochen habe, werde sie ihn nie mehr los. Ein bestialischer Geruch, der immerhin nicht schlimmer werde, wenn man ihn immer wieder rieche. «Ich merke auch, wenn irgendwo ein toter Igel liegt», Verwesung sei Verwesung

Asche zu Asche, Mensch zu Igel, kann man da nur sagen.

Dann die Arbeit an einer Leiche, da muss Zukker, da muss der Leser durch: die Bestatterin «faltet die Hände, der eine Arm rutscht immer wieder zur Seite, es ist eine komische Szene, auch weil ich das Gefühl habe, dass ich nur flüstern darf, um die Verstorbene nicht zu stören». Das ist aber noch harmlos, denn Zukker kann sich natürlich in der schonungslosen Beschreibung noch steigern, nun muss der Leser ganz stark sein und die Nase zuhalten:

«Es sei eine einzige braune Sauce gewesen, man habe noch die Haare erkennen können, die Beine und den Oberkörper. Abgesehen von den Zähnen, sei der Rest des Gesichts zerfressen gewesen. Von Maden? «Ja, es reicht ein gekipptes Fenster, durch das eine Fliege in die Wohnung gelangt und in einer Körperöffnung Eier legt», sagt sie.»

Der Leser putzt sich die Nase, schüttelt sich kurz und hat ein paar Fragen. Was soll das? Was soll das in der Adventszeit? Hat eine Literaturredaktorin nichts Besseres zu tun? Wieso soll die Beschreibung von verwesenden Leichen den Umgang mit dem Tod den Schrecken nehmen?

Oder aber, soll das eine Allegorie auf den Zustand von Tamedia sein? Soll das die Stimmung auf der Redaktion paraphrasieren, wo zwar nicht Särge, aber Mitarbeiter hinausgetragen werden? Liegt auch im Glashaus schon ein leichter Verwesungsgeruch in der Luft? Herrscht etwa Grabesstille, wenn Raphaela Birrer, Simon Bärtschi oder Jessica Peppel-Schulz durch das Grossraumbüro huschen, wo die Redaktoren so eng zusammengequetscht sind, dass sich der Tierschutz melden würde, handelte es sich um Hühner oder Schweine?

Ist es das, was Tamedia unter einem werbefreundlichen Umfeld versteht?

Man weiss es nicht. Man versteht es nicht. Man will es auch gar nicht wissen oder gar verstehen. Ist der ganze Text eine Allegorie oder enthält er nur Metaphern über den Zustand von Tamedia? Gut, dafür müsste die Tamedia-Redaktion den Unterschied kennen. Ein kleiner Scherz, um die Stimmung bei diesem schriftlichen Leichenbegängnis zu heben. Und das ist eine Metapher.

Grün vor Neid und Häme

Wenn der Tagi über eine Veranstaltung berichtet, verlässt er den Bereich des seriösen Journalismus.

Simon Widmer «beschäftigt sich schwerpunktmässig mit Lateinamerika». Vom sicheren Schwerpunkt an der Zürcher Werdstrasse aus. Das lastet ihn aber nicht vollständig aus: «Sein besonderes Interesse gilt dem Aufstieg von populistischen Politikern.» Offenbar weltweit.

Für die Pflege dieses Schwerpunkts hatte er reichlich Gelegenheit, denn im Zürcher Hotel Dolder fand ein Anlass mit dem «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel und dem serbischen Präsidenten Aleksander Vucic statt. Dahin konnte Widmer per ÖV reisen, den Eintritt von 120 Franken ersparte er sich – oder nahm ihn auf Spesen, wenn’s das beim Tagi noch gibt.

Bei der Beschreibung beweist er ein Auge für wichtige Details: es sei ein «vermögendes Publikum» anwesend, «Männer in gut sitzenden Anzügen, Frauen mit Taschen von Louis Vuitton und Gucci». Bevor Widmer zur Beschreibung des Inhalts kommt, macht er zuerst Appell der Anwesenden: «der umstrittene Historiker Daniele Ganser ist da», auch Alt-Bundesrat Blocher, dazu «der Unternehmer und SVP-Politiker Peter Spuhler sowie Milorad Dodik, der Führer der bosnischen Serben, der unter US-Sanktionen steht». Also eigentlich die Haute-Volée und dazu Pfuibäh-Gäste. Das konnte ja nichts werden, bei so einem Publikum.

Das disqualifiziert sich für Widmer schon von Anfang an durch eine höfliche Geste: «Einen solchen Auftritt bekommt Aleksandar Vucic wohl nicht einmal vor Parteifreunden in Belgrad. Als der serbische Präsident mit Veranstalter Roger Köppel einen Saal des Zürcher Hotels Dolder Grand betritt, erheben sich fast alle der rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauer und applaudieren.» Für jemanden, der noch nie bei einer Parteiveranstaltung in Belgrad war, eine kühn-absurde Vermutung, die ihm jede seriöse Redaktion sofort aus dem Manuskript gestrichen hätte. Der Tagi publiziert den Stuss.

Dann kann sich Widmer endlich auf den Inhalt konzentrieren. Beziehungsweise, er muss dumme Aussagen von Vucic sogleich korrigieren:

«Dem Westen wirft er mehrmals Heuchelei vor, gerade in der Ukraine-Frage. Regierungschefs würden auf die territoriale Integrität der Ukraine pochen, hätten diese aber in Serbien 1999 ignoriert.»

So nicht, Vucic, schulmeistert Widmer sogleich: «Allerdings sind die Differenzen zwischen dem Krieg gegen die Ukraine und der Nato-Intervention gegen Serbien offensichtlich. Damals griff die Nato ein, um einen drohenden Völkermord zu verhindern.» Tja, Geschichtskentnisse eines Lateinamerika-Spezialisten. Der sich die historische Wahrheit zurechtbiegt – oder schlichtweg nicht kennt. Denn in Wirklichkeit hatte die EU Serbien damals territoriale Integrität zugesagt, dann aber – leider angeführt von der Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey – hatten einige, nicht alle EU-Mitglieder die Unabhängigkeit des Mafiastaats Kosovo anerkannt. Ein klarer Bruch der Zusage, so wie Putin die territoriale Integrität der Ukraine zugesagt hatte. Also ein völlig erlaubter Vergleich.

Immerhin muss Widmer einräumen, dass Vucic etwas hat, was Widmer völlig abgeht: «Seine Ausführungen unterbricht Vucic immer wieder mit selbstironischem Humor. «Die Serben wissen immer alles besser, auch wenn wir nichts wissen», sagt er einmal. Ein anderes Mal bezeichnet er sich als «überhaupt nicht charmant – im Gegensatz zu Roger»

Eigentlich ginge es darum, auf über 9000 A Bericht zu erstatten, was an diesem Abend stattfand. Das war eine Rede von Vucic, auf die aber Widmer keinen einzigen Satz verschwendet. Und eine Diskussion zwischen Köppel und Vucic, von der Widmer nur Bruchstücke wiedergibt, die sich für Häme eignen. So war auch der ursprüngliche Titel «Köppel und sein Stargast aus Belgrad» nicht angriffig genug, Er wurde ersetzt durch «Roger Köppel feiert Aleksander Vucic als Friedensbringer».

Dann setzt Widmer zu einer Reise in die Vergangenheit an: «Nicht zur Sprache kommt hingegen Vucics Vergangenheit in den 90er-Jahren. Diese hätte das von Köppel gezeichnete Bild des serbischen Präsidenten auch mächtig angekratzt.»

Sicherlich gibt es da Aussagen und Tätigkeiten von Vucic, die man kritisieren kann. Aber wieso Widmer weit mehr als die Hälfte seines Berichts darauf verschwendet, plus auf weitere Begegnungen Köppels, ist unerfindlich. Der serbische Präsident benützte seinen Aufenthalt in der Schweiz, um sich auch noch mit Bundespräsidentin Amherd und Bundesrat Jans zu treffen. Das kommentiert Widmer so: «Es handelt sich um einen informellen Höflichkeitsbesuch, keinen offiziellen Staatsempfang. Damit zeigt sich, dass Vucic wegen Roger Köppel in die Schweiz kommt, die Schweizer Regierung ist für ihn zweitrangig.» Hat Vucic mit Köppel einen «offiziellen Staatsempfang» zelebriert? Wie absurd kann Häme werden?

In jeder anständigen Redaktion würde spätestens der Ressortchef sagen: Thema verfehlt, was soll das? Papierkorb, nochmal neu, aber diesmal richtig, journalistisch und dem Thema entsprechend.

Im völlig haltlos gewordenen Tagi darf offensichtlich jeder hergelaufene Redaktor sein Mütchen kühlen, grün vor Neid über Köppels Reisebewegungen und Gesprächspartner demagogische Polemik ausgiessen.

Offensichtlich ist Oberchefredaktorin Raphaela Birrer nicht in der Lage, minimale Qualitätsstandards durchzusetzen, höchstens noch ein Schreibverbot. Offensichtlich ist die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi dazu auch nicht in der Lage. Offensichtlich ist es der Führungsriege von Tamedia, mit Absicht oder aus Unfähigkeit, völlig egal, dass mit einer solchen Berichterstattung die Reise in die Bedeutungslosigkeit des Kopfsalatmischmaschs weiter an Fahrt aufnimmt.

Es ist durchaus erlaubt, an Köppel und seinen publizistischen Positionen Kritik zu üben. Das gilt selbstverständlich auch für den serbischen Präsidenten. Aber über «Köppel und sein Stargast aus Belgrad» – nach Aufzählung des Publikums – reine Häme zu giessen, das ist nicht nur unredlich. Es ist dumm und selbstmörderisch.

Dazu passt auch, dass man sogar einen Fotografen an die Veranstaltung schickt und dann ein Bild auswählt, auf dem beide Protagonisten so unvorteilhaft wie möglich aussehen. Aus Copyrightgründen können wir das hier nicht abbilden, aber es ist widerlich demagogisch. So wie der Text dazu.

Dass das in der Gesinnungsblase einiger Tamedia-Leser auf Anklang stösst, ist völlig klar. Es ist allerdings die Frage, wann die «Republik» mit ihrer Abonnentenzahl auf Augenhöhe mit dem Tagi liegen wird. Dauert wohl nicht mehr allzu lange. Vorausgesetzt, der Tagi und sein Kopfblattsalat wird nicht vorher eingestampft.

Die Linken und das Geld

Nationalräte sacken lieber steuerfrei ein, als einen Mitarbeiter anzustellen.

Damit es der Nationalrat im Milizparlament leichter hat, bekommt er zusätzlich zu seinem hübschen Gehalt pro Jahr 33’000 Franken steuerfrei – damit er damit einen persönlichen Mitarbeiter einstellen kann. Das ist Bestandteil seiner üppigen jährlichen Entlohnung von 132’500 Franken.

Nun hat «correctiv Schweiz» recherchiert: «Mehr als die Hälfte des aktuellen National- und Ständerats beschäftigt keine persönlichen Mitarbeitenden. Das Geld erhalten die Gewählten trotzdem. Somit fliessen knapp 4,5 Millionen Franken pro Jahr in die Taschen der Parlamentsmitglieder … Während einer vierjährigen Amtszeit sind das fast 18 Millionen Franken – bezahlt durch Steuergeld.»

«correctiv» hat das nach Parteien aufgeschlüsselt und führt auch namentlich alle Parlamentarier auf, die diesen steuerfreien Zustupf lieber für sich selbst verwenden. Dazu gehören natürlich auch viele Bürgerliche, aber richten wir mal das Augenmerk auf die linke Ratsfraktion, also die SPler und die Grünen. Da ist doch eine ansehnliche Liste von Personen dabei, die sonst immer Zeter und Mordio schreien und ein anständiges Verhalten einfordern – bei anderen.

Von den 136 National- und Ständeräten ohne Hilfskraft fallen diese hier besonders auf:

Matthias Aebischer, Jacqueline Badran, Martin Bäumle, Bastien Girod, Balthasar Glättli*, Maya Graf, Greta Gysin, Roger Nordmann, Jon Pult, Franziska Ryser, Priska Seiler Graf, Aline Trede oder Jean Tschopp.

Sie werden sicherlich alle Erklärungen und gewundene Entschuldigungen dafür finden. Die Grüne Aline Trede zum Beispiel fliegt bekanntlich nicht – ausser sie fliegt doch ins ferne Lateinamerika. Auf solch unangenehme Fragen reagiert sie dann natürlich nicht.

Wohlgemerkt ist das legal und erlaubt, diese 33’000 Franken in den eigenen Sack zu stecken, auch wenn eigentlich ein anderer Verwendungszweck gedacht ist.

Aber es ist halt schon so. Viele bürgerliche Parlamentarier verdienen durch unternehmerische Tätigkeit locker dazu und sind auf das Gehalt als Parlamentarier nicht unbedingt angewiesen.

Für viele Linke ist aber der Unterschied zwischen rund 100’000 oder 132’000 Franken Jahreseinkommen, davon 33’000 steuerfrei, durchaus erklecklich. Haben sie dazu noch Schoggijobs im linken Entwicklungshilfekuchen oder in anderen halbstaatlichen Unternehmungen, kommen sie auf ein nettes Jahreseinkommen von locker über 200’000 Franken im Jahr.

So gepolstert lässt es sich dann flockig und angenehm über die profitgierigen Reichen herabziehen, die gefälligst viel mehr Steuern zu zahlen hätten, damit der normale Büezer oder Angestellte mit seinem Medianlohn von rund 6700 Franken im Monat mehr Sozialleistungen bekommen kann.

*Siehe auch seinen Kommentar unter diesem Artikel.

Wumms: Thomas Hahn

Keiner zu klein, Demagoge zu sein.

Der ehemalige Sportjournalist und Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» mit Sitz in Tokio kümmert sich nicht mehr um die Probleme von Geishas. Sondern die turbulenten Ereignisse in Südkorea haben seine Aufmerksamkeit erregt und ihn zu einem Kommentar genötigt, den der Qualitätsmedienkopfsalat von der Werdstrasse namens Tamedia mangels eigener Meinung brav übernimmt:

Da hat offensichtlich der südkoreanische Präsident durch die Ausrufung des Kriegsrechts versucht, mit einer Notmassnahme das oppositionelle Parlament auszubremsen. Allerdings ist ihm das nicht gelungen. Hingegen gehört es zum Machtbereich des Präsidenten, so etwas zu tun. Das sieht Hahn aber schon mal anders: «Er hat also einen Putsch versucht gegen die politische Konstellation, die das Ergebnis von freien Wahlen ist.»

Das Aurufen des Kriegsrechts ist an und für sich noch kein Putschversuch, muss man den Sportjournalisten belehren, der hier gleich die rote Karte zückt. Aber diese Überhöhung braucht er nur, um zu seinem eigentlichen Thema zu gelangen:

«Obacht bei der politischen Führungspersonalwahl – das ist die Botschaft dieser Yoon-Anmassung an alle Wähler und Parteien, die sich zu leicht einlullen lassen vom Blendwerk selbstsüchtiger Populisten

Wer’s immer noch nicht gemerkt hat, wen Hahn eigentlich meint, hier legt er nochmals nach: «Solche selbstsüchtigen Populisten» – erkennbar an der gelben Haartolle – «sind nicht geeignet für Spitzenpositionen im Parlamentarismus, weil sie Wahlsiege missverstehen als Lizenz zum Durchregieren nach ihrer eigenen, vereinfachenden Auffassung von Welt».

Nun kann Hahn endlich die Katze aus dem Sack lassen und offen loslegen: «Der designierte US-Präsident Donald Trump ist natürlich das prominenteste Beispiel eines rücksichtslosen Vereinfachers, der eigentlich wenig von der Demokratie versteht.»

Nun muss Hahn allerdings zu eiern beginnen. Denn einerseits: «Yoon Suk-yeol ist als Präsident nicht mehr zu halten.» Was ja bedeutet, dass die Demokratie doch stärker ist als dieser Populist. Aber, merkt auf, ihr dummen Republikaner in den USA: «Das Beispiel von Yoon Suk-yeol zeigt, dass Parteien genauer prüfen müssen, ob ihre Spitzenbewerber überhaupt geeignet sind für die Welt der Demokratie.»

Oder auf Deutsch: der südkoreanische Präsident ist es nicht, Trump ist es ebenfalls nicht. Da wäre es doch wohl nach dem Demokratieverständnis von Hahn angezeigt, dass die blöden US-Stimmbürger, die mehrheitlich – so wie die Südkoreaner – diese Populisten gewählt haben, sich umbesinnen, auf Hahn hören und einen neuen Präsidenten wählen – statt eines ungeeignet.

Diese Wahlen müssten allerdings so oft stattfinden, bis ein Kandidat gewinnt, mit dem Hahn einverstanden sein kann.

Das waren noch Zeiten

Sartre besuchte Baader im Knast. Hä?

Was für ein Personal. Der grosse französische Intellektuelle, revolutionärer Marxist und Existenzialist Jean-Paul Sartre. Ulrike Meinhof, die linke Publizistin, die sich der Roten Armee Fraktion (RAF) angeschlossen hatte. Andreas Baader, der unterbelichtete Anführer der sogenannten Baader-Meinhof-Gruppe; wer sie damals nicht Bande nannte, hatte ein ernsthaftes Problem, das bis zur Kündigung und sozialen Existenzvernichtung führen konnte.

Otto Schily, der spätere Innenminister, war damals  der Verteidiger von Gudrun Ensslin, ein weiteres Mitglied der Terrortruppe, die mit gezielten Mordaktionen meinte, eine revolutionäre Situation in der BRD schaffen zu können.

Zur Zeit des Besuchs von Sartre am 4. Dezember 1974 sassen die Anführer der RAF allesamt in einem speziellen Hochsicherheitstrakt in Stuttgart Stammheim. Ihre Anwälte sprachen von «Isolationsfolter» und «Vernichtungshaft», Schily nannte das «Verwesung bei lebendigem Leib».

Mit dem Besuch, so hoffte Meinhof, die Sartre darum bat, sollte auf die Situation der Häftlinge aufmerksam gemacht werden, sollten sie zudem durch Sartres Solidarität zu revolutionären Kämpfern geadelt werden. Nur einen Monat vor Sartres Besuch war der RAF-Häftling Holger Meins an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben, was in Deutschland Protestdemonstrationen auslöste.

«Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der später selbst Opfer eines Mordanschlags der RAF wurde, sperrte sich gegen eine Erlaubnis», erzählt in der NZZ Thomas Ribi von damals. Aber ein Gericht überstimmte Buback, der Besuch, begleitet von grossem Medienaufgebot, konnte stattfinden.

Noch heute ist die NZZ nachtragend.

Er war ein Desaster, wie aus dem Protokoll hervorgeht, das das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz vierzig Jahre später freigab. Sprachprobleme, Sartre befürwortete zwar grundsätzlich den bewaffneten Kampf für die Revolution, aber nicht zu diesem Zeitpunkt, nicht in Deutschland, kurz zuvor hatte er die Ermordung des Richters von Drenkmann bei einem Entführungsversuch als Verbrechen bezeichnet.

Dennoch kritisierte Sartre in der anschließenden Pressekonferenz, übersetzt von Daniel Cohn-Bendit, die Haftbedingungen scharf. Allerdings musste er einräumen, dass er nicht weiter als in den Besucherraum gekommen sei. Die Presseresonanz war vernichtend, in den damaligen Mainstreammedien, die in der RAF lediglich eine Mörderbande sahen: ««Sein messerscharfer Verstand ist schartig geworden», kommentierte die «Welt» den peinlichen Auftritt und resümierte: «Das Alter ist gemein, besonders zu denen, die sich in die blutigen Träume der Jugend vergaffen.»», zitiert Ribi.

Baader war enttäuscht von der Begegnung, Sartre auch. «Was für ein Arschloch, dieser Baader», soll er laut Cohn-Bendit beim Verlassen des Gefängnisses gesagt haben. Die NZZ übernimmt das als Titelzitat, obwohl an Cohn-Bendits Glaubwürdigkeit doch Zweifel bestehen.

Soweit eine interessante Aufarbeitung, anlässlich eines Jubiläums. Was Ribi aber völlig ausblendet, ist der zeitgeschichtliche Kontext. «Deutschland im Herbst» hiess ein Episodenfilm im Jahr 1978, an dem unter anderen Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Volker Schlöndorff und Heinrich Böll mitarbeiteten. Er schildert die Überwachungshysterie, das vergiftete politische Klima in der BRD, nachdem 1977 alle RAF-Häftlinge unter nicht ganz geklärten Umständen gestorben waren. Meinhof hatte bereits zuvor, von der Gruppe ausgegrenzt und gemieden, Selbstmord begangen.

Wer damals, nach der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, auch nur «klammheimliche Sympathie» mit den Zielen oder Methoden der RAF äusserte, riskierte seine Stelle, seine bürgerliche Existenz. Von tatkräftiger Unterstützung ganz zu schweigen, denn noch in Freiheit hatten Mitglieder der RAF immer wieder die Solidarität von Linken eingefordert, sei es durch Lagerung von Waffen und Geld oder durch Beherbergung oder durch das Aushändigen von amtlichen Dokumenten, die dann gefälscht werden konnten.

Auch die NZZ holzte damals kräftig mit und beschimpfte die RAF ausschliesslich als terroristische Mörderbande.

Ein paar solche Erwähnungen hätten Ribis Bericht noch viel wertvoller gemacht.

Auch Parallelen zu heute sind unübersehbar. Wer selbst auf diesem Blog Kritik an der Ukraine übt oder die Motive Russlands zu verstehen versucht, wird so übel beschimpft, dass sich Felix Abt inzwischen entschlossen hat, hier nicht länger zu publizieren. ZACKBUM bedauert den Entscheid.