Schon wieder Djokovic

Die Medien haben sich schon mal an ihm abgearbeitet.

Corona ist vorbei und vergessen (ausser vielleicht bei Marc Brupbacher). Jetzt ist Ukrainekrieg. Da muss wie damals bei Corona jeder Position beziehen, am besten ein Zeichen setzen. Selbstverständlich sollte man auf der Seite der Ukraine sein.

Die verteidige doch unsere westlichen Werte wie Korruption, Autokratie und Medienzensur gegen das korrupte Russland mit Medienzensur und Autokratie. Oder so.

Nun war und ist Novak Djokovic aus Gründen, die eigentlich nur ihn etwas angehen, ein Gegner der Corona-Impfung. Im Nachhinein geben ihm immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen recht. Die Wirksamkeit der Impfung, vor allem die Behauptung, Geimpfte seien nicht ansteckend, wird immer mehr in Frage gestellt.

Aber das ist Schnee von gestern, Schlamm drüber, sagen die Massenmedien, die sich selbst unsterblich blamiert hatten, durch ihre obrigkeitshörige Berichterstattung ihrer Glaubwürdigkeit einen Bärendienst erwiesen hatten. Aber man ist natürlich nachtragend, eine der Lieblingsbeschäftigungen des Journalisten.

Nun trug es sich zu, dass der Tenniskünstler Djokovic das hier getan hat:

Statt nur brav Autogramme zu geben, schrieb er auf eine Kameralinse: «Kosovo ist das Herz von Serbien. Stoppt die Gewalt.»

Ein Aufruf gegen Gewalt kann ja eigentlich nicht ganz schlecht sein. Es kommt aber darauf an, wer gegen welche Gewalt wo aufruft. Bekanntlich ist es so, dass sich die südserbische Provinz Kosovo 2008 einseitig für unabhängig erklärte. Gegen den damaligen selbsterklärten Präsidenten Hashim Thaçi ermittelt seit 2020 der Sonderankläger des Internationalen Strafgerichtshof im Haag wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im April begann der Prozess gegen Thaçi und Mitangeklagte.

Die Unabhängigkeit des Kosovo wurde zuvorderst von der damaligen Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey befürwortet, die sich damit gegen die Garantie der territorialen Integrität Serbiens nach dem Jugoslawienkrieg stellte. Russland nahm dann nebenbei diese Unabhängigkeitserklärung als Präzedenzfall für die Krim.

Seit seiner Unabhängigkeit, die auch nicht von allen EU-Staaten anerkannt wird, hat sich Kosovo den Namen korrupter Mafiastaat redlich und unredlich verdient. Eine UNO-Friedenstruppe unter Schweizer Beteiligung versucht, Auseinandersetzungen zwischen dort lebenden Albanern und Serben zu verhindern.

So viel Hintergrund muss sein. Nun ist es in letzter Zeit wieder nach Kommunalwahlen zu Handgreiflichkeiten und Krawallen gekommen, bei denen Soldaten der Schutztruppe KFOR verletzt wurden. Es geht um den Rücktritt von serbischen Bürgermeistern als Protest gegen die Politik der kosovarischen Regierung; sie wurden durch Albaner ersetzt, weil bei die nötigen Wahlen von den Serben boykottiert wurden.

Also zumindest eine etwas unübersichtliche Gemengelage. Und in die hinein kommt nur der Aufruf Djokovics zum Frieden, gegen Gewalt. Während aber das Schwenken ukrainischer Flaggen und fast alle Formen von Sympathiebezeugungen im Sport hier applaudiert, werden, kommt Djokovic wieder ins Feuer der Meinungsmacher.

Darauf reagierte der Tennisstar, dessen Vater in der damaligen serbischen Provinz geboren wurde: «Ich bin kein Politiker und habe auch keine bösen Absichten. Ich weiss, es ist heikel. Es tut mir einfach weh, was passiert

Den Medien tut nichts leid: «Djokovic sorgt nach Sieg mit Kosovo-Botschaft für Eklat», schimpft der «Blick». Etwas zurückhaltender (noch) textet Tamedia: «D. erhitzt Gemüter mit Kosovo-Botschaft». «D. sorgt mit politischer Botschaft für Aufsehen», echot nau.ch. D. habe «eine politische Kontroverse riskiert», urteilt die NZZ. D. habe «eine politische Kontroverse ausgelöst», konstatiert srf.ch. Und schliesslich sieht CH Media, nicht gerade der Jahreszeit entsprechend, dass sich D. «auf politisches Glatteis begeben» habe.

ZACKBUM sammelt zunächst mal diese ausgewogenen Äusserungen und wartet auf die zukünftigen Kommentare in dem Mainstreammedien  …

Tourette-Syndrom?

Eine Heilung ist leider nicht möglich, auch nicht bei Tamedia.

Ihr freiwilliger Beitrag für ZACKBUM

Twint
Mastercard
Visa
Amex
PayPal


Ein Tourette-Syndrom ist der unwiderstehliche Drang, Geräusche von sich zu geben, nicht zu selten auch unanständige Wörter.

So etwas Ähnliches diagnostiziert der Tamedia-Datenmensch Marc Brupbacher bei der Schweizer Bevölkerung. Immerhin, die gute Nachricht ist: wir sterben nicht mehr alle an der Pandemie, was Brupbacher eine Weile lang ernsthaft befürchtete, vor allem auch, weil für ihn die Schweizer Regierung krachend versagt hatte («jetzt sind sie komplett übergeschnappt»).

Aber inzwischen muss er an einem anderen Knochen nagen und verbellt fassungslos die Resultate der grossen Meinungsumfrage von «20 Minuten» und Tamedia. Wem das Thema bekannt vorkommt: oh ja, das wurde schon länglich und breitlich abgehandelt, «20 Minuten» verstieg sich zum unnachahmlichen Titel «Die Mehrheit der Schweizer sagt weiterhin M***kopf, Zi*** oder Asyl***». Plus postfaschistischem Erklärkasten «20 Minuten verwendet diese Begriffe nicht mehr».

Aber das Thema ist noch nicht leergesaugt in der Restenverwertungsanstalt «Tages-Anzeiger». Als Ausdruck des unbedingten Willens zu Qualität beklagt Brupbacher nun noch: «Umfrage zu Rassismus: Mehrheit der Schweizer Männer findet Blackfacing unproblematisch».

Männer sind Schweine, aber das wussten wir schon: «Schweizer Männer befürworten dies sogar mit einer Mehrheit von 51 Prozent (Frauen: 36 Prozent).» Noch schlimmer: «Aber selbst bei Linken hat jede vierte Person kein Problem mit Blackfacing

Was weder Brupbacher, noch die anderen Tamedia-Mitarbeiter auf dem Kriegspfad mit der deutschen Sprache verstehen wollen: weder das Wort Mohrenkopf, noch der Zigeuner und auch nicht das Schwarzanmalen des Gesichts sind per se rassistisch konnotiert. Das sind Kopfgeburten verpeilter Intellektueller. «Eine schwarze Frau», das ist nicht per Definition rassistisch. Es kann, in entsprechendem Kontext, rassistisch sein. «Eine Person of Colour mit Gebärmutter» ist nicht per Definition nicht-rassistisch. Aber bescheuert.

Die Umfrage hat auch zum groben Unwillen von Brupbacher ergeben, dass das Tragen von Dreadlocks von «weissen Personen» oder das Verkleiden an Fasnacht als «indigene Person» – Schreck lass nach – «von sämtlichen Subgruppen – mit teils grossen Mehrheiten – als unproblematisch bewertet» werde.

So geht das nicht, als muss eine Autoritätsperson den rassistischen und diskriminierenden Schweizern die Knöpfe reintun. Das wäre dann der «Kolonialhistoriker Bernhard C. Schär». Diese Koryphäe, sozusagen der Marko Kovic der Geschichte, ist zurzeit «Lehrbeauftragter der Fernuniversität Schweiz», wie man Wikipedia entnehmen kann. Mit diesem Leistungsausweis bewaffnet, zieht Schär gleich mal vom Leder: «Indigene Gesellschaften sind Überlebende von Genoziden und andauernder rassistischer Gewalt ausgesetzt. Wer sich zum Spass als Opfer von Massengewalt verkleidet, entwürdigt die Betroffenen.»

Nehmt das, Ihr Fasnachtsspassvögel (hoppla, ob das die Vögel entwürdigt?), fertig lustig mit dem Indianerkostüm, Cowboy könnte aber noch gehen, Schwarzer geht sowieso nicht, nicht mal, wenn man sich als Nelson Mandela verkleidet.

Aber wieso, um Herrgöttinnen willen, ähm, um Fraugöttin, finden so viele Blackfacing nicht widerlich? Auch da weiss der Professor Unrat: «Die Ursache für die breite Akzeptanz von Blackfacing ortet Schär in einem Mangel an historisch-politischer Bildung, den er generell nicht als selbstverschuldetes Unwissen kritisieren möchte, sondern die Bildungsinstitutionen in die Pflicht nimmt

Also, dumm geboren, aber nicht selber schuld, Schär möchte offensichtlich mehr Lehraufträge an «Bildungsinstitutionen» ergattern.

Nun schreitet Brupbacher unerschrocken zur Frage der Fragen:

«Sind wir ein Volk von Rassisten

Angesichts dieser erschreckenden Resultate erwartet der Leser (und die Leserin, auch die LeserInnen) ein klares Ja aus professoralem Mund. Nun ja: «Dies sei eine schwierige Frage, so Schär. Wer in der Schweiz aufgewachsen sei und nur eine einseitige, eurozentristische Bildung erhalten habe, könne sich wohl tatsächlich naiv das Gesicht schwarz anmalen ohne bewusste rassistische Absichten.»

Aber bevor wir Rassisten uns nun erleichtert zurücklehnen, fährt der Wissenschaftler fort: «Er oder sie nimmt damit aber am überindividuellen, historisch über Jahrhunderte gewachsenen, strukturellen Rassismus der schweizerischen Gesellschaft teil.»

Clever. Denn selbst Schär ist nicht so blöd, dass er als «Professor sagt, alle Schweizer sind Rassisten» zitiert werden möchte. Daher nimmt er die Allerheilmittelbegriffe «historisch gewachsen, strukturell» zu Hilfe, an denen man dann halt «teilnehme». Oder in einem Wort: Rassisten, allesamt!

Neben den historisch gewachsenen Strukturen, wer ist eigentlich schuld an so viel Rassismus? Da ist der Forscher unerbittlich mit einem klaren Urteil zur Hand: «Für den Historiker hängt es von den politischen Rechten ab, wie sich der Umgang mit Blackfacing und anderen problematischen Handlungen in Zukunft entwickeln wird.»

Also, ihr «Rechte», nehmt das: «Die Rechten müssen sich entscheiden, ob sie Europa weiter amerikanisieren wollen, indem sie Minderheiten als Bedrohung für deren Freiheit darstellen und die Demokratie damit beschädigen wollen.»

Nun ist der denkende Leser doch einen Moment verwirrt. Ist jemand, der Blackfacing lustig findet oder gerne als Indianer verkleidet an die Fasnacht geht, nun

a) ein Rassist
b) ein Rechter
c) ein rechter Rassist
d) ein linker Rassist
e) jemand, der eine Minderheit als Bedrohung für die Freiheit darstellt

Oder aber jemand, der rechts oder links sein kann, auf jeden Fall ein Rassist ist und eine Minderheit als Bedrohung darstellt und damit die Demokratie beschädigen will. Wozu offensichtlich die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ohne Weiteres bereit wäre.

Höchste Zeit, dass Brupbacher, im Verein mit einem irrlichternden Professor, einiges richtigstellt, darüber hinaus diagnostiziert, warnt und Entscheidungen einfordert.

ZACKBUM möchte sich gerne so entscheiden: bitte, Marc Brupbacher, kehren Sie zu Corona zurück. Das war entschieden lustiger.

 

Klatsch, Klatsch, Klatsch

Ein ernstes Thema, dessen sich die NZZ annimmt.

««Prinz William: Schock zum 38. Geburtstag: Wird er seine Lieben nie wiedersehen?», fragte «Das Neue» vor drei Jahren auf der Titelseite. Was war passiert? Die Antwort ist ebenso banal wie enttäuschend, sofern man ein echtes Drama erwartet hatte: Prinz William muss Brille tragen, zumindest manchmal.»

Ist das grenzwertig, gaga, unverkäuflich? Zumindest Letzteres nicht. Die NZZ konstatiert: «Insgesamt bringt es die Klatschpresse in Deutschland Woche für Woche auf rund drei Millionen Hefte und Magazine – das ist mehr als «Der Spiegel», «Die Zeit», «Focus» und «Stern» zusammen.»

«Haarscharf an Fake News vorbei», so nennt das ein Kenner der Klatschpresse. Und die NZZ versucht, das Ganze auf eine intellektuell höhere Ebene zu hieven: «Klatsch ist ein sozialer Akt. Er zeigt auf, welches Verhalten erwünscht ist, welches geächtet, wer wo steht in der Gesellschaft. Die Reichen, Schönen und Mächtigen müssen als Korrektiv herhalten.»

Dann kommt noch – unvermeidlich – das «Schumacher-«Interview». Die «Aktuelle» machte das Unmögliche möglich: «Michael Schumacher: das erste Interview!». Dem Kleingedruckten konnte der Leser dann entnehmen, dass die Antworten von einer KI stammten. Das gab dann ein Riesengebrüll, der Herausgeber entschuldigte sich zerknirscht, die Chefredaktorin wurde entlassen.

Dabei war die Idee gar nicht schlecht; die Antworten von Schumacher waren wahrscheinlich intelligenter als die, die er selbst gegeben hätte, wäre er dazu in der Lage gewesen.

Eine Liga für sich sind auch andere erfundene Interview, zum Beispiel eine ganze Serie mit dem Hollywood-Star Sandra Bullock. 50’000 Euro Strafe kosteten die gefakten Interviews, tragbar angesichts der Auflagen in den Hunderttausenden.

Auch in der Schweiz fielen schon Redaktionen auf die Fake-Interviews von Tom Kummer herein, der dieses Genre zu einer eigentlichen Kunstform entwickelte. Was ihm im Übrigen nicht wirklich schadete. Er wurde immer mal wieder in Schimpf und Schande vom Hof gejagt – um dann doch wieder aufzutauchen, inzwischen in der zweiten Ehrenrunde in der «Weltwoche». Bis er auch dort zum dritten Mal rausfliegen wird, um zum vierten Mal irgendwo aufzutauchen.

Denn das Phänomen von solchen gefälschten Klatsch-Storys ist immer mehr: wodurch genau unterscheiden sie sich beispielsweise von der Kriegsberichterstattung aus der Ukraine? Auch hier verschwimmt doch Lüge und Wahrheit immer mehr. Ist nun Bachmut von russischen Truppen zurückerobert? Ist die ukrainische Offensive gestartet? Haben die USA, hat Russland selbst, hat die Ukraine die Pipeline North Stream in die Luft gejagt? Man weiss nichts Genaues.

Hat sich nun König Charles III. bereits von seiner Camilla getrennt oder hängt nur der Haussegen schief? Wen interessiert’s eigentlich, ob das wahr oder erfunden ist? Solange die Story gut erzählt ist und ans Herz geht, eigentlich niemanden.

Diesen naheliegenden Schritt von der Analyse der deutschen Klatschheftchen zur Analyse der sogenannten Qualitätsmedien tut die NZZ leider nicht. Dabei würde es genau hier wirklich interessant werden. Dass es in der Schweiz mit der «GlücksPost» und der «Schweizer Illustrierten» zwei vergleichsweise seriöse Klatschheftchen gibt, dieser Hinweis hilft auch nicht weiter. Beide dümpeln bei je 100’000 verkauften Exemplaren herum, weit entfernt von glorreichen Zeiten, also die SI noch bei über 300’000 lag. Das heisst also, dass hier nicht in erster Linie seriöser gearbeitet wird, weil Klatschgeschichten à la «das erste Interview mit Tina Turner aus dem Jenseits» nicht erscheinen. Sondern dass die Schweizermacher nicht so gut wie ihre deutschen Kollegen sind, nicht nur Grenzbereiche der Wahrheit auszuloten, sondern auch ans Herz gehende Geschichten zu verkaufen.

Das gilt auch für den «Blick», der ja nur ein glattgefönter, enteierter, verweiblichter Abklatsch einer «Bild»-Zeitung ist. Tamedia ist nicht einmal der «Süddeutschen» gewachsen, von der «Welt» ganz zu schweigen. Nur die NZZ, das muss man ihr lassen, wird immer mehr zur ernstzunehmenden Konkurrenz der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», die nach dem viel zu frühen Tod ihres Mitherausgebers Frank Schirrmacher schwer an Niveau verloren hat.

Wie man’s auch dreht und wendet, eine saftige Story wie die über unseren Bundesrat auf Abwegen mit Orientierungsproblemen beim Pilotieren, das hätten sich deutsche Blätter nicht entgehen lassen. Was stattdessen in der Schweiz erschien, reichte nicht mal für den überfälligen Rücktritt.

Bildcollagen: Screenshots NZZ.

 

Forever old

Ein Beitrag zur Qualitätsoffensive bei Tamedia.

Wem es bislang entgangen sein sollte: Es gibt ein neues «Gefäss» bei Tamedia. Das heisst «Forever Young». Da ist nun nomen nicht wirklich omen:

Das sind die vier «neusten» hier angepriesenen Artikel. Erscheinungsdatum von links nach rechts: 17.5., 20.5., 23. 5., 17. 5. Wir schreiben heute den 30. Mai

Aber das kann man (bzw. frau, denn die Chefredaktion ist bekanntlich weiblich) noch steigern:

Dieses «Interview in der Serie «Forever Young»» mag dem einen oder anderen «Magazin»-Leser nicht ganz unbekannt vorkommen. Denn wer noch so jung ist, dass ihn noch nicht Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium ereilt hat, erinnert sich noch, dass dieser Artikel, neu auf der Webseite von Tamedia unter dem schnuckeligen Titel «News Pause», aber angepriesen als «Beitrag der Serie «Forever Young»», am 7. 10. 2022 zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte.

Wahrscheinlich ist das ein Beitrag dazu, was das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse als «digital Storytelling» versteht. Vielleicht ist das ein weiblicher Ansatz, der sich dem männlichen Verständnis entzieht. Das ist die eine Variante.

Die andere: in dieser «neuen» Rubrik bleiben alte Artikel tagelang auf der Webseite stehen, weil es keine neuen gibt. Das mag ja noch knapp angehen, obwohl es alle Regeln des digitalen Erzählers widerspricht. Aber vielleicht war Hasse damit ausgelastet, ein lustiges Video über die Käfigtierhaltung im neuen Newsroom von Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger», zu drehen.

Aber dass man (oder vielmehr frau) nun die Stirn hat, einen fast 8 Monate alten Artikel zu rezyklieren, der schon damals schnarchlangweilig war, das zeugt nun von einer Leserverachtung, um ein stärkeres Wort zu vermeiden, die schon bemerkenswert ist.

Die Fragen sind nach wie vor brandaktuell: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wohl so, wie sich dieses Jahr das Feiern der 86. angefühlt hat. Unvergesslich auch diese Passage:

«Warst du auch mal überfordert vom Grundkonzept des Existierens? – Vom was? – Also, dass man ungefragt auf diese Erde geworfen wird … – … und in den meisten Fällen auch ungefragt wieder gehen muss. – Genau.»

Solche investigativen Fragen und luziden Antworten kann man gar nicht oft genug lesen. Dass man dafür allerdings zuerst ein Abo abschliessen müsste, das ist schon ein starkes Stück. Der zukünftige Abonnent, den Chefredaktorin Raphaela Birrer bekanntlich «an die Paywall heranführen» will, soll also Geld abdrücken dafür, dass er einen Uralt-Artikel, der als neu serviert wird, lesen darf.

Dass er in eine Serie «Forever Young» eintauchen darf, die so was von alt ist.

Dass er Beiträge der «Süddeutschen Zeitung» aus München lesen darf, die schon dort kaum jemanden interessieren, und dort leben Deutsche. In der Türkei leben Türken, und die haben gewählt. Und sich wieder für Recep Erdogan entschieden. Da wäre es sicherlich interessant zu erfahren, was der grösste Schweizer Medienkonzern mit seinen unzähligen Kopfblättern in der Zentralredaktion in Zürich dazu zu kommentieren hat.

Aber leider behält er das für sich, wahrscheinlich wollte sich Auslandchef Christof Münger davon nicht seine Pfingstferien verderben lassen. Also kommentiert «Raphael Geiger aus Istanbul». Der Korrespondent der «Süddeutschen». Der ist herausragend qualifiziert, denn er übt diesen Job seit 2023 aus. «Zuletzt war Geiger USA-Korrespondent in New York.»

Auch das ist ein spezielles Verständnis von Qualität. Statt die eigene, theoretisch noch vorhandene Auslandredaktion zu bemühen, lässt der Qualitätskonzern Tamedia einen seit 2023 im Amt befindlichen SZ-Korrespondenten in die Tasten greifen, der zuvor in den USA stationiert war. Und für diesen Schrott, «Erdogan ist gerade noch einmal davongekommen», will Tamedia auch noch Geld, bevor man das lesen darf.

Eigentlich ist’s so. Wer Tamedia zuschaut, begleitet einen Fallschirmspringer auf dem Weg nach unten. Und blickt ihm in die Augen, als er merkt, dass sich der Fallschirm nicht öffnet. Brrr.

 

 

Immer wieder Sonntag

Das übliche Morgengrauen …

Eigentlich wollte ZACKBUM mit der «NZZam Sonntag» beginnen. Aber wir rauschten, ohne durch bemerkenswerte Inhalte aufgehalten zu werden, bis zu Seite 16 durch. Dort lasen wir, dass Patti Basler abtrete. Doch zu früh gefreut: sie macht nur eine überlange Sommerpause. Aber man nimmt heutzutage, was man kriegen kann.

Das ist auch das Motto von Nicole Althaus. Sie erfreut den Leser mit einer bahnbrechenden Erkenntnis des «Verhaltensforschers Joonghwan Jeon von der University of Texas in Austin». Zu der kam er zwar schon 2007, dafür aber als Erster: «Mater semper certa est». Für die wenigen Nicht-Lateiner unter unseren Lesern: «die genetische Abstammung von der Mutter ist sicher, die des Vaters nicht.»

Was Althaus eigentlich sagen will: sofern es zu keiner Verwechslung im Spital kommt, weiss die Mutter, dass das ihr Baby ist. Der Vater so spontan nicht. Es geht hier allerdings nicht um die genetische Abstammung des Vaters, sondern vielleicht darum, dass es einen Gentest bräuchte, um seine Vaterschaft zu beweisen. Oder so. Aber mit bahnbrechend neuen Erkenntnissen ist es eben so eine Sache, da verrutscht die Sprache schon mal gerne. Oder aber, verflixt, es handelt sich hier um Frauensprache, die dem Mann weder genetisch noch sonst wie leicht erschliessbar ist.

Dann kommt eine Story, die sozusagen einen Kontrapunkt gegen den drohenden Hitzesommer setzen will: «Immer mehr Frauen lassen ihre Eizellen einfrieren». Also genauer: in einer Einfrierklinik waren es früher «eine Frau alle paar Monate», nun seien es pro Woche «zwischen fünf bis zehn Frauen». Wenn das mal kein Trend ist.

Voll im Trend ist auch R. James Breiding. Er will dem harmlosen Leser am Sonntagmorgen einen solchen Schrecken einjagen, dass dem das Gipfeli aus der Hand fällt: «Wie die Schuldenkrise die Welt in den Abgrund reissen könnte». Merke, lieber Leser: Titel die «wie Blabla könnte» enthalten, plus das Wort Abgrund, sind ein klarer Hinweis für: überblättern.

Putzig ist hingegen der Titel «Die Brust versiegt». Also nicht wirklich, industrielle Säuglingsnahrung ist einfach weiter auf dem Siegespfad. Schrecklich ist hingegen diese News: «Vögel meiden die Schweiz». Aber immerhin, der Eieranschlag auf eine «Autorperson» ist der NZZaS keine Zeile wert. Dafür hat sie halt Jan Weiler mit seiner unendlichen Fortsetzungsgeschichte. Also sie ist bei Folge 13 angelangt, kommt einem aber unendlich vor.

Während sich Patti Basler* wenigstens direkt, allerdings früh in die Sommerpause abmeldet, tut das die «SonntagsZeitung» ebenfalls früh, dafür indirekt:

Typisch Tamedia, die wollen einem auch alles vermiesen. Scheint mal die Sonne, wird der fehlende Regen bemängelt – oder die hohen Preise bejammert.

Dann fordert Arthur Rutishauser den Skalp von Barbara Schmid-Federer. Institution Schweizerisches Rotes Kreuz, überfordert, nicht denkbar, dass sie sich noch halten könne. Mal schauen.

Dann kommen wir zu einem Höhepunkt für jeden Schweizer Leser. Das grosse Interview, der Hammer, die Themen, der Gesprächspartner, der Wahnsinn. Boris Herrmann, Nicolas Richter und Robert Rossmann vereinen die guten Kräfte, um den Eidgenossen ein Gespräch zu schenken. Nun sind die Drei im Sold der «Süddeutschen Zeitung» in München, und nicht mal dort interessiert brennend, was der deutsche «Oppositionsführer» (so würde man ihn in Deutschland allerdings nicht nennen) Friedrich Merz so zu sagen hat. Ob er den Geist Adenauers beschwören wolle, wird Merz einleitend gefragt. Wetten, dass kaum ein Schweizer Leser sich für die Antwort interessiert? Überblättern …

Dann weiss Bettina Weber sozusagen Intimes vom frischgebackenen und fehlgestarteten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis, inzwischen schon gerne DeSaster genannt: er höre «nur auf seine Frau». Wahnsinn, da kommt endlich mal einer ohne grossen Beraterstab aus. Oh, DeSantis hat einen grossen Beraterstab? Ach was.

Woran merkt man sonst, dass anscheinend schon Ende Mai das Sommerloch gähnt? Wenn im «Fokus» der Chef-Butler (eine Frau, darf man die heute in der SoZ noch Chef-Butler nennen? Wo bleibt die Genderpolizei? Weiss das Birrer, wieso hat Tobler nicht eingegriffen) des Dolder Grand interviewt wird. Auch hier war das grosse Interview mal eine Institution. ZACKBUM rätselt aber: Chef-Butlerin? Chefin-Butlerin? ChefIn-Butler*? Wo bleiben die Gender-Päpste und -Päpstinnen, wenn man sie mal braucht.

Und so nebenbei. Dieser Gender-Lapsus erinnert doch daran, dass es auch der SoZ scheissegal ist, dass eine leitende Mitarbeiterin über Jahre hinweg von einem Hassmob verfolgt wurde, angeführt von der hasserfüllten Kämpferin gegen Hass im Internet, haarklein aufgezeigt in einer mehrteiligen Serie über interne Chatprotokolle. Aber  Jolanda Spiess-Hegglin ist halt nicht in der SVP

Die Spargelsaison neigt sich so langsam dem Ende zu; höchste Zeit, die jährliche Sommerlochstory zu schreiben: «Wie viel Arbeit wirklich hinter dem Trendgemüse steckt». Hinter? Hm.

Dann will Rutishauser, das Bauernopfer auf dem Kriegspfad, auch noch den Skalp von Tidjane Thiam. Beziehungsweise an dessen Bonus: «Karin Keller-Sutter hat fünf gute Gründe, seinen Bonus zurückzufordern.» Wetten, dass sie es nicht tut?

Apropos Sommerloch im Mai: «Richtig essen für ein langes Leben», abgestaubter Stehsatz.

Eigentlich wollte ZACKBUM die erste Ausgabe unter neuer Leitung des «SonntagsBlick» genauer anschauen. Aber:

Es gibt Gähnreflexe, die fast in einer Kiefersperre enden.

Kaum hat man die überwunden, liest man, was Reza Rafi höchstpersönlich recherchiert hat: «Schweiz will Andrei Melnitschenko loswerden», behauptet er. Und will wissen: «Der Russe verbringe zu viel Zeit im Ausland und nicht an seinem gesetzlichen Wohnsitz, womit er die Bedingungen (für eine Niederlassung C, Red.) nicht mehr erfülle

Nun wird’s etwas peinlich, wenn man dem Chefredaktor des SoBli Nachhilfeunterricht in Faktenkenntnis erteilen muss. Melnitschenko steht auf der EU-Sanktionsliste, die von der Schweiz gehorsam übernommen wird. Seine Frau übrigens auch, obwohl EU-Bürgerin. Also ist ihm die Einreise in die Schweiz verwehrt.

Das ist nun tatsächlich ein kafkaeskes Problem. Ein Besitzer der Niederlassung C darf sich, auf Antrag, bis zu zwei Jahre am Stück im Ausland aufhalten. Allerdings sollte er danach wieder zurückkehren. Wie kann das nun Melnitschenko tun, der zwar als langjähriger Aufenthalter, Mieter und bedeutender Steuerzahler, der sich in der Schweiz nie etwas zu Schulden kommen liess und jegliche Nähe zu, geschweige denn Unterstützung von Putin bestreitet, dieser Vorschrift seiner Niederlassung entsprechen?

Das wäre eigentlich die interessante Frage gewesen. Aber Rafi ist nicht für interessante Fragen zuständig, sondern blödelt halt im Text vor sich hin. Man kann also konstatieren, dass er das Niveau seines Vorgängers problemlos tieferlegt. Unter die Relevanzschwelle, unter jede Schwelle. Unterirdisch.

*Nach Leserhinweis korrigiert …

Die Welt verroht mit rohen Eiern

Dafür braucht es einen «Chef Recherche».

Es gilt Schreckliches zu vermelden. Nicht nur, dass im Iran Ehebrecherinnen gesteinigt werden. Nicht nur, dass in vielen Ländern der afrikanischen Welt Frauen zwangsbeschnitten werden. Nicht nur, dass in Israel Christen verfolgt werden. Nein, wir müssen ganz in unserer Nähe miterleben, wie Eier zweckentfremdet werden.

Oder um es mit den erschütternden Worten des «Chef Recherche» Fabian Eberhard zu sagen: «Die preisgekrönte Autorenperson Kim de l’Horizon wurde von zwei Buben mit Eiern beworfen. Das berichtet de l’Horizon auf seinem Instagram-Account. «Ich wurde gerade von zwei Kindern attackiert. Niemand hat eingegriffen.» Die beiden hätten gewusst, dass niemand eingreift – weil die Leute das selten tun würden

Zunächst: Eberhard ist ein Chef ohne Indianer. Und Recherche, nun ja, seit er todesmutig ein leeres Büro fotografierte und behauptete, das sei das Hauptquartier des Internetradios «Kontrafunk» (ohne sich jemals für diese Ente ernsthaft zu entschuldigen), zweifelt ZACKBUM etwas an seinen Fähigkeiten.

Doch eine Recherche am Pult in der Käfigtierhaltung Newsroom, das ist eher seine Kragenweite. Statt selbst zu recherchieren (stimmt die Story überhaupt, was war der Anlass, waren es Buben), gibt er ergriffen wieder, was die «Autorenperson» behauptet: so «habe die Gesellschaft den Buben beigebracht, dass sie nicht gleichzeitig Bart und Make-up tragen dürften. Nicht breitschultrig sein und zugleich Frauenhosen tragen können. So wie de l’Horizon zum Zeitpunkt der Attacke.»

Die Autorenperson, die man auch schlichtweg bei ihrem richtigen Namen nennen könnte, keilt nach und «appelliert an die Eltern: «Ich bin es leid, euren Job zu machen.» Die Erziehungsberechtigten sollten ihren Kindern beibringen, dass es okay ist, anders zu sein.»

Ähm. Die «Gesellschaft» habe den Buben das beigebracht? Was für ein Quatsch. Und die «Autorenperson» sei es leid, den Job der Eltern zu machen? Kinder zu erziehen? Seit wann tut er denn das? Und noch ein paar Fragen für den Rechercheur: Wer hat denn eigentlich die «Beweisfotos» aufgenommen? Eine der Personen, die nicht eingegriffen hätten? Nun sieht man aber niemanden weit und breit. Alle vom Tatort geflohen?

Offensichtlich ist das Foto beim Migros Wengihof aufgenommen, ob es da vielleicht Zeugen für die schreckliche Tat gab? Am Boden rechts von der «Autorenperson» sieht man weitere Eierüberreste, woher stammen die? Der/die/das behauptet weiter, die Attacke sei erfolgt, weil er breitschultrig Frauenhosen trage. Muss man aber auch extra erwähnen. Bart und Make-up trage. Auf dem Foto kann man aber ausser einer, Pardon, merkwürdigen Frisur nichts Aussergewöhnliches obenrum erkennen.

Ob da nicht die Frage an den «Chef Recherche» gestattet ist: haben Sie wirklich recherchiert, ob das nicht ein verzweifelter Versuch ist, mal wieder in den «Blick» zu kommen, schlichtweg Fake News?

Samstag am Sonntag

Ein Blick in die frühere «Schweiz am Sonntag».

Auf der Front wird’s schon merkwürdig. «Mehr Schutz für Opfer von Internet-Hetze». Oh, denkt der Leser, nach dem Abgang von Pascal Hollenstein traut sich CH Media endlich, die Hetze gegen die Journalistin Michèle Binswanger zu thematisieren. In der Serie «#hateleaks» wurde anhand von Chat-Protokollen nachgewiesen, wie die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet Jolanda Spiess-Hegglin und ihr Adlatus Hansi Voigt eine schmutzige Kampagne, die sie selbst «Drecksarbeit» nannte, orchestrierten und organisierten.

Aber leider nein, es handelt sich um die Provokation des SVP-Nationalrats Andreas Glarner, der eine öffentliche Telefonnummer öffentlich machte. Im Fachjargon «Doxing» genannt. Das, was Binswanger erlebte, war ja nur ein Shitstorm, eine Hetzkampagne, der Versuch, sie zum «Auswandern» zu bringen, als Mensch und Journalistin unmöglich zu machen. Mittels Fake-Accounts zu Aussagen zu provozieren, die man dann gegen sie und für die eigene Anwältin verwenden konnte.

Wie sagt Bundesrätin Baume-Schneider so richtig: «Es geht um die Fähigkeit, mit anderen Meinungen umzugehen und sie zu akzeptieren. Wir müssen auf solche Exzesse reagieren.» Allerdings.

Richtig blöd ist’s halt, wenn man Freitagnacht Abschluss hat, aber behauptet, man wolle das ganze Wochenende aktuell sein:

Leider finden halt viele Wahlen im In-und Ausland am Sonntag statt …

Aber immerhin, das ist mal was Neues und natürlich Beunruhigendes, da es um Banken geht:

Konkret heisst das, dass die UBS lediglich verpflichtet ist, die Geschäftsbücher der CS zehn Jahre lang aufzubewahren. Protokolle der VR-Sitzungen, der Geschäftsleitung, welche Pfeife hat wann was gesagt, wer ist für eine der vielen Fehlentscheidungen verantwortlich? All das kann problemlos im Aktenvernichter landen. Denn der Bundesrat hat es auch hier versäumt, entsprechende Vorschriften an seine Unterstützung zu knüpfen. Amateurliga.

Und wem widmet sich das «Wochenende», indem die Reste von «Kultur & Leben» versorgt sind? Nein, da muss man nicht raten:

Nachdem Turner pflichtschuldig albgenudelt ist, wird’s dann allerdings dünn, sehr dünn:

Wenn ein Schüler zu spät in den Unterricht kam, pflegte der Mathematiklehrer Schiller zu zitieren: «Spät kommt ihr, doch ihr kommt.» Das wollen wir hier auch so halten.

Geht’s noch dünner? Das Stichwort für Simone Meier, die Kolumnistin. Was macht man als Kolumnistin, wenn einem nun wirklich überhaupt nichts mehr einfällt? Richtig, Man schreibt übers Kolumneschreiben. In der Agenda sei der «Schreibbefehl Kolumne!» gestanden. Darunter Stichwörter, die sie aber nicht mehr entziffern könne. Das wiederum führt zurück zum Aufsatzschreiben in der Schule, und dann …, sorry, aber hier sind uns die Augen endgültig zugefallen. Einzig bedauerlich, dass Meier nicht – endlich mal was Originelles – einfach vier Worte für die Kolumne verwendet hat: «Mir fällt nix ein.» Wäre zumindest ehrlich gewesen.

Erholt man sich wenigstens im «Lifestyle»? Mässig:

Ein runder Geburtstag, als anlassloser Anlass für Rezykliertes. Passt eigentlich zu Heidi Klum, die sich ja ausschliesslich mit äusseren Werten über Wasser hält.

Und das war’s dann schon auf Seite 62. Prädikat: nicht wirklich wertvoll. War auch schon besser. Vielleicht eine besonders schwache Ausgabe erwischt. Wir versetzen das Blatt in die Probezeit.

Weg nach unten

Obwohl nicht schwindelfrei, blicken wir in den Abgrund «Tages-Anzeiger».

Eigentlich ist es eine rührende Idee. Nachrufe veröffentlichen auf x-beliebige Personen. Das ist eine gute Idee für einen Dorfanzeiger, der damit die Leser-Blatt-Bindung verstärkt und sich in seiner überschaubaren Umgebung gut platziert.

Ist es auch eine gute Idee für eine sogenannte «Qualitätszeitung», die wegen schrumpfenden Umfängen eigentlich um jeden Zentimeter redaktionellen Raum kämpfen sollte? Obwohl sie schon genug Platz von der «Süddeutschen Zeitung» aus München füllen lässt.

Nun aber die Serie «Nachrufe». Nichts gegen die hier porträtierte Person, die allerdings schon vor einem Jahr mit Exit aus dem Leben schied, wie man dem Schulaufsatz von Artikel entnehmen kann. Aber ist das ein Angebot, mit dem man den zahlenden Leser bei der Stange hält? Sicher nicht, muss man sagen.

Aber hier geht es sicher zur Sache:

Das ist ein Interview mit dem Ökonom Aymo Brunetti. Der Professor war Präsident der Expertenkommission, die zuhanden des Bundesrats Lösungsvorschläge bezüglich der «too big to fail»-Problematik erarbeiten sollte. Nach der grossen Finanz- und Bankenkrise von 2008.

Die Vorschläge waren so überzeugend, dass sie bei der CS-Krise nicht mal aus der Schublade genommen wurden. Offensichtlich völlig untauglich. Das wäre nun tatsächlich die Gelegenheit für ein munteres, angriffiges Interview gewesen. Aber auch Brunetti weiss, wieso er ausgerechnet dem Tagi Red und Antwort steht.

Weil auch bei ihm von Beatrice Bösiger die inzwischen gewohnte Tagi-Nummer angewendet wird: was wollten Sie Bitteschön immer schon mal sagen?

Da darf Brunetti zunächst markig verkünden: «Eine Bank muss in Konkurs gehen können. Die staatliche Rettung einer Bank widerspricht jeglichen marktwirtschaftlichen Regeln und ist total unfair.»

Dann wagt sich Bösiger an die Frage, wieso denn das von ihm ausgearbeitete Vorgehen nicht mal abgestaubt wurde, sondern im Papierkorb, Pardon, in der Aktenablage blieb: «Wir wissen nicht, ob und wie es funktioniert, weil die Bank eben nicht gemäss diesen Regeln abgewickelt wurde.»

Das ist ein «Schlange beisst sich in den Schwanz und frisst sich auf»-Argument. Die Frage ist doch genau, warum diese Regeln nicht angewendet wurden. Wohl doch deswegen, weil sie völlig untauglich waren und sind. Also hat der Herr Professor Pfusch abgeliefert.

Aber das wären ja harte Fragen gewesen, wir verliessen den Komfortbereich des Tagi. Da darf Brunelli noch zudem sagen: «Für mich ist noch nicht bewiesen, dass man die Credit Suisse nicht hätte in Konkurs gehen lassen können.»

Also, die von ihm entwickelten Rezepte sind untauglich. Die Nationalbank hätte – wie andere kompetente Koryphäen wie beispielsweise Ossi Grübel fordern – problemlos die Liquidität zur Verfügung stellen können, die unfähigen Manager auswechseln und anschliessend die CS, wahrscheinlich sogar mit Gewinn an die Börse bringen. Auch dem widerspricht Brunetti: «Es ist nicht die Aufgabe der Nationalbank, ins Risiko zu gehen und eine Bank vor dem Konkurs zu retten.»

Genau das hat aber die SNB gemacht, nur hat sie gleichzeitig damit der UBS ein Riesengeschenk gemacht. Auch bei dieser Antwort hätten sich eigentlich zwei Fragen anschliessen müssen. Aber stattdessen lässt Bösiger den Professor weiter klugscheissen: «Die Bilanz der UBS ist nach der Übernahme der Credit Suisse gemessen an der Wirtschaftsleistung viel zu gross für die Schweiz.»

Während der Finanzkrise eins war die Bilanz der UBS noch viel grösser, das hat Brunetti damals aber nicht zu dieser Einsicht gebracht. Wenn schon, war die Bilanz der UBS auch schon vor diesem Geschenkverkauf zu gross für die Schweiz, was Brunetti aber nicht hörbar störte.

Selbst der Laie als Leser kommt auf diese oder jene Frage, die man Brunetti hätte stellen sollen, müssen. Aber eben, heutzutage kann man sich seine Interviewpartner aussuchen. Will man ungestört von kritischen Fragen Öffentlichkeit erreichen, sozusagen präventiv verhindern, dass die Frage aufkommt, was denn eigentlich der Versager, der die «too big to fail»-Regeln entwickelte, dazu sage, dass sie so untauglich sind, dass sie nicht mal beim nächsten Fall angewendet werden.

Das wäre andernorts Gelegenheit für einen Schwitzkasten gewesen. Aus dem sich Brunetti vielleicht mit guter Rhetorik hätte befreien können. Das wäre auf jeden Fall für die Leser interessant geworden. Aber eben, wir sind hier beim Genderstern-Tagi, wo das Wort «Qualität» zwar in den Mund genommen wird – und erst noch weiblich ist –, aber dann sofort ausgespuckt, wenn keiner hinguckt.

Aber nicht nur bei dieser nicht abreissenden Reihe von Weichspüler- und Federstreichel-Interviews tritt es dann doch offen zu Tage: weniger Genderwahnsinn, mehr journalistischer Einsatz, mehr Sichtbarkeit für handwerklich niveauvolle Leistungen, das wäre doch was. Das wird aber nix.

Das hat man halt davon, wenn das Geschlecht als Beförderungskriterium (40 Prozent Frauenanteil auf allen Hierarchiestufen) wichtiger wird als die Qualifikation, die Kompetenz. Damit ist dann niemandem gedient, nicht mal den so beförderten Quotenfrauen. Die Qualität leidet, der Leser leidet, die Mitarbeiter leiden, die Einnahmen leiden. Unterwegs nach unten, aus eigener Schuld und Unfähigkeit.

Wumms: Eric Gujer

Gelobt sei der schneidende Ton des NZZ-Chefs.

ZACKBUM mag mit seiner Feriengestaltung nicht ganz einverstanden sein, aber seine wöchentliche Arbeit mit dem Schneidbrenner, genannt «Der andere Blick», ist herausragend.

Im allgemeinen Niedergang der Schreibkräfte und Schreibfähigkeiten ragt Eric Gujer wie ein Leuchtturm heraus, wenn er seine verbalen Blitze schleudert. Besonders schnell auf Betriebstemperatur kommt er, wenn es um die Grünen geht. Natürlich hat er recht, einen opportunistischeren und übleren Haufen in der Politik gibt es weder in Deutschland noch in der Schweiz.

Zunächst säbelt Gujer die Kritiker an der Vetternwirtschaft im Hause Habeck nieder: «Die Empörung über den grünen Klüngel im Wirtschaftsministerium ist im höchsten Mass lächerlich. Nepotismus und Ämterpatronage gehören zur Politik. Seit je werden Günstlinge und Parteigänger in einflussreiche Positionen befördert. Trauzeugen bekleiden auch in anderen Ministerien in Berlin wichtige Posten

Darauf türmt er ein verbales Massaker an den Grünen-Bewunderern: «Sie sehen in ihnen die Garanten eines besseren Deutschland: einsame Kämpfer gegen den Klimawandel, sensibel, gendergerecht und divers, Retter der Flüchtlinge, geleitet von Werten statt von schnöden Interessen.»

Dann zeigt er einen kurzen Moment der Schwäche: «Jetzt müssen die Medien feststellen, dass die Grünen eine ganz normale Partei sind. … Sogar die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» raunt von einer «Entzauberung», als hätten die Grünen jemals einen Zauber besessen.» Nein, die Grünen sind keine ganz normale Partei. Während sich dort die Wändehälse maximal um 180 Grad drehen können, ist das hier – um die grüne Aussenministerin Baerbock zu paraphrasieren, um mindestens 360 Grad möglich.

Aber schnell erreicht Gujer wieder seine normale Flughöhe: «Wer glaubt, dass Parteien ein Zauber innewohnt, sollte zum Arzt gehen.» Welch feine Anspielung auf den Elder Statesman Helmut Schmidt, der alle zum Arzt schicken wollte, die Visionen haben.

Nun legt Gujer das Florett zur Seite und greift zum Zweihänder: «Die Grünen waren noch nie besonders moralisch.» Das könne man den Grünen aber auch nicht unbedingt vorwerfen, denn welche Partei sei das schon. Aber, beim Streit um das verbieten fossiler Heizungen haben die Grünen schlimmer versagt: «Allerdings wäre es die Aufgabe des Ministeriums gewesen, den Widerstand vorherzusehen und Mehrheiten zu suchen – auch um den Preis einer weniger ambitionierten Vorlage. Tragfähige Lösungen zu erarbeiten, um die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen, das ist in der Politik Moral.»

Dann geht Gujer zum peinlichen Thema «Atomkraft, nein danke» über: «Ohne den sehr deutschen Spleen des Atomausstiegs würde Deutschland heute deutlich weniger CO2 produzieren. Indem die Grünen den Atomausstieg (unter Mithilfe der Merkel-CDU) unbeirrt durchgesetzt haben, gewichteten sie das Ideal höher als das praktische Ergebnis. Genau das ist in der Politik amoralisch

Das gilt natürlich auch für die Frau mit der schwer erträglichen Stimme: «Ähnlich verhält sich Aussenministerin Baerbock, wenn sie sich als die heilige Annalena von Xinjiang inszeniert. Indem sie die chinesischen Kommunisten möglichst oft und öffentlich über Menschenrechte belehrt, verbessert sie die Lage der Uiguren kein Jota

Nun erlaubt sich Gujer keinen Durchhänger mehr und packt die Todeskralle aus: «Die grüne Vorhut degradiert die Ehe zur «Verantwortungsgemeinschaft», nennt Deutsche «Kartoffeln» und Mütter «gebärende Personen». Das neue Ideal ist der nichtbinäre Mann mit Migrationshintergrund. Massstab der Politik ist nicht das grösste Glück der grössten Zahl, sondern die Befindlichkeit von sich immer weiter ausdifferenzierenden Minderheiten.»

So werden die Grünen «nie Kanzlerpartei», denn stärkste politisch Kraft werde man nicht, «wenn man die Mehrheit der Gesellschaft offen oder auch nur insgeheim verachtet». Volltreffer. «Den Grünen bleibt dann nur die Rolle des ewigen Steigbügelhalters für die SPD oder die Union, da können Baerbock und Habeck noch so lange strampeln

Auch wenn die NZZ bei Fragen der Neutralität oder bezüglich Waffenlieferungen im Ukrainekrieg manchmal schwächest (aber was soll sie machen, ihre ideologische Heimat FDP ist da ganz schwach auf der Brust): Gujer sorgt doch immer wieder für Lesespass.

Und so ganz spontan: welcher andere Journalist der Mainstreammedien, welcher andere Chefredaktor (generisches Maskulin, Frau Birrer, Sie bleiben schon sichtbar) fällt einem da ein?

 

Freitag oder Montag?

Was kommt heraus, wenn drei Tagi-Journis KKS interviewen?

Drei gegen eine, kann das gutgehen? Das geht butterweich supergut, wenn es drei Tamedia-Journalisten sind, die die Finanzministerin Karin Keller-Sutter interviewen. Die ist politisch für den überhasteten Verkauf der Credit Suisse an die UBS für ein Trinkgeld verantwortlich. Und hat mit ihrer Bemerkung, dass das kein Bail-out gewesen sei, also keine Staatsrettung, dem Steuerzahler möglicherweise die Zahlung von 17 Milliarden Franken aufs Auge gedrückt. Und die Reputation des Finanzplatzes Schweiz als Rechtsstaat schwer beschädigt.

Ihre Befähigung, über Finanzfragen entscheiden zu können, muss doch ernsthaft in Frage gestellt werden. Aber doch nicht von Tamedia. Da schleicht man sich liebedienerisch ins Interview:

«Was von diesem dramatischen Wochenende werden Sie nie vergessen?» – «Vor allem diese unglaubliche Spannung und Hektik. Den Druck, in kürzester Zeit eine Lösung finden zu müssen – denn am Montag wäre die CS in Konkurs gegangen, mit unabsehbaren Folgen für die Schweiz und das globale Finanzsystem

Alleine diese Antwort hätte mehrere Nachfragen verdient. Wieso diese Hektik, wieso wurden nicht sinnvolle Alternativen geprüft, woher will KKS wissen, dass die CS am Montag Konkurs gegangen wäre; hatte ihre Bankenaufsicht FINMA nicht noch wenige Tage zuvor deren Stabilität und Liquidität bestätigt?

Aber es könnte ja sein, dass KKS dann wieder ins Rudern gekommen wäre, und das wollten Markus Häfliger (Bundesshausredaktor, keine Ahnung von AT1-Bonds und so Sachen), Konrad Staehelin (Politologe, zuständig «für das Dossier Luftfahrt») und Delphine Gasche (frischgeschlüpfte «correspondante parlementaire à Berne») sicher nicht.

Stattdessen darf KKS sich und alle anderen Beteiligten loben: «Alle haben am gleichen Strick gezogen … wenn es sein muss, können wir sehr schnell sein. Die CS-Krise hat auch gezeigt: Unsere Institutionen funktionieren. Die Schweiz ist handlungsfähig.»

Sagt KKS nicht so Sachen, sagt sie so Sachen:

«Diese Frage kann ich nicht beantworten … Dazu kann ich nichts sagen … Diese Frage kommt zu früh … Nichts wird nicht geschehen … Das sind heikle Fragen, zu denen ich mich nicht äussern kann … Ich sehe das pragmatisch … Es ist immer schwierig, herauszufinden, warum eine Vorlage abgelehnt wurde … Es wird mir vorgeworfen, auf eine Frage nicht geantwortet zu haben, die mir gar nicht gestellt worden ist. Das ist irreführend.»

Das mag sein, aber auch auf Fragen, die ihr gestellt wurden, antwortet sie klimaschädlich: mit heisser Luft.

Es scheint zum neuen Qualitätskonzept von Tamedia (oder wie der Laden auch immer gerade heisst) zu gehören, dass man Interviewpartner ungestört das sagen (oder nicht sagen) lässt, was denen gerade in den Kram passt. Erkenntnisgewinn für den Leser: null. Allerdings sind die Auswirkungen auf den Blutdruck und den Adrenalinspiegel nicht zu unterschätzen.

ZACKBUM hat einen Vorschlag zur Güte und zur Vereinfachung. Anstatt drei Nasen aufzubieten, wieso schickt Tamedia (oder der «Tages-Anzeiger» oder wie diese Rumpfredaktion auch heisst) nicht ein kurzes Mail an den Medienverantwortlichen von KKS, den ehemaligen Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin, Pascal Hollenstein: Neben einem aussagelosen Riesenfoto von KKS haben Sie knapp 9000 Anschläge Platz. Füllen Sie den doch mit Fragen und Antworten nach Gutdünken und schicken Sie den Text bitte vor 18 Uhr zurück, damit wir alle in den ordentlichen Feierabend gehen können.

Das würde doch viel unnötigen Aufwand sparen.