Unaufhaltsamer Aufstieg

Ladina Heimgartner startet durch.

Die Dame mit der extrabreiten Visitenkarte bleibt weiterhin «Mitglied im Exekutive Board der Ringier AG». Dann ist sie noch «Head of Global Media» und CEO der «Blick»-Gruppe. Der hat sie gerade eine neue Struktur mit einer Unzahl von «Heads» und «Officers» verpasst. ZACKBUM hat das gewürdigt.

Aber das war noch nicht das Dach der Möglichkeiten. Denn Ringier löst das Joint Venture mit dem grossen Bruder Axel Springer AG in der Schweiz auf. Indem es die gemeinsamen Medientitel – sowohl die selbst eingebrachten wie die von Springer – zu «Ringier Medien Schweiz» zusammenfügt – und den deutschen Verlag auskauft.

Wie jubelt die Medienmitteilung: «Ringier wird damit alleinige Eigentümerin des Portfolios mit insgesamt 20 der reichweitenstärksten Magazin- und Zeitschriftentitel der Schweiz, darunter Beobachter, Handelszeitung, Bilanz, cash.ch, Tele, Schweizer Illustrierte, Landliebe, Glückspost, L’illustré, PME und andere. Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart

Also Springer führt seine Digital-Strategie konsequent weiter, Ringier investiert in Print-Titel. Interessant. Ach, nebenbei: «Die aktuelle Blick-CEO Ladina Heimgartner wird die neu geschaffene Geschäftseinheit «Ringier Medien Schweiz» mit rund 1000 Mitarbeitenden ab sofort leiten

Hm, gab es da nicht schon einen CEO? Ach, doch Alexander Theobald. Der war auch noch COO von Ringier Schweiz und ebenfalls Mitglied des «Group Executive Boards». Allerdings: Er «legt diese Mandate nieder und übernimmt die Leitung strategischer Grossprojekte für die Ringier-Gruppe und behält die Führung von Swissprinters als CEO».

Sauber abserviert mit «strategischen Grossprojekten». Und dem Scheissjob, sich etwas für die Swissprinters einfallen zu lassen; Druckerei in der Schweiz – ein Kamikazeunternehmen, bei dem internationalen Konkurrenzdruck.

Heimgartner sagt brav: «Ich danke Marc Walder, dem Verwaltungsrat und der Familie Ringier für meine Wahl und das Vertrauen.»

Marc Walder ist bekanntlich CEO der Ringier AG und als einziger Familienfremder Mitaktionär, neben der Mobiliar Versicherung natürlich. Auch der freut sich, dankt und überhaupt. Allerdings: seit der Pandemie läuft seine Performance nicht mehr so rund wie auch schon. Er wurde mehr zum Fettnäpfchen-König, der vom Patriarchen Ringier zwar gestützt wurde, aber auch öffentlich einen Nasenstüber einfing.

Wenn Walder Glück hat, wird er dennoch designierter Nachfolger von Michael Ringier als VR-Präsident bleiben und das Amt auch antreten. Aber der nächste CEO von Ringier, das wird wohl eine Dame mit extrabreiter Visitenkarte und extraschmalem Leistungsausweis.

Wenn Skandale leise Servus sagen …

Läderach? Ach was. Katholische Kirche? Gähn.

Ausser, dass Trump mal wieder verurteilt wurde und die Krankenkassenprämien exorbitant steigen, was ist die Gewichtung der Qualitätsmedien?

Der KK-Schock sitzt bei den meisten Schweizern tief. Bis zu zehn Prozent mehr, bei sowieso schon exorbitant hohen Prämien. Das ist das Aufreger-Thema Nummer eins. Nur: ist ein wenig kompliziert. Nur: der Gesundheitsminister ist halt ein Sozi und kein SVPler. Nur: so viele Fachleute, so viele Meinungen.

Also tun die Medien das, was sie am liebsten machen. Sie wollen unbedingt zwei deutlich absaufende Skandale über Wasser halten, die schon komatösen Leichen wieder wachküssen. Denn beides ist unter dem Stichwort «Skandal» gespeichert. Da gibt es dann kein Halten mehr.

Aber verflixt, dass katholische Priester vor allem Kinder missbrauchen und dass Läderach Senior einen religiösen Sparren hat und an einer Schule beteiligt ist, in der es vor vielen Jahren recht rustikal zuging: das ist beides eigentlich weitgehend auserzählt. Opfer melden sich, gibt es noch weitere solche Schulen, was sagt der Experte dazu, was bewirkt das bei den Kindern?

Das sind bereits die vorletzten Zuckungen eines Skandals. Noch weiter ist man beim Abnudeln des Priester-Skandals:

So sieht es zuoberst auf der Homepage des «Tages-Anzeiger» aus. Von Tamedia, vom «Tages-Anzeiger», ach verflixt, what ever.

Nun werden sogar noch Kirchenhistoriker befragt. Die freuen sich über diesen unerwarteten medialen Sonnenschein, wo sie sonst doch eher unauffällig forschen. Dann gibt’s scheint’s noch eine Herbstsession vor den Wahlen, natürlich tickt der «Ukraine-Ticker», eine «Analyse von Abstimmungen» ist auch immer gut. Fehlt noch was? Natürlich, ein Frauenthema. Voilà: «Frauen bei Krebsvorsorge und Behandlung benachteiligt».

Oh, und das in der reichen  Schweiz? Ach was, natürlich weltweit. Aber jetzt gebe es eine «neue Kommission» dagegen. Ach, in der reichen Schweiz? Ach was, in den auch nicht armen USA. Die kommt zu erschütternden Erkenntnissen wie: «Frauen seien auch nicht genügend über die Krebs-Risikofaktoren Tabak, Alkohol, Adipositas (Fettleibigkeit) und Infektionen aufgeklärt.»

Vielleicht in finsteren Gegenden der USA oder Afrikas – aber in der reichen Schweiz? Erschwerend kommt noch hinzu, dass es sich um eine SDA-Tickermeldung handelt. Wäre nicht «Frau» im Titel gestanden, sie hätte es nicht mal auf die Homepage geschafft.

Aber mal im ernst, lieber Tagianer: Krankenkassen? Inflation? Lebensmittelpreise? Mieten? Heizkosten? Asylanten? Altersvorsorge? Sieben Themen, die die Schweizer umtreiben. Kein einziges ist hier vertreten. Aber immerhin: es gibt auch keinen Artikel über korrektes Gendern oder die Verwendung des Sternchens zur Verhunzung der Sprache.

Auch der «Blick» hat im Moment so ziemlich alles aus diesen beiden Skandalen rausgemolken – Eimer leer. Also ein neues Schwein durchs Dorf treiben:

Die 57-jährige Marie Theres Relin hat ein Buch geschrieben. Eigentlich wollte die Schauspielerin hier über ihre gescheiterte Ehe mit Franz Xaver Kroetz schreiben. Das interessierte aber offensichtlich nicht wirklich.

Also packt sie nach 43 Jahren ein «dunkles Familiengeheimnis» aus. Sie sei von ihrem Onkel «sexuell missbraucht, verführt, entjungfert – ohne Gewalt, aber gegen meinen Willen» worden. Praktisch dabei: Maximilian Schell ist 2014 gestorben, ihre Mutter Maria Schell schon 2005. Auch über die zieht Relin her: «Meine Mutter in ihrer dämlichen Männerverehrung hatte die pädophilen Neigungen sozusagen gefördert.»

Relin hatte ein paar frühe Rollen, dann machte sie Pause, um bei hochwertigen Filmen wie «Rosamunde Pilgers – Das Geheimnis der Blumeninsel» aufzutreten. Sie hatte es schon 2011 mit «Meine Schells: Eine Familie gesucht und mich gefunden» probiert. Wurde nicht gerade zum Bestseller.

Nun also diese Nummer. Die klare Nummer eins beim «Blick».

Lieblingsjob der Medien

Die Beispiele für Leserverarschung purzeln nur so herein.

Der Beitrag vom «Blick» zum Thema: kann man so oder so sehen. Kleine Hilfe für den verwirrten «Blick»-Leser: Das KOF ist meistens doof und muss seine Prognosen regelmässig korrigieren …

Man muss schon sagen, «20 Minuten» befasst sich mit den letzten Fragen der Menschheit, mit ungelösten Rätseln, die die Jahrtausende überdauerten, seit der Neandertaler das erste Mal dem Thema Körperhygiene nähertrat und sich die Hände abwischte, nachdem er ein Mammut verspeist hatte. Aber erst sehr viel später begann er damit, etwas gegen Achselschweiss zu unternehmen.

Das hier ist nun eine absolute Null-Meldung; richtig aus «watson». Natürlich gibt es Beschwerden gegen solche Sendungen, ist doch sonnenklar. Ganze vier seien beim Ombudsmann der SRG eingegangen. Soweit, so gähn. Was wird genau beanstandet, hat das Hand und Fuss? Sobald die interessanten Fragen beginnen, sagt «watson»: öh, das wissen wir doch auch nicht. Das ist echte Leserverarschung mit Anlauf.

Und nun als Absackerchen die Lieblingsbeschäftigung der Journalisten: mit sich selbst, über sich selbst, gegen die anderen.

Gleich ein Team und eine Einzelkämpferin befassten sich mit einem wirklich weltbewegenden Aspekt der Läderach-Affäre. Die liegt bereits in den letzten Zügen, noch ein wenig «ich auch», noch Zusammengekehrtes («wie viele solcher Schulen gibt es in der Schweiz?»), und tschüss.

Aber vorher noch:

So titelt CH Media in seinen unzähligen Kopfblättern. Und erzählt die Geschichte nach, die Roger Schawinski auf seinem «Radio 1» erzählte. Er habe den Chef des Zürcher Film Festivals (ZFF) Christian Jungen am Freitagabend angerufen und davon überzeugt, den Dok-Film anzuschauen. Das habe den sensiblen Mann so geschüttelt. dass er bis spätnachts nicht habe schlafen können, erzählte Schawinski weiter. Und schon am Samstag trennte sich das ZFF von seinem «Partner» Läderach.

CH Media gibt sich erstaunt: «Am Freitag hatte sich das ZFF noch selbstbewusst hinter seinen Sponsor gestellt. Gegenüber verschiedenen Medien wurde betont, man stehe «voll und ganz zur Partnerschaft mit Läderach».» Und dann das. Dabei hätte das ZFF doch wissen müssen, dass Läderach nicht ganz unumstritten sei.

Mit etwas spitzeren Fingern fasst Nina Fargahi (Ex-«Edito») das Thema an. Ihr Artikel für die vielen Kopfblätter von Tamedia beginnt mit einer Einleitung, die man jedem Journalistenschüler um die Ohren hauen würde: «Die Ereignisse überschlagen sich …» Was für eine Leserverarschung; hier überschlägt sich nichts, von Ereignissen ganz zu schweigen.

Überschlagen tut sich höchsten Fargahi: «Radiomacher Roger Schawinski will eine Rolle gespielt haben. Das sagt er zumindest in seiner letzten Sendung «Roger gegen Markus».» Darauf habe schon seit Streitpartner Markus Somm ironisch reagiert: «Dieser fasst spöttisch zusammen: «Roger Schawinski war also entscheidend für diesen Boykott.»»

Worauf sich die beiden verbal gebalgt hätten. Dann rapportiert Fargahi, dass Jungen doch tatsächlich die Aussagen von Schawinski bestätigt habe; er sei aber nicht für das Sponsoring zuständig. Das lässt die Recherchierjournalistin so stehen, weil das wieder Zweifel an der Bedeutung der Rolle von Schawinski lässt. Dabei ist es lachhaft, dass der Big Boss des Festivals solche Entscheide nicht anordnen kann.

Vielleicht ist man bei Tamedia immer noch nachtragend, weil man vor vielen Jahren das TV- und Radioimperium von Schawinski zu einem exorbitanten Preis übernahm – und anschliessend gewaltig abschreiben musste.

Halt einer der vielen Fehlentscheide des Hauses. Aber noch lange kein Grund, dass sich gleich die beiden Duopolisten im Deutschschweizer Zeitungsmarkt («Blick» kann man ja nicht wirklich ernst nehmen) darum kümmern, ob und wie und wie wichtig eine Intervention von Schawinski gewesen sei. Das interessiert ausser ihm selbst und die Journaille nun eigentlich niemand wirklich. Aber wenn Journalisten über Journalisten schreiben können, und erst noch leicht hämisch, dann ist die Versuchung übergross.

Und der zahlende Leser fühlt sich mal wieder verarscht.

Campax spinnt

Eine Lobbyorganisation ausser Kontrolle.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit Grenzüberschreitungen dieser «Bürger*innenbewegung» befassen, die «seit 2017 Kampagnen zu den wichtigen Fragen unserer Zeit» führt. Edle Zielsetzung: «Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle Menschen in Würde und Freiheit leben

Edle Ziele, schmutzige Methoden zur Erzielung. Duftmarke eins: «Nazi-Fratzen hinter der Folklore-Fassade: Die Freiheitstrychler haben bei der “Friedensdemonstration“ letzten Samstag auf dem Bundesplatz ihr wahres Gesicht gezeigt.»

Wenn ihnen der Inhalt eines Artikels nicht passt, wird gleich eine Beschwerde beim Presserat eingereicht und werden die höchsten Entscheidungsträger angebellt, Duftmarke zwei: «Deshalb fordern wir die Familie Coninx und Pietro Supino, den Verwaltungsratspräsident der TX-Group dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um den journalistischen Standard und die Qualitätssicherung der journalistischen Arbeit zu garantieren.»

Nun übertrifft sich Campax selbst, und das ist gar nicht so einfach. Ein Kampagnenleiter Urs ruft zu Spenden auf. Edles Ziel: «Zusammen verhindern wir den Rechtsrutsch!» Wie das? Indem die edlen Spender insgesamt 17’720 Franken aufwerfen sollen. Wofür? Für ein halbseitiges Inserat in der NZZ. Abgesehen von der Frage, ob die NZZ das Inserat überhaupt annehmen würde (wenn nicht, wird dann das Geld zurückbezahlt?): was soll da drinstehen?

Da hält sich «Urs» eher bedeckt. Die edlen Spender sollen für eine Black Box ihr Geld ausgeben. Vom mutmasslichen Inhalt gibt er nur bekannt: «Wissen die Menschen überhaupt, welchen antidemokratischen Kräften sie ihre Stimme geben, wenn sie FDP oder SVP wählen?»

Das ist ungeheuerlich. SVP und FDP sind die grösste und die traditionellste Partei der Schweiz. Sie sind in demokratischen Wahlen zu ihren Stimmen und ihrer Vertretung in Parlament und Regierung gekommen. Im Gegensatz zum «Kampagnenleiter von Campax Urs», der Geld dafür sammelt, um seinen undemokratischen Ansichten eine Plattform geben zu können.

Was ist der Anlass für diese Ausgrenzung?

«Hörst Du den riesigen Aufschrei darüber, dass die Junge Tat den Wahlkampf einer SVP Nationalratskandidatin koordiniert?1) Ich auch nicht. Und genau da liegt das Problem. Es wird immer normaler, dass rechtsextreme Kräfte in unserer Gesellschaft an Macht gewinnen. Diese antidemokratischen Kräfte und ihre Verbündeten werden etwa mit Listenverbindungen bis weit ins bürgerliche Lager normalisiert. Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie.»

Campax-Urs bezieht sich dabei auf einen Artikel im «Blick». Sollte es zutreffen, dass eine SVP-Nationalratskandidatin auf einem aussichtslosen hinteren Listenplatz kommunikative Unterstützung der Organisation «Junge Tat» in Anspruch genommen hat, ist das ungefähr so bedenklich oder unbedenklich, wie wenn Campax ihr genehme Kandidaten unterstützt.

Natürlich kann man die politischen Zielsetzungen der «Jungen Tat», der SVP oder der FDP ablehnen, verurteilen, sogar als schädlich ansehen. Natürlich kann man einen Rechtsrutsch befürchten und sich dagegen wehren. Alles in einer Demokratie erlaubt, inklusive freie Meinungsäusserung.

Die hat aber auch ihre Tücken. Denn man ist auch frei darin, Unsinn, Schwachsinn, Entlarvendes zu brabbeln. So wie das Campax häufig tut. Der Organisation rutschen die Worte weg, sie wird keifig, schrill, merkt damit nicht, dass sie sich selbst den Boden unter den Füssen wegzieht.

Denn wer, der nicht völlig vernagelt ist, will schon für ein Inserat spenden, dessen Erscheinen ungewiss ist, dessen Inhalt unbekannt, und von dessen Stossrichtung man nur weiss, dass es SVP und FDP als «antidemokratische Kräfte» denunzieren will?

Bezeichnend: so grob Campax austeilt, so feig wird die «Kampagnenorganisation», wenn man ihr ein paar kritische Fragen stellt. Keine Antwort …

Wer etwas von Demokratie hält und sich als Demokrat sieht, zahlt dafür sicherlich keinen Rappen.

Religionsfeigheit

Die Züchtigungen sind doch nicht das Problem.

Tatzen, Schläge mit dem Lineal auf die Finger. Druck auf die Knöchel. Ohrfeigen. Sogar Prügel. Das waren lange Zeit akzeptierte Erziehungsmassnahmen in der Schule und auch zu Hause. Nach der Devise: «eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet

Die beste Anekdote, die ein Rundruf im Bekanntenkreis ergab: ein Lehrer will einem Mitschüler eine Ohrfeige geben. Der trägt aber Brille, der Lehrer befürchtet Verletzungsgefahr. Also befiehlt er dem Schüler: «Brille runter!» Der weiss aber, was ihm dann blüht, also weigert er sich. Der Lehrer befiehlt laut und lauter und schalmeit: «Keine Angst, ich tu dir nix.» Der Schüler knickt ein, zieht die Brille aus – und zack, kriegt eine schallende Ohrfeige.

Man mag dieses pädagogische Prinzip befürworten oder verachten. Dass allerdings Jahrzehnte später ein paar Zöglinge einer Privatschule mit Tränen in den Augen von körperlichen Züchtigungen berichten, die sie damals erlitten haben – und über die es wie immer keine einzige Strafuntersuchung gab oder gibt –, das ist verstörend. Dass auch von einer vertuschten Vergewaltigung die Rede ist, wobei nicht immer erwähnt wird, dass sie unter minderjährigen Schülern stattfand, der Täter rausgeschmissen wurde – typisch Elendsjournalismus.

Dass bei dem ganzen Gewese über diesen sozusagen historischen Skandal weiterhin kein Wort über das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern verloren wird, die in Westafrika in meist kleinen Kakaofarmen schuften müssen, dort auch misshandelt und gequält und missbraucht werden, das ist der Skandal im Skandal.

So nebenbei, um da weiteren Missverständnissen vorzubeugen: solche Quälereien finden eher selten in Farmen statt, die von den angeblich bösen Transnationalen betrieben werden. Sondern in privaten Kleinunternehmen. Übrigens genau wie bei Minenarbeiten aller Art.

Dass das Zürcher Film Festival als Begründung für seine Kehrtwende und den Abbruch der Beziehung zur Schokoladefirma Läderach anführt, dass diese damaligen Qualen halt wie auch immer mit dem Namen verbunden seien, ist scheinheilig. Dass beim Festival Schoggi verteilt worden wäre, deren Herstellung zumindest fragwürdig ist, das hätte das ZFF einen Dreck interessiert.

Aber vom SRF angefangen traut sich niemand so recht, das eigentliche Problem beim Namen zu nennen. Sozusagen den Schoggi-Elefanten im Raum. Das Problem Religion. Das Problem religiöser Fanatismus. Den gibt es nicht nur bei fundamentalistischen Irren, die meinen alles, was im Koran stünde, sei bis heute wörtlich zu nehmen und ausserdem höchste Richtschnur für das Verhalten von allen.

Religiösen Wahn gibt es auch innerhalb der christlichen Kirche. In allen Farben, Spielarten und Ausprägungen. Jeder Sektenradar ist voll von solchen Erscheinungen. Aber statt dass Sektenexperten wie Hugo Stamm befragt werden, plustern sich Marketing- und Imageberater auf und benützen die Gunst der Stunde für Eigenwerbung. Allerdings meistens mit so absurden Ratschlägen «proaktiv werden!», dass sie sich damit wohl kaum neue Kunden generieren.

Aber der Fokus sollte doch hier liegen: Der evangelikale «Hof Oberkirch» war offenbar längere Zeit ein Ableger einer südafrikanischen Sekte namens «Kwasizabantu». Ihr Guru ist Erlo Stegen, mit dem Jürg Läderach offenbar eine enge Beziehung verbindet.

Läderachs religiöse Haltung kann man wohl dem Evangelikalismus zuordnen, der sich aus dem deutschen Pietismus speist. Diese spiritualistischen Bewegungen gehen von einer persönlichen Beziehung des Einzelnen zu Gott (sowie zu Jesus Christus als Herrn und Erlöser) und einer irrtumsfreien Autorität der Bibel aus.

Daher sind in dem Dok-Film über die Zustände in der Privatschule eigentlich die Szenen verstörend, in denen Läderach Senior verzückt und inbrünstig vom liebenden Jesus schwärmt.

Daran kann man ermessen, wie schwer es sicherlich seinen Söhnen gefallen sein muss, sich von dieser Religiosität ihres Vaters zu lösen und aus der Kirche auszutreten. Deutlicher als der aktuelle CEO Johannes Läderach kann man sich wohl kaum öffentlich von seinem eigenen Vater distanzieren. Deutlicher kann man zudem keine Zweifel an dessen eidesstattlicher Erklärung äussern, dass Läderach Senior niemals selbst körperliche Züchtigungen durchgeführt habe.

Dem steht zumindest eine klare Zeugenaussage im Dok-Film entgegen; offenbar hat Läderach Senior hier seine Drohung, gegen solche Behauptungen gerichtlich vorzugehen, bereits wahrgemacht. Wenn die Unschuldsvermutung noch etwas gelten würde, wäre er unschuldig.

Unbestritten ist es, dass es in dieser Schule aus frommen (oder vielleicht auch weniger frommen) Motiven zu körperlichen Übergriffen kam. Zudem habe ein Regime der Angst geherrscht, wie es in fanatischen religiösen Gruppen Gang und Gebe ist. Offensichtlich schickten hier Eltern ihre Sprösslinge hin, die ebenfalls unter diesen religiösen Wahnvorstellungen litten.

Geradezu absurd ist es allerdings, dass sich der Dok-Film und die anschliessende öffentliche Debatte auf die körperlichen Züchtigungen kapriziert. Dabei wären die Auswirkungen der Indoktrination mit fanatisch-fundamentalistischen Auslegungen der Bibel mindestens so interessant – und in den Auswirkungen sicherlich nachhaltiger.

Auch der aktuelle CEO Läderach hat diese Schule besucht, schickt seine eigene Kinder dorthin. Solange es allerdings nicht zu strafbaren Handlungen an dieser Schule kommt, ist das seine Privatangelegenheit. Anscheinend herrscht in der Schweiz Religionsfreiheit.

Es herrscht aber auch Religionsfeigheit. Gelegentlich darf islamischer Fundamentalismus kritisiert werden. Missbräuche in der katholischen Kirche sind auch immer wieder ein beliebtes Thema. Was sich aber im Bereich religiöser Wahn sowohl in der katholischen wie auch evangelischen Kirche (und um sie herum) abspielt, das wird nur mit spitzen Fingern angefasst. Normalerweise. Warum? Nun, Läderach Senior ist nicht der einzige einflussreiche und reiche Geschäftsmann, der etwas abseitigen religiösen Vorstellungen anhängt.

Natürlich sind auch Anhänger des jüdischen Glaubens weitgehend kritikbefreit, weil das sofort und gnadenlos mit der Antisemitismus-Waffe gekeult wird.

ZACKBUM ist gespannt, ob das Schicksal der afrikanischen Kinder bei der Schokoladenherstellung jemals thematisiert wird. Oder das Problem von religiösem Fanatismus innerhalb der christlichen Kirche. Wir können weder Wunder bewirken, noch haben wir seherische Kräfte. Sagen aber mutig: nie. Oder, als guter Seher lassen wir ein Hintertürchen offen: höchstens am Rande.

Die katholische Kirche singt inzwischen ein Hosianna nach dem anderen …

Versteckspiel

Ist Anwältin Zulauf Mittelsperson oder nicht?

«Bitte nehmen Sie zu Kenntnis, dass ich Falschaussagen zu meiner Person mit einer Zivilklage beantworten werde.»

Eigentlich war der Anlass nicht sonderlich erheblich. ZACKBUM verfügte über Informationen, wer die ominöse «Mittelsperson» sei, die das Dossier von sich beschwerenden Frauen von dem Amt für Gleichstellung zur «Republik» getragen hatte. Und wie es sich im seriösen Journalismus gehört, wollten wir Rechtsanwältin Rena Zulauf Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Vor allem hätte uns interessiert, ob Zulauf hier mandatiert war und wie der Begriff «See only» auf dieses Dossier geriet. Schliesslich wollten wir noch wissen, ob Zulauf das Dossier an den SRF-Journalisten Salvador Atasoy weitergereicht habe.

Antwort: «Ihre Annahme und/oder die kolportierte Annahme ist falsch. Weder wurde mir ein Dossier von belästigten Damen zugespielt, noch habe ich dieses bzw. ein solches Salvador Atasoy weitergereicht.»

Da bekannt ist, dass Zulauf zwar nicht allzu häufig erfolgreich, aber gerne und schnell klagt, liessen wir es auf sich beruhen.

Nun ist es aber dem Chefredaktor Marcus Hebein des «Schweizer Journalist» gelungen, diese Behauptung rechtsfest zu machen. Also konfrontierte auch er die Anwältin damit. Ihre irritierende Antwort:

«Ich bin einigermassen irritiert, dass mich jemand bei Ihnen als Mittelsperson nennt, Sie mir aber nicht sagen, wer diese Person ist, und sich diese Person auch nicht mir gegenüber outet.» Und weiter: «Solcherlei ,Spiele‘ mache ich nicht mit; sie sind unlauter und haben mit korrektem Journalismus nichts zu tun. Schade!»

Nachdem sie hier offenbar darauf verzichtet, mit rechtlichen Schritten zu drohen, sollte man sie als diese «Mittelsperson» bezeichnen, will sie nun etwas, von dem sie wissen müsste, dass es absurd ist. Dass ein Journalist ihr gegenüber seine Quelle offenlege, bevor sie sich dazu äussere. Das bezeichnet der «Schweizer Journalist» zu Recht als «bizarr».

Auch Hebein hätte gerne gewusst, was es mit der «See only»-Klausel auf sich habe, von der die «Republik»-Chefetage behauptet, dass sie ihr wochenlang die Hände gebunden habe und sie zur Untätigkeit verdammte.

«Auch wären wir daran interessiert gewesen, welche „Forderungen“ denn die Anwältin an die „Republik“ im Zuge der Information über die Fälle gestellt habe, welche Schritte denn von der „Republik“- Leitung erwartet wurden», schreibt Hebein weiter.

Das sind tatsächlich entscheidende Fragen. Denn nicht nur der Fall selbst – mögliche sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen der «Republik» durch einen prominenten Reporter –, sondern auch die Handhabung durch die «Republik»-Führung hat dazu beigetragen, dass das Online-Magazin der guten Denke und Lebensart in eine durchaus existenzbedrohende Krise geraten ist.

Dabei spielt Zulauf offensichtlich eine wichtige Rolle. Es ist auch nicht klar, ob sie nun die Anwältin der sich beschwerenden Frauen ist oder eben nur eine Botin, die sich so die Option offenhalten wollte, von der Botin zur Rechtsvertreterin zu werden.

Wäre das so, hätte Zulauf einen dicken Nagel in den Sargdeckel über der «Republik» eingeschlagen. Denn das Rumgeeier, bis dort die Teppichetage überhaupt in die Gänge kam, den Vorwürfen nachzugehen, lastet schwer auf deren Glaubwürdigkeit.

Bizarr ist allerdings, dass eine Medienanwältin meint, ein Vorgang, für den es zahlreiche Zeugen und Beteiligte gibt, liesse sich unter dem Deckel halten.

Mit Klagedrohungen ist sie schnell zur Hand, aber auf eine erneute Möglichkeit zur Stellungnahme reagierte sie diesmal nicht – schweigen.

Dabei wären Antworten auf diese Fragen durchaus von öffentlichem Interesse:

In der aktuellen Ausgabe des «Schweizer Journalist» werden Sie als die Mittelsperson identifiziert, die das Dossier an die «Republik» überbracht hat. Mir gegenüber hatten Sie das abgestritten und mit Klage gedroht.

Werden Sie nun gegen den «Schweizer Journalist» rechtlich vorgehen?

Wenn nicht, wieso haben Sie es bei mir mit Klagedrohung abgestritten, gegenüber Marcus Hebein dann nicht mehr?

Sie haben mit der Begründung, dass Sie zuerst die Quelle wissen wollten, jegliche weitere Stellungnahme gegenüber Hebein verweigert. Ist Ihnen der Begriff Quellenschutz nicht geläufig?

Dem «Schweizer Journalist» ist es gelungen, in einer Ihrer Rechtsschriften den ominösen Begriff «see only» aufzuspüren, der offenbar sehr ungebräuchlich ist. Also haben Sie diesen Begriff auf das Dossier gesetzt?

Das Amt für Gleichstellung hat mir schriftlich bestätigt, dass er nicht von ihm stammt, die «Republik», dass er auf dem Dossier stand, als es von der Mittelsperson Zulauf ausgehändigt wurde. Haben Sie eine Vermutung, wie er dorthin gekommen sein könnte?

 

Abschiedsgruss

Wagt es ein ZACKBUM-Leser zu wetten, ob es eine Antwort gab?

Ein Schreiben von Redaktion zu Redaktion, auch an Geschäftsleitung und den Verwaltungsratspräsidenten der «Ostschweiz»:
Inzwischen ist der Artikel seit einer Woche auf ZACKBUM online: Jolanda Spiess-Hegglin klagt mal wieder
Natürlich hat RA Zulauf nichts dagegen unternommen. Einfach aus dem Grund, weil er – wie alle meine früheren Artikel für «Die Ostschweiz» – juristisch unangreifbar ist.
Aber wenn man weiss, wie feige und schnell Redaktionsleiter Baumgartner unter haltlosen Drohungen einknickt, dann probiert man’s halt immer wieder – mit Erfolg.
Nachgeben, löschen, den Autor erst im Nachhinein informieren, vorher nicht mal Gelegenheit zur Stellungnahme geben, frei erfundenen Vorwürfen einfach glauben, das ist Journalismus auf tiefstem Niveau.
Statt hier zu einer Abmahnung wegen erwiesener und wiederholter Unfähigkeit zu greifen, schmeisst man dann lieber das «Aushängeschild» und den Quotenbringer raus.
Ein Phänomen, das auch als Angstbeissen bekannt ist. Nach der Devise: wird uns gedroht, legen wir uns auf den Rücken und wedeln friedfertig mit dem Schwanz. Wird sich darüber beschwert, beissen wir gleich zu.
Ich weiss nicht, über wie viel Humor RA Zulauf verfügt. Aber dass sie mit der gleichen Nummer zweimal Erfolg hatte, das muss ihr ein Lächeln abgerungen haben.
Was «Die Ostschweiz» betrifft, mal Hand aufs Herz: ist das nicht erbärmlich? Peinlich? Zumindest mehr als unangenehm?
Einmal darf man sich vielleicht reinlegen lassen. Aber zweimal? Das ist nun wirklich dümmer als der Leser erlaubt.
Wenn Sie noch etwas dazu zu sagen haben: ich bin liberal; ZACKBUM steht Ihnen jederzeit für eine Erwiderung offen.
Allerdings befürchte ich fast, dass Angstbeisser und Hosenscheisser lieber schweigen …

La, La, Läderach

Wie schlägt sich Johannes Läderach im kleinen Orkan?

Klarer Fall für Krisenkommunikation. Es war ein Sturm mit Ansage. Spätestens, als die SRG Vater Läderach mit Vorwürfen konfrontierte, an der evangelikalen Privatschule «Domino Servite» habe es Gewalt gegen Zöglinge gegeben und gar einen Vergewaltigungsfall unter Schülern, wusste CEO Johannes Läderach, dass sich Gewitterwolken zusammenballten. Und konnte mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Vergangenen Donnerstag schlug dann der Blitz ein, die Doku wurde ausgestrahlt. Inzwischen zählt das SMD (Stand Montagmittag) bereits 274 Treffer für das Stichwort Läderach. Natürlich sind sehr viele Doubletten dabei, weil die Schweizer Medienszene überwiegend aus Kopfblättern von Tamedia und CH Media besteht, in denen jeweils die gleiche Einheitssauce auf die Leser geschüttet wird.

Am Donnerstag vermeldete SRF die Resultate einer zweieinhalbjährigen Recherche. Darunter diese Aussage eines M.: «Er sei dabei gewesen, als Jürg Läderach seine Mitschüler mit seinem Gurt gezüchtigt habe, erzählt M, der anfangs 2000 auf dem «Hof Oberkirch» zur Schule ging.»

Dagegen steht: «Jürg Läderach dementiert. In einer eidesstattlichen Erklärung lässt er notariell festhalten, dass er «niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder anderweitig misshandelt habe»

Das ist die Ausgangslage. Unbestritten ist wohl, dass es in der Schule zu Schlägen und körperlichen Bestrafungen kam; wieweit Sexuelles dabei eine Rolle spielte, ist unklar. Umstritten ist hingegen, ob Läderach Senior selbst auch geschlagen hat, wobei zumindest klare Indizien darauf hinweisen, dass er von körperlichen Züchtigungen wusste.

Nun ist die Firma Läderach nicht irgendwer, sondern Arbeitgeber von rund 1800 Angestellten, laut Aussage des aktuellen CEO und Sohnes des im Feuer stehenden Läderach. Zwei Produktionsstandorte, weltweit 140 Läden, ein Schoggi-Museum in Bilten, für 50 Franken kann man eine geführte Tour inkl. Degustation, Schokoladenbrunnen und selbstdekorierter Schokolade buchen. Umsatz rund 180 Millionen Franken im Jahr. Ein Zwerg im Vergleich zu Lindt & Sprüngli (rund 5 Milliarden Franken Umsatz), aber immerhin.

Also ging es am Donnerstag los: «Happige Vorwürfe gegen Ex-Schoggi-König Jürg Läderach», titelte Tamedia flächendeckend. ««Kinder gezüchtigt»: schwere Vorwürfe gegen Chocolatier Jürg Läderach», echote der «Blick». Etwas gemässigter die SDA: «Vorerst keine Untersuchung von Christlicher Privatschule». Auch CH Media stimmt in den Chor ein: «Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chocolatier Jürg Läderach: Auch er soll «Domino Servite»-Schüler gezüchtigt haben

Dann natürlich der Sektenexperte, Fragen nach der Auswirkung auf das Image, wie steht es mit der Partnerschaft mit dem Zurich Film Festival (ZFF). Eher ausgewogen neutral meldete sich die NZZ mit etwas Verspätung zu Wort: «Vorwürfe gegen Ex-Patron von Läderach».

Während das ZFF noch am Freitag tapfer zu Läderach stand, machte es am Samstag kehrtum und beendete die Zusammenarbeit mit der Schokoladenfirma.

Das war die Ausgangslage. Es war völlig klar, dass sich CEO Läderach zwischen zwei Optionen entscheiden musste, nachdem er in einer ersten Stellungnahme die Distanz zwischen Firma und Vater betont hatte und dass die dritte Generation Läderach «keinerlei Verbindungen zu der Kirche» mehr habe.

Entweder es dabei bewenden lassen, Kopf einziehen und abwarten, dass auch dieser Sturm – wie alle anderen auch – mal vorbeigehe. Oder offensiv werden und sich in der Sonntagspresse melden. Auch da ist die Auswahl sehr überschaubar. SonntagsBlick kam eher nicht in Frage, keine angemessene Plattform. NZZaS wäre natürlich eine Option gewesen, aber offensichtlich konnte man sich nicht über die Rahmenbedingungen einigen.

Also kam Rico Bandle von der SoZ zum Handkuss, das grosse Interview. Über die Entstehungsgeschichte, die Vereinbarungen und Absprachen ist natürlich nichts bekannt. Es war aber sicherlich nicht so, dass sich Bandle und Läderach bei einer Schokolade zusammensetzten, dann drückte er auf die Aufnahmetaste, und los ging’s. Dafür stand für Läderach zu viel auf dem Spiel.

Also wurden sicherlich die Themengebiete abgesteckt, die Grenzen der Veränderung bei der Autorisierung auch. Ob das Interview mündlich oder gleich schriftlich geführt wurde, weiss man auch nicht. Auf jeden Fall sind entscheidende Antworten von einer eleganten Glätte, die es fast ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein gestresster Läderach sie so druckfertig äusserte.

Am Samstag hatte noch Tamedia nachgelegt: «Läderach und der Reputationsschaden». Ein vermeintlich schlauer «Marketingexperte» gab Flachheiten zum Besten: «Es ist nun wichtig, dass Läderach proaktiv das Vertrauen bei den Kunden und Geschäftspartnern raschmöglichst wiederherstellt.» Wie er das anstellen soll – vielleicht mit Gratis-Schoggi für alle? – verrät das Marketing-Genie aber nicht.

Aus dem fernen Peru meldet sich Pensionär Alex Baur markig in der «Weltwoche» zu Wort: «SRF betreibt mit dem Läderach-«Dok» Kloaken-Journalismus übelster Machart.». Da ist ihm beim Schreiben etwas die Klobürste in den Weg gekommen.

Dann also Läderach im Interview. Der beste Satz: «Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Im Niveau etwas liefergelegt machte sich dann auch Reza Rafi, der Mikrofonhalter vom SoBli, so seine Gedanken. Er verwies auf den Fall der Pastamarke Barilla, deren Patron gesagt hatte, dass er niemals mit einem homosexuellen Paar einen Werbespot drehen werde. Er unterschätzte etwas den Aufschrei und musste zu Kreuze kriechen und viel Geld für Schadensbegrenzung ausgeben. Und einen Spot mit einem lesbischen Paar drehen.

Was hat das mit den aktuellen Problemen von Läderach zu tun? Genau nix. Macht nix.

Am Montag war das Thema immer noch so heiss, dass es über 50 Treffer für Läderach im SMD gibt. Es wird allerdings weitgehend an alter Schokolade gelutscht. Das ZFF stellt die Zusammenarbeit ein, der Läderach-Sohn büsse für angebliche Taten des Vaters, «Inside Paradeplatz» will wissen, dass er weiter «mit umstrittenem Vater» geschäfte.

Baur legt in der WeWo noch einen drauf: «Die von SRF befeuerte Cancel-Orgie tritt so ziemlich alles mit Füssen, was uns seit der Aufklärung heilig sein sollte. Sie setzt auf Sippenhaft, hetzt gegen religiöse Minderheiten und verstösst gegen die Unschuldsvermutung. Mehr Verlogenheit, mehr Doppelmoral ist kaum noch möglich.»

Gegen den Strom schwimmen muss nicht immer zielführend sein.

Der «Blick» zieht einen weiteren «Reputationsexperten» aus dem Hut: «Die Marke ist stark beschädigt.» Vielleicht, weil sie nicht «proaktiv» vorgeht. Woher er das wissen will, wie er das misst: das bleibt Amtsgeheimnis.

Geradezu brüllend komisch ist die Schlusspointe im «Blick»: «Bleibt die Frage, ob allein der zu erwartende Umsatzrückgang in der Schweiz reicht, damit sich die Firma klar und deutlich von den Ansichten und dem Verhalten der Familie distanziert.»

Abgesehen davon, dass sich der aktuelle CEO bereits überdeutlich von den Ansichten seines Vaters distanziert hat: die Firma gehört der Familie, bzw. CEO Johannes Läderach  …

Ob Schokoladessen schlau macht, Christian Kolbe?

Ach, und das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern, die in den Kakaofarmen in Westafrika schuften müssen, denen Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die misshandelt werden, auch missbraucht – in all den rund 300 aufgeregten Artikeln zum Thema kein Wort dazu. Das ist echt erbärmlich.

 

 

 

Worte zum Sonntag

Nein, mal nichts Religiöses. Eher Verwirrtes.

ZACKBUM sieht in dieser Gegenüberstellung eine feinsinnige Ironie des Blattmachers. Aber wahrscheinlich täuschen wir uns, denn Ironie und Selbstkritik sind nicht die starken Seiten der überlebenden Tamedia-Journalisten.

Dann kommt allerdings echtes 08/15, obwohl der Tamedia-Journalist im Allgemeinen auch nicht weiss, woher dieser Ausdruck für durchschnittliche Massenware kommt. Der Psychologe denkt über die Ursachen der Gewalttätigkeit von Eritreern nach. Arthur Rutishauser denkt über Flüchtlinge drinnen und draussen nach. Adrian Schmid und Mischa Aebi denken über das Schicksal der Flüchtlinge auf Lampedusa und Flüchtlingsströme zwischen der Schweiz und der EU nach.

Adrian Schmid, Multitasking, die Entlassungen fordern ihren Tribut, denkt auch über den möglichen Nachfolger von Alain Berset nach. Nun ist zu diesem Thema eigentlich von fast allen fast alles gesagt worden. Also braucht es eine knackige Headline, denn darunter ist bloss Rehash, das Aufquirlen von Bekanntem. Her damit; einer, der im bürgerlichen Lager nicht wählbar ist und selbst nicht einmal erklärt hat, ob er überhaupt antreten will, wird zum «heimlichen Favoriten» ernannt. So heimlich, dass ausser Schmid niemand Cédric Wermuth auf dem Zettel hat. Aber es gilt: nur, was du selbst erfindest, ist ein schneller Primeur.

Dann hat Rico Bandle Johannes Läderach, Sohn und CEO der gleichnamigen Firma, zum Interview überredet. Zwei Kalküle haben sich bestens getroffen. Man wäre natürlich gespannt darauf zu erfahren, welche Tänze vor, während und nach dem Interview aufgeführt wurden.

Aber auch Bandle muss gleich nochmal ans Gerät. Ein Zürcher Amt, das wie viele Ämter nichts Sinnvolles zu tun hat, empfiehlt, «genderneutrale Formulierungen» zu verwenden, also «Kind, Elternteil oder Betreuungsperson». Dieser Schwachsinn ist einem Buch von Ravena Marin Siever entnommen. Der/die/das (ist etwas kompliziert) schwafelt über sich: «Sier ist Elter von drei Kindern und lebt mit siener Familie ..

Siever widmet sich dadaistischen Sprachscherzen. Das wäre lustig, würde «sier» das nicht ernst nehmen: «Mampa», «Elli» (von «Elter»), «Tankel» oder «Onte». Oder «Ompapa». Vokabular wie aus einem Kinderbuch voller Sprachverulkungen. Bei den «Mumins» war das sehr erheiternd. Aber hier …

Darüber zieht natürlich Bandle her. Wohlweislich verzichtet Bandle beim Suchen nach dem Splitter im Beamtenauge auf Hinweise auf den Balken im SoZ-Sehorgan.

So lange ist es schliesslich noch nicht her, dass Aleksandra Hiltmann (ja, die, der es bei einer Kreuzfahrt so furchtbar schlecht wurde) und Andreas Tobler (ja, der, der schon mal die Absage von Rammstein-Konzerten forderte) ganze drei Seiten des angeblichen «Kultur»-Bundes (Heute «Leben & Kultur») der SoZ darauf verschwendeten, den Leser mit korrektem Gendern zu quälen.

Dazu schwurbelte es, dass es nur so krachte: «Gendern ist also nicht einfach eine Modeerscheinung oder ein Sprachspiel – sondern ein Wirtschaftsfaktor. Diversität ist zu einer Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geworden, ähnlich wie Nachhaltigkeit oder Umwelt.»

Nimm das, Bandle.

Dann übernehmen die Deutschen das Zepter. Hubert Wetzel, schon mehrfach verhaltensauffällig geworden, macht sich zur Abwechslung mal keine Sorgen um das Sterben der Demokratie in den USA. Hier serviert die SoZ dem Schweizer Leser ein Thema, das vielleicht den Leser der Süddeutschen interessieren könnte. Aber auch nur vielleicht: «Brüssel fragt sich: Lässt die Hilfe für Kiew nach?» Soll das doch die EU mit Polen oder Ungarn ausmachen; was geht das eigentlich die Schweiz an?

Dann kommt ein Artikel zur Steigerung des Sozialneids. Eigentlich handelt es sich um eine kreative Stellenbewerbung von Chris Winteler bei der «Schweizer Illustrierten» oder der «GlücksPost»: «Das grösste und teuerste Wohnmobil der Schweiz». «Hans und Beatrice Heer» möchten gerne gekidnappt werden, Pardon «zeigen stolz ihre Landjacht, die eine Million Franken kostete».

Wer sich allerdings von solchen Themen oder Gendern mit einem absoluten Nonsenstext ablenken will, muss unbedingt die Kolumne von Gülsha Adilji lesen. Dass sie ein solch misslungen Dada zu Papier bringt, ist das eine. Dass sich mal wieder keine Qualitätskontrollstelle traut, ihr zu sagen: «wie wäre es, auf die Löschtaste zu drücken und einfach ganz ruhig nochmal von vorne»? Unglaublich.

Unter dem Gaga-Titel «Nieder mit dem Kapitalismus» blubbern Gaga-Sätze in einem zusammenhanglosem Wortbrei. Wir ersparen dem Leser nur den Anfang nicht: «Tschiises f*cking kreist! Wie kann man nur so ausrasten, weil ein kleines Kind wegen kurzer Koordinationsprobleme auf die falsche Velospur gerät? Letzte Woche war ich Teil eines absurden Schauspiels: Eine junge Frau, etwa in meinem Alter, stanzte einem kleinen Mädchen ein Fahrradtrauma ins limbische System.»

Sonst noch was? Interessiert uns das «Wohnglück unterm Dach»? Wie ein «Murmeli-Burger» schmeckt? Oder eine Lobeshymne auf eine US-Reality-Soap: «Wenn der Silikonbusen nicht ins Brautleid passt»? Wollen wir wissen, wie sich ein «Voyah»-Elektro-SUV  (neue chinesische Automarke) fährt? Oder der neue «Giotto von Bizzarini»? Das ist leider sowieso nicht möglich, der erste Prototyp käme 2024, ab 2026 werden die ersten Schlitten ausgeliefert. So, wie der Sportflitzer aussieht, muss das Portemonnaie viel dicker als der Bauch sein. Sonst kann man sich nicht reinfalten:

Gretchenfrage (nein, nicht, wie es der Leser mit der Religion halte) am Schluss: Ist das Fr. 6.40 wert? Nun, Arthur Rutishauser geht weiter gnadenlos auf die CS/UBS-Geschichte los, diesmal hat er sich die KPMG vorgenommen. Das zeigt immerhin von Mut und Ausdauer. Aber der grosse Rest? Also wer sich einen Camper für eine Million leisten kann oder ganz giggerig auf den neuen Bizzarini ist, schmeisst dieses Trinkgeld locker auf.

Eine überfällige Rubrik

Tata, ZACKBUM hebt aus der Taufe: die Leserverarschung.

In dieser Rubrik werden künftig in unregelmässigen Abständen wunderschöne Beispiele aus dem Schweizer Mediensumpf aufgespiesst; meistens erklären sie sich selbst oder durch einen angefügten Kurzkommentar.

Zum Einstieg:

Ein Angebot von «Blick+» für zahlungswillige Leser. Das ist offenbar so gut, dass es inzwischen fast eine Woche lang zuoberst in der Rubrik «Politik» beim «Blick» steht. Man sieht mal wieder: politisch ist in der Schweiz selbst im Wahlkampf nichts los. Jedenfalls in diesem Organ.

Das hatte schon so einen Bart, als der «Tages-Anzeiger» noch Schwarzweissfotos druckte. Der wichtigtuerische Aufruf an einen Politiker, einen Wirtschaftsführer, einen Trainer, einen Chef, an wen auch immer, irgend was zu «übernehmen». Das geht zwar dem Adressaten wie auch den Leser schwer am hier titelgebenden Körperteil vorbei. Aber der Journalist fühlt sich wenigstens einen Moment lang bedeutend. Sollte man ihm aber nicht gönnen.

Luzi Bernet, der abservierte Chefredaktor der NZZaS, hat den Schoggi-Job (oh, darf man ds noch sagen?) – Italien-Korrespondent der NZZ mit Sitz in Rom – gefasst. Natürlich nicht für das politische Tagesgeschäft, mehr so für das Spezielle und Schöne im Leben. Gut, auch Lampedusa und die Flüchtlingspolitik spielen eine Rolle, aber auch die zwei Intendanten der Oper von Neapel. Oder Schmonzetten wie «Räuber bringt gestohlenes Auto mit Brautkleid zurück». Oder eben das x-te Interview mit Saviano.

Diese aus «People» abgeschriebene Meldung bestätigt das Vorurteil, dass ein Gratisblatt wie «20 Minuten» halt auch nichts wert ist.

Natürlich gibt es ein digitales Blatt, das immer locker einen drauflegen kann. Passend zur Meldung aus der Welt der Schokolade ein Promotext von Fairtrade auf «watson», wie das Label Max Havelaar honduranischen Kaffeebauern helfe. Auch dazu gäbe es eigentlich einiges Kritisches zu sagen. Aber das wäre ja, pfuibäh, mit Recherche verbunden.

Schliessen wir mit dem Dreierschlag eines Blatts, das wir viel zu wenig berücksichtigen: Die «Südostschweiz». Ein Sonntagsquiz über Schlafen, eine launige Kolumne des CEO Masüger (dem halt keiner reinreden darf), und schliesslich eine Umfrage der Woche mit dem etwas kryptischen Titel «Ihr habt eure Nachbarn gern, aber verfolgt nicht die Uefa Champions League». Irgendwie ticken die Südostschweizer anders als der Rest der Welt.