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Was bleibt von der SoZ?

Gebastelt am Samstag, publiziert am Sonntag. Und am Dienstag?

Die Aufmacherstory «Ein Coach für alle Fälle» schweisselt deutlich nach heissem Sommerloch. Wieso die Woke-Fraktion eine Bebilderung durchgelassen hat, wo mal wieder eine Frau ein paar Knöpfe zu viel offen hat? Sexismus findet offenbar nur ausserhalb von Tamedia statt. Neuerdings.

Dann kommt das Blatt aber deutlich hinten hoch. Ein Oxford-Professor erklärt, wieso das Narrativ, in Grossbritannien wüteten Rechtsextreme und Rassisten, falsch ist. Ein Interview, das auch noch am Dienstag Sinn macht.

Eher zeitlos, geistlos und überflüssig ist dann die Seite über Coachs. Auch hier beweist die Bildredaktion mal wieder ihre Überflüssigkeit, fast eine halbe Seite für ein Stockphoto von Getty?

Nachdem schon auf dem Cover ein Weiblein prangte, hätte hier die «ich fühle mich unwohl»-Fraktion doch unbedingt ein Männlein durchsetzen müssen, statt neuerlich eine aufgeknöpfte Bluse zuzulassen.

Dann sägen Adrian Schmid und Arthur Rutishauser zweihändig am Stuhl des Amtsdirektors Stéphane Rossini, der das AHV-Zähldebakel zu verantworten hat. Fies, aber gut.

Dann, das nervt wirklich, wird die durchaus gute Story über vermeintliche Handwerker, die systematisch Menschen abzocken, mit einem Riesensymbolbild verunstaltet:

«Symbolfoto Shutterstock». Was soll das? Damit macht sich die Bildredaktion überflüssig, oder sagten wir das schon.

Allerdings müssen wir es nochmal sagen:

Ladendetektive haben es nunmal so an sich, dass sie gerne unerkannt bleiben möchten, gehört zu ihrem Beruf. Wieso dann ein Kunstfoto gebastelt werden muss, das wieder ungeheuer Platz mit einer Nullaussage verbraucht? Die SoZ sollte dringend über ihr Bildkonzept nachdenken; da gibt es ungemein Sparpotenzial.

Dann hofft man, dass der Sommer endlich zu Ende gehe. Denn was dem Magazin der NZZaS seine Glace ist, ist der SoZ das «Fokus»-Interview – mit einem Bademeister. Man hätte stattdessen auch Auszüge aus Hugo Loetschers wunderleichtem Roman «Saison» abdrucken können, das hätte wenigstens Niveau gehabt. Aber wer weiss denn noch, wer Loetscher war.

Auch hier, ceterum censeo, beweist die Bebilderung, dass dringlicher Handlungsbedarf besteht. Muss man auch bei der obligaten Bildstrecke zur Love Parade sagen:

Wer für diese Schrottbild-Auswahl verantwortlich ist, sollte sich eins schämen und das Leben als Taxifahrer fortsetzen. Bitte.

Dann geht es mit dem Sommerloch weiter. Mitte August vielleicht ein wenig spät, aber Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert, murmelte die Redaktion, als vielleicht einer die freche Frage stellte, ob das Thema nicht schon etwas vorbei sei und ob die SoZ meine, ihre Leser rissen die Seite raus und nähmen sie mit ins Wasser:

Apropos Nutzwert, das ist dann wieder ein Artikel voll auf die Zwölf, mit einer Halbwertszeit über den Dienstag hinaus:

Nichts falsch gemacht, ausser:

Seufz.

Dann die Sozialneidstory, gut eingeschenkt. Man fragt sich immer mehr, welche verantwortungslose Pfeifen auf die Idee kamen, so einen zum Chef der Credit Suisse zu machen. Da begann der Untergang …

Was für ein Charakter.

Was für eine Bildredaktion:

Und nun noch der Hammer als Absackerchen:

ZACKBUM fasst zusammen. Nicht vieles überlebt den Sonntag. Aber doch einiges. Allerdings könnte die SoZ doppelt so gehaltvoll und halb so ärgerlich sein, wenn sie die Marotte mit übergrossen Symbolbildern aus Fotoarchiven sein liesse.

 

Wumms: Peter Burkhardt

Sag beim Abschied leise äxgüsi.

Als die «Weltwoche» als erste meldete, dass der Wirtschafts-Chef von Tamedia gekübelt wurde, herrschte rundherum finsteres Schweigen.

Niemand wollte der WeWo den Primeur gönnen. Erschwerend kam noch hinzu, dass die WeWo zuvor geschnödet hatte, dass eine tobende Artikelreihe gegen ein Tourismusprojekt des Tausendsassas Samih Sawiris am Urnersee möglicherweise persönliche Motive haben könnte, weil Burkhardt selbst in der Nähe ein Grundstück mit Uferanstoss besitzt.

Auch das wurde souverän von Tamedia ausgesessen, so nach der Devise: das ist unter unserem Niveau. Wo das allerdings genau liegt, ist schwer zu messen. «Die Chefredaktion und Peter Burkhardt sind übereingekommen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel ist», vermeldet die Medienstelle des transparenten Konzerns kryptisch.

Was Ringier beim Abhalftern von Christian Dorer recht war, kann Tamedia nicht unrecht sein. Was mit Burkhardt zukünftig geschehe, da seien Gespräche am Laufen. So wie mit Dorer auch solche Gespräche geführt worden seien, obwohl es völlig klar war, dass Ladina Heimgartner niemals akzeptieren würde, dass ihr der erfolgreiche Oberchefredaktor weiter in der Sonne stünde.

Burkhardt hatte als Wirtschafts-Chef der «Sonntagszeitung» amtiert, bis er den Machtkampf bei der Zusammenlegung gewann und ab 2017 das fusionierte Wirtschaftsressort der Kopfsalatzeitungen und der SoZ übernahm.

Das führte er soweit rumpelfrei, ohne aber grosse Primeurs zu produzieren. Aber dafür ist ja auch Arthur Rutishauser zuständig. Auffällig ist zumindest, dass sich nach Rutishausers Herabstufung zum Wieder-SoZ-Chefredaktor nun Burkhardt – ganz sicher im gegenseitigen Einvernehmen – als Wirtschafts-Chef verabschiedet.

Wieso allerdings ausgerechnet «jetzt der richtige Zeitpunkt» sein soll, das Wirtschaftsressort zu köpfen? Offensichtlich kam dieser Zeitpunkt doch etwas schnell und überraschend, denn normalerweise wird bei solchen Verkündigungen gleich der Nachfolger vorgestellt. Was hier nicht geschah. Man habe ja noch bis Oktober ganz viel Zeit. Es darf gelacht werden.

Es könnte natürlich auch sein, dass Burkhardt von den ständigen Sparübungen die Schnauze voll hatte; schon andere Mitarbeiter in leitenden Funktionen sind ins Glied zurückgetreten, nicht alle unfreiwillig.

Obwohl Burkhardt nicht die grösste Kerze auf dem Kuchen der Wirtschaftsjournalisten war, ist sein Weggang sicherlich eine weitere Verarmung des Angebots von Tamedia. Dann gibt es halt noch mehr «Newsticker», Bauchnabelkommentare («Der kleingeistige Krieg der ESC-Gegner»), papierdünnes Sommergemurmel («Diese Läden hätten wir gerne wieder»), überflüssige Kochtipps («Nudelsalat muss nicht schlimm sein»), Blödrubriken wie «Ohne Sorgen in die Sommerferien», schlüpfrige Storys wie «Sie ist ihr eigener Sex-Toy-TÜV», plus übernommenes Überkommenes aus der «Süddeutschen Zeitung».

Für Burkhardt nicht, aber sonst ist es saukomisch, dass Medienkonzerne Abgänge in einer Art kommunizieren, bei der sie laut krähend auf den Hinterbeinen stünden, geschähe das in einem anderen Unternehmen.

Oder vielleicht ist des Rätsels Lösung einfach: wer bei Tamedia bleibt, hat trotz verzweifelter Bemühungen noch keinen anderen Job gefunden …

Sonntag, Leidenstag

Am 7. Tag ruhte der Herr. Das merkt man.

Eigentlich ist das Cover der SonntagsZeitung durchaus vielversprechend. Eine attraktive «Wein-Weise», ein launiger Vergleich zwischen Deutschland und der Schweiz als Einstimmung auf das Spiel, und Gelegenheit für den den Migros-Chef, aufmunternde Worte zu der Krise in seinem Haus zu sagen.

Allerdings ist dann leider nicht alles Gold, was glänzt. Zum Thema Migros muss Chef Arthur Rutishauser in seinem Editorial die grossen Linien ziehen und erklären, wieso der orange Riese wankt. Schlichtweg wegen hausgemachten Problemen grössenwahnsinniger Manager, die Milliarden in den Sand setzten.

Das Interview von Edith Hollenstein und Christopher Gilb verläuft dann aber leider nach dem Motto: was wollten Sie schon immer mal unwidersprochen sagen, und das erst noch glattgestreichelt von der Corporate Communication, denn Christian Dorer versteht natürlich sein Handwerk.

Daraus entstehen dann wunderprächtige Antworten auf vermeintlich kritische Fragen: «Ich habe keine schlaflosen Nächte, denn ich zweifle nicht am eingeschlagenen Weg. Es belastet mich jedoch, dass unsere Entscheidungen das Schicksal vieler Menschen beeinflussen. Insbesondere weil diejenigen, die nun die Migros verlassen müssen, nicht schuld sind an der aktuell schwierigen Situation.» Und er als neuer Boss natürlich auch nicht …

Woran erkennt man ein grottenschlechtes Interview, nebenbei? An solchen Fragen: «Was heisst das? … Und was leiten Sie daraus ab? … Will die Migros zu einem Discounter werden? … Warum?» Ein Vorschlag zur Güte: wieso lässt die SoZ so ein Interview nicht von einer KI machen? Die würde das genauso, wenn nicht besser hinkriegen, und alle Beteiligten hätten viel Zeit gespart.

Immerhin ist Rutishauser mal wieder für einen (kleinen) Knaller gut. Nachdem «Inside Paradeplatz» darüber berichtet hatte, dass die kantonale Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh ihren Chefbeamten nicht nur hochkant entsorgt hatte, sondern auch noch eine Strafanzeige nachschob, rätselte man: warum denn das? Rutishauser weiss mehr: er «soll Löhne unterschlagen haben». Also Einnahmen aus seiner Vorgesetzten bekannten Nebenjobs. Sieht eigentlich verdächtig nach Nachtreten und Rache aus.

Dann erreicht der «Fokus» einen neuen Tiefpunkt. «Wir müssen platonisch splitternackt sein». Wer will bei einem solchen Titelzitat dann noch das Gähn-Interview mit einer Psychologin über das Allerweltsthema Freundschaften lesen? ZACKBUM nicht. Die Bebilderung hilft übrigens auch nicht.

Und eine Seite mit Markus Somm und Jacqueline Badran ist auch nur was für ganz starke Nerven.

Das gross auf der Front angepriesen «Duell» erweist sich dann als müde halbe Seite. Die mal wieder beweist: Humor will gekonnt sein. «Bratwurst vs. Currywurst … Heidi vs. Winnetou … Deutsche Bahn vs. SBB … Aromat vs. Liegestuhl» usw. Ist das vielleicht komisch. Gleich sechs Geistesriesen der SoZ haben sich hier bemüht. Dafür kann es nur eine Antwort geben: rote Karte!

Dass sich Klaus-Michael Kühne öffentlich ins Hemd heulen darf «Ich habe mich von Herrn Benko einlullen lassen», nun ja, auch Milliardäre spüren den Schmerz, wenn ihnen ein paar Dutzend Millionen abhanden kommen.

Problemlos zum Millionär wird man hingegen, wenn man die Anlagetipps des Geldonkels Martin Spieler beherzigt: «Bei Investieren in Private die Risiken nicht ausblenden». Hätte doch Kühne nur auf ihn gehört.

Anschliessend begibt sich die SoZ aber auf ganz dünnes Eis:

ZACKBUM enthüllt die Antwort: einen «eiskalten Chablis». Das beweist aber mal wieder, dass Frauen halt doch nicht so viel von Wein verstehen. Denn erstens kommt das darauf an, zweitens sollte man einen Grand Cru bei 12 bis 14 Grad zum Mund führen.

Aber das Hauptproblem hier ist doch, dass der Titel samt Foto schwer nach Sexismus riecht, schmeckt, kantig im Abgang ist und im Oberton nach Altherrenschweiss müffelt.

Völlig gaga ist diesmal die Autoseite. Immerhin wird kein Zwölfzylinder für 250’000 angepriesen. Denn es geht noch absurder:

Kommt halt davon, wenn man den Artikel sparsam aus der «Automobil-Revue» übernimmt, wo die Schmonzette über ein Unikat neben anderen Autostorys mit Nutzwert sicher Sinn macht.

Wenig Sinn macht dann die abschliessende Werbestory über «Korfus kleine Schwester». Objektiv, kritisch, unabhängig. Obwohl: «Diese Reise wurde unterstützt von Edelweiss und Visit Greece». Besonders launig ist hier der Ess-Tipp: «In der Taverne … wird nicht bestellt, sondern gegessen, was auf den Tisch kommt. Eine frühzeitige Reservierung ist erforderlich.» Also absolut ein Must für alle Hungrigen. Auswahl null, dafür früh reservieren. Und nicht nur der Flug, auch der Aufenthalt ist gesponsert. Unglaublich.

 

Wie bei Kims

Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA könnte es nicht besser.

Rodung Shinmun heisst die Leiblektüre von Kim dem Dickeren, dem Mann mit der etwas anderen Frisur. Erstaunlich, aber war: die Frisur will Tamedia nicht nachahmen, die Art der Wirklichkeitsbeschreibung hingegen schon. Was erschwerend hinzu kommt: kein Diktator zwingt das ehemals ernstzunehmende Blatt «Tages-Anzeiger» (mitsamt seinen x Kopfsalatblättern, die zwangsweise die Einheitssauce aus der Werdstrasse übernehmen müssen) dazu.

Höher als der Bürgenstock (1128 m) schwabbelt der Schleim aus dieser «Fotostrecke» mit dem Titel «Diese Bilder vom Bürgenstock gehen um die Welt». Selbst die leise Hoffnung, dass es Realsatire sein könnte, erstirbt angesichts der Bildlegenden.

Es erübrigt sich jeder Kommentar zu dieser Schleimspur:

«Ein wichtiges Bild für die Schweiz: Das Land kann Gipfelkonferenz … Das grosse Bild für Viola Amherd … Flaggen als Zeichen der Unterstützung … Die Grossen sind gekommen: US-Vizepräsidentin Kamala Harris’ Ankunft … Auch Frankreichs Emmanuel Macron ist da … Und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz … Grossbritanniens Rishi Sunak darf natürlich auch nicht fehlen … Überraschend ist auch ein hoher Repräsentant aus Saudiarabien angereist … Hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dutzenden Delegationen machen den Bürgenstock an diesem Wochenende zum Zentrum der Weltpolitik …»

Geht noch einer? Aber immer: «Und obwohl Kitsch nicht zum Thema der Konferenz passt: Wer zu später Stunde noch Zeit für einen Blick nach draussen hatte, der sah vom Bürgenstock aus ein wunderbares Licht am Horizont.»

Für solche Fälle kann ZACKBUM ein Allzweckmittel empfehlen:

Wirkt auch gegen Schleim- und Ölspuren.

Denn die bittere Wahrheit ist: nachdem das Licht für Fotografien zu schlecht wurde, reiste die «Grosse», die Vizepräsidentin der USA, bereits am Samstagabend wieder ab. Ihr dicht auf den Fersen der deutsche Bundeskanzler Scholz, einer des Wahlverlierertrios, eingerahmt von Macron und Sunak. Wahlgewinnerin Meloni konnte sich bereits am G7-Gipfel sonnen und schwänze einfach mal, wozu sich mit Losern und Zwergen ablichten lassen?

Aber immerhin, Arthur Rutihauser, Ex-Oberchefredaktor, versucht verzweifelt, etwas Gegensteuer zu geben und interviewt den alten Haudegen Thomas Borer, der banale Wahrheiten gelassen ausspricht: «Selenski muss davon abrücken, dass er die besetzten Gebiete militärisch zurückerobern will», und natürlich sei die Nicht-Einladung Russlands auf Druck der Ukraine ein Fehler gewesen.

Und in seinem Editorial zeigt er der neuen Chefin, wo oben und wo unten ist. Nebenbei recherchiert er noch und kommt zu einer erschütternden Erkenntnis: «Aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Amerikanern werden in der Schweiz de facto nicht nur die EU-Sanktionen durchgesetzt, sondern auch die amerikanischen und die britischen, obwohl der Bundesrat diese nicht anerkennt.» Denn die feigen Schweizer Banken sperren inzwischen das Geld «von Leuten, die nirgends auf der Welt sanktioniert sind, nur weil sie einen russischen Pass haben und vielleicht eine Beziehung haben könnten zu einem Oligarchen, der in den USA auf einer Sanktionsliste steht».

Schlimmer noch: Rutishauser moniert zu Recht, dass der Beschluss der G7, zunächst die Zinsen der blockierten 250 Milliarden Franken der russischen Zentralbank für die Ukraine-Hilfe einzusetzen, einer klarer Verstoss gegen das Völkerrecht ist.

Nach den Zinsen wird man sich, übliche Salamitaktik, ans Kapital selbst machen. Rutishauser befürchtet: «Für die Schweiz wird das wohl bedeuten, dass auch die 7,5 Milliarden Franken des russischen Staats, die bei uns liegen, eingefordert werden. Wenn wir die herausgeben, dann ist das wohl kaum mit der Neutralität vereinbar.»

Statt dummem Gedöns über Weltpolitik, Wichtigkeit und «wir können Konferenz», wie sie im Hauptblatt stattfindet, werden hier die wirklichen Fragen aufgeworfen.

Es ist keine Weltpolitik und interessiert ausserhalb der Medienblase nicht wirklich. Aber ist es nicht ein peinlicher Anblick, wenn der zurückgestufte Oberchefredaktor seiner Nachfolgerin zeigt, was ein Editorial sein kann? Und wie peinlich sich ihres dagegen ausnimmt?

Verteidigung der Verteidigung

Die SonntagsZeitung geht in den Schützengraben.

Zuerst verliert Chefredaktor Arthur Rutishauser die Contenance. Unsere Verteidigungsministerin werde in russischen Medien übel beschimpft, auch persönlich, «Ihr wird Egoismus und Luxusliebe vorgeworfen, karriereversessen und hässlich sei sie obendrein. Eine als Expertin vorgestellte Stylistin bezeichnet Amherd als Hündchen, gehorsame Dienerin der USA. Sogenannte Experten behaupten, die Schweiz sei schwach und werde von den zynischen Angelsachsen, die den Ukraine-Krieg finanzierten, manipuliert.»

Der Iwan schreckt vor nichts zurück. 

Furchtbar, wie können die nur. Aber noch schlimmer, Russland «will» nicht an die Konferenz auf dem Birkenstock, Pardon Bürgenstock, kommen. Und ZACKBUM dachte, Russland sei nicht eingeladen worden. China kommt auch nicht, furchtbar. Dabei wäre es doch so einladend, in einem Ressort, dass dem fundamentalistischen Regime von Katar gehört, das auf Frauen- und Menschenrechte pfeift, die westlichen Werte hochzuhalten.

Aber das ist nur die Einleitung. Wider jede Vernunft und jeden Verstand ist Rutishauser dafür, weil unsere Verteidigungsministerin so übel angerempelt wird, dass das Buebetrickli mit der Annahme der zusätzlichen 15 Milliarden Franken Kreditaufnahme – unter glattem Bruch der Schuldenbremse – angenommen wird: «Ich meine, es wäre schon am Montag an der Zeit, die Prioritäten zu überdenken und besser den Kuhhandel zu akzeptieren, als einfach nichts zu tun.»

Da fehlen die Worte.

Aber das ist nur die Einleitung; Mischa Abi und Adrian Schmid verwenden eine ganze Seite, ihr Echo zu their master’s voice zu geben. Denn au weia: «China übt plötzlich vernichtende Kritik am Friedensgipfel». Was diesen Chinesen plötzlich einfällt, die nennen doch «nüchtern» drei Bedingungen, die eigentlich jedem vernünftigen Meschen ausserhalb und innerhalb Chinas einleuchten müssten, allerdings nicht innerhalb der SoZ:

«1. Anerkennung der Friedenskonferenz durch die Ukraine und Russland

2. Gleichberechtigte Teilnahme aller Parteien

3. Faire Diskussion aller Friedenspläne»

Völlig logisch, dass sich erst so etwas eine Friedenskonferenz nennen dürfte. Was stattfindet, ist hingegen ein Palaver mit ernsten Mienen über dies und das und Pustekuchen. Noch schlimmer allerdings, die Chinesen sind mit ihrer angeblich «vernichtenden Kritik» nicht alleine: «China habe diese Kriterien zur Beilegung des Ukrainekriegs zusammen mit Brasilien festgelegt und in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten.»

Verkauft die SoZ in indirekter Rede als neu, was schon längst im Indikativ bekannt ist

Da geht in der Bundeshauptstadt nun namenlose Angst um, laut SoZ: «In Bundesbern zittert man nach der Absage der Chinesen. Denn der Entscheid und die deutliche Kritik an der Schweizer Diplomatie könnten eine verheerende Dynamik auslösen.»

Könnte? China kommt nicht, Brasilien kommt auch nicht, Russland kommt sowieso nicht, Indien kommt wohl auch nicht.

Aber der Gipfel ist, dass das russische Staatsfernsehen anscheinend ziemlich üble Sachen über Bundesrätin Amherd gesagt hat. Auf der Ebene persönlicher Blödpolemik, die im Ernst etwas Lachhaftes hat. Aber die tapferen Schweizer Parlamentarier zittern nun auch: «Im Parlament zeigt man sich zum Teil schockiert über den Beitrag. Dem Vernehmen nach hat der Nachrichtendienst verlauten lassen, selbst Parlamentarier müssten derzeit mit allem rechnen. Manche fühlen sich denn auch eingeschüchtert.»

Tapfere eidgenössische Räte fühlten sich im Ernst «eingeschüchtert»? Echt jetzt? Wenn ein paar Vollpfosten im russischen TV blöde Sachen über eine Bundesrätin sagen? Ja was für Weichlinge haben wir da gewählt? Gibt es auch Namen dazu?

Einen Namen gibt es, und das kann man nun problemlos für eine echte Satiresendung im russischen TV verwenden, nur ist die Frage, ob die Zuschauer dort das auch glauben. Denn Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner will doch im Ernst vom Bundesrat wissen,

«ob die Armee notfalls Raketen aus Russland abschiessen könne. Wie er in seinem Vorstoss schreibt, sei nicht nur mit Cyberattacken zu rechnen. «Im Extremfall könnte der Kreml auch weitreichende Waffen einsetzen.»»

Nicht nur die Ukraine, auch die Schweiz braucht dringend mehr Patriot-Luftabwehrsysteme.

Aber von einer Antwort des BR ist nichts bekannt; vielleicht sitzt der bereits im atombombensicheren Bunker und hat jede Kommunikation mit der Aussenwelt eingestellt.

Bislang war solches Kriegsgegurgel nur bedenklich und peinlich, jetzt ist es auch noch lächerlich.

Das Betrachten von Schnee ist spannender

Ich muss mich nicht verkaufen, meint die «SonntagsZeitung».

Früher, ja früher war es so, dass die Sonntagszeitungen wussten, dass sie am besten mit einem Knaller aufwarten, damit sie auch am Sonntag gekauft werden. Aber das hat – wohl auch mangels Vermögen – inzwischen schwer nachgelassen und ist durch eine gewisse Wurstigkeit ersetzt worden.

Fragt heute der Chefredaktor am Samstagabend «und, was ist unsere Titelstory, der Aufmacher, der Lockstoff, was wird am Montag zitiert», dann herrscht allgemeines Nasebohren und Wegblicken. Nur so ist zu erklären, dass über einem merkwürdig kolorierten Riesenfoto von Marco Odermatt die kryptische Schlagzeile prangt: «Ich muss kein Star sein». Wer muss das schon, nicht wahr.

Immerhin eine kleine Sternstunde ist der Titel «Fertig luftig» über das angebliche Ende der Cabrios.

Arthur Rutishauser reitet dann sein Steckenpferd zuschanden; er erzählt und erzählt die Geschichte des traurigen Endes der Credit Suisse.

Dann ein Artikel, der mal wieder zeigt, dass Journalisten Storys über Journalisten oder über Medienmanager einen viel höheren Stellenwert zumessen als der Durchschnittsleser. Den interessiert es nämlich einen feuchten Kehrricht, dass Ringier-CEO Marc Walder aus Rache den ehemaligen Sonderermittler Peter Marti anzeigte – und damit abblitzte. Denn Marti hatte als Beifang aufgedeckt, dass es faktisch eine Standleitung zwischen Bundesrat Alain Berset und dem Ringier-Boss gab, der ziemlich hysterisch auf die Pandemie reagierte.

Eine gewisse Originalität kann man dann dem Interview mit Reto Dürrenberger nicht absprechen. Der betreibt die Vermittlungsfirma «Rent a Rentner»; angefangen beim Namen eine clevere Idee.

Dann aber wieder ein Artikel, auf den weder die Welt, noch die Schweiz gewartet hat:

Sagen wir so: auch der ehemalige Sportredaktor Thomas Hahn, inzwischen Tokio-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung», muss auch seine Existenz rechtfertigen. Aber auf Kosten des SoZ-Lesers? Oder auf Kosten der Geishas, die hier seitenfüllend fotografiert wurden?

Apropos; woran erkennt man, wenn die Fotoredaktion einen Politiker ganz sicher nicht mag? Daran:

Hier sieht Donald Trump so aus, als hätte ihm gerade jemand den Schnuller gezogen. Dabei gibt er sich doch immer so Mühe, konsequent energisch, strahlend oder dämonisch-bestimmt auszusehen.

Die neue und wirklich originelle Rubrik «Schnappschuss» ist bereits nach wenigen Folgen am Ende angelangt, beziehungsweise sie ist im Füdli:

 

«Der Wonderbra für den Po». Dafür müsste der Leser erst mal wissen, was ein Wonderbra war oder ist. Und sich für einen «Hinterteil-Verstärker» interessieren. Aber vielleicht ist das auch ein subversiver Scherz zum Niveau der ganzen Seite. Denn drunter keift Jacquelin Badran «Mitte rechts wird immer unanständiger», was ein etwas kühner Titel von jemandem ist, der häufig unanständig ist. Und links vom Hintern fragt sich Markus Somm, ob «Maillard der neue Blocher» sei. Da hat der Blocher-Biograph überraschenderweise so seine Zweifel, die er zum Schluss mit einem seiner missglückten Sprachbilder versemmelt: «Zumal Blocher, der alte Tyrannosaurus Rex, immer noch da ist.» Das unterscheidet ihn tatsächlich vom Schicksal dieses Dinosauriers.

Ist das neu? Ist das aktuell? Ist das mutig, auf ein totes Pferd einzudreschen? Weiss jemand wirklich noch nicht, wer am Untergang der CS schuld ist? Und weiss man nicht, dass niemand niemals zur Rechenschaft gezogen werden wird?

Etwas peinlich ist es dann, dass Rutishauser Joe «Victory Zeichen» Ackermann die Bühne für ungehemmte Selbstdarstellung freiräumt. Der Abgang Ackermanns sei «der Anfang vom Ende» der CS gewesen, titelt der Chefredaktor der SoZ kühn. Dabei war Ackermanns Wechsel zur Deutschen Bank der Anfang des Niedergangs dieser deutschen Institution. Von weiteren dunklen Flecken auf der Weste des vielfach gescheiterten Ackermann ganz zu schweigen. «Mein Weg» nennt der seine Autobiographie. Blöd nur:

«Seit mehr als 20 Jahren angelt Chris Ackermann gezielt auf Karpfen – besser gesagt: große Karpfen», heisst es in der Inhaltsbeschreibung. Man ist versucht zu sagen: diese Lektüre könnte sich lohnen. Und dann heisst der Autor auch noch Ackermann; ob das nicht vielleicht Krach mit dem anderen grossen Fisch geben könnte?

Vielleicht etwas interessanter als die überfotografierten Geishas, aber nun auch nicht gerade der Brüller in der Schweiz:

Aber immerhin, angeblich 12,5 Milliarden US-Dollar abgeräumt im sozialistischen Vietnam, nicht schlecht.

Und dann wieder der ewige Kalauer, wenn sonst ein weisses Blatt Papier gedroht hätte:

Oder ist die Stimmung schuld an den miesen Medien? Oder verbreiten solche immer wieder aufgewärmte Fragen miese Stimmung?

Es gibt doch so viele Trends auf der Welt, und gäbe es sie nicht, könnte man einen erfinden. Den Trend zum Zweithund. Zum dressierten Hamster. Zur Drittfrau. Zum farbigen T-Shirt. Zum alkoholfreien Rausch. Aber nein, die SoZ setzte auf einen Schnarchstil:

«Haben Sie wirklich die ideale Schranklösung»? Wer dabei Hilfe braucht, kann sich wohl auch die Schuhe nicht selbständig anziehen oder geradeauslaufen.

Oder ohne fremde Hilfe eine Auto-Seite basteln: «Dieser Artikel stammt aus der «Automobil-Revue»» und ist eine schlecht verkleidete Publi Reportage über den Opel Zafira Life Silvaplana. Genau wie der Artikel über das französische Städtchen Menton, der nicht nur «zum Teil unterstützt wurde vom Fremdenverkehrsamt Menton», sondern so aufdringlich werblich ist, dass es sogar den meisten Kommentarschreibern den Hut gelupft hat. Mütterchen: «Kennzeichnet solche Artikel bitte am Anfang klar als Werbung. Danke.»

Aber die gute Nachricht ist: hiermit endet der offizielle Teil der SoZ.

 

 

Das Terrain wird planiert

War da nicht mal was von «alle wollen Geld vom Staat»?

Gleich vier Schreibkräfte wirft die «SonntagsZeitung» in die Schlacht, um zu barmen:

«Armutsbetroffene wissen oft nicht, dass sie eine Verbilligung bekommen könnten.» Gilt man als herzlos und von sozialer Kälte beherrscht, wenn man sich fragt: echt jetzt, zu dumm dafür?

Wenn Arthur Rutishauser halt mal nicht aufpasst … Der spiesst dagegen den armen Schweizer Aussenminister Cassis auf: «Das ist europapolitischer Selbstmord», donnert er ihm entgegen. «Anfängerfehler … man kann sich nur wundern, warum sich Cassis dies antut … Himmelfahrtskommando».  Zack.

Aber gleich nebendran wird das Terrain für die nächste Attacke auf Steuergelder eingeleitet: «Wir haben kein Leben mehr», dürfen hier Betroffene jammern, die kaum mehr die Krankenkassenprämien zahlen können. Ein perfekt inszenierter Sozialporno, mit Fallbeispielen und allen Schikanen. Und wer die Message dann immer noch nicht kapiert hat, bekommt noch das Erklärstück «Das müssen Sie zur Prämieninitiative wissen».

Also eigentlich nichts, ausser, dass sie ein paar Milliarden kostet, geschickt auf den Mittelstand gezielt ist (die wirklich Armen – ausser, sie sind zu blöd – bekommen ja bereits Prämienverbilligungen) und dass schon ein MWST-Prozentchen mehr 3,2 Milliarden Franken in die Staatskasse spült. Also wer ja sagt zur 13. Rente, wieso sollte der hier nein sagen?

Was steht denn sonst noch so in der SoZ? Riesen-Symbolbilder, zum Beispiel:

Ist das wenigstens ein reales Opfer der Telefonbetrüger? I wo, das ist ein Getty Images Archivbild, der Ausdruck völliger fotografischer Beliebigkeit, reine Platzverschwendung.

Dann führt uns die SoZ weit weg, ganz weit weg. Genauer auf die Insel Gross Nikobar, zu den dort wohnenden Shompen. Hä? Doch, doch, wenn Sie von den Andamanen noch nie etwas gehört haben, direkt unter dieser Insel liegen die Nikobaren, darunter Gross Nikobar. Hier will Indien sein Hongkong hinklotzen, und da sind die Shompen ein wenig im Weg. Gilt man als herzlos und von interkultureller Kälte beherrscht, wenn man dazu sagt: schlimm, aber was genau geht uns das an?

Etwa so viel wie die Ansicht des «Ökonomen und Glücksforschers» Mathias Binswanger: «Die 13. AHV-Rente wird das Glücksgefühl der Rentner kaum steigern.»

Nichts Gehaltvolles im Blatt? Doch, glücklicherweise gibt es noch Bettina Weber. Die spuckt der Feierveranstaltung «Weltfrauentag» kräftig in die lila Betroffenheitssuppe: «Das mit der Solidarität ist so eine Sache, und das mit der weiblichen Solidarität erst recht. Denn die ist keineswegs so international, wie das die Gesänge an den Demonstrationen gerne glauben machen: Es kommt schon sehr darauf an. Für die Israelinnen, die am 7. Oktober von Hamas-Terroristen verschleppt wurden und seit Monaten unter grauenhaften Bedingungen gefangen gehalten und misshandelt werden, gilt die Anteilnahme zum Beispiel nicht. Es gab am 8. März jedenfalls nicht haufenweise Demos, die ihre Freilassung forderten, es gab auch keine Plakate und keine Sprechchöre.»

Ganz im Gegenteil, weiss Weber: «Vielmehr wurden etwa in Lausanne jene Frauen, die es versuchten, daran gehindert, aggressiv angegangen, bedroht und beschimpft. Während die Menge «Free Palestine!» skandierte, seien die verschleppten Jüdinnen mit Schimpfnamen verhöhnt worden, berichten geschockte Teilnehmerinnen.»

Aber Weber geht noch ein paar Schritte weiter: «Mental Load, Care-Arbeit, Doppelbelastung, Vereinbarkeit. Man fragt sich, warum das allesamt exklusiv weibliche Probleme sein sollen – und ob damit nicht uralte Geschlechterklischees zementiert werden.»

Weitere Müsterchen weiblicher Heuchelei?

«In Saudiarabien gilt die Todesstrafe, kaum ein anderes Land verhängt sie so häufig, und vor allem herrscht Geschlechter-Apartheid, denn Frauen brauchen einen Vormund und für alles die Erlaubnis wie ein kleines Kind vom Papi. Das hinderte die Sängerin und Feministin Alicia Keys aber nicht, dort am 8. März ihren «Women-to-Women»-Talk zu veranstalten. Es passte ja auch terminlich grad so gut, denn einen Tag später gab sie ein Konzert in Jeddah – vor den Mannen des Formel-1-Zirkus. Keys sagte über ihre Veranstaltung, es sei «inspirierend, sich mit wunderbaren Frauen auszutauschen, um grenzüberschreitende Narrative zu diskutieren».»

Fulminanter Höhepunkt der Abrechnung mit weiblicher Verlogenheit: «Der 8. März heisst Weltfrauentag. Zumindest war das mal so. Neuerdings aber sollen Frauen und Queers gemeinsam auf die Strasse gehen. Mit vereinten Kräften sei man stärker, wird argumentiert. Ist ja schon recht. Bloss haben doch die Queers schon den Christopher Street Day und die Pride. Und wenn nun der Frauentag als eine Art Sammelbecken für alle möglichen Opfer des Patriarchats herhalten muss, sagt man den Frauen das, was man ihnen seit Jahrhunderten sagt: Nehmt euch nicht so wichtig, jetzt habt euch doch nicht so, macht mal Platz, wir haben im Fall auch noch ein Anliegen. Deswegen ist ja oft nicht einmal mehr von «Frauen» die Rede, sie verschwinden im Begriff «Flinta» (Female, Lesbian, Intersex, Non-Binary, Trans und Agender).»

Von da an geht’s wieder bergab:

Und bergab:

Echt jetzt? Bewusstes Atmen? Achtsames Schlafen? Sich einmitten beim Pinkeln? Kopfkratzen entspannt? Meditatives blinzeln? Geradeauslaufen ist gesund?

Und was ist dann mit der Lektüre der SoZ? Macht die krank? Fördert Magengeschwüre? Lässt das Portemonnaie leiden? Betäubt den Verstand? Wir bitten um Aufklärung und atmen bis dahin bewusst durch.

Slalom auf engstem Raum

Der Tagi verschlankt. Da muss man engere Kurven fahren.

Dabei quietscht es dann gehörig, und den einen oder anderen trägt es aus der Kurve. Medial eher einmalig ist das Abarbeiten mit Kommentaren an der 13. Rente.

Das ist ein Trauerspiel in bislang vier Akten. Eine klassische griechische Tragödie hat aber fünf, auf die Katharsis warten wir also noch.

Aber Vorhang auf.

Erster Akt: Am 20. Februar griff Oberchefredaktorin Raphaela Birrer in die Tasten und haute einen Leitartikel ihren Lesern in die Fresse: «Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus». Das war so massiv gegen das eigene Publikum getextet, dass es weit über 1000 Kommentare absetzte; wie viele weitere nicht publiziert wurden, kann man sich vorstellen.

Also kroch Birrer gegen Ende des ersten Akts halbwegs zu Kreuze, indem sie der verblüfften Leserschaft erklärte, wie denn so ein Leitartikel vor einer Abstimmung zustande komme. Das sei häufig nachgefragt worden. Nein, am häufigsten hatte sich der Leser über den forschen Ton von Birrer erregt, aber eben, Slalomfahren ist auch eine Kunst. Der erste Vorhang fällt, während das Publikum amüsiert gluckst.

Zweiter Akt: Wie der Deus ex machina tritt Arthur Rutishauser auf und schleudert in der «SonntagsZeitung» Blitze: «Wir sind auf dem Weg zur Gerontokratie, also jener Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen.» Wie ein zürnender Zeus weist er die Erdenmenschen zurecht: «Alle sehen den Staat als Milchkuh, die endlich auch für sie etwas abwerfen soll.» Obwohl beim Schreiben seines Editorials das Ergebnis noch gar nicht feststand. Aber Rutishauser hat halt mit Zeus gemeinsam, dass er in die Zukunft sehen kann. Und was er da sah, erfüllte ihn überhaupt nicht mit Freude.

Der zweite Vorhang fällt, das Publikum schweigt betroffen und harrt gespannt der Fortsetzung.

Neuerlicher Auftritt Birrer, diesmal bereits halbwegs geläutert, obwohl es noch gar nicht Zeit dafür ist. «Dieses Ja ist eine Sensation», begeistert sie sich plötzlich, als hätte sie nicht kurz zuvor vor solch kurzsichtigem Populismus streng gewarnt. Aber was geht Birrer im dritten Akt die Birrer im ersten an? Eben. Diesmal gewinnt sie das Publikum mit grosser Empathie, geradezu mit einer Arie in Anteilnahme: «Ausbau des Sozialstaats … und noch nie haben die Medien so intensiv berichtet … Viele Seniorinnen und Senioren plagen Existenzängste … Die Bedeutung dieses historischen Abstimmungssonntags kann gar nicht überschätzt werden …»

Offener Szenenapplaus, das Publikum zückt die Taschentücher und schnieft hörbar. Schon fällt wieder der Vorhang, lautstark werden Nasen geputzt, Brillengläser auch, und die eine oder andere Träne wird abgewischt. Man schaut sich im Publikum an und nickt sich anerkennend zu. Grosses Kino, das hier geboten wird.

Vierter Akt: Schon wieder wird neues Personal in die Schlacht geworfen, als retardierendes Element tritt Fabian Renz auf, Leiter «Ressort Analyse und Meinungen» und schon mehrfach verhaltensauffällig geworden. Der barmt nun auf offener Bühne: «Bitte das Rentenproblem jetzt ernst nehmen.» Leichte Unruhe im Publikum, denn wer hätte das bislang denn nicht ernst genommen?

Doch, so ernst wie Renz tut das niemand, er deklamiert: «Vielleicht spüren einfach immer mehr Rentnerinnen und Rentner, wie ihnen Inflation und Prämienschock das Geld wegfressen. Vielleicht packt immer mehr Erwerbstätige der Schrecken, wenn sie von ihrer Pensionskasse eine Rentenprognose erhalten.» Da nickt das Publikum bedächtig, schaut sich ins Gesicht und wiederholt: «Vielleicht, vielleicht, vielleicht».

Renz liest nun die Leviten, ruft zur Ordnung, klärt auf: «FDP, Mitte und SVP müssen den Missstand endlich anerkennen und anpacken. Alle Ideen sind ergebnisoffen zu prüfen – auch eine Gewichtsverschiebung von der zweiten zur ersten Säule darf nicht mit einem Denkverbot belegt sein.»

Ergebnisoffen, jubiliert das Publikum, Misstand anerkennen, murmelt es anerkennend, keine Denkverbote, das geht von Mund zu Mund.

Renz verbeugt sich erschöpft, in den fallenden Vorhang hinein brandet Applaus auf.

Fünfter Akt: Das wäre Sophocles nie passiert, aber während das Stück schon aufgeführt wird, ist der noch nicht geschrieben. Peinlich, aber wahr. Dabei werden die Slalomstangen nun ganz eng gesteckt, denn während noch bis vor Kurzem drei Bünde zur Abhandlung zur Verfügung standen, sind es nurmehr zwei.

Wie ein Menetekel an der Wand hängt ein letzter Satz von Renz in der Luft: «Beschränkt sich Tamedia hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und einbrechende Werbeeinnahmen …»

Hoppla, da scheint ein Übersetzungsfehler aus dem Altgriechischen vorzuliegen. Renz sagte natürlich: «Beschränken sich die Parteien hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und Eigenverantwortung ..

 

Die Selbst-Abschaffung

Echt jetzt? Dafür noch Geld verlangen?

ZACKBUM lotet und lotet. Inzwischen geht uns die Lotleine aus, und das Gewicht am unteren Ende verschwindet im Dunkel der Tiefe. Beim Versuch, den Inhalt der aktuellen «SonntagsZeitung» auszumessen.

Selbst die Kaffeetasse oben rechts macht ein falsches Versprechen. Hier werden «Alternativen» vorgestellt. Mangels anderen Themen versucht Chefredaktor Arthur Rutishauser, noch etwas aus dem Vincenz-Skandal herauszumelken. Vergeblich. Der Kampf zwischen Jung und Alt bei der AHV. Das holt nicht mal die Oma aus dem Koma. Bei den Pensionskassen seien die «künftigen Rentner die grossen Verlierer». Das ist bekannt, seit es Pensionskassen gibt.

Was können wir noch schreiben, die Frage bestimmte auch die Berichterstattung über die 13. AHV-Rente. «Das Rentnerpaar, das mit einem Inserat gegen die Initiative kämpft», so sieht journalistische Verzweiflung aus. Begleitet von «Die Zwanzigjährige, die in  der «Arena» der Bundesrätin widersprach». Was eigentlich die News wäre, müsste man nicht noch neben einem Riesenfoto etwas Text drapieren.

Die obligate Solidarität mit der Ukraine, die ist der SoZ so wichtig, dass sie es bei einem freispaltigen Foto und einer einspaltige Meldung von der SDA bewenden lässt.

Dann der Sozialporno: «Lidl setzt sich stärker für Pflückerinnen ein als Coop oder Migros».

«Die Verteidigung bröckelt überall», lamentieren inzwischen die gleichen Kriegsgurgeln, die zwei Jahre lang unermüdlich den Kampfes- und Siegeswillen der Ukrainer besungen haben, denen nur noch ein paar Waffen fehlten, um die völlig demoralisierte, dezimierte, verzweifelte russische Armee endlich aus dem Land zu werfen.

Der «Fokus» war einmal das Parade- und Filetstück der SoZ. Hier gab man sich Mühe, brachte gut recherchierte Longstorys unter. Seit Jahren ist es zum Interview-Abfüllbecken verkommen. Aber auch da geht noch einer nach unten; das Interview mit der «Vorturnerin der Nation». Meine Güte, ist denen denn nichts mehr zu peinlich?

Nein, ist es nicht.

Wirklich nicht: «Wieso ich gestresst auf der WC-Schüssel sitze», das wollen wir ganz sicher nicht von Gülsha Adilji wissen. Leider erzählt sie es trotzdem. Vielleicht hätte sie dabei auch die Kolumne von Markus Somm einer sinnvollen Verwendung zuführen können, denn die ist genauso unlesbar und ungeniessbar wie ihre eigene.

Aber irgendwie scheint das das Motto, das Prinzip dieser Ausgabe zu sein:

Das ist schön für diese Männer, nur findet das die überwiegende Mehrheit der Leser*Innen** keinesfalls prickelnd. Apropos, der grosse Test: «Wir haben Zichorien-, Getreide- und auch Lupinengetränke getestet.» Das taten viele Menschen in finsteren Zeiten, als Kaffee ein unerschwingliches Luxusgut war. Und wieso genau soll man das heutzutage wieder tun? Nur weil den Testern überhaupt nichts eingefallen ist?

Das gilt auch für den «neusten Trend» mit dem Supertitel «Geist ist geil»: «Bücher sind das neue, alte Stilsymbol». Auch darauf muss man mal kommen. Kommt man nur, wenn einem auch nach tiefem Grübeln überhaupt kein Trend eingefallen ist.

Dann noch eine erschütternde Erkenntnis aus der Automobilproduktion: «Mit kleinen Modellen ist es schwieriger, Geld zu verdienen». Dann noch ein abgelegener Tourismus-Quark, bei dem die Fussnote eigentlich alles erklärt: «Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde teils unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und Tourismus-Agenturen.» Recherche? Und welches Teilchen wohl nicht?

Was macht eine Tourismus-Redaktion, wenn auch ihr wirklich nichts einfällt? Genau, da hat es doch mal wieder einer geschafft, durch Nordkorea zu reisen. und zu fotografieren. Wahnsinn, löst sofort «muss hin»-Schübe beim Leser aus. Aber es gibt eine gute Nachricht: damit ist das Ende der Quälerei erreicht.

Nun hurtig zur Kasse im Glashaus an der Werdstrasse: Fr. 6.40 zurückverlangen. Plus Schmerzensgeld. Und zwar in einer Höhe, die selbst Pietro Supino erschauern lässt. Und der denkt nur in grossen Zahlen.

Laientheater um Vincenz

Auch Rutishauser vergaloppiert sich.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, nach dem Prozess ist vor dem Prozess. Diese Fussballerweisheit gilt nun auch für die Justiz. Worin sich alle einig sind: selten ist ein Staatsanwalt so abgewatscht worden wie Marc Jean-Richard-dit-Bressel, der Leiter der Abteilung A der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich. Genauso langfädig wie Name und Titel war auch seine Anklageschrift.

Die führte dann zu einem Auflauf von 1200 Seiten Urteilsbegründung des Bezirksgerichts Zürich. Alles Mumpitz, befand das Obergericht, der Prozess hätte gar nicht stattfinden dürfen. Weil schon die Anklage untauglich ist.

Dieses Versagen kostet den Steuerzahler ingesamt Millionen. Obwohl ihm das Obergericht eine detaillierte Rechtsbelehrung mit auf den Weg gegeben hat, dass gegen seinen Beschluss kein Rekurs möglich ist, gelangte der unbelehrbare Staatsanwalt dennoch ans Bundesgericht. Weitere Geld- und Zeitverschwendung.

Nun hat ein Trio vom Recherchierdesk von Tamedia bereits im juristischen Unterholz dilettiert und unter Beweis gestellt, dass ihm der Unterschied zwischen einem Strafbefehl und einer Anklageschrift nicht geläufig ist.

Auf diesen Spuren wandelt nun auch der Chefredaktor der «SonntagsZeitung». Auch er meckert am Beschluss des Obergerichts herum, er stehe «im Widerspruch zum Bundesgericht», behauptet er. Gleich dreimal schlägt Arthur Rutishauser damit auf. Aufmacher «Wirtschaft», Aufmacher Front «Das Obergericht widerspricht sich selber» und Editorial («Ein Entscheid der niemandem etwas bringt»).

Damit strapaziert Rutishauser ein wenig die Meinungsfreiheit und sein Privileg, dass sich natürlich niemand traut, dem Chefredaktor zu widersprechen. Ein Phänomen, unter dem auch Raphaela Birrer leidet – und letztlich die Leser von Tamedia.

Zum einen ist Rutishauser bis heute nicht klar, was die Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbestands der ungetreuen Geschäftsbesorgung sind. Wie ihm Strafrechtsprofessor Niggli und andere schon vergeblich zu erklären versuchten, ist ein wesentlicher Bestandteil die Schädigung desjenigen, dessen Geschäfte besorgt werden. Wenn nun aber Raiffeisen (und natürlich auch Vincenz und Stocker) profitierten?

Dass Puffbesuche auf Geschäftskosten zumindest anrüchig sind, möglicherweise Spesenbetrug, nun gut. Aber der Staatsanwalt hatte sich mit dem Verhängen von U-Haft in der exorbitanten Dauer von mehr als 100 Tagen selbst unter Zugzwang gesetzt, nicht nur einen banalen Spesenbeschiss anklagen zu können.

So verkantet war der Fall von Anfang an, begleitet von einem unablässigen Strahl von durchgesickerten internen Ermittlungsergebnissen, mit denen das mediale Terrain für eine Vorverurteilung planiert werden sollte. Erfolgreich, und Hauptprofiteur dieser durchgestochenen Dokumente war ausgerechnet – Rutishauser.

Der halst heute: «Es ist ein echter Schildbürgerstreich, den sich das Zürcher Obergericht leistet.» Kann man im Rahmen der Meinungsfreiheit als juristischer Laie so sehen. Allerdings hat wohl auch der Chefredaktor die konzise, knappe und vernichtende Begründung des Beschlusses des Obergerichts gelesen. Was ihm aber offensichtlich nicht in den Kram passte.

Dass er zudem dem Obergericht vorwirft, es habe selbst das Unterlassen von Übersetzungen nicht beanstandet, nehme das nun aber als einen von zwei Vorwänden, um nicht nur das Urteil, sondern auch die Anklageschrift zu kippen, zeugt doch von tiefem Unverständnis juristischer Feinheiten.

Wie ein begossener Pudel, auch diese Würdigung unterlässt Rutishauser, steht nun der Staatsanwalt mit dem länglichen Namen da. Solche Niederlagen pflastern seinen Weg an die Spitze der Staatsanwaltschaft. Eine Anklage gegen Martin Ebner wurde vom Bezirksgericht des Saales verwiesen, auch eine seltene Klatsche. In einem anderen Prozess nahm sich der Staatsanwalt dank seines lockeren Mundwerks wegen Befangenheit selbst aus dem Rennen, selten blöd. Und nun noch das. Was als krönender Abschluss einer jämmerlichen  Karriere gedacht war, gerät zum Desaster sondergleichen.

Das wären genügend Gründe für Rutishauser gewesen, sich aufzuregen. Aber statt auf den eigentlichen Versager prügelt er auf das Obergericht ein, das doch nur zu retten versucht, was bei diesem Justizskandal noch zu retten ist.