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NZZ: Es darf gelacht werden

Das Blatt verliert Mass und Mitte und macht sich lächerlich.

Ob die von allen einmal angehimmelte Greta Thunberg, die grosse Ikone der Klimabewegung, gut beraten war, sich in den Nahost-Konflikt einzumischen («Stand with Gaza») ist tatsächlich eine berechtigte Frage.

Dass «Fridays for Future International» ihr Kernthema verlässt und gerne scharfe Israelkritik äussert, ist auch bedenklich. Ob das schon antisemitismuskeulenwürdig sei, ist die Frage. Entsprechende Posts haben sicherlich Anklänge an Verschwörungstheorien und sind etwas wirr: «The western media is capitalizing the sh*t out of the ongoing genOzide in gaza

Nun greift Alexander Kissler, Redaktor der NZZ in Berlin, zum verbalen Zweihänder; damit inzwischen in bester Tradition seines Blatts. Er fordert die führende deutsche Klimaaktivistin ultimativ auf: «Luisa Neubauer muss sich im Namen ihrer deutschen Mitstreiter von der Dachorganisation lossagen.»

Denn: ««Fridays for Future International» ist eine linksextremistische Organisation geworden, die den Klimaschutz als Hebel benutzt, um gegen den Westen, gegen die Marktwirtschaft und gegen Israel hetzen zu können. Da genügt es nicht, wenn sich die deutsche Organisation in ermüdender Vorhersehbarkeit abgrenzt.»

Vielleicht sollte Kissler erst mal sich selbst gegen eigene frühere Aussagen abgrenzen. So schrieb er 2014 in der Politpostille «Cicero»: «Die Kommentatoren sind sich einig: Sibylle Lewitscharoff habe in Dresden eine menschenverachtende Polemik gehalten. Nein, es war eine poetische Rede nach allen Regeln der Kunst.»

In dieser «poetischen Rede» geriet die inzwischen verstorbene Lewitscharoff völlig von der Rolle, wird aber von Kissler zustimmend zitiert: «Horror sah sie bei den „Methoden, auf künstlichen Wegen eine Schwangerschaft zustande zu bringen“, ja „abscheulich“ seien diese. Weil ihre Abscheu in solchen Fällen größer sei als ihre Vernunft, nannte sie Menschen, die auf solche Weise im Labor entstanden sind, „zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas“ ». Das habe sie dann später zurückgezogen, kommentiert Kissler fast bedauernd.

Dass sich die irrlichternde Dame auch für ein «Onanieverbot» ausgesprochen hatte, das waren alles Mosaiksteine, um diese Rede als geistige Entgleisung zu verurteilen, nicht als «allen Regeln der Kunst» entsprechend zu lobhudeln. Auch den absurden Prunk des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz, der zu dessen Entbindung von seiner Position führte, interpretierte Kissler als «Hatz auf Tebartz», die obszönen Kosten eines von Tebartz errichteten sakralen Baus war für Kissler lediglich eine «Provinzposse».

Und so jemand fordert nun von Neubauer ultimativ nicht nur klare Worte, sondern auch eine Abspaltung des deutschen Ablegers von «Fridays for Future International». Auch zu Thunberg selbst findet Kissler klare Worte: «Thunbergs fahrlässige Identifikation mit der «Free Palestine»-Bewegung, auf einem von ihr geteilten Foto zudem unter Verwendung einer als antisemitisch deutbaren Krake, lässt die Bewegung implodieren.»

Antisemitisch deutbare Krake? Der Mann hat doch – mit Verlaub – einen an der Waffel. Um in seinem altestamentarischen Duktus zu bleiben: er sieht den Splitter im Auge des anderen, aber den Balken im eigenen nicht. Dabei müsste er sich doch nur an seinen eigenen Satz gegen Schluss dieses masslosen Sirachens halten: «Jeder Diskurs ist immer so gut wie die Menge an begründeten Gegenmeinungen, die er einbindet

Gute Formulierung. Messen wir sein Geschreibsel daran. Begründete Gegenmeinungen in seinem Diskurs? Null. Wert: null. Eigentlich unter null. Denn er polemisiert nicht nur, sondern versteigt sich zu harschen Befehlen, was andere tun und lassen sollte.

So weit würde ZACKBUM nie gehen. Aber sagen wir mal so: die NZZ wäre gut beraten, solche kreischigen Kommentatoren mit dubioser Vergangenheit etwas zurückzubinden. Sie muss sich ja nicht gleich von ihnen distanzieren …

 

 

 

Der hinterhältige Bucheli

Die Meinungskrieger sind am Werk.

Roman Bucheli ist eigentlich für deutschsprachige Literatur «sowie für das Kinder- und Jugendbuch» zuständig. Also eine idyllische Tätigkeit für den studierten Germanisten und Philosophen.

Das hindert ihn aber nicht daran, sich in die garstigen Niederungen der Konfliktberichterstattung zu begeben. Obwohl sein Vordenker Peter Rásonyi bereits genügend vorgelegt hat, ist Bucheli wohl der Meinung, dass doppelt polemisiert wohl besser halte. Also legt er unter dem Titel «Das hinterhältige Aber» ein intellektuelles Schmierenstück vor, das überhaupt nichts Kindliches und auch nichts Kindisches hat. Ausser vielleicht beim Argumentationsniveau.

Zunächst zitiert er einige Prominente, die sich kritisch über die Reaktion Israels auf den barbarischen Angriff der Hamas geäussert haben. Jedesmal fragt er in Anklägermodus: «Wo waren die am 7. Oktober?» Eine hübsche rhetorische Pirouette, die unterstellt, dass alle, die Israel kritisieren, den Terrorschlag der Hamas ausblenden würden. Was sie natürlich nicht tun. Aber Unterstellungsjournalismus statt inhaltliche Auseinandersetzung ist en vogue, leider auch in der NZZ.

Das ist nur die Einleitung, um richtig Gas zu geben. Er nimmt sich den Satz vom luftleeren Raum des UN-Generalsekretärs nochmals zur Brust, obwohl in normalen Zeiten die Qualitätskontrolle sagen würde: hatten wir alles schon, wozu die Wiederholung?

Nun, damit auch Bucheli noch seinen Senf dazu geben kann: «Was hatte er also damit sagen wollen? Dass die Hamas Grund zum Morden hatte? Weil sie die Luft atmeten, in der die Israeli den Hass gesät haben sollen? Wer so denkt, vergisst oder verschweigt, was in der Charta der Hamas steht.»

Aber das alles ist nur eine längliche, aufgepumpte Einleitung zu dieser Infamie:

«Man merkt schon, wohin die Leute zielen, wenn sie solche verbalen Pirouetten drehen. Das Massaker der Hamas wird verharmlost oder gleich ungeschehen gemacht, indem es aus dem Gedächtnis gelöscht wird. Es erforderte keine besondere prophetische Gabe, um schon am Morgen nach dem 7. Oktober voraussagen zu können, dass Israel für das Massaker würde büssen müssen. Es würde dafür bestraft werden, das Opfer einer schändlichen Bluttat geworden zu sein.»

Wer will das Massaker der Hamas ungeschehen machen? Wer will die Israelis dafür bestrafen, Opfer geworden zu sein? Die US-Schauspielerin Tilda Swinton, mitsamt 2000 Künstlern Autorin eines Protestbriefs? Da ist Bucheli jede Unredlichkeit recht, denn er zitiert sehr ausgewählt aus diesem Protestschreiben und unterschlägt zum Beispiel, dass im Brief «jede Gewalttat gegen Zivilisten und jede Verletzung des Völkerrechts, wer auch immer sie begeht» verurteilt wird. Das Schreiben zitiert auch den israelischen Verteidigungsminister Yoav Galant, der die Palästinenser als «menschliche Tiere» abqualifiziert.

Wenn man diesen eines Verteidigungsminister eines zivilisierten Staates unwürdigen Satz kritisiert, muss man dann zuerst auf die Charta der Hamas hinweisen, die die Vernichtung Israels als Ziel formuliert? Muss man zuerst seinen Abscheu über die Bluttaten der Hamas äussern? Und muss man das alles in Worten und in einer Art tun, die Bucheli akzeptieren kann? Wo sind wir hier eigentlich?

Ist das ein Niveau der Schmiere, das der NZZ angemessen ist? Eigentlich nicht. Aber Bucheli ist sich sicher: «Die vereinigten Antisemiten der Welt würden grossen Zulauf erhalten». Dann nimmt sich Bucheli sogar noch Daniel Binswanger von der «Republik» vor. Dessen dilettantischer Kommentar unter dem Titel «Wir sind alle Israelis» enthält für Bucheli noch nicht genug Parteinahme für Israel. Einfach deswegen, weil es auch Binswanger wagt, nach bedingungsloser Verurteilung der Hamas zu schreiben: «Aber auch die Netanyahu-Regierung hat ihren Anteil an der heutigen Tragödie.»

Daraus schliesst Bucheli: «Also doch, die Israeli sind mitschuldig, eigentlich sind sie selber schuld.» Binswanger schreibt viel Unsinn in seinem Kommentar, aber ihm das zu unterschieben, ist infam und unredlich. Die Beschreibung von Ursachen mit Schuldzuteilung verwechseln, das unterläuft Bucheli nicht aus Dummheit. Das ist unredliche Absicht.

Aber immerhin, zum Schluss schreibt Bucheli etwas, das er sich selbst hinter die Ohren schreiben sollte: «Es steckt heute viel Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit in der Debatte um Israel.»

Was auch Bucheli, der vielleicht besser Kinderbücher rezensieren sollte, völlig auslässt: was wäre denn ein möglicher Lösungsvorschlag? Wie könnte man das Problem der Geiseln lösen? Wäre das nicht eine vornehme Aufgabe eines Intellektuellen, nachdem das Israel-Kritiker-Bashing in der NZZ schon flächendeckend stattfand? Sollte nicht aus der Analyse von Ursachen nach Lösungen gesucht werden? Ist es nicht kindisch, stattdessen wie der artige Streber in der Primarschule den Finger hochzustecken und «ich auch, ich auch» zu rufen?

Versuchen wir zu spiegeln, um den unfruchtbaren Unsinn dieses Gewäffels zu zeigen. Als die USA unter dem erfundenen Vorwand, der irakische Diktator Saddam Hussein stelle Massenvernichtungswaffen her und unterstütze den Terror der Al Qaida (was beides erstunken und erlogen war), in den Irak einmarschierten, gab es deutliche Kritik daran. Wurde der damals eigentlich auch immer vorgeworfen, sie müsse dann aber schon auch die Gräueltaten des Diktators erwähnen, bevor sie die USA kritisieren dürfe? Oder gar, wer die USA kritisiere, rechtfertige die Verbrechen des Diktators? Wolle sie ungeschehen, vergessen machen? Wer darauf hinwies, dass Hussein zuvor unterstützt von den und applaudiert durch die USA einen der wohl grausligsten Eroberungskriege gegen den Iran führte, in dem schätzungsweise 800’000 Menschen starben, wurde der gleich als Saddam-Verharmloser beschimpft?

Solche Versuche gab es, aber damals war noch eine offenere Debatte möglich als heute. Wie idiotisch und unproduktiv ist das denn, eine Kritik an Israel nur dann zulassen zu wollen, wenn ihr genügend Abscheu gegen die Gräueltaten der fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas voranging? Kann man das nicht umdrehen, dass diese Zensoren à la Bucheli jegliche Kritik an Israel mundtot machen wollen? Oder sich anmassen zu sagen: Du darfst Israel vielleicht schon kritisieren, aber nur, wenn Du meine Bedingungen dafür erfüllst.

Es ist bedauerlich, dass sich auch die NZZ gelegentlich solche Taucher in die Morastgebiete des geistig Unverarbeiteten, Unredlichen, Unproduktiven leistet. Das ist weder erkenntnisfördernd, noch enthält es auch nur den Hauch eines Lösungsvorschlags, einer Analyse, einer intellektuellen Durchdringung. Das könnte sie besser.

 

Die «Republik» tief im Elend

Jeder «Untersuchungsbericht» macht’s noch schlimmer.

Es ist ein Bericht aus dem Gagaland: «Zwei der Betroffenen sollen zum Zeitpunkt der Vorfälle bei der Republik angestellt gewesen sein, ob auch heute noch ein Arbeits­verhältnis mit der Republik besteht, konnte die Republik nicht abschliessend beantworten. Die Vorwürfe wurden anonym erhoben, die Republik kennt die Identität der Betroffenen nicht.»

Die «Republik» untersucht also Vorwürfe von anonymen, angeblichen «Betroffenen». Gaga.

Darüber hinaus liess sie den «Anstellungsprozess der beschuldigten Person» untersuchen. Das habe ergeben, «dass die Republik eine Hinweis­geberin unangebracht und ohne Wertschätzung behandelt sowie keine geeigneten Massnahmen ergriffen hat, um künftige sexuelle Belästigungen im Arbeits­umfeld möglichst zu vermeiden». Unangebracht und ohne Wertschätzung. Gaga.

Interessanter dann der «Prozess nach der Meldung an die Geschäftsführung». Vielmehr der Nicht-Prozess, das gelähmte Zuwarten. Die GL habe prima gehandelt, «sich aber durch die rechtliche Beratung bei ihren Entscheidungen fehl­leiten» lassen. Gaga.

Nur zwei Wochen lang installierte die «Republik» eine «Meldeplattform». Da hätten «ca. 20 Personen 35 Meldungen abgegeben», also ein Paradies für Denunzianten. «Teilweise war ihnen (den externen Betreibern, Red.) die Identität bekannt, teilweise waren die Meldungen anonym. Sie erhielten aber auch Meldungen von Zeuginnen, die etwas selbst gesehen haben, oder denen etwas zugetragen wurde. Dadurch lassen sich auch anonyme Meldungen plausibilisieren.» Denunziationen auch vom Hörensagen. Gaga.

«Zum Schutz der meldenden Personen und da eine sofortige Trennung aufgrund des ausgewerteten Materials für die Arbeit­geberin alternativlos war, hat keine erneute Konfrontation des Beschuldigten mehr stattgefunden.» Bis heute für die GL anonyme Personen erheben Anschuldigungen. Auf der Meldeplattform gibt es weitere, teilweise anonyme Anschuldigungen. Und diese anonymen Denunzianten müssen dann «geschützt» werden? Dem Angeschuldigten wird das vorher zugesagte fundamentale Recht der Konfrontation verweigert? Das sei im merkelschen Sinne «alternativlos»? Gaga.

Aber es wird noch bedenklicher: «Eine sorgfältige Analyse aller Meldungen zeigt, dass die Republik AG von Anfang an mit personellen Konflikten, Führungs­kämpfen und verletzendem persönlichem Verhalten auf verschiedenen Ebene konfrontiert war.»

Hoppla. Das Magazin für die Besserung der Welt, die Heimat des erhobenen Zeigefingers, der Besserwisserei, der Verurteilung allen Fehlverhaltens bei anderen ist ein wahrer Intrigantenstadl, wo jeder jeden (und jede) in die Weichteile tritt?

Oder wie sagte die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger noch im Februar dieses Jahres so schön wie peinlich: «Diese NZZ-Polemik ist vollkommen haltlos. Ich habe die Tamedia 2017 verlassen, um mich an der Gründung der Republik zu beteiligen – und ich kann Ihnen versichern, dass die Tamedia- und Republik-Betriebskultur nichts miteinander zu tun haben.» Die NZZ hatte beim Roshani-Skandal die Rolle der übrigen Medien (und auch die von einigen ehemaligen Tamedia– und inzwischen «Republik»-Redaktoren) scharf kritisiert; allerdings nicht die eigene, verfehlte Berichterstattung.

Übrigens kläffte damals auch der inzwischen fristlos Gefeuerte: «Ich habe das Magazin 2014 wegen Finn Canonica verlassen … Wenn die NZZ das heute für Republik-Bashing missbraucht, kann ich ihr auch nicht helfen. Ich war drei Jahre beim Magazin, 2011 bis 2014, und kann ehrlich gesagt nicht viel Gutes über die Zeit dort sagen. Dass ich schweigender Teil irgendeiner Kultur gewesen sein mag, ist, entschuldigen Sie den Ausdruck, geradezu lachhaft.»

Ob der Mann heute noch lacht?

Schon interessant, wie diese Herren damals noch auf dem hohen Ross ritten. Erinnert an den Kinderreim:

«Hoppe, hoppe Reiter.
Wenn er fällt, dann schreit er.
Fällt er ins grüne Gras,
macht er sich die Hosen nass.»

Sind das alles vielleicht Figuren, und die wollen moralische Instanz sein und die Demokratie retten. Gaga.

 

Wumms: Peter Rásonyi

Der Mann mit dem verbalen Zweihänder.

Die NZZ hat eine der besten Auslandberichterstattungen im deutschen Sprachraum. Immer wieder gibt es dort Juwelen zu entdecken. Aktuell unter «Meinung & Debatte» einen Beitrag über die vergessene Vertreibung der Armenier aus Nagorni Karabach durch den Diktator in Baku. Titel: «Aserbaidschans Waffen stammen auch aus Israel». Der Artikel beleuchtet die milliardenschweren Waffenlieferungen Israels und seine Unterstützung einer üblen Diktatur mit Know-how, eine schmutzige Sache.

Der Leiter der Auslandredaktion Peter Rásonyi könnte das möglicherweise als ungeheuerliche Vorwürfe bezeichnen. Obwohl die Darstellung dieser üblen Zusammenarbeit auch aus israelischen Medien stammt. Denn Rásonyi mag den verbalen Zweihänder.

Das tut der Ukraine-Kriegsberichterstattung nicht gut, in der die NZZ bereits unzählige Male den nahe bevorstehenden Sieg der Ukraine verkündet. Aber richtig mopsig wird der Auslandchef, wenn es um Israel geht.

Da verurteilt der UNO-Generalsekretär den «schrecklichen und einzigartigen Terrorangriff» der Hamas-Mörderbande, er sei «durch nichts zu rechtfertigen». Dann sagt António Guterres richtig, «dass die Angriffe der Hamas nicht in einem luftleeren Raum geschehen sind. Das palästinensische Volk ist 56 Jahre lang einer erstickenden Besatzung unterworfen worden». Damit bezieht sich Guterres unter anderem auf die klar völkerrechtswidrige Siedlungspolitik Israels in besetzten Gebieten.

Dazu donnert Rásonyi: «Die Vorwürfe von Uno-Generalsekretär Guterres sind ungeheuerlich und menschenverachtend, weil er den Terror eben doch rechtfertigt und die Verantwortung dafür in absurder Weise umkehrt.» Die Bemerkung zum «luftleeren Raum» könne «genau so verstanden werden: Israel habe den Terrorakt letztlich selbst verschuldet, weil es die Palästinenser zuvor so schlecht behandelt habe».

Auch die Bemerkung, dass es regnet, kann missverstanden werden. Aber dem Generalsekretär zu unterstellen, er hätte andeuten wollen, dass Israel den Terrorakt selbst verschuldet habe, ist schon ungeheuerlich. Er selbst weist das als «schockierend» zurück.

Anschliessend setzt Rásonyi einige Fragezeichen hinter die israelische Blockade des Gazastreifens. Aber wenn man seine Methode gegen ihn verwenden will, nützt dem Auslandchef das nichts, so wenig wie es in seinen Augen Guterres genützt hat, dass der die Gräueltaten der Hamas ohne Wenn und Aber verurteilte.

Dass der israelische UNO-Botschafter gleich den Rücktritt von Gutteres forderte, ist als Bestandteil des Propagandakampfs verständlich. Wie aber ein leitender Redaktor eines Blatts dermassen verbal ausrasten kann, das sich doch die ruhige und gelassene Analyse auf die Fahnen geschrieben hat, ist befremdlich. Solches Gejapse sollte die NZZ doch anderen Organen überlassen, um als Stimme der Vernunft weiter wahrgenommen zu werden.

Splitter und Balken

Die NZZ rechnet mal wieder ab – mit allen anderen und unfair.

Die Jungautorin Beatrice Achterberg aus der Berliner NZZ-Redaktion darf allen anderen Medien Saures geben: «Westliche Medien fallen auf Terrorpropaganda herein». Selbst «eine der renommiertesten Zeitungen der Welt» habe diese «Breaking News» herausgeschickt: «Ein israelischer Luftangriff hat ein Spital in Gaza getroffen und nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mindestens 200 Palästinenser getötet

Kommentar Achterberg: «So dramatisch wie der Inhalt der Eilmeldung war auch das mediale Versagen dahinter.» Schliesslich stehe bislang nur fest, dass es eine Explosion beim Ali-Arab-Spital gegeben habe; wer oder was die ausgelöst habe, sei völlig unklar, ebenso die Antwort auf die Frage, wie viele Tote es dabei gegeben habe.

Dennoch habe die NYT «die Behauptung einer Terrororganisation ungeprüft verbreitet». Dabei sei es doch die erste Aufgabe des Journalismus, schulmeistert Achterberg, «Quellen zu verifizieren und auf Plausibilität und Seriosität zu überprüfen». Denn: «Die Hamas als vertrauenswürdig zu behandeln, ist haarsträubend. Eine Organisation, die mehr als 1400 Menschen getötet, mehr als 3700 verletzt und 203 verschleppt hat, ist kein gewöhnlicher politischer Akteur. Verlautbarungen aus ihrem Herrschaftsbereich müssen mit maximaler Vorsicht behandelt werden

Da ist was dran, tatsächlich ist es ein zunehmendes Problem von «Breaking News», dass ein Medium in diesem Rattenrennen nur dann die Nase vorne hat, wenn es vom Empfang einer Meldung so wenig Zeit wie möglich verstreichen lässt, bis die News online ist.

Bei solchen gravierenden Anschuldigungen müsste man aber schon korrekt zitieren:

Vielleicht kann Achterberg kein Englisch, das mag ja auch im Qualitätsorgan NZZ vorkommen. Aber die Quelle «Palästinensisches Gesundheitsministerium» bezieht sich natürlich nicht nur auf die Anzahl Tote, sondern auch auf den Verursacher. Kurz darauf änderte die NYT den Titel:

Da Achterberg hier grobes Geschütz auffährt, darf man genauso zurückballern: Die NZZ als vertrauenswürdig zu behandeln, kommt auf den Autor an.

Und wie berichtete denn das Weltblatt zunächst selbst? «Bei einer Explosion beim Ahli-Arab-Spital in Gaza-Stadt sind am Dienstagabend wohl Hunderte Menschen ums Leben gekommen. Laut dem Gesundheitsministerium in Gaza, das der islamistischen Hamas untersteht, wurden mindestens 500 Menschen getötet.»

Nun, das unterscheidet sich nicht wirklich und grundsätzlich von der NYT-Meldung. Die NZZ, nicht unter dem Druck von «Breaking News», fährt in ihrem ersten Artikel fort: «Zur Ursache der Explosion gab es bis Dienstagabend noch keine überprüfbaren Angaben. Die palästinensischen Behörden beschuldigten umgehend Israel, einen Luftangriff auf das Spital durchgeführt zu haben. … Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte teilte hingegen mit, gemäss Geheimdienstinformationen habe eine fehlgeschlagene Rakete der Organisation Islamischer Jihad die Explosion verursacht.»

Die NZZ wies auch auf die prekäre Quellenlage hin: «Für internationale Journalisten ist es zurzeit nicht möglich, aus Gaza zu berichten. Was vor Ort passiert, erfährt die Welt vor allem durch Mitteilungen der Hamas-Behörden, Statements von humanitären Organisationen und Videos auf Social Media, die meist jüngere Palästinenser und lokale Reporter veröffentlichen

Achterberg fährt gnadenlos fort: «Die Medien, die der Propaganda aus Gaza auf den Leim gegangen sind, haben ihre Darstellungen inzwischen korrigiert. Doch ihre ursprünglichen Beiträge bleiben in der Welt

Was sie nicht erwähnt: wie akkurat die NYT auf die veränderte Nachrichtenlage bei dieser Meldung hinweist und dass sie sofort die Stellungnahme des israelischen Verteidigungsministeriums veröffentlichte, sobald diese vorlag.

Schliesslich biegt die Jungautorin zur Schlusspointe ab: «Die «New York Times», die in dieser Woche zu unvorsichtig war, hat sich selbst schon vor Jahren eine schöne Regel gesetzt: «If you read it in The Times, it must be true.» Übersetzt: Wenn es in der «Times» steht, dann muss es wahr sein. Wie man sieht, reicht es nicht, hehre publizistische Leitsätze zu formulieren. Man muss sich auch daran erinnern

Vielleicht sollte sich Achterberg daran erinnern, dass man schon zunächst korrekt zitieren sollte, bevor man ein Blatt wie die NYT in die Pfanne hauen will. Tut man das nicht, dann wird’s ein Rohrkrepierer …

Würstchen-Bruchmesse

Die Bankrotterklärung der Debattenkultur.

Slavoj Žižek ist Hegelianer, Philosoph, aufrührerischer Geist und wohl das, was man heute abschätzig Querdenker nennt, obwohl das eigentlich ein Lob sein sollte.

Die Frankfurter Buchmesse ist das Hochamt der abendländischen Kultur und Literatur, ein Stelldichein aller Wichtigtuer und Intellektuellen, aller mediokren und gehypten «Shootingstars» der Buchverlage. Triefende Wichtigkeit trifft auf tiefe Bedeutsamkeit, es wird geschwurbelt, was das Lockendrehen auf der Glatze hergibt, und der Alkohol fliesst in Strömen, weisse Strässchen werden kilometerlang ausgelegt.

In diesen Jahrmarkt der Eitelkeiten hinein hielt man es für eine gute Idee, Žižek an der Eröffnungsfeier das Wort zu erteilen. Naheliegend, Slowenien ist Gastland, und ohne den Slowenen zu nahe zu treten: viele kluge Köpfe haben sie nun nicht.

Der tat dann das, was indigniertes Naserümpfen, Stühlerücken, Zwischenrufe und Proteste auslöste. Er redete Klartext. Zunächst verurteilte er bedingungslos das Massaker der Terrororganisation Hamas und anerkannte das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Damit löste er bei den Zuhörern wohliges Gesinnungsblasengefühl aus.

Dann sagte der Philosoph: «Aber was wir in Gaza erleben, ist auch ein Angriff auf die Menschenwürde.» Manchmal sind Philosophen auch Seher, denn er fuhr fort: «In dem Moment, in dem man die Notwendigkeit erwähnt, den komplexen Hintergrund der Situation zu analysieren, wird man gewöhnlich beschuldigt, den Terrorismus der Hamas zu billigen oder zu unterstützen.» Als Bestandteil einer solchen Analyse argumentierte er, dass Israel der palästinensischen Bevölkerung keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft gebe, «es bietet ihnen keine Vision von einem Staat, in dem sie eine positive Rolle spielen können».

Das ist unbestreitbar richtig, zumindest interessant, ein absolut sinnvoller Beitrag zur Debatte. Aber selbst die sonst tütelige NZZ behauptet im Anschluss, völlig  aus der Luft gegriffen: «Damit insinuierte er eine Mitschuld Israels an den Massakern.» Unterschied zwischen Begründung liefern und angeblich Mitschuld insinuieren? Was für eine Brachialdenunziation. Absurd, aber der Artikel stammt auch von Nadine A. Brügger. Die schwärmte schon backfischartig von der Bachelorette der Politik, oder kritisierte mit dem Holzhammer die Berichterstattung über den Roshani-Skandal in den Medien, liess aber die skandalöse Berichterstattung im eigenen Blatt NZZ skandalöserweise aussen vor.

In diesem Geiste verhielten sich auch einige Zuhörer bei Žižek, als die Gesinnungsblase geplatzt war. Er unterstütze den Hamas-Terror, wurde ihm entgegengeschleudert, einige dialogunfähige Debattenverweigerer verliessen demonstrativ den Saal, einige kehrten immerhin wieder zurück. Ein «Antisemitismus-Beauftragter», der es in der Stadt Frankfurt nicht fertigkriegt, antisemitische Schmierereien und Ausschreitungen zu verhindern, schmetterte «Schande» in den Raum.

Viel cleverer zensierte Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank. Die Orte, an denen die Hamas Massaker verübte, müssten als Symbole für das absolut Böse stigmatisiert werden: «Erst wenn wir diese gemeinsame Grundlage haben, ohne dass mir ein Slavoj Žižek erklärt, das müsse kontextualisiert werden, erst dann können wir über alles reden. Auch über die Fehler Israels.»

Nein, es steht auch einem Mendel nicht an zu dekretieren, welche gemeinsamen Grundlagen existieren müssten, bevor jemand seine Meinung äussern darf. Auch Juden dürfen sich nicht als Inquisitoren aufspielen.

Dass arabische oder muslimische Verlage die Buchmesse boykottieren, ist Ausdruck deren Verbohrtheit und Dialogunfähigkeit. Dass die Buchmesse auf die Verleihung eines Preises an eine palästinensische Schriftstellerin verzichtet, deren Buch sich durch die jüngsten Ereignisse ja nicht verändert hat und vorher als preiswürdig befunden wurde, ist Ausdruck einer unglaublichen intellektuellen Feigheit.

Selbst in der hämischen Darstellung von NZZ-Brügger kommt in ihrer Schlusspointe das Problem in allen Facetten auf den Punkt. Sie muss in ihrer Perfidie vollständig zitiert werden:

«Auch Žižek betonte in seiner Rede, die Verschiebung der Preisübergabe sei skandalös und gar «ein Paradox der Cancel-Culture». Gecancelt wurde Žižek in Frankfurt nicht, auch wenn er das zu behaupten schien. Bereits am Mittwoch fand eine weitere Veranstaltung mit dem Philosophen statt.Dort verglich er die negativen Reaktionen auf seinen Auftritt vom Vorabend mit Redeverboten in der DDR. Er sei nämlich sehr erstaunt, dass ein Wort wie «Aber», das doch stets der Beginn eines Dialogs markiere,an einem Ort wie der Buchmesse ein Problem sei. Erst danach liess Žižek vom Mikrofon ab

«Zu behaupten schien», «Mitschuld insinuiert», «erst danach liess Žižek vom Mikrofon ab»? Was heutzutage alles in der NZZ erlaubt ist, wo die Qualitätskontrolle langsam ähnlich bedenklich wird wie bei Tamedia … Da sagt der Mann lauter bedenkenswerte und intelligente Sachen, gegen die Brügger natürlich kein Gegenargument einfällt. Aber mit Methoden aus der unteren demagogischen Schublade rahmt sie die so ein, dass die Häme geradezu aus den Zeilen tropft. Die mehr als bedenkliche Aussage von Mendel hingegen zitiert sie mitsamt dem aufbrandenden «Applaus» offensichtlich zustimmend.

Berichterstattung war mal in der NZZ; heutzutage darf jeder Schreiber seinen Gesinnungssenf dazugeben, ohne dass man ihm den von der Artikelwurst schabt.

 

Häsler kocht Süppchen

Wozu die Hamas alles missbraucht werden kann.

Der NZZ-Sandkastenmilitärstratege Georg Häsler ist eine echte Kriegsgurgel. Seine Beiträge sind konsequent unter jedem intellektuellen Niveau und eine Schande für die NZZ. Da beklagt er schon mal Defätisten und schwankende Gestalten statt zackiges Salutieren und Stechschritt. Eine schlappe Schweiz.

Nun irrlichtert er schon wieder, diesmal unter dem irren Titel «Die Ukraine kann Europa sicherer machen». Weniger militärisch-strategisch bewanderte Menschen könnten denken, dass die Ukraine die grösste Kriegsgefahr für Europa seit dem Hitlerfaschismus darstellt.

Zunächst einmal lässt Häsler Militärjargon auf den Leser regnen, um unter Beweis zu stellen, dass er da wohlgerüstet ist: «Mit ihren «carrier strike groups» sind die USA heute noch in der Lage, ihre militärische Kraft nach dem Konzept der «force projection» sofort und weltweit einzusetzen.»

Nun wird es aber intellektuell anspruchsvoller, und da ist dann nix mehr mit einem «Konzept der «Force Protection»» bei Häsler: «Für die Ukraine könnte deshalb das Zögern und Zaudern der Nato-Staaten am Gipfel von Vilnius im vergangenen Sommer fatale Folgen haben.» Ach ja, neben dem Nahen Osten gibt es doch noch die Ukraine.

Die solle nun doch endlich in die NATO eintreten, fordert Häsler, indem er ein «Warsaw Security Forum» zitiert. Aber leider: «Washington und Berlin hätten sich «in die Geiselhaft einer Eskalationsangst» begeben.» «Eskalationsangst», was für ein putziger Begriff, um eine gewisse Vorsicht gegenüber einem drohenden atomaren Schlagabtausch zu denunzieren.

Aber das sieht Kriegsgurgel Häsler ganz anders: «Eine verbindliche Nato-Zusage wäre ein starkes Zeichen der Einigkeit.» Vielleicht wäre eine verbindliche NATO-Zusage für die Ukraine auch der Start für einen Dritten Weltkrieg, aber das ist sicherlich nur Ausdruck einer «Eskalationsangst». Wobei: die NATO-Doktrin ist ja, dass ein Angriff auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle betrachtet wird und auch atomar beantwortet werden kann. Aber was interessieren Häsler solche Peanuts.

Andersrum wird ein Schuh draus, behauptet Häsler: «Kann es sich Europa überhaupt leisten, die kriegserfahrenste Armee nicht in die Nato aufzunehmen?» Die Frage stellen, heisst sie beantworten, nach der Logik eines geistigen Brandstifters.

Nun fehlt ihm nur noch die Verbindung zwischen dem Ukrainekrieg und den brutalen Attacken der Hamas auf Israel. Mit wenig Kopfkratzen und noch weniger Hirnschmalz kriegt Hasler das hin:

«Der Kampf gegen die freie Welt wird mit einem konventionellen Krieg in der Ukraine, aber auch mit Terror oder Sabotageakten geführt. Die unterschiedlichen Angriffe, ob koordiniert oder auch als Amalgam verschiedener Konflikte und Konfliktformen, erfordern mehrdimensionale Konzepte, aber auch mehr militärische Kraft

Et voilà. Fehlt noch etwas in dieser Irrwisch-Logik? Klar, der krönende Abschluss, sozusagen die Narrenkappe auf dem Haupt: «Die Nato und der Westen überhaupt sind schlicht auf die Kampferfahrung der ukrainischen Armee angewiesen

Damit dann die kampferfahrene ukrainische Armee der Nato, dem Westen und auch Israel im Kampf gegen die Hamas und andere fundamentalistische Wahnsinnige beisteht? Nun, geistige Verwirrung muss nicht nur religiös verursacht sein. Zu viel Sandkasten im Hirnkasten hat auch verheerende Auswirkungen.

Richard Herzinger hetzt

Manchmal gibt auch die NZZ wahren Kriegsgurgeln eine Plattform.

Natürlich verbietet sich der Kalauer Hetzinger, denn Namensscherze sind grenzwertig. Er liegt aber dennoch auf der Zunge, wenn man die Dithyrambe auf westliche Werte, im Duett mit Hassgesängen auf die «Diktaturen der Welt» liest, zu denen der langjährige Kolumnist Herzinger, der auch für eine ukrainisches Magazin seine Feder hergibt, in der NZZ anhebt. Denn nach den Achsen des angeblich Guten und des Bösen, wozu die USA zum Beispiel Kuba zählen, gibt es nun auch die «Achse der Zerstörer».

Hetzingers steile These: «Die Diktaturen aller Welt schliessen sich zusammen, um die regelbasierte globale Ordnung zu zertrümmern – noch hat der Westen in der Ukraine die Chance, den ganz grossen Krieg abzuwenden

Das ist so unsinnig und falsch, dass nicht mal das Gegenteil richtig wäre. Worin die «regelbasierte globale Ordnung» besteht, dazu kommen wir gleich. Zunächst aber rüstet Herzinger verbal gewaltig auf: Putins Besuch beim Diktatorzwerg Kim Jong Un habe «deutlich gemacht: Russland baut systematisch eine weltweite Kriegsfront gegen die westlichen Demokratien auf». Es handle sich um einen «demonstrativen Schulterschluss mit der wohl grauenvollsten Diktatur, die derzeit auf dem Globus existiert», mehr noch, «das putinistische Russland» signalisiere, «dass es bei der Auswahl seiner Verbündeten keinerlei Hemmschwellen mehr kennt».

So geht das weiter und weiter im aggressiven Gelaber. Aber machen wir hier einen kurzen Stopp und schauen uns die Widersprüche, Falschaussagen und fehlerhaften Interpretationen genauer an. Präsident Putin hat einen Diktator besucht, der von Chinas Gnaden existiert. Normale Machtpolitik, so wie auch der US-Präsident ohne zu zögern jeden Diktator besucht, der nur eine Voraussetzung mitbringen muss: er steht auf der Seite des Westens, zumindest gibt er das vor.

Wieso das der systematische Aufbau einer «Kriegsfront» gegen den Westen sein soll, das bleibt das dunkle Geheimnis von Herzinger. Potenzielle Kriegsfronten weltweit kann man wohl am besten an der Anzahl von Militärbasen messen. Die USA unterhalten rund 1000 solcher Militärstützpunkte ausserhalb ihres Territoriums. Russland – 21. China: 2. Das Militärbudget der USA ist grösser als das der nachfolgenden zehn Staaten zusammen. Also erzählt hier Herzinger völligen Unsinn.

Auf den stapelt er eine weitere, völlig unbewiesene Behauptung: «In Wahrheit rüstet sich Russland massiv für eine jahrelange Fortsetzung seines genozidalen Feldzugs gegen die ukrainische Nation.» Wenn man den kriegerischen Schwätzer beim Wort nehmen darf, will also Russland die ukrainische Bevölkerung vernichten. So wie das der Hitlerfaschismus im europäischen Teil der Sowjetunion tun wollte. Beleg dafür? Null.

Nachdem er so die Basis für weitere Aufschwünge ins behauptete Ungefähre gelegt hat, geht’s nun richtig los:

«Das Ziel des kriminellen Regimes in Moskau ist nicht weniger, als die gesamte auf universellen Werten und Normen gegründete internationale Ordnung zum Einsturz zu bringen und sie durch das Recht des Stärkeren zu ersetzen

Universelle Werte und Normen? Die da wären? Freiheit und Demokratie in der brutalen Diktatur in Saudi-Arabien? Der erfolgreiche Aufbau einer Zivilgesellschaft im Irak oder Libyen? Die traditionelle Unterstützung jeder blutrünstigen Diktatur in der Dritten Welt – vorausgesetzt, sie lässt transnationale Firmen, vor allem aus den USA, ungeniert wüten? Schon immer war es das universelle Werteprinzip der USA, das Präsident Roosevelt perfekt auf den Punkt brachte, als er über den grausigen nicaraguanischen Diktator sagte: «Somoza may be a son of a bitch, but he’s our son of a bitch.» Somoza mag ein Hurensohn sein, aber er ist unser Hurensohn.

Deshalb unterstützten ihn die USA bis zum bitteren Ende, deshalb führten sie einen schmutzigen Krieg gegen die Revolution, die ihn endlich stürzte. So wie die USA direkt oder indirekt – selbstverständlich nur zur Wahrung universeller Werte – Hunderte von Malen seit dem Zweiten Weltkrieg überall auf der Welt direkt militärisch oder versteckt mit Geheimdienstaktionen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder eingriffen. Müssen diese Fälle hier wirklich nochmal aufgezählt werden? Nein, Herzinger kennt sie sicher, ignoriert sie aber.

Für ihn, eine Unterstellung, ist Henry Kissinger sicher auch in erster Linie ein Friedensnobelpreisträger und grosser Staatsmann – und nicht ein Kriegsverbrecher, brutaler Machtpolitiker und opportunistischer Heuchler.

Wo Herzinger verbal hinschlägt, landet er eine Fehlschlag. Serbien, «das im Windschatten von Russlands Kriegskurs die Gelegenheit wittert, seine revanchistischen Ziele bezüglich Kosovos und Bosnien-Herzegowinas zu verwirklichen». Gutes Beispiel; die westliche Wertegemeinschaft versprach nach dem Jugoslawienkrieg die Unantastbarkeit der serbischen territorialen Integrität. Um dann – nicht zuletzt angeführt von der damaligen Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey – das abtrünnige Kosovo als unabhängigen Staat anzuerkennen. Die Wertegemeinschaft macht also bei diesem Mafia-Staat, dessen erster Präsident vor dem Gerichtshof für Menschenrechte wegen schwerer Verbrechen angeklagt ist, genau das Gleiche wie Russland im Fall der Ukraine. Aber wenn zwei das Gleiche tun …

Doch Russlands Ziele gingen noch viel weiter: «der historische Zeitpunkt für den Umsturz der bestehenden Weltordnung» sei « jetzt gekommen – wie das Ende der Epoche der liberalen Demokratie insgesamt». Beweis, Beleg? Behauptung.

Fehlt noch einer in diesem Panoptikum des Schreckens? Nach dem Iran kommt natürlich auch noch China dran. Auch da schlägt Herzinger beherzt (Pardon) zu: «Das totalitäre chinesische Regime unter Xi Jinping verbindet seinerseits das Festhalten an der marxistisch-leninistischen Staatsideologie mit einem extremen nationalistischen und kulturchauvinistischen Überlegenheitsanspruch, gemäss dem China gleichsam zivilisationsgeschichtlich zur Führung der gesamten Menschheit berufen ist.»

Marxistisch-leninistische Staatsideologie? Wenn das die chinesische Führung wüsste. Führung der gesamten Menschheit? Diesen Anspruch, im Gegensatz zu europäischen Staaten oder den USA, hat China in seiner mehrtausendjährigen Geschichte noch nie gehabt, im Gegenteil.

Aber das grausamste Schicksal in seinen realitätsfernen Alpträumen hat Herzinger den Ukrainern zugedacht: «Der Westen muss jetzt endlich alles daransetzen, dem von seinem übermächtig scheinenden Nachbarn überfallenen Land einen möglichst schnellen, umfassenden Sieg zu ermöglichen.»

Schneller und umfassender Sieg? Alles daran setzen? Also Einsatz der NATO, Bodentruppen, eventuell auch Atomwaffen?

Glücklicherweise hört kaum jemand mehr auf Herzinger, der deshalb mit seinen Kolumnen schon in die Ukraine ausweichen muss. Aber die NZZ gibt diesem Amok eine Plattform. Der als Solo-Rambo mit seinen Vernichtungsfantasien, seiner einäugigen Polemik durchaus eine Gefahr für diesen Planeten darstellt. Aber da kein Entscheidungsträger auf seine kriegslüsternen Plattitüden hört, ist auch diese Gefahr überschaubar.

Liberale Meinungsplattform hin oder her: kurz nachdenken, bevor man jeden hanebüchenen Wahnsinn veröffentlicht, das würde auch der NZZ gut anstehen.

 

Überraschung

Der neue Chefredaktor der NZZaS heisst Beat Balzli.

Dass es die Vier von der Blankstelle nicht werden würden, die sich die Nachfolge von Jonas Projer teilten, war klar. Zumindest ZACKBUM. Es wurden mögliche und abseitige Namen wie Christian Dorer genannt. Wie immer, wenn es einen Chefposten zu besetzen gibt, setzten einige auf Patrik Müller.

ZACKBUM war eher der Meinung, dass God Almighty Eric Gujer sich einen Statthalter ausguckt, damit er sein Reich mit der NZZaS abrunden kann. War nicht wirklich daneben. Denn der neue Mann ist – Beat Balzli.

Da mögen einige fragen: Beat who? Nun, der machte Karriere beim «Spiegel», zuletzt war er Chefredaktor der «WirtschaftsWoche». Zuvor war er in gleicher Position bei der Schweizer «Handelszeitung». Es war schon zuvor angekündigt worden, dass er auf Herbst 2023 zur NZZ wechselt, aber um sich in erster Linie um die Expansion nach Deutschland zu kümmern.

Nun ein kleiner, klitzekleiner Positionswechsel, von dem vorher nicht die Rede war. Nun soll Balzli CR der NZZaS werden, um dort die digitale Transformation voranzutreiben und die Zusammenarbeit mit der Redaktion der NZZ zu verstärken.

Das heisst im Klartext: der eigentlich designierte neue CR ist abgesprungen oder wurde abgesprungen. Also griff man auf einen zurück, den man schon auf der Payroll hatte. Balzli soll hier auch nicht inhaltlich grosse Pflöcke setzen oder Bäume ausreissen. Das tat er auch in seinen vorangehenden Positionen nicht. Aber er leitet pannen- und skandalfrei. Den inhaltlichen Niedergang der NZZaS aufzuhalten, das dürfte nicht allzu schwierig sein. Denn es hat sehr wenig Luft nach unten, sehr viel nach oben.

Mehr Zusammenarbeit mit dem Stammhaus bedeutet natürlich, dass das Gärtchen NZZaS, in dem sich Schreibdivas und Spesenritter austoben durften, plattgemacht wird. Allerdings: an der digitalen Transformation ist letztlich Projer gescheitert. Der zudem von der Redaktion argwöhnisch betrachtet wurde. Diese begabten strategischen Denker überlegten sich nicht, was es bedeutete, Projer wegzukriegen. Und nun haben sie den Salat. Selber schuld.

Gestählt durch den Intrigantestadl übergrosser Egos in Hamburg dürfte es Balzli nicht allzu schwer fallen, die NZZaS-Redakteure zu domestizieren. Gewaltiges Flügelschlagen bei dürftigem Output wird es zukünftig sicher nicht mehr geben. Die wochenlange Ausrede «ich bin da an einer Recherche» auch nicht. Hoffentlich Blöd-Interviews mit einer Prostituierten und dem von ihr ausgehaltenen Lover ebenfalls nicht mehr.

Allerdings: wie trittfest Balzli im Digitalen ist, muss sich erst noch herausstellen. Er hat allerdings einen Startvorteil. Er löst nicht nur ein Interregnum ab; es ist selbst dem intrigantesten NZZaS-Redaktor bewusst, dass eine zweite Absägeaktion innert so kurzer Zeit unweigerlich dazu führte, dass Gujer nicht mehr fackeln würde und die NZZaS gleich selber und direkt übernehmen.

Das ist ja wohl sowieso sein Plan, also ist auch Balzli – wie sein Vorgänger – Chef, solange die Gnade des grossen Chefs über ihm leuchtet. Sollte es da eine Sonnenfinsternis geben, dann ist auch er schneller weg als er «Balzli» sagen kann.

Campax spinnt

Eine Lobbyorganisation ausser Kontrolle.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit Grenzüberschreitungen dieser «Bürger*innenbewegung» befassen, die «seit 2017 Kampagnen zu den wichtigen Fragen unserer Zeit» führt. Edle Zielsetzung: «Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle Menschen in Würde und Freiheit leben

Edle Ziele, schmutzige Methoden zur Erzielung. Duftmarke eins: «Nazi-Fratzen hinter der Folklore-Fassade: Die Freiheitstrychler haben bei der “Friedensdemonstration“ letzten Samstag auf dem Bundesplatz ihr wahres Gesicht gezeigt.»

Wenn ihnen der Inhalt eines Artikels nicht passt, wird gleich eine Beschwerde beim Presserat eingereicht und werden die höchsten Entscheidungsträger angebellt, Duftmarke zwei: «Deshalb fordern wir die Familie Coninx und Pietro Supino, den Verwaltungsratspräsident der TX-Group dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um den journalistischen Standard und die Qualitätssicherung der journalistischen Arbeit zu garantieren.»

Nun übertrifft sich Campax selbst, und das ist gar nicht so einfach. Ein Kampagnenleiter Urs ruft zu Spenden auf. Edles Ziel: «Zusammen verhindern wir den Rechtsrutsch!» Wie das? Indem die edlen Spender insgesamt 17’720 Franken aufwerfen sollen. Wofür? Für ein halbseitiges Inserat in der NZZ. Abgesehen von der Frage, ob die NZZ das Inserat überhaupt annehmen würde (wenn nicht, wird dann das Geld zurückbezahlt?): was soll da drinstehen?

Da hält sich «Urs» eher bedeckt. Die edlen Spender sollen für eine Black Box ihr Geld ausgeben. Vom mutmasslichen Inhalt gibt er nur bekannt: «Wissen die Menschen überhaupt, welchen antidemokratischen Kräften sie ihre Stimme geben, wenn sie FDP oder SVP wählen?»

Das ist ungeheuerlich. SVP und FDP sind die grösste und die traditionellste Partei der Schweiz. Sie sind in demokratischen Wahlen zu ihren Stimmen und ihrer Vertretung in Parlament und Regierung gekommen. Im Gegensatz zum «Kampagnenleiter von Campax Urs», der Geld dafür sammelt, um seinen undemokratischen Ansichten eine Plattform geben zu können.

Was ist der Anlass für diese Ausgrenzung?

«Hörst Du den riesigen Aufschrei darüber, dass die Junge Tat den Wahlkampf einer SVP Nationalratskandidatin koordiniert?1) Ich auch nicht. Und genau da liegt das Problem. Es wird immer normaler, dass rechtsextreme Kräfte in unserer Gesellschaft an Macht gewinnen. Diese antidemokratischen Kräfte und ihre Verbündeten werden etwa mit Listenverbindungen bis weit ins bürgerliche Lager normalisiert. Das ist eine Gefahr für unsere Demokratie.»

Campax-Urs bezieht sich dabei auf einen Artikel im «Blick». Sollte es zutreffen, dass eine SVP-Nationalratskandidatin auf einem aussichtslosen hinteren Listenplatz kommunikative Unterstützung der Organisation «Junge Tat» in Anspruch genommen hat, ist das ungefähr so bedenklich oder unbedenklich, wie wenn Campax ihr genehme Kandidaten unterstützt.

Natürlich kann man die politischen Zielsetzungen der «Jungen Tat», der SVP oder der FDP ablehnen, verurteilen, sogar als schädlich ansehen. Natürlich kann man einen Rechtsrutsch befürchten und sich dagegen wehren. Alles in einer Demokratie erlaubt, inklusive freie Meinungsäusserung.

Die hat aber auch ihre Tücken. Denn man ist auch frei darin, Unsinn, Schwachsinn, Entlarvendes zu brabbeln. So wie das Campax häufig tut. Der Organisation rutschen die Worte weg, sie wird keifig, schrill, merkt damit nicht, dass sie sich selbst den Boden unter den Füssen wegzieht.

Denn wer, der nicht völlig vernagelt ist, will schon für ein Inserat spenden, dessen Erscheinen ungewiss ist, dessen Inhalt unbekannt, und von dessen Stossrichtung man nur weiss, dass es SVP und FDP als «antidemokratische Kräfte» denunzieren will?

Bezeichnend: so grob Campax austeilt, so feig wird die «Kampagnenorganisation», wenn man ihr ein paar kritische Fragen stellt. Keine Antwort …

Wer etwas von Demokratie hält und sich als Demokrat sieht, zahlt dafür sicherlich keinen Rappen.