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Gurgel Gauck

Pastor, Bundespräsident, Kriegsgurgel. Was für eine Karriere.

Joachim Gauck möchte gerne das sein, was man in Deutschland eine «moralische Instanz» oder gar einen «elder Statesman» nennt. Dafür fehlt ihm aber das Format. Daher lässt es die NZZ mit ihm launig angehen. Sie eröffnet standesgemäss in einem Berliner Zwei-Sterne-Lokal ihre neue Gesprächsreihe «Zmittag».

Standesgemäss, denn Ex-Bundespräsident Gauck verursacht gigantische Kosten für den Steuerzahler («allein die jährlichen Personalkosten für Büroleiter, Referenten, Sekretärin und Chauffeur betragen 385.000 Euro», Wikipedia), plus Büroflucht und Altersruhegeld («Ehrensold» von 214’000 Euro, plus «Aufwandsgeld» von rund 80’000 Euro). Da dürfte ihn auch der Preis des Gourmet Menüs (6 Gänge 228 Euro) nicht abschrecken, oder aber er beschied sich mit drei Gängen des Mittagsmenüs (78 Euro).

Bei der Forelle zieht Gauck über die AfD, die SVP, die FPÖ und «Herrn Wilders in den Niederlanden» her. Differenzierung war noch nie so seine Sache. Es geht ihm überhaupt biblisch um «den Kampf gegen das Böse», also gegen Putin zum Beispiel. Kriegerisch war Gauck schon immer gestimmt, auch als es um den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan ging.

Immerhin kommen hier seine Sottisen in lockeren Plauderton daher, unterbrochen von kulinarischen Ausflügen («Meine Buletten sind sehr, sehr gut», berlinerisch für Hacktäschli). Ganz anders bei der Qualitätszeitung Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger», na ja, also dieses ungeliebte Anhängsel von Tx.

Hier geht er in die Vollen. Wieso haben «Rechtspopulisten Zulauf», fragen Dominik Eigenmann und Ausland-Chef Christof Münger im Chor und völlig unparteiisch. Eine Studie habe gezeigt, erwidert Gauck, «dass etwa ein Drittel der Menschen eine «autoritäre Disposition» hat».  Aha, also eine hoffentlich heilbare Verhaltensauffälligkeit dieser rechtspopulistischen Wähler von AfD oder SVP.

Könnte die Migration eine Ursache dafür sein, soufflieren die beiden das nächste Stichwort. «Da werden Populisten Nutzniesser der Angst vor dem Verlust von Tradition, Sicherheit und Heimat – kurzum: von Vertrautem.» Ah, Angstmacher und Angstgewinner, dabei ist Migration doch eigentlich kein Problem. Aber immerhin ist Gauck nicht bei allen Parteien gleich scharf im Urteil, so bei der SVP: «Die ist für meinen Geschmack reaktionär, mag kein vereintes Europa oder will jedenfalls nicht dabei sein. Aber von ihr gehen keine nationalsozialistischen Gedankengänge aus wie bei einigen in der AfD

Richtig militant wird Gauck dann wie immer, wenn es um den Ukrainekrieg geht. Nicht nur viel mehr Waffen liefern sollte man: «Ja, im Grunde müssten wir dem überfallenen Opfer unsere Solidarität dadurch beweisen, dass wir selbst hingehen. Selbst mitzukämpfen wäre eigentlich das moralische, aber auch das politische Gebot.»

Aber um selbst mit gutem Vorbild und der Waffe in der Hand voranzugehen (oder würde er sie als Pastor nur segnen), davon hält Gauck dann doch ein «guter Grund» ab: «Einen Weltkrieg oder einen Atomkrieg wollen wir nicht

Gar nicht einverstanden ist Gauck allerdings mit der Einhaltung von Exportgesetzen durch die Schweiz: «Ich habe dafür null Verständnis. Ich habe schon Mühe, zu verstehen, warum die Schweiz mit der Europäischen Union so fremdelt.» Für den ehemaligen höchsten Repräsentanten der im Vergleich zur Schweiz doch eher jungen deutschen Demokratie zeigt Gauck dann bedenkliche Ansichten: «Bündnisfreiheit, das schon. Aber die Weitergabe von Waffen an die Ukraine zu untersagen, weil es dem Schweizer «Daseinsgefühl» widerspricht, halte ich für einen Fehler.» Das «Daseinsgefühl» der Schweiz, sich an ihre Gesetze zu halten (im Gegensatz zu Deutschland), das hält Gauck für einen Fehler? Spätestens da müsste es einem der beiden Interviewer einfallen, mal eine kritische Frage in die Schleimspur zu streuen. Aber i wo.

Stattdessen lassen sie Gauck weiter seine Kriegsfantasien ausleben: «Wird Russland in der Ukraine nicht entscheidend geschwächt, dürfte es seinen Feldzug Richtung Westen in einigen Jahren fortsetzen.» Kriegerische Bedrohung vom Iwan, diesmal überfällt nicht Deutschland oder Frankreich Russland, und wie steht es im Westen, in den USA, «wenn Trump zurückkehrt? – Dann wird es gefährlich für die amerikanische Demokratie

Was wünscht Gauck den Ukrainern zum Jahreswechsel? «Mögen sie sich lange wehren, hoffentlich mit deutscher und schweizerischer Unterstützung!» Natürlich sollte man vor einem 83-Jährigen Mann etwas Respekt und Nachsicht zeigen. Aber fast 20’000 A Interview ohne eine einzige kritische Nachfrage? Stattdessen liebedienerisches Stichwortgeben, soufflieren, Pseudofragen liefern, auf dass Gauck ungehemmt losschwadronieren kann? Soll das Qualitätsjournalismus sein? Oh, Pardon, das wäre ja schon eine kritische Frage gewesen – geht nicht bei Tamedia.

 

 

Neues Jahr in alten Schläuchen

ZACKBUM schaut in die Glaskugel.

Es kann natürlich Unvorhersehbares geschehen. Diese Packungsbeilage bei Prognosen muss vorangestellt werden. Dafür verzichtet ZACKBUM auf alle Schwurbeleien wie «wenn nicht, falls, unter Voraussetzung, dass».

In der überschaubaren Medienlandschaft der Schweiz gibt es vier grosse Player. In einer Liga für sich spielt die SRG, da zwangsgebührenfinanziert. Ringier, Tamedia und CH Media müssen sich am Markt behaupten – und versagen vor den Herausforderungen des Internets.

Dann haben wir noch kleine und kleinste Player wie die NZZ, die «Weltwoche», Das Lebrument-Imperium, Randgruppenorgane wie die WoZ, die «Republik» und mehr oder minder erfolglose lokale Internet-Plattformen. Und wir haben den in seiner Bedeutung noch viel zu wenig erforschten Bereich der Community-Plattformen, über die immer grössere Teile der Gesellschaft, vor allem Jugendliche, ihr Informationsbedürfnis abdecken.

Das ist die Landschaft im Jahr 2024, was erscheint nun im wolkigen Inhalt der Glaskugel? Das:

  1. Die drei privatwirtschaftlichen grossen Player werden weiterhin sparen. Also teure Mitarbeiter abbauen und sie zunehmend durch KI ersetzen.
  2. Durch ihre Kamikazepolitik, für weniger Leistung mehr Geld zu fordern, werden sie weiter deutlich an Lesern und Einnahmen verlieren, der Teufelskreis dreht sich schneller.
  3. Die tägliche Printausgabe wird zum Auslaufmodell. Bereits ist aus dem «Sonntag» die «Schweiz am Wochenende» geworden. Die ehemals unabhängigen Redaktionen der Sonntagszeitungen werden vollständig in die höllischen Newsrooms integriert, die Sonntagsausgaben werden im Print verschwinden.
  4. Der Anteil der Lokalberichterstattung in den zahlreichen Kopfblättern wird weiter reduziert. Statt in Content zu investieren, wird in die Quadratur des Kreises Geld verpulvert, die zentral gekochte Einheitssauce ein Dutzend mal anders einzufärben, damit sie in Basel, Bern, St. Gallen, Luzern oder Aarau verschieden daherkommt.
  5. Es wird allgemein mehr administriert, weniger produziert. Die kabarettreife Anzahl von Heads und Chiefs bei Ringiers «Blick»-Familie gibt den Kurs vor.
  6. Nachdem Ringier die Organe von Axel Springer Schweiz geschluckt hat und verdauen muss, wird Tamedia versuchen, den angeschlagenen Wannerkonzern zu schlucken.
  7. In der Medienwelt hat 2024 das kapitalistische Prinzip – die Ausgaben werden durch die Einnahmen gedeckt – abgedankt. SRG ist zwangsfinanziert, die drei grossen Konzerne werden einen neuen Anlauf nehmen, die Steuersubventionen heraufzuschrauben. Nischenorgane wie die «Republik» werden weiterhin nur dank grosszügiger Mäzene und Spender existieren. Beim Markttest, gibt es genügend zahlungsbereite Nachfrage für das Angebot, sind sie gescheitert.
  8. Durch diese Konzentration bekommen ganz wenige Personen eine ungeheuerliche Machtfülle in den Medien. Das wäre Gilles Marchand als Generaldirektor der SRG, Pietro Supino als Boss von Tamedia und Vertreter des Coninxclans, CH-Media-CEO Michael Wanner als Vertreter des Wannerclans, Michael Ringier, Marc Walder und Ladina Heimgartner bei Ringier. Auch nicht unbedeutend ist Eric Gujer als Geschäftsführer und Oberchefredaktor der NZZ. Von denen (ihren Fähigkeiten und Interessen) hängt es ab, wie schnell die Talfahrt der Deutschschweizer Medien weitergeht. Was sie bisher geboten haben, stimmt nicht optimistisch.
  9. 2024 wird der Anspruch der Massenmedien, die öffentliche Meinung zu repräsentieren und zu manipulieren, immer weiter  abbröckeln. Der «Blick» als entkerntes ehemaliges Boulevardblatt hat sich bereits davon verabschiedet, CH Media will gar nicht diesen Anspruch erheben, Tamedia wird auch 2024 nicht bemerken, dass seine Einschätzungen, Kommentare und Meinungen nicht mehr interessieren. Auch die NZZ überschätzt sich hierbei gewaltig.
  10. Die unglaublich schrumpfende Bedeutung der Massenmedien macht die Beantwortung der Frage dringlich, ob es ein Kontrollorgan wie ZACKBUM Ende 2024 überhaupt noch braucht.

Ein grauenvolles Jahr

Tiefseebohrung. Das beschreibt den Zustand der Schweizer Medien im Jahr 2023.

Dass nach der Entlassungsrunde vor der Entlassungsrunde ist, daran mussten sich die verbliebenen angestellten Redakteure gewöhnen. Die grossen Verlagshäuser Tamedia, CH Media und Ringier zeigen damit den überlebenden Journalisten, was sie von ihnen halten: nichts.

Sie sind ein unangenehmer Kostenfaktor, bis die KI die meisten ihrer Aufgaben übernimmt. Den gutbezahlten Managern in der Teppichetage ist auch 2023 nur ein einziges Heilmittel gegen die Arglist der Zeit eingefallen: sparen, feuern, letzte Fleischreste vom Knochen abschaben. Das ist erbärmlich.

Allerdings tun auch die Journalisten nicht gerade viel, um die wichtigsten Assets, Glaubwürdigkeit und Vertrauen, zu schützen und zu bewahren. Nabelschau, kreischige Rechthaberei, Bedienung der Gesinnungsblase, Schwarzweiss-Verblödung. Wer dachte, man sei noch nie so schlecht über einen Krieg informiert gewesen wie in der Ukraine, sah sich eines Schlechteren belehrt. Was im Gazastreifen tatsächlich passiert, niemand weiss Genaueres.

In beiden Fällen versagt die Journaille auf einem ihrer wichtigsten Handlungsfelder: analytische Einordnung liefern, Argumente zur Bildung einer eigenen Meinung bei den Lesern. Da vielfach ältere und damit teurere Journalisten weggespart werden, sinkt das allgemeine Niveau der Berichterstattung auf erschreckend bildungs- und kulturlose Minusgrade. Historische Zusammenhänge, Kenntnis von Kultur und Literatur, was nicht im schnellen Zugriff mit Google aufpoppt, existiert nicht.

Wenn die Sprachverbrecher Lukas Bärfuss und Kim de l’Horizon als die zwei bedeutendsten Vertreter der Schweizer Gegenwartsliteratur angesehen werden, dann ist wohl der Boden der Geschmacklosigkeit erreicht. Wobei man mit solchen Vermutungen vorsichtig sein sollte. Bevor Kim auftauchte, meinte man den mit Bärfuss alleine schon ausgelotet.

Wer meinte, die Sprachreinigungshysterie, die Verhunzung der deutschen Sprache durch Gender-Sternchen und andere Methoden zur angeblichen Inkludierung habe einen dermassen hysterischen Höhepunkt erreicht, dass es nur noch vernünftiger werden könne, sah sich ein weiteres Mal getäuscht. Das gilt auch für alle Post-#metoo-Schwurbeleien.

Unbelegte Anschuldigungen öffentlichkeitsgeiler Weiber oder anonymer Denunzianten reichten auch 2023 aus, um Karrieren zu vernichten oder Menschen fertigzumachen. Trotz vielen Flops haben die Scharfrichter in den Medien nichts dazugelernt. Schnelle Vorverurteilung, grosse Entrüstung, dann peinlich berührtes Schweigen, wenn der Skandal mal wieder keiner war. Aber auf zum nächsten, der kommt bestimmt.

Auch als Jahresbilanz muss man festhalten: Dass sich die Medienproduzenten weiterhin von Google, Facebook & Co. online die Werbebutter vom Brot nehmen lassen, ist an Unfähigkeit und Dummheit nicht zu übertreffen. Das Gejammer über wegfallende Print-Inserate und der anhaltende Ruf nach staatlicher Unterstützung der Vierten Gewalt sollen nur übertönen, dass die Krise der Medien nicht den Umständen geschuldet ist, sondern selbstverschuldet.

Kein vernünftiges Distributionsmodell, das aberwitzige Geschäftsmodell, für immer weniger immer mehr zu verlangen, seichte Inhalte, sich im Hamsterrad der Online-Produktion bis zur Bewusstlosigkeit drehende News-Abdecker – wie kann man für diese klägliche Leistung ernsthaft Geld vom Konsumenten verlangen?

Geradezu autistisch richten viele Redakteure ihren Blick an diesen Problemen vorbei, schauen in sich hinein und langweilen den Leser mit der Leere, der sie dort begegnen. Oder regen ihn auf, indem sie ihre politischen und sozialen Steckenpferde auf offener Bühne zu Tode reiten. Ein Kommentar zur Gratis-Abgabe von Tampons, wieso traut sich keiner mehr, die einzig richtige Antwort an der Themenkonferenz zu geben: «Aber nicht im Ernst

In diesem Niedergang wird das Schweizer Farbfernsehen, die mit Gebühren alimentierten Radiosender immer wichtiger. Aber das Angebot der SRG ist dermassen lausig, dass die 200-Franken-Gebühreninitiative intakte Chancen hat. Auch hier ist es den privaten Unternehmen nicht gelungen, eine valable Konkurrenz dazu auf die Beine zu stellen. Das sei eben die Übermacht der SRG, jammert der Wannerclan von CH Media. Anstatt zuzugeben, dass die Einkaufstour in den elektronischen und Printmedien als deutlichstes Resultat lediglich eine Massenentlassung gebracht hat.

Völlig von der Rolle sind Tamedia und Ringier. Der Tagi war einmal eine ernstzunehmende, linksliberale Stimme, seine Leitartikel und Forderungen hatten Gewicht. Aber heute? Das nimmt doch keiner mehr ernst, wenn sich die Oberchefredaktorin zu Wort meldet und absurde Forderungen zu den nächsten Bundesratswahlen aufstellt.

Der «Blick» als wichtigstes Organ des Hauses Ringier wurde seines Wesenskerns beraubt, die Führungsriege geköpft, dafür ein Rudel von Heads und Chiefs installiert, deren Funktionsbezeichnungen kabarettreif sind. Weniger lustig sind allerdings ihre Leistungen. Springer zieht weiter in die Zukunft und trennt sich konsequent von seinen Printtiteln. Ringier kauft sie auf. Mathias Döpfner mag persönlich ein eher unausstehlicher Mensch sein, was er mit Marc Walder gemein hat. Aber der Unterschied im Wirken und in der Performance der beiden an ihren Unternehmen beteiligten CEOs ist unübersehbar.

Ach, und die NZZ? Ein Leuchtturm mit einigen blinden Flecken auf der Linse, das Bild ist schwer zu schlagen, so zutreffend ist es. Häufig Labsal und Kopfnahrung, manchmal aber auch ärgerliche Ausflüge ins Unterholz der vorgefassten Meinungen und neuerdings auch üblen Rempeleien in einer Tonlage, die die alte Tante seit Ende des Kalten Kriegs nicht mehr verwendete.

Auch der ruppige Umgang mit Chefredaktoren ist neu. War die Absetzung von Markus Spillmann zwar ein absolutes Novum, aber dennoch gerechtfertigt, wurde die Absetzung von Luzi Bernet und sein Ersatz durch Jonas Projer eher ruppig durchgeführt. Das war aber noch geradezu stilvoll und zartbesaitet im Vergleich dazu, wie dann Projer entsorgt wurde.

Dabei, wie bei der Nicht-Inauguration von Markus Somm als NZZ-Chefredaktor, spielte die Redaktion eine üble Rolle. Bei Somm stellte sich im Nachhinein heraus – als er mit der Absurd-Idee, aus dem «Nebelspalter» ein bürgerlich konservatives Kampforgan zu machen, baden ging –, dass der NZZ doch einiges erspart blieb. Aber der Zwergenaufstand in der Redaktion gegen Projer führte nur erwartungsgemäss dazu, dass die NZZaS viel näher an das Stammblatt gebunden wurde. Der notfallmässig installierte Beat Balzli ist noch viel mehr von der Gnade Eric Gujers abhängig als sein Vorgänger.

Allerhand Betrübliches und Besorgniserregendes ist von den Medien im Jahr 2023 zu vermelden. Gibt es Hoffnung für 2024? Für die klassische Medien nicht. Vor allem bei Jugendlichen haben sie längst die Meinungshoheit als Newslieferant verloren. Wenn der Bezahl-Inhalt qualitativ sich kaum von Gratis-Angeboten unterscheidet, wieso soll ein vernünftiger Mensch noch etwas bezahlen?

Natürlich sollte der Content einer Newsplattform nicht gratis sein. Eine Bezahlschranke macht aber nur dann Sinn, wenn dieser Inhalt auch etwas wert ist. «Blick+» ist das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Die Idee wurde bei «Bild+» abgekupfert, aber jämmerlich umgesetzt. Tamedia macht ähnlichen Unsinn, indem es beim Berliner «Tagesspiegel» die Idee übernimmt, sauteure Angebote für spezifische Zielgruppen zu machen. Wer einen  fantasielosen Verwaltungsrat mit einer digitalen Offensive betraut, der sich dann an seine frühere Wirkungsstätte erinnert, ist selber schuld.

Nein, das ist kein Aufsteller,diese Jahresbilanz. Aber zum Jammertal, durch das der Journalismus wankt, passt eben auch, dass solche offenen Worte nurmehr hier auf ZACKBUM möglich sind.

Für das anhaltende Leserinteresse, liebe Worte (immer hinter vorgehaltener Hand) und auch (wenige) Widerworte danken wir ganz herzlich.

 

Wenn die NZZ rot sieht,

dann brennen immer noch die Sicherungen durch.

Lucien Scherrer neigt dazu, die Splitter in den Augen der anderen, aber den Balken im eigenen, bzw. in seinem Blatt, nicht zu sehen. Aber gut, welcher Journalist lässt sich schon gerne an sein dummes Geschwätz von gestern erinnern.

Scherrer will sich ganz allgemein als Medienkritiker etablieren, und diesmal hat er sich ein eher fernes Blatt vorgenommen. Fern ist immer gut; da muss man weniger mit Gegendarstellungen und Vorkenntnissen der Leser rechnen.

Seinen Unmut hat diesmal die «Berliner Zeitung» erregt. Die hat nun eine schillernde Geschichte und einen ebenso schillernden Verleger. Holger Friedrich hat das Blatt nach x-fachem Besitzerwechsel im September 2019 gekauft. Er selbst ist ein Selfmade-Millionär mit kurviger Vergangenheit und kantigen Meinungen.

Darüber kann sich jeder sein eigenes Bild machen, wenn’s beliebt. Solche Differenzierungen sind Scherrer hingegen wurst. Er behauptet kühn:

«Im angeblichen Bemühen, unvoreingenommen zu berichten, machen sie sich zu nützlichen Idioten von Diktaturen.»

Also sei Friedrich ein nützlicher Idiot von Diktaturen, genauer von denen in Russland und China. Steile These. Sie ist ungefähr so absurd, wie wenn man die NZZ als nützlichen Idioten der US-Militärpolitik bezeichnen würde, nur weil ihr oberster Oberst, der kälteste aller kalten Krieger Georg Häsler, ständig staubtrockenen Unsinn aus dem militärischen Sandkasten auf seinem Kommandopult in der Redaktion schaufelt.

Nun hat Scherrers besonderen Unmut erweckt, dass Friedrich an einer Marxismus-Konferenz in Peking teilgenommen hat. So wie ständig Redaktoren der NZZ (und von anderen Blättern) an Konferenzen von liberalen, politischen, transatlantischen Think Tanks und Organisationen teilnehmen. Was erlaubt und nicht allzu selten interessant ist. Dass die NZZ keinen Korrespondenten an diese Konferenz in Peking entsandte, sei ihr nachgesehen.

Ob sie es sich allerdings nicht verbitten würde, wenn ihr Korrespondent (da gibt es auch Beispiele von NZZ-Herrenreitern) so charakterisiert würde? «Er (Friedrich, Red.) ist Millionär und fährt Ferrari, pflegt aber eine offene Bewunderung für Sarah Wagenknecht und den letzten DDR-Staatschef Egon Krenz.»

Der ehemalige Feuilletonchef der «Zeit» Fritz J. Raddatz war kein Millionär, fuhr aber Porsche und wurde ebenfalls in der DDR sozialisiert, was ihn für diese Position nicht disqualifizierte.

Nun kommt Scherrer kurz zu einer vergifteten Lobeshymne: «Seine Zeitung will Friedrich als Debattenblatt positionieren, sie soll auch Meinungen abbilden, die der «Mainstream» ignoriert. Eigentlich ist das ein interessantes Konzept.» Immerhin, aber: Er «will vermitteln, unterzeichnet «Friedensmanifeste» und betätigt sich als eine Art Diplomat, der an Botschaftsempfängen und Konferenzen teilnimmt. Deshalb erscheint er als Akteur in seiner eigenen Zeitung, oder er schreibt gleich selber über seine Erlebnisse.»

Friedrich hat, wie fast eine Million andere (auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer), das Friedensmanifest von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht unterzeichnet, was wohl sein gutes Recht ist. Ebenso wie die Teilnahme an Empfängen und Konferenzen.

Dann nimmt Scherrer den Knüppel hervor: «Auch wenn Friedrich Sympathien für Despoten wie Wladimir Putin abstreitet, publiziert seine Zeitung immer wieder Beiträge, in denen es mehr um Verdrehungen und Schönfärberei geht als um andere Sichtweisen.» Nun ja, in dieses Zerrbild Scherrers passt zum Beispiel dieser Artikel nicht: «Wladimir Putins Jahreskonferenz war eine sterbenslangweilige Märchenstunde». Aber auch Scherrer frönt dem dummen Prinzip: never let the truth spoil a good story.

Es geht noch schlimmer: «Im Fall China wird die Vermischung von Journalismus und Propaganda noch deutlicher. An der Konferenz der «modernen Marxisten» in Peking war Holger Friedrich als Gast vor Ort, laut einer Fussnote unter seinem Artikel in der «Berliner Zeitung» hielt er auch ein Referat.»

Um beurteilen zu können, wie Friedrich über diese Konferenz berichtet, müsste man seinen Artikel lesen können:

Der steht allerdings hinter der Bezahlschranke, wodurch Scherrer annimmt, dass keiner der Leser seiner Philippika überprüfen kann, ob seine billige Polemik etwas mit dem Inhalt zu tun hat oder nicht. Ihnen sei versichert: nicht.

Friedrich referiert sachlich und unaufgeregt über die Themen: «Die chinesische Administration hatte zu dieser außergewöhnlichen Konferenz geladen. Das Vorhaben bestand darin, über Stand und Ausblick sozialistischer Konzepte zu diskutieren. Veranstaltet und organisiert wurde die Tagung vom Institut für Marxistische Studien, dem Thinktank der Kommunistischen Partei Chinas. Vom 28. bis 30. November fanden sich in Peking 80 Vertreter aus 34 Ländern ein

Scherrer könnte nun vielleicht eine Zusammenfassung liefern, worüber dort debattiert wurde. Stattdessen bemängelt er lieber, worüber nicht gesprochen wurde: «Dass China Länder wie Taiwan und die Philippinen bedroht, war offenbar kein Thema, zumindest ist bei Holger Friedrich nichts darüber zu lesen.» Zudem fehlte eine kritische Würdigung des Uiguren-Konflikts.

Aber irgendwie verspürt Scherrer, dass er sich mit seiner Schmierendarstellung auf rutschigem Eis bewegt und ruft die Kollegen aus Deutschland zu Hilfe: «Der Beitrag hat in deutschen Medien für Häme gesorgt. Die «Frankfurter Allgemeine» ätzte über «Journalismus, wie er in China praktiziert wird» – und warf Friedrich vor, mit dem Regime zu sympathisieren. Ob dieser (Friedrich, Red.) bloss naiv ist oder ob er sich aus politischer Überzeugung instrumentalisieren lässt, bleibt offen. Sein an Parteizeitungen wie die «Peking Rundschau» erinnernder Bericht passt jedenfalls zu jenem «antiimperialistischen» Weltbild, das der ehemalige DDR-Bürger Friedrich wiederholt offenbart hat

Ehemaliger DDR-Bürger? Soll ihm mit diesem üblen Tritt in die Vergangenheit unterstellt werden, Friedrich trage immer noch die Wurzeln seiner sozialistischen Sozialisierung mit sich? Sei sozusagen geographisch kontaminiert? Und belegt eine Polemik der FAZ irgendwie die Richtigkeit der Polemik von Scherrer? «Die haben auch gesagt», wie tief kann einer sinken.

Nachdem sich Scherrer so übel wie oberflächlich an Friedrich abgearbeitet hat, kann er sich am Schluss einen Schlenker in die Nähe nicht verkneifen. Nach Friedrich muss natürlich noch der zweite Verleger hinhalten, dessen Haltung Scherrer überhaupt nicht passt. So werde «berechtigte Kritik an westlicher Machtpolitik» als Vorwand genommen, «um diktatorische Regime zu verteidigen. Zu sehen ist das im Magazin «Weltwoche», das wiederholt Putins Verbrechen relativiert und «Journalismus» im Sinne der KP Chinas betrieben hat. Ähnlich wie Holger Friedrich versucht der Verleger Roger Köppel solche Beiträge zu rechtfertigen, indem er betont, man müsse auch «andere Sichtweisen» zulassen».

Versucht zu rechtfertigen? Wieso versucht? Scherrer selbst hingegen hat das nicht nötig. Er antwortet erst mal gar nicht auf Anfragen von ZACKBUM, womit er natürlich seine überlegen-liberale Haltung zum Ausdruck bringt.

Die NZZ bleibt weiterhin ein Leuchtturm im deutschsprachigen Journalismus. Allerdings häufen sich doch die blinden Flecken auf der Linse. Qualitätskontrolle, Ausgewogenheit, der Versuch, auch abweichenden Meinungen oder Positionen wenigstens gerecht zu werden, andere Meinungen zuzulassen und kritisch zu würdigen – das ist Scherrers Sache nicht.

Die «Berliner Zeitung» hingegen hat eine Einrichtung, die auch der NZZ zur Ehre gereichen würde:

Der NZZ kann man hingegen nicht vorwerfen, dass sie deutlich abweichende Meinungen zu Wort kommen lassen würde. ZACKBUM kann dafür aus eigener Erfahrung Beispiele liefern.

Einbetoniert in Vorurteile und die unfehlbare eigene Meinung dummschwätzen, verbale Gesteinsbrocken aus der Schiessscharte des reinen Gesinnungsjournalismus werfen – was das mit intelligenter Wirklichkeitsbeschreibung zu tun haben soll? ZACKBUM muss sich wiederholen: NZZ, quo vadis?

Häsler sändelet

Der kälteste (und einfältigste) aller kalten Krieger.

Wenn der Oberst und oberste NZZ-Sicherheitpolitiker Georg Häsler seinen Schreibtisch mit dem Kommandopult eines militärischen Oberkommandos verwechselt, hat der Leser zwei Möglichkeiten. Er lacht sich scheckig – oder ärgert sich schwarz.

ZACKBUM versuchte es bereits mit Ironie: Die NZZ hat schon bessere Samstag-Kommentare gehabt. Dieser hier hisst die weisse Flagge vor Logik oder Verständlichkeit. Dass so jemand als Oberst die Schweiz verteidigen soll, das stimmt nicht gerade optimistisch für die Wehrkraft.

Darüber macht sich allerdings auch Häsler Sorgen: «Die Mittel fürs Militär haben jetzt höchste Priorität». Gut, vielleicht sind das tatsächlich sinnvollere Ausgaben als für Bankenrettungen. Ob allerdings die Schweizer Verteidigungsministerin ihrer Aufgabe gewachsen ist, das wäre dann eine andere Frage. Vielleicht sollte man sie durch Häsler ersetzen (vielleicht ist das auch sein geheimer Wunschtraum).

Aber eigentlich hat er mal wieder Alpträume. Das ist bedauerlich, wieso aber die NZZ-Leser auch darunter leiden müssen? Denn Häsler schaut in die Zukunft, und dabei hat er wohl das ikonische Lied von Leonard Cohen gehört: «I’ve seen the future, baby, and it’s murder».

In der Version von Unke Häsler: «Europa 2030: Im schlimmsten Fall verschmelzen die Konflikte zu einem grossen Krieg». Schon vorher ist allerdings ein schlimmer Fall eingetreten: Häsler bekommt über 10’000 A Platz, um Nitro und Glyzerin zusammenzurühren und dann warnend zu sagen: das ist aber explosiv, bevor es wumm macht.

Oder in seinen banalen Worten: «Es ist Krieg in Europa, aber kaum jemand schaut noch hin. Das ist für die weitere Entwicklung gefährlich.» Die ukrainische Offensive sei zusammengebrochen, analysiert der grosse Sandkasten-Stratege, weil der Westen zu wenig und zu spät Material geliefert habe. Was offenbar – ausser Häsler – keinem der Beteiligten rechtzeitig auffiel. Das ist halt das Schicksal von Sandkastenkriegern: sie wüssten kriegsentscheidende Verbesserungen der Strategie – aber keiner hört auf sie.

Vor allem dann nicht, wenn sie ihren Sandkasten auf die ganze Welt ausweiten. Ukraine in der oberen, rechten Ecke. Dann in der Mitte der Nahe Osten. Rechts unten der Iran, der «ist als machtpolitischer Akteur in die Offensive gegangen». Wieso sagt das niemand dem US-Präsidenten oder der israelischen Regierung?

Man muss eben das Auge für das Wesentliche haben, dann sieht man wie Häsler ganz entscheidende Dinge. Wie was? Wie das: «Im östlichen Mittelmeer standen diesen Oktober für kurze Zeit gleich zwei amerikanische Flugzeugträger nebeneinander.» Zwei. Nebeneinander. Im Stillstand. Wahnsinn. Was sagt uns das? Hm, eigentlich nix.

Aber Wasser ist ein wichtiges Stichwort, selbst im Sandkasten: «Räumlich betrachtet, sind gleich drei Meere – die Ostsee, das Schwarze Meer und das östliche Mittelmeer – Schauplatz einer verschärften Konkurrenz zwischen der Nato, Russland und Iran.» Von den Aspekten des Umweltschutzes ist dabei noch gar keine Rede.

Und was passiert bei uns? Das Übliche, das Traurige, das Schreckliche: «Im Westen zersetzt die Innenpolitik die gemeinsame Widerstandskraft.» Wehrkraftzersetzung wagt Häsler nicht zu schreiben, weil zu angebräunt. Aber meinen tut er genau das.

Dann leidet Häsler darunter, woran alle Zukunftsspäher kranken: «Ob es der ukrainischen Armee gelingen kann, vor dem Frühling die Initiative mit einem militärischen Coup wieder zurückzuerlangen, ist schwer zu beurteilen.» Das ist eben das Blöde an der Zukunft: sie ist so verdammt schwer zu beurteilen, im Gegensatz zur Vergangenheit.

Und was machen die USA? Tja: «Zusätzlich zur militärischen Machtdemonstration legt Washington das ganze diplomatische Gewicht in die Waagschale und versucht auszugleichen.» Ob das gut oder schlecht sei, dazu masst sich Häsler für einmal kein Urteil an. Seltene Bescheidenheit, denn das ist ja nur die Einleitung zu einem Sturmangriff auf die Zukunft: «Die Szenarien, wie sich die Lage unmittelbar entwickeln könnte, müssen laufend geschärft werden. Die folgenden Möglichkeiten sind auf das europäische Umfeld und einen Zeithorizont von zehn Jahren begrenzt».

Immerhin, er beschränkt sich weise, beginnt aber mit einem Schreckensszenario und einem Fremdwort: «Amalgamierung der regionalen Kriege und Konflikte zu einem grossen Krieg autoritärer Kräfte unter der Führung von Russland gegen die Nato.»

Mindestens so schrecklich: «Russland gewinnt: Muss die Ukraine auch nur temporär auf die besetzten Gebiete verzichten, hat sich in Europa die militärische Gewaltanwendung als machtpolitisches Mittel wieder durchgesetzt.»

Am wenigsten schrecklich: «Die Ukraine gewinnt: Das beste Szenario würde die Resilienz der westlichen Welt gegenüber der autoritären Konkurrenz insgesamt stärken.» Resilienz! Leider verzichtet Weltstratege Häsler darauf, etwas militärisch Banales zu tun: was hiesse denn «Ukraine gewinnt» konkret? Rückeroberung aller Gebiete? Inklusive Krim? Da bleibt das Orakel leider dunkel.

Aber dunkle Prognosen sind natürlich immer verfühererischer als helle. Nach kurzem Geeier geht Häsler in die Vollen:

«Im schlechtesten Fall gerät die Lage eruptiv ausser Kontrolle. Eine Eskalation zu einem Grosskrieg, bei dem gleich an mehreren Fronten immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Aggressoren und dem Westen stattfinden, ist denkbar, falls eine der Ereignisketten nicht mehr kontrolliert werden kann. Der Auslöser könnte auch an einer dritten Front stattfinden, etwa durch eine Unabhängigkeitserklärung der serbischen Entität Bosniens oder einen Sabotageakt an einer kritischen Infrastruktur, der eine Strommangellage in Europa verursachen würde.»

Da müssten wir uns warm anziehen; schlimmer noch: «Die europäischen Streitkräfte wären ohne die USA für dieses düsterste Szenario nicht bereit.» Aber schön, dass die USA doch in der NATO sind und damit einen Bestandteil der europäischen Streitkräfte unter einem gemeinsamen Oberkommando bilden.

Nun öffnet Häsler zum Schluss das Kampffeld nochmal ganz weit und schweift in die ferne: «Gerade mit Blick auf die Herausforderungen im Pazifik und die wachsende Konkurrenz mit China sollten auch die Europäer mithelfen, die Konflikte in ihrem Umfeld zu klären.»

Wie das? «Der Einsatz muss erhöht werden, damit ein grosser Krieg verhindert werden kann.» Den Einsatz erhöhen? Sitzt Häsler nun plötzlich nicht mehr vor dem Sandkasten, sondern vor dem Roulettetisch? Alles nur eine Frage des Einsatzes, und «faites vos jeux»?

Es ist alles ja nur eine Spielerei, mit militärischen Ausdrücken garniertes Geplauder über eine Zukunft, die so sein könnte. Oder ganz anders. Oder wie auch immer. Schwarz gewinnt. Oder Rot. Oder Zero. Die Kugel rollt, und niemand kann sie aufhalten. Was für ein gequirlter Nonsens, den die NZZ hier ihren Lesern serviert.

Selektive Wahrnehmung

Die Qualitätsmedien im weiteren Niedergang.

«Hunderttausende bei propalästinensischer Grosskundgebung in London», berichtet die deutsche «Tagesschau». «Festnahmen in London: 300’000 Menschen bei Pro-Palästina-Demo», berichtet das ZDF. «Hunderttausende Menschen auf propalästinensischer Demonstration», berichtet «Zeit online».

Immerhin: «300’000 Menschen in London bei pro-palästinensischer Demo», berichtet «20 Minuten». Ebenso «watson».

Nun zu den Qualitätsmedien. Tamedia: nichts. NZZ: nichts. CH Media: nichts. «Blick»: nichts. Das Blatt mit dem Regenrohr im Titel macht noch weniger als nichts:

Der Schriftstellerdarsteller hat extra ein noch grimmigeres Foto anfertigen lassen, das nun schwer steigerbar ist.

So grimmig das Antlitz, so grimmig die Worte. Zum Schutz des Lesers sind sie immerhin hinter einer Bezahlschranke verborgen. Aber ZACKBUM kennt keine Furcht: «… unerträgliche, unannehmbare Entwicklung … Was sie zu einer Schande macht … Antisemitismus ist kein Randphänomen … Der Hass auf Juden bietet sich als Lösung an … werden instrumentalisiert zu reinen Stellvertretern eines feindlichen Systems … In den marxistischen Klassikern ist Antisemitismus eine Konstante … üblichen Täter-Opfer-Umkehr … », es ist verblüffend, wie Lukas Bärfuss eine hohle Worthülse auf die andere stapelt, ohne dass es ihm auffällt.

Aber seine Spezialität ist ja das Dunkle, Unverständliche: «Der Begriff «Schulmedizin» ist gang und gäbe und wird nicht nur von Impfgegnern und Homöopathen verwendet, obwohl seine antisemitischen Konnotationen hinlänglich untersucht sind.» Hä? Die Einleitung, um plötzlich gegen Esoterisches, gegen Rudolf Steiner vom Leder zu ziehen: «Die esoterische Praxis kann nicht von der Ideologie getrennt werden. Wer obskure, antisemitisch grundierte Ideen in der Landwirtschaft, in der Kosmetik oder bei der Erziehung seiner Kinder gutheisst, wird sie in der Politik nicht von vornherein zurückweisen.» Hä?

Noch schräger wird es, wenn die Karikatur eines Schriftstellers sich mit der Sprache beschäftigt, die er konsequent misshandelt, missbraucht, quält: «Die deutsche Sprache ist versetzt mit Begriffen, die sich gegen jüdische Menschen richten. «Mauscheln» und «schachern» gehören dazu. Auch hier braucht es Aufklärung – und sie muss stetig, nachhaltig und unaufhörlich sein.»

Vielleicht sollte sich Bärfuss mal mit dem Begriff Etymologie vertraut machen, aber das ist für einen so grimmig dreinschauenden Menschen wohl auch schon irgendwie antisemitisch.

Hat der Büchner-Preisträger eigentlich auch Lösungsvorschläge? Aber ja, einen sehr praktikablen sogar:

«In einer Demokratie hat niemand das Recht, auf den Staat, auf die Wirtschaft, auf die Institutionen zu warten. Das Einschreiten gegen Judenhass ist Bürgerpflicht. Wer Antisemitismus sieht oder hört, muss einschreiten, laut werden, Solidarität zeigen – und zwar jetzt, hier, immer.»

Einschreiten, laut werden, Solidarität zeigen. Da ist ZACKBUM aber mal gespannt, wie das geht, wie das von Bärfuss selbst praktiziert wird. Wer ihn beim Einschreiten, Lautwerden oder Solidaritätzeigen beobachtet, bitte sofort an ZACKBUM melden.

Wirtschaftsschwache CH Media

Das grosse Rausschmeissen geht weiter.

Frohe Weihnachten auf Unternehmerart wünscht auch der Wanner-Clan seinen Mitarbeitern. 150 Stellen werden schon im ersten Quartal 2024 abgebaut.

Denn, konnte ja keiner kommen sehen, es gebe Umsatzeinbussen in den «Kernmärkten» Entertainment und Publishing. Erstaunlich, denn in den letzten Jahren hat CH Media in einem eigentlichen Kaufrausch das Joint Venture mit der NZZ beendet, indem es deren Anteile übernahm. Und auf elektronischem Gebiet so ziemlich alles aufgekauft, was einen Sendemast hat.

Und nun? Michael Wanner, der noch nicht so alte CEO, darf exklusiv in persoenlich.com die Chose erklären, ohne Angst vor kritischen Nachfragen haben zu müssen. Stattdessen kann er ungestört das übliche Manager-Blabla ablassen:

«Der schwache Geschäftsgang hat sich leider akzentuiert, insbesondere wegen fehlender Werbeeinnahmen im traditionell umsatzstärksten dritten Trimester. Es wäre fahrlässig, jetzt nicht zu reagieren.»

Natürlich kommen den Wanners fast die Tränen auf ihrem Schloss, wenn sie an die Mitarbeiter denken: «… bedaure diesen Schritt ausserordentlich … leider keine andere Wahl … finanzielle Performance ist entscheidend, um weiter in die Zukunft investieren zu können …»

Aha. Oder könnte es daran liegen, dass in der Vergangenheit zu viel investiert wurde? Niemals: «Die getätigten Investitionen, etwa in die 3+ Gruppe, in die Radio-Stationen oder Watson haben unser Portfolio ideal ergänzt.» Grossartig ist auch diese Leerformel:

«Wir sparen uns nicht blind in die Zukunft.»

Hier verkündet Wanner so nebenbei ein kleines Wunder. Er kann in die Zukunft sehen. Das mag die rund 2000 Mitarbeiter beruhigen. Obwohl die nicht in die Zukunft sehen können, aber noch vor Weihnachten erfahren werden, wen’s lupfen wird und wen nicht.

Besonders traurige Weihnachten wird es dabei für einen ganz spezifischen Typus von Mitarbeiter geben. Der ist über 50 Jahre alt, aber noch nicht im Frühpensionsalter. Dennoch aber durch diverse Lohnerhöhungen aus den besseren Jahren viel zu teuer im Vergleich zu einem Kindersoldaten. Der sich zudem viel gelenkiger in den sozialen Medien und modernen Kommunikationswegen auskennt als der Oldtimer.

Aber selbst mit Ü-55 ist es bis zur Frühpensionierung doch noch zu weit hin. Was tun stattdessen? Nun, mit Fassung tragen, dass der Weg in die Sozialhilfe vorgezeichnet ist. Aber als Trost hilft sicher: so können die Wanners in ihrem Schloss mehr als ein Cheminée gleichzeitig anzünden, der Pflege des Weinbergs muss es an nichts mangeln, und die nächste Generation darf weiterhin frohgemut, aber nicht sonderlich kompetent vor sich hinwerkeln.

Michael Wanner war erst diesen Frühling als neuer CEO angetreten, nachdem sich das Haus Wanner eher ruppig vom erfolgreichen Vorgänger Axel Wüstmann getrennt hatte. Mit dem hatte man zunächst einen Friede-Freude-Eierkuchen-Ab- und Übergang kommuniziert. Und dann, zack, «einigte» man sich darauf, «die Zusammenarbeit per sofort» zu beenden.

Lustige Begründung: «Nun sind beide Seiten zur Einsicht gelangt, dass es für die Unternehmung und für die Mitarbeitenden besser ist, wenn der Übergang zur neuen Führung schneller vonstattengeht.» Dieser Übergang ging dann allerdings so schnell vonstatten, dass es zwischen November ’22 und Frühling ’23 eine Übergangslösung in Form des COO brauchte.

Oder mit anderen Worten: es krachte kräftig im Gebälk, weil Wüstmann mit seiner Kritik am Kaufrausch nicht hinter dem Berg gehalten hatte. Und nun muss Wanner Junior gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit den Mitarbeitern die Schrumpfkur verkünden.

So zu investieren, dass damit tatsächlich gesteigerte Wertschöpfung betrieben werden kann (oder zumindest das bisherige Niveau gehalten wird), das war dem Wanner-Clan nicht möglich. Erfolgreicher Kritiker weg, stattdessen entscheiden die Familienbande – man müsste blind sein, um nicht eher dunkelgrau in die Zukunft von CH Media zu schauen.

Das Logo des Medienhauses zieren vier, nun ja, Punkte oder Kreise. Angesichts von vier Wanners kursiert unter den Angestellten eine Interpretation, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

 

Wirtschaftsschwache NZZ

Schluderei auch bei der alten Tanten. Gerade in ihrer Kernkompetenz …

Es gibt vier Gründe, die NZZ zu lesen. Die Ausland- und Wirtschaftsberichterstattung. Das Feuilleton und ihre Fähigkeit, immer wieder abseitige, aber interessante Themen intellektuell anspruchsvoll aufzugreifen.

Spätestens seit dem Ukrainekrieg schwächelt die NZZ allerdings bei der Auslandberichterstattung. Sie lässt ihrem Auslandchef zu viel Spielraum, seine Sandkastengeneral-Fantasien auszuleben und mit barschen Worten einseitig Partei zu ergreifen. Bedauerlich.

Dass die NZZ sich bemüht, die Interessen des Finanzplatzes Schweiz zu vertreten und zu verteidigen, wohlan. Peinlich wird’s allerdings, wenn sie dabei fachliche Lücken offenbart. Konkret geht es um die Nachbereitung des skandalösen Abschreibers von Kreditinstrumenten im Nennwert von 16 Milliarden Franken, als die Credit Suisse mit Notecht an die UBS verscherbelt wurde.

Das war begleitet von einem Schnäppchenpreis von 3 Milliarden, Staatsgarantien in der Höhe von 259 Milliarden Franken und als Sahnehäubchen der durch die Bankenaufsicht FINMA angeordneten Ausradierung von begebenen Schuldpapieren in der Höhe von 16 Milliarden Franken.

Kurz zur Erklärung: das sind sogenannte AT 1 Bonds, ein von europäischen Regulatoren erfundenes Gebasteltes, das das Eigenkapital von Banken steigern soll. Konkret sind das hochverzinste Obligationen, die unter bestimmten Bedingungen zwangsweise in Eigenkapital, also Aktien, umgewandelt werden – oder abgeschrieben.

Ob in diesem Fall die Voraussetzungen dafür erfüllt waren oder nicht, darüber ist ein weltweiter Streit ausgebrochen, da die Käufer dieser Schuldpapiere selbstverständlich nicht einfach zuschauen, wie ihnen Milliarden abgeknipst werden. Es deutet vieles darauf hin, dass die in den Ausgabeprospekten genannten Bedingungen (Trigger) nicht erfüllt waren, die einen solchen Totalschaden auslösen könnten. Das wird in teuren und langjährigen Gerichtsverfahren in der Schweiz, in den USA, in England, Japan und vielen anderen Ländern der Welt geklärt.

Nun meldet sich die alte Tante mit etwas zu Wort, das sie gerne als «ordnungspolitischen Zwischenruf» etikettiert. Oder auf Deutsch: wir sagen mal, was Sache ist. Dazu meldet sich Flamm Mordrelle zu Wort, «seit Herbst 2022 befasst er sich im Wirtschaftsressort mit der Finanzindustrie und Anlagethemen».

Das tut nun weder der Finanzindustrie, noch Anlagethemen wirklich gut. Er fängt noch ganz vernünftig mit einer Beschreibung der Affäre an:

«Die Besitzer von sogenannten AT1-Anleihen der CS haben durch die Rettungsaktion alles verloren: Die CS musste die Anleihen auf Geheiss der Finanzmarktaufsicht (Finma) vollständig abschreiben. «Wertpapiere» im Umfang von 16 Milliarden Franken wurden dadurch wertlos. Diese Gläubiger, darunter Pensionskassen, Family-Offices und Privatanleger, wurden im Zuge der CS-Rettung finanziell somit am härtesten getroffen

Damit wurde die übliche Reihenfolge beim Bluten auf den Kopf gestellt. Denn die Aktionäre kassierten immerhin noch 3 Milliarden, während Obligationäre in die Röhre schauen mussten. Das habe weltweit grosses Gebrüll ausgelöst, schreibt Mordrelle noch richtig. Die Begründungen für diese Massnahme durch die Bankenaufsicht FINMA seien eher schwach, stellt er dann fest. Um sich in der Definition dieser AT1 Bonds dann zu vergaloppieren:

«Fällt das Kapital einer Bank unter eine bestimmte Marke, werden sie abgeschrieben und stärken so das Eigenkapital.»

Das ist höchstens halb richtig, denn normalerweise werden sie in Eigenkapital zwangsgewandelt. Auslöser für einen Abschreiber kann nur eine staatliche Nothilfe oder ein unter eine genau definierte Schwelle gefallenes Eigenkapital sein. Dazu schreibt der NZZ-Journalist wieder richtig: «Im Fall der CS war das Kapital aber bis am Schluss stets ausreichend

Er drückt sich aber um die auf der Hand liegende Schlussfolgerung: war das so (und es gab auch keine Notrettung durch den Staat; wie sagte die Finanzministerin Karin Keller-Sutter so unsterblich ungeschickt: «this is not a bail-out»), dann sind die beiden möglichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen.

Damit kommen nun Milliardenforderungen auf die Schweiz zu. Auf die Schweiz? Auf den Schweizer Steuerzahler, der mittels Staatshaftung dafür geradestehen muss. Wieder richtig lamentiert Mordrelle: Die Berner Beteiligten «nahmen in Kauf, dass der AT1-Markt – ganze 275 Milliarden Dollar gross – in die Krise gestürzt wird und der Ruf des Schweizer Finanzplatzes als sicherer Hafen weiter leidet».

Ob es der UBS weiterhin gelingen wird, sich aus diesem Schlamassel herauszuhalten (sie machte nicht zuletzt wegen diesem Abschreiber einen ungeheuerlichen Sondergewinn von 29 Milliarden Dollar in einem Quartal), ist auch eine interessante Frage.

Dann setzt Mordrelle aber zur Verteidigungsrede an: «Mitleid mit den professionellen Investoren ist indes fehl am Platz. Sie haben vielmehr schmerzlich erfahren, was für ein Risiko mit einem Coupon von bis zu 9,75 Prozent im Jahr für bestimmte AT1-Bonds der CS einherging. Solche Renditen erhält man nur, wenn man substanzielles Risiko übernimmt. Von einem professionellen Investor darf man erwarten, dass er den Emissionsprospekt genau liest

Hier macht er gleich zwei Denkfehler. Natürlich haben die professionellen Investoren die Emissionsprospekte genau gelesen. Sie konnten aber nicht damit rechnen, dass der Bundesrat per Notrecht versucht, dort enthaltene Definitionen im Nachhinein umzubiegen, bzw. zu erweitern. Ihnen mangelhafte Sorgfalt vorzuwerfen, ist etwa so absurd, wie wenn ein sich an die Geschwindigkeitslimite 50 haltender Automobilist eine Busse bekommt: die Höchstgeschwindigkeit sei halt im Nachhinein auf 30 runtergesetzt worden, ätsch. Von einem professionellen NZZ-Journalisten darf man erwarten, dass er das Verbot rückwirkender Änderungen von Ausgabeprospekten kennt.

Zum zweiten wurden diese AT1 Bonds, nicht zuletzt von Schweizer Banken, auch Kleinanlegern mit einer Stückelung von lediglich 5000 Franken ins Portefeuille gelegt.

Und am Schluss verschreibt sich Mordrelle dann ganz dem Prinzip Hoffnung: «Eine gerichtliche Klärung der Gläubigeransprüche ist auch aus diesem Grund angezeigt. Investoren wissen dann, woran sie sind. Die Schweiz wiederum könnte sich vom Image der Bananenrepublik, das ihr die geschädigten Gläubiger verpasst hatten, befreien – falls die Klagen auch wirklich abgelehnt werden

Hoppla. Damit räumt er indirekt ein, dass die Schweiz eine Bananenrepublik sei, sollten die Klagen erfolgreich sein. Die Schweiz als mögliche Bananenrepublik, sagt die NZZ. Unglaublich, aber wahr. Leider ist’s auch dort mit der Qualitätskontrolle vor Publikation nicht immer zum Besten bestellt.

Neues von der Verschlüsselung

Dafür liebt ZACKBUM mal wieder die NZZ.

Kryptologie ist ein faszinierendes Gebiet. Seit dem Austausch von Botschaften kämpfen zwei Gruppen gegeneinander. Die einen entwickeln Geheimcodes, mit denen sie Nachrichten verschlüsseln. Die anderen versuchen, diese Codes zu knacken.

Über die Jahrhunderte entwickelten beide Seiten immer raffiniertere Methoden. Aber eines blieb sich gleich: hatten die Codierer eine neue Methode ausgetüftelt, dauert es nicht allzu lange, bis die Codeknacker gleichzogen.

Ein zentrales Problem bei der Verschlüsselung von Nachrichten ist der Schlüssel. Hört sich banal an, ist aber wirklich heikel. Denn die beste Verschlüsselung nützt nichts, wenn der Empfänger die Nachricht nicht entschlüsseln kann. Dafür braucht er aber den Schlüssel. Und in der Zustellung liegt die grosse Gefahr, dass der Schlüssel abgefangen wird. Oder die Verschlüsselungsmaschine in den Besitz des Feindes gerät. So wie das bei der deutschen Enigma der Fall war.

Deren Entschlüsselung war übrigens eine der Geburtsstunden des Computers, entwickelt vom genialen englischen Mathematiker Alan Turing. Sein Land dankte es ihm schlecht, aber das wäre eine andere Story. Turing entwickelte übrigens auch den heute noch angewendeten Turing-Test. Der misst, wie weit die Entwicklung von KI bereits fortgeschritten ist. Der Test ist einfach: wenn ein Mensch nach einer Konversation im üblichen Rahmen nicht mehr sagen kann, ob er mit einem anderen Menschen oder mit einem Computer gesprochen hat, dann ist die KI auf menschlichem Niveau angelangt.

In den 70er-Jahren wurde das Problem der Übermittlung eines Schlüssel elegant gelöst, durch die sogenannte asymmetrische Verschlüsselung. All das erklärt die NZZ ziemlich gut und grafisch schön aufbereitet in einem Artikel. Dazu muss man noch wissen, dass die Methode zur Verschlüsselung seit längerer Zeit die gleiche ist. Um einen Schlüssel herzustellen, multipliziert man zwei gigantische Primzahlen. Aus dem Ergebnis diese beiden Primzahlen zu extrahieren (der Schlüssel), das ist lustigerweise etwas, wofür es noch keinen schnellen Algorithmus gibt.

Man kann den Code zwar mit dem Einsatz brutaler Rechenpower eines Supercomputers knacken, aber das dauert. Das kann Monate, gar Jahre dauern, und der Aufwand, um am Schluss eine geheime Mitteilung lesen zu können, ist gigantisch und letztlich unsinnig. Mit zunehmender Rechenleistung der Computer wurden einfach die Primzahlen vergrössert, Problem gelöst.

Bis der Quantencomputer nicht nur eine theoretische Möglichkeit wurde, sondern real zu existieren begann. Wie der funktioniert, das wäre wiederum einen komplexen Exkurs wert. Entscheidend hier ist: wenn herkömmliche Supercomputer für eine komplexe Berechnung viele Jahre brauchen, schafft das ein Quantencomputer in wenigen Sekunden.

Man sieht das Problem. Sobald Quantencomputer in der Lage sind, komplexe Zahlen in ihre Primfaktoren zu zerlegen, kommt der sogenannte Q-Day. Damit verschlüsselte Botschaften sind innert nützlicher Frist entschlüsselbar.

Schluck.

Das dauert zwar noch ein Weilchen, ist aber absehbar. Damit wären dann alle Botschaften, von der Übermittlung der Kreditkartennummer bis zu hochgeheimen militärischen oder geheimdienstlichen Informationen, einsehbar.

Was tun? Da gibt es zurzeit zwei Schulen. Die eine setzt darauf, neue Algorithmen zu entwickeln, die auch von Quantencomputern nicht zu knacken seien. Die andere Schule sagt, dass das die Weiterentwicklung dieser Computer nicht genügend berücksichtige. Also stattdessen direkte Quantenkryptografie. Die beruht dann auf dem Quantenparadox. Das bedeutet, dass man dafür verwendete Photonen nicht abfangen kann, ohne ihre Polarisation zu ändern. Womit sie unbrauchbar zur Entschlüsselung werden.

In der Kryptografie verwendet man seit Urzeiten drei Figuren, um die Übermittlung einer Nachricht und deren Gefährdung zu symbolisieren. Alice möchte jeweils Bob etwas mitteilen. Und die böse Eve möchte diese Mitteilung mitlesen. Wie man sieht, ist hier die genderkorrekte Sprache noch nicht angekommen.

Es sieht ganz so aus, als ob sich die Verschlüssler etwas zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben. Mit der asymmetrischen Verschlüsselung haben sie das Problem der abfangbaren Übermittlung des Schlüssel gelöst. Mit der Verwendung immer grösserer Primzahlen haben sie zwar keine absolut unknackbare Verschlüsselung geschaffen, aber einfach die Zeit ins Absurde verlängert, die ein Computer bräuchte, um die Botschaft zu entschlüsseln.

Das ist natürlich viel banaler als Verschlüsselungen zu Zeiten eines Sherlock Holmes, der noch mit reiner Deduktion und überlegener Logik die «tanzenden Männchen» als Geheimbotschaften enttarnen konnte. Aber es war eigentlich absehbar, dass die Rechengeschwindigkeit von Computern nicht ewig nur linear oder geometrisch zunehmen würde, sondern – im wahrsten Sinne des Wortes – dann auch mal einen Quantensprung macht.

Solche wichtigen Themen kompetent und auch für den Laien verständlich aufzubereiten, dafür gebührt der NZZ mal wieder ein grosses Lob.

NZZ: Es darf gelacht werden

Das Blatt verliert Mass und Mitte und macht sich lächerlich.

Ob die von allen einmal angehimmelte Greta Thunberg, die grosse Ikone der Klimabewegung, gut beraten war, sich in den Nahost-Konflikt einzumischen («Stand with Gaza») ist tatsächlich eine berechtigte Frage.

Dass «Fridays for Future International» ihr Kernthema verlässt und gerne scharfe Israelkritik äussert, ist auch bedenklich. Ob das schon antisemitismuskeulenwürdig sei, ist die Frage. Entsprechende Posts haben sicherlich Anklänge an Verschwörungstheorien und sind etwas wirr: «The western media is capitalizing the sh*t out of the ongoing genOzide in gaza

Nun greift Alexander Kissler, Redaktor der NZZ in Berlin, zum verbalen Zweihänder; damit inzwischen in bester Tradition seines Blatts. Er fordert die führende deutsche Klimaaktivistin ultimativ auf: «Luisa Neubauer muss sich im Namen ihrer deutschen Mitstreiter von der Dachorganisation lossagen.»

Denn: ««Fridays for Future International» ist eine linksextremistische Organisation geworden, die den Klimaschutz als Hebel benutzt, um gegen den Westen, gegen die Marktwirtschaft und gegen Israel hetzen zu können. Da genügt es nicht, wenn sich die deutsche Organisation in ermüdender Vorhersehbarkeit abgrenzt.»

Vielleicht sollte Kissler erst mal sich selbst gegen eigene frühere Aussagen abgrenzen. So schrieb er 2014 in der Politpostille «Cicero»: «Die Kommentatoren sind sich einig: Sibylle Lewitscharoff habe in Dresden eine menschenverachtende Polemik gehalten. Nein, es war eine poetische Rede nach allen Regeln der Kunst.»

In dieser «poetischen Rede» geriet die inzwischen verstorbene Lewitscharoff völlig von der Rolle, wird aber von Kissler zustimmend zitiert: «Horror sah sie bei den „Methoden, auf künstlichen Wegen eine Schwangerschaft zustande zu bringen“, ja „abscheulich“ seien diese. Weil ihre Abscheu in solchen Fällen größer sei als ihre Vernunft, nannte sie Menschen, die auf solche Weise im Labor entstanden sind, „zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas“ ». Das habe sie dann später zurückgezogen, kommentiert Kissler fast bedauernd.

Dass sich die irrlichternde Dame auch für ein «Onanieverbot» ausgesprochen hatte, das waren alles Mosaiksteine, um diese Rede als geistige Entgleisung zu verurteilen, nicht als «allen Regeln der Kunst» entsprechend zu lobhudeln. Auch den absurden Prunk des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz, der zu dessen Entbindung von seiner Position führte, interpretierte Kissler als «Hatz auf Tebartz», die obszönen Kosten eines von Tebartz errichteten sakralen Baus war für Kissler lediglich eine «Provinzposse».

Und so jemand fordert nun von Neubauer ultimativ nicht nur klare Worte, sondern auch eine Abspaltung des deutschen Ablegers von «Fridays for Future International». Auch zu Thunberg selbst findet Kissler klare Worte: «Thunbergs fahrlässige Identifikation mit der «Free Palestine»-Bewegung, auf einem von ihr geteilten Foto zudem unter Verwendung einer als antisemitisch deutbaren Krake, lässt die Bewegung implodieren.»

Antisemitisch deutbare Krake? Der Mann hat doch – mit Verlaub – einen an der Waffel. Um in seinem altestamentarischen Duktus zu bleiben: er sieht den Splitter im Auge des anderen, aber den Balken im eigenen nicht. Dabei müsste er sich doch nur an seinen eigenen Satz gegen Schluss dieses masslosen Sirachens halten: «Jeder Diskurs ist immer so gut wie die Menge an begründeten Gegenmeinungen, die er einbindet

Gute Formulierung. Messen wir sein Geschreibsel daran. Begründete Gegenmeinungen in seinem Diskurs? Null. Wert: null. Eigentlich unter null. Denn er polemisiert nicht nur, sondern versteigt sich zu harschen Befehlen, was andere tun und lassen sollte.

So weit würde ZACKBUM nie gehen. Aber sagen wir mal so: die NZZ wäre gut beraten, solche kreischigen Kommentatoren mit dubioser Vergangenheit etwas zurückzubinden. Sie muss sich ja nicht gleich von ihnen distanzieren …