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Ende der grossen Illusion

Wenn Schreibkräfte den Rückzug antreten.

Eines muss man der deutschen Kriegsgurgel Strack-Zimmermann, die so redet wie sie heisst, lassen: sie bleibt sch treu. Waffen Waffen, noch mehr Waffen, gerade jetzt Waffen, Marschflugkörper, noch nie war es so wichtig wie heute, Blabla.

Allerdings ist das Flintenweib von der FDP eher ein Angstbeisser. So keifte sie Alice Schwarzer an, dass es der egal sei, «dass Frauen in der Ukraine vergewaltigt werden». Die «Zeit» schlug darauf ein Streitgespräch vor; Schwarzer willigte sofort ein, Strack-Zimmermann kniff feige.

Währenddessen leiten einige Schreibkräfte bereits den mehr oder minder geordneten Rückzug ein. Es dämmert ihnen, dass selbst mit Milliardenunterstützung ein militärischer Zwerg wie die Ukraine auf Dauer nicht gegen einen Goliath wie Russland militärisch standhalten, geschweige denn gewinnen kann.

All die Trottel, die in der Vergangenheit den schnellen Sieg der Ukraine, die Niederlage der angeblich völlig demoralisierten, von Waffen- und Nahrungsnachschub depravierten russischen Armee prognostizierten, murmeln höchstens noch Durchhalteparolen, hoffen auf ein Wunder und beginnen opportunistisch, angeblich unrealistische Kriegsziele von Selenskyj zu kritisieren. Die sie kurz zuvor noch selbst am Schreibtisch propagierten.

Nicht ungeschickt ist die NZZ: In einem Erklärvideo labert sie über mögliche Endszenarios von Kriegen. Darin kommt ein angeblicher Spezialist zum Fazit: «Ich gehe davon aus, dass es ein langwieriger Konflikt sein wird, dessen Ende noch lange nicht in Sicht ist.» Da muss man lange gegrübelt und studiert haben, um zu dieser luziden Schlussfolgerung zu gelangen.

Das ganze Gequatsche kann man sich auch sparen; die Lektüre der zehn Thesen «Über Kriege und wie man sie beendet» von Jörn Leonhard genügt völlig. Entweder kennen die Pascal Burkhard und Isabelle Pfister nicht, oder sie wollen dieses Herrschaftswissen für sich behalten.

Es ist erstaunlich, wie lange wider jede Vernunft und Wirklichkeit Sandkastenspiele zur Ergötzung des Publikums aufgeführt wurden (und immer noch werden). Es gibt bis heute Anhänger der Phlogiston-Theorie. Es gibt Menschen, die sich frei bewegen können, die fest davon überzeugt sind, dass die Erde eine Scheibe ist und vor ungefähr 7000 Jahren aus dem Nichts geschaffen wurde.

Es gibt auch Anhänger der QAnon-Sekte, Menschen die fest davon überzeugt sind, dass finstere Gestalten einen Masterplan zur Weltbeherrschung verfolgen und schwarze Helikopter zur Bekämpfung tapferer Widerstandskräfte eingesetzt werden.

All das gibt es, und ihre Anhänger sind, scheut jemand den Aufwand nicht, der Lächerlichkeit preisgegeben. Aber niemand macht sich wirklich über all die Heerscharen von Militärexperten und Dummschwätzern lustig, die Jahr und Tag behaupten, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könne, am Gewinnen, der Zusammenbruch der russischen Truppen, der Wirtschaft, ja des Putin-Regimes nur noch eine Frage der Zeit sei.

Sucht man in der SMD nach den Stichworten Ukraine und Sieg, bekommt man fast 35’000 Treffer aus den letzten zwei Jahren. Inzwischen sagt der französische Präsident Macron, der den Einsatz seiner Truppen in der Ukraine nicht mehr ausschließen will: «Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen». Zurück zu den Zeiten, als wünschen noch geholfen hat.

Das Gedöns all dieser vermeintlichen Militärexperten hat für sie einen grossen Vorteil: es ist völlig haftungsfrei. Hat der Sandkastengeneral seine Zinnsoldaten in den Sand gesetzt, hat er einfach keine Lust mehr, weiter Kriegerlis zu spielen. Nie käme es ihm in den Sinn, für seine Fehlanalysen Verantwortung zu übernehmen. Das gilt auch für das Pfeifen im Wald angesichts der sicheren Nominierung von Donald Trump als Präsidentschaftskandidat.

Aber immer, wenn man denkt, primitiver, dümmer, einseitiger und realitätsferner geht es nicht mehr, kommt einer um die Ecke und beweist das Gegenteil.

Immerhin, den arglosen Leser schützt die Bezahlschranke.

ZACKBUM wäre für eine völlige Demilitarisierung der Mainstreammedien. Oder für einen totalen Reset. Gebt doch neuen Kräften die Chance, sich auch zu blamieren!

Rechtsverluderung

Amateure am Gerät, auch in den Medien.

Die hochwohllöbliche NZZ trötet: «Das Obergericht bestätigt, dass keine Verjährung eintritt.» Das wüsste das Obergericht aber. Denn es hat den Fall wieder bei der Staatsanwaltschaft rechtshängig gemacht. Und während deren Walten laufen selbstverständlich die Verjährungsfristen. Einleitend schreibt André Müller wichtigtuerisch, dass das Obergericht diese vernichtende Klatsche «auf Anfrage bestätigt». Also hat er angefragt, weil er offenbar weder die Medienmitteilung noch das Urteilsdispositiv einsehen konnte, obwohl das öffentlich erhältlich ist. Zählen kann er nebenbei auch nicht, die Begründung umfasse 40 Seiten, behauptet er, es sind aber 38.

Immerhin 173 Treffer erzielt man in der Datenbank SMD, wenn man am aktuellen Tag mit dem Stichwort Vincenz sucht. Natürlich sind viele Mehrfachtreffer dabei, da die Schweizer Medienlandschaft der Tageszeitungen im Wesentlichen von zwei Kopfblattsalaten bespielt wird. Aber immerhin, der Fall ist wieder präsent.

Mit solchen Schludrigkeiten und Merkwürdigkeiten ist er nicht alleine. Die geohrfeigte Staatsanwaltschaft kann’s nicht lassen und will beim Bundesgericht Beschwerde gegen diesen Entscheid einlegen. Die entspricht allerdings überhaupt nicht dem Bild, das NZZ-Müller von ihr malt:

«Bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich arbeiten schliesslich keine Anfänger. Es handelt sich, was den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität anbelangt, um die wohl kompetenteste und am besten ausgerüstete Strafverfolgungsbehörde der Schweiz

Vielleicht sollte man seinem Kurzeitgedächtnis auf die Sprünge helfen und ihn daran erinnern, dass diese unglaublich kompetente Strafverfolgungsbehörde schon den Prozess gegen die Verantwortlichen für das Swissair-Debakel in den Sand setzte. Er endete mit Freisprüchen für alle auf ganzer Linie.

Völlig absurd ist dann Müllers Schlussfolgerung: «Zweitens zeigen Verfahren wie der Vincenz-Prozess der Schweizer Öffentlichkeit, dass der Staat den Kampf gegen Wirtschaftskriminelle ernst nimmt.» Ach ja? Indem er sich komplett lächerlich macht, vertreten durch eine unfähige, stümperhafte, überforderte Staatsanwaltschaft?

Auch der «Ressortleiter Wirtschaft» Ulrich Rotzinger vom «Blick» glänzt durch juristische Kernkompetenzen: «Die angelasteten Vergehen verjähren durch die Verzögerung auch nicht.» Er watscht dann noch das Bezirksgericht ab: «Es hätte die Anklageschrift im Plauderton zurückweisen müssen, anstatt das Urteil nonchalant und in aller Schnelle zu fällen.» 9 Monate für die schriftliche Urteilsbegründung auf 1200 Seiten sei nonchalant in aller Schnelle? Was ist dann für diesen Mann langsam?

«20 Minuten» versichert sich der Fachkenntnis eines Anwalts, der gerne die Gelegenheit benutzt, seinen Namen in den Medien zu sehen, indem er das wiederholt, was im Beschluss des Obergerichts steht – und was man auch einfach dort hätte abschreiben können.

Auch Tamedia schreibt (ab), dass es sich bei dem Beschluss des Obergerichts um 40 Seiten handle. Hier darf der Anwalt für solche Fälle zu Wort kommen, natürlich der «Professor für Strafrecht und Zivilprozessrecht» Daniel Jositsch. Der glänzt mit Erkenntnissen wie: «Dass eine Anklageschrift zurückgewiesen wird, kommt immer wieder vor, gerade bei solch komplexen Fällen wie diesem». Beruhigt aber: «Mit Ausnahme einer zeitlichen Verzögerung habe der heutige Entscheid des Obergerichts aber keine inhaltlichen Auswirkungen auf das Verfahren.»

Vielleicht zum Mitschreiben für den Professor: Wenn ein Urteil aufgehoben wird und der Fall wieder bei der Staatsanwaltschaft rechtshängig gemacht wird, unterbricht das die Verjährung keinesfalls, da somit kein Urteil vorliegt.

Interessant dann auch diese Formulierung bei Tamedia, die Rechtsexperten Jorges Brouzos und Beatrice Bösiger behaupten: «Laut dem Obergericht können sie jedoch nicht auf eine Verjährung der ihnen vorgeworfenen Taten hoffen. Es stützt sich auf die Rechtssprechung des Bundesgerichtes, wonach auch nach der Aufhebung eines Urteils in der ersten Instanz die Verjährung unterbrochen bleibe.»

Das Obergericht deutet so etwas in seinem Beschluss tatsächlich an. Ob aber das Bundesgericht sich darüber hinwegsetzen will, dass die Aufhebung eines Urteils bedeutet, dass es schlichtweg nicht mehr vorhanden ist? Und wenn die Staatsanwaltschaft neuerlich eine Anklageschrift basteln muss, dabei die Verjährung nicht weiter laufe, wie das zwingend vorgeschrieben ist?

Überboten wird all da nur noch durch die Staatsanwaltschaft selbst. Nach diesem Tritt in die Weichteile sollte sie sich eigentlich in ihre Amtsstuben zurückziehen, Büroschlaf halten und hoffen, dass möglichst schnell Gras über die Sache wächst. Denn was ihr widerfuhr, ist die Höchststrafe, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. und kommt keineswegs alle Naselang vor, wie der Rechtsprofessor behauptet.

Stattdessen kündigt sie nassforsch an, sich beim Bundesgericht zu beschweren. Dabei haben die Oberrichter fast eine Seite in ihrem Beschluss darauf verwendet, der Staatsanwaltschaft haarklein zu erklären, wieso Folgendes gilt: «Der vorliegende Beschluss ist damit aus Sicht des Obergerichts nicht anfechtbar». Die Begründung dafür leuchtet auch einem Laien ein. Dem Staatsanwalt hingegen nicht.

War die als untauglich zurückgewiesene Anklageschrift schon peinlich genug, ist dieses Nachmopsen eigentlich ein Entlassungsgrund.

CH Media stellt immerhin die naheliegende Frage an einen Rechtsanwalt, wie lange es denn nun bis zu einem rechtsgültigen Urteil ab heute dauern werde:

«Vom Zeitpunkt des Einreichens der Anklageschrift an das Bezirksgericht bis heute sind rund dreieinhalb Jahre vergangen. Es muss mit mindestens weiteren vier Jahren gerechnet werden, bis das Obergericht wieder zum Zug kommt. Bis dann eine Verhandlung vor Obergericht durchgeführt ist und ein Urteil schriftlich vorliegt, wird es mindestens zwei Jahre dauern. Dann geht es ans Bundesgericht und dort ist ebenfalls mit mindestens zwei Jahren zu rechnen. Wenn das Bundesgericht einen Entscheid fällt, der das Verfahren abschliesst, rechnen wir also mit rund 8 Jahren. Wenn das Bundesgericht (oder allenfalls sogar bereits das Obergericht) das Verfahren zurückweist, noch einige Jahre länger

Oder auf Deutsch: solange gilt die Unschuldsvermutung. Oder deutsch und deutlich: es ist ein Hohn, eine Verluderung der Rechtsprechung, verursacht durch einen inkompetenten Staatsanwalt, der sich nach bitteren Niederlagen in seinen letzten Fall so verbissen hat, dass er ihn peinlich vergeigte.

Mutige NZZ

Als Longstory handelt das Blatt den Cyberangriff von vor knapp einem Jahr ab.

Das liest man nicht häufig. Ist eine Firma Opfer eines Cyberangriffs geworden, gibt sie normalerweise beruhigende Geräusche von sich und rückt nur so weit mit dem wahren Schaden heraus, wie sie unbedingt muss.

Die NZZ hat einen anderen Weg gewählt und lässt ihren IT-Menschen ein Protokoll des Angriffs krimineller Hacker publizieren. Chapeau. Es ist erstellt, dass offenbar keine politische oder terroristische Absicht dahinterstand.

Hacker haben sich durch einen sogenannten Ransomeware-Angriff Zugang zu den Datenbanken der NZZ verschafft. Da es eine Zusammenarbeit mit CH Media gibt, war auch dieses Medienhaus davon betroffen. Am 24. März hatten die Angreifer zahlreiche IT-Systeme verschlüsselt und damit unbrauchbar gemacht. Dazu gehören die sogenannten «Domain Controller», ohne die praktisch nichts läuft.

Das Vorgehen dieser Hackerbande «Play» ist immer das gleiche. Sie dringen in die IT-Systeme ein, laden vertrauliche Daten herunter und verschlüsseln die Systeme. Für die Entschlüsselung fordern sie Lösegeld, als Druckmittel drohen sie damit, interne Informationen ins Netz zu stellen.

Erste Entscheidung der NZZ: wenn irgend möglich kein Lösegeld bezahlen. Ausser, der Angriff wird zu einer existenziellen Bedrohung. In einer ersten Fehleinschätzung geht die NZZ davon aus, dass die Kriminellen nur rund 5 Gigabyte entwendet hätten, zudem seien diese Daten verschlüsselt.

Nachdem die NZZ nicht reagiert, dringen die Kriminellen am gleichen Tag nochmals in die Systeme ein und verschlüsseln weitere Teile, bis es gelingt, sie auszusperren. Um weitere Attacken zu verhindern, werden die IT-Systeme der NZZ und von CH Media getrennt und der Redaktionsschluss auf 21 Uhr vorverlegt. Gleichzeitig wird fieberbhaft nach dem Einfallstor gesucht.

Drei Wochen vor der Entdeckung hatten die Hacker eine Hintertür eingerichtet. Möglich war das durch eine winzige Sicherheitslücke; das Log-in, das die Gangster verwendeten, war nicht durch eine zweite Authentifizierung geschützt, auf dem entsprechenden Server war zudem die Sicherheitssoftware leicht veraltet.

Die Pause lässt sich so erklären, dass es inzwischen bereits eine Arbeitsteilung zwischen diesen Kriminellen gibt. Ein Händler von Hintertüren verkauft die an andere Gangster weiter.

Nach dem ersten Wüten vergleicht der Verantwortliche für die IT-Infrastruktur deren Zustand mit einem «zerbombten Hochhaus». Noch etwa die Hälfte der Systeme funktioniere, die rote Zone. Der andere Teil muss von Grund auf neu gebaut werden, die grüne Zone. Natürlich werden alle Importe aus der roten Zone sorgfältig kontrolliert.

Zwei Wochen nach dem Angriff findet der Switch auf die grüne Zone statt. Dafür haben die IT-Leute von Gründonnerstag am Abend bis am Nachmittag des Ostermontags Zeit. Ob es klappt? «Wir haben uns tief in die Augen geschaut und gesagt: Lasst es uns wagen!», so schildert es ein Beteiligter.

Es gelingt, der Verantwortliche ändert den Namen des Kanals auf der internen Chat-Plattform von «Cyber Restore Weekend» auf «Cyber Restore Marathon».

Am 12. April erhöhen die Erpresser den Druck, nachdem sie mitbekommen haben, dass die IT-Systeme restauriert sind und laufen. Sie drohen mit der Veröffentlichung interner Daten, Informationen über Projekte und Löhne.

Nun übernimmt die Kantonspolizei Zürich die Verhandlungen. Nicht übers Lösegeld, sondern in der Absicht, den Erpressern auf die Spur zu kommen. Die NZZ muss zur Kenntnis nehmen, dass 800 Gigabyte gestohlen wurden, unverschlüsselt.

Am 3. Mai werden dann unter grossem Medienecho Lohnlisten und andere sensible Daten ins Netz gestellt. Und am 11. Mai werden weitere 500 Gigabyte auf einen Schlag online gestellt. Nun wird das Ganze zu einem internen Problem. Wie informiert man die Mitarbeiter? Welche juristischen Implikationen hat es? Gibt es eine finanzielle Entschädigung (nein).

Damit ist die Attacke für die Kriminellen abgeschlossen, nichts zu holen. Anders für die Betroffenen: «Die privaten Informationen aus ihrem Leben stehen nun öffentlich im Darknet. Jeder kann sie einsehen. Und Cyberkriminelle können diese Informationen verwenden, um zum Beispiel gezielte Phishing-Angriffe durchzuführen. … Die Opfer müssen damit leben.»

 

 

Scharfrichter Scherrer

Der NZZ-Sittenwächter hat wieder zugeschlagen.

Geht’s drum, die Berichterstattung von anderen zu kritisieren, so im Roshani-Skandal, ist Lucien Scherrer mit harschen Urteilen schnell zur Hand. Die eigenen Fehlleistungen übergeht er dabei grosszügig.

ZACKBUM musste ihn schon scharf verwarnen:

Auch die beiden Autoren des NZZ-Artikels, Nadine Brügger und Lucien Scherrer, haben nicht mal den Anstand im Leib, auf einige Fragen von ZACKBUM zu reagieren. Schliesslich haben sie nicht nur Falschinformationen verbreitet, sondern auch unqualifizierte Angriffe auf Konkurrenzorgane oder Personen geführt. So behaupten sie, Canonica und Roshani hätten bis 2021 beim «Magazin» gearbeitet und Daniel Binswanger sei dort stellvertretender Chefredaktor gewesen. Ein einfacher Faktencheck hätte ihnen diese Peinlichkeiten erspart.

Im roten Bereich dreht Scherrer, wenn es gegen alles Rote geht. So wirft er der «Berliner Zeitung» vor, sie werde zur «Peking Rundschau». Denn ihr Herausgeber hatte sich zuschulden kommen lassen, an einer internationalen Konferenz in Peking teilzunehmen – und darüber objektiv zu berichten.

Sein neuster Ausflug in seinen Rotlichtbezirk gilt der Grazer Bürgermeisterin:

Schon im Titel bemüht er sich, das Schimpfwort «Putin-Versteherin» noch zu steigern. Denn so etwas darf es für Scherrer eigentlich nicht geben: «Als Kommunistin mit Herz ist Elke Kahr ein Medienliebling». Da schüttelt es Scherrer, und die NZZ verschwendet wertvollen Platz in ihrem Feuilleton, damit er mal so richtig vom Leder ziehen kann. Polemik ist ja gut, wenn man’s kann. Rüpeleien, Denunziationen und untaugliche Anspielungen sind’s hingegen nicht.

Die «Grazer Bürgermeisterin» falle «mit kruden Aussagen zu Russland auf», behauptet Scherrer. Sie sorge «in Österreich für Irritationen und empörte Reaktionen», behauptet Scherrer. Ja was hat sie denn Furchtbares getan? Sie hat ein interview gegeben und gesagt, dass sie sich nicht anmassen wolle, «darüber zu urteilen, wie Menschen in anderen Ländern leben und ihre Regierungen wählen». Bezüglich des Fehlens freier Wahlen in China sagte sie: «Ja, aber was ist die Alternative? China hat jedenfalls kein anderes Land überfallen und es geschafft, einem grossen Teil seiner Bevölkerung relativen Wohlstand zu verschaffen.»

Und schliesslich hat sie schon mehrfach Putins Krieg gegen die Ukraine scharf verurteilt, sagt aber auch: «Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine sei zwar eine Katastrophe, aber Sanktionen gegen ihn seien «nicht zielführend, weil sie immer die einfachen Menschen treffen». Österreich werde von niemandem bedroht, solange sich das Land entsprechend verhalte und niemanden angreife. Militärische Aufrüstungen in Europa dienten im Übrigen nur den finanziellen Interessen der Rüstungsindustrie.»

Über diese Aussagen kann man mit Fug und Recht geteilter Meinung sein, aus ihnen zu schliessen, Kahr sei eine «verkärte Putin-Versteherin», ist aber schlichtweg absurd, das ist verschwurbelter Unsinn eines Demagogen, der die Welt immer noch durch dicke Brillengläser einer vorgefassten, ideologisch gepanzerten Meinung sieht und aus der Schiessscharte seines Meinungsgerichtshofs losballert.

Dafür sind ihm auch Ausflüge in die ferne Vergangenheit nicht zu blöde: «Wie andere kommunistische Parteien in Europa war die KPÖ einst eine Aussenstelle von Stalins Sowjetunion. Sie bejubelte dessen Verbrechen, hielt auch nach dem Tod des «Führers» treu zu Moskau.»

Noch schlimmer: «ein KPÖ-Funktionär» sei  «2021 im weissrussischen Fernsehen aufgetreten», ein «anderer Genosse» habe 2019 die «Volksrepublik Donezk» besucht «und mit Separatisten posiert». Was hat das alles mit Kahr zu tun? Eigentlich nichts, das fällt dann auch Scherrer in seinem Amoklauf auf:

«Kahr selbst hat sich in Interviews wiederholt von Stalin oder dem «russischen Angriffskrieg» in der Ukraine distanziert. Allerdings kann sie im nächsten Atemzug den jugoslawischen «Staatsmann» Josip Broz Tito preisen oder die französischen Kommunisten, die zu den treusten Vasallen Stalins gehörten und Überlebende des Gulag-Terrors als Faschisten verleumdeten.»

Was daran falsch sei, Tito als Staatsmann zu bezeichnen, der Jugoslawien zusammenhielt, erklärt uns Scherrer wieder nicht.

Ganz am Anfang seines Machwerks macht er aber klar, was ihm bei dieser angeblich «verklärten Putin-Versteherin» in den falschen Hals gerät: «Ihr Wahlsieg wurde sogar von der «Washington Post» vermeldet, und in Deutschland zeigten sich selbst bürgerliche Medien entzückt. «Willkommen in Leningraz», witzelte die «Frankfurter Allgemeine». … Die Oden galten Elke Kahr, die im September 2021 zur Bürgermeisterin der Stadt Graz gewählt wurde. Kahr ist Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ). Diese hat 2021 in Graz fast 30 Prozent der Stimmen erhalten, wohl nicht wegen ihrer Ideologie, sondern weil sich die «Kuschel-Kommunisten» («Tagesspiegel») um Elke Kahr sympathisch und bürgernah geben. Sie spendet einen Grossteil ihres Magistratenlohns und präsentiert sich den Medien gerne als Sozialarbeiter im Dienste des Volkes, mit Zigarette im Mund und Brille im Haar.»

Grauenhaft, diese Österreicher. Wählen doch eine Kuschel-Kommunistin, die sich bürgernah «gebe» und dann noch einen Grossteil ihres Lohns spende, eine Idee, auf die Scherrer niemals käme.

Während er über kommunistische Parteien herzieht, blendet er die herausragende und opfervolle Rolle der KPÖ im Kampf gegen den Faschismus aus. In Österreich war sie an vorderster Front im Widerstand gegen Hitler, österreichische Kommunisten kämpften im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republik. Ihr Eintreten für die Neutralität Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg brachte ihnen schon damals Beschimpfungen ein, die Kommunisten seien Landesverräter.

Als in der Schweiz die PdA noch eine politische Rolle spielte, sah die NZZ auch ständig rot, warnte vor der kommunistischen Gefahr, begrüsste das Verbot der Kommunistischen Partei der Schweiz im Jahre 1940, denunzierte Schweizer Kommunisten als Landesverräter, organisierte sogar die Pogromstimmung gegen den marxistischen Denker Konrad Farner, der mit seiner Familie am von der NZZ bekannt gegebenen Wohnsitz in Thalwil belästigt und bedroht wurde.

In dieser Tradition sieht sich offensichtlich der Kommunistenfresser Scherrer. Seine unqualifizierten Ausfälligkeiten gegen alles, was nicht in sein ideologisches Raster und seine Denkschablonen passt, senkt das Niveau der NZZ ungemein. Denn denunziatorisches Gewäffel ohne Erkenntnisgewinn steht diesem Blatt schlecht an, das sollte es den Kollegen von der Werdstrasse überlassen.

Hysterie? Hysterie

Wie reagieren die Qualitätsmedien auf den Ex-Bundesrat Maurer?

Offensichtlich fühlt sich Ueli Maurer pudelwohl als ehemaliger Bundesrat. Endlich kann er klarstellen, wieso er bei der Credit Suisse nicht eingriff – wofür er kräftig Prügel bezog. Aber sein Argument, dass er gegen den Willen des damaligen Oberversagerrats Axel Lehmann nun schlecht einen Multimilliardenkredit beim Parlament habe verlangen können, leuchtet ein.

Noch prononcierter äussert sich Maurer zur überstandenen Pandemie: Die Reaktion darauf sei hysterisch gewesen, stellt er fest. Die «Sonntagszeitung» gab ihm Gelegenheit für ein langes Interview: «Wer eine kritische Frage stellte, wurde aussortiert, indem man ihn als ‹Verschwörer› oder als ‹Rechtsextremen› brandmarkte».

Nun ist Maurer nicht nur ähnlich beliebt wie Bundesrat Rösti, sondern gehört wie der für viele Mainstream-Medien der falschen Partei an. Der SVP.

Also keift die NZZ, das andere Organ aus dem eigenen Hause sozusagen als «Beweis» zitierend: «Ueli Maurer werde, befreit von den Zwängen bundesrätlicher Kollegialität, immer radikaler. Das schrieb die «NZZ am Sonntag» vor zwei Wochen – und führte zahlreiche Beispiele von provokativen Aussagen Maurers zur Schweizer Corona-Politik an

Noch schlimmer, ein anonymer «Soziologe» diagnostiziere: «In den Aussagen von Maurer fänden sich «gezielt gesetzte Versatzstücke vieler verschwörungstheoretischer Erzählmuster»».

Dann schwant der NZZ noch mehr Übles. Der alt Bundesrat sei zwar 73-jährig. «Doch der frühere Präsident der SVP zeigt keine Lust, in aller Ruhe die Rente zu geniessen und – wie andere frühere Bundesräte – der Maxime «servir et disparaître» zu folgen. Er erklärt bereits, gegen «einen möglichen schlechten Rahmenvertrag» an vorderster Front kämpfen zu wollen.»

Auf Radio 1 hetzt der ehemalige SP-Stapi von Zürich Elmar Ledergerber, Maurer sei «schon immer ein illoyaler Bundesrat gewesen», habe «gehetzt» und Parteipolitik betrieben. Offenbar meint der Schwätzer, das versende sich doch schnell.

Schon am 20 Januar hatte die NZZ gerüpelt: «Ueli Maurer stösst mit kruden Aussagen selbst Parteifreunde vor den Kopf»; Simon Marti und Georg Humbel, brav im Dienste der FDP, schreiben von einem «Entfesselten». Auch der «Blick» stösst ins gleiche Horn: «Alt Bundesrat Maurer verbreitet krude Thesen». Das ist besonders mutig von einem Blatt, dessen CEO ein perfektes Beispiel für die Corona-Hysterie abgibt und seine Redaktionen anwies, brav die Regierungspolitik in der Pandemie zu unterstützen. Von seiner Standleitung zum damaligen Gesundheitsminister Berset ganz zu schweigen.

Etwas vornehmer formulierte Tamedia: «Ueli Maurer irritiert mit neuen Aussagen zur Pandemie selbst SVPler». Abgesehen davon, dass diese Aussagen keineswegs neu waren oder sind, und ein irritiertes Parteimitglied, das so gerne in die Medien kommen möchte, findet sich immer.

Viktor Giacobbo, dem es auch immer mehr egal ist, wie er in die Medien kommt, damit seinem Ex-Kollegen Mike «Arschloch»-Müller ähnlich, erinnert an sich selbst, als Maurer-Imitator mit Clownnase:

Nun kann man zu Maurers pointierter Position durchaus geteilter Meinung sein. Allerdings wäre es dann zumindest redlich, auf die Begründungen des alt Bundesrats einzugehen. Immerhin hat ihm die SoZ dazu Gelegenheit gegeben, was aber innerhalb von Tamedia sicherlich nicht gerne gesehen wurde.

Aber die fundierteste Kritik kommt vom Weltorgan «Zofinger Tagblatt», im Verbund der CH Media Presse. Das druckt einen Kommentar des Chefredaktors der «Aargauer Zeitung» nach. Fabian Hägler war lange Jahre Leiter des «Ressort Aargau», und dermassen qualifiziert weiss er: «Corona war keine bewusst geschürte Hysterie, die Massnahmen dagegen keine Massenhypnose. Die Impfung dagegen ist nicht heisse Luft, sondern hat unzählige Menschen vor einem schweren Krankheitsverlauf bewahrt. Das sind die Fakten und der wissenschaftliche Konsens zur Pandemie.»

Abgesehen davon, dass Maurer das so nicht formuliert hat: es ist immer beruhigend, wenn ein Lokalredaktor sich als Virologe, Immunologe und Kenner der Sachlage outet. Aber vielleicht hätte er doch bei der Berichterstattung über das Jubiläum des Kleintierzüchtervereins Oberentfelden bleiben sollen.

Denn das kann er; wir geben ein Müsterchen aus seinem jüngeren Schaffen: «Wenig ist so eng mit Lenzburg verknüpft wie die ehemalige Spielwarenfabrik Wisa Gloria. Und kaum etwas aus deren Sortiment war und ist bekannter als die ikonischen Kinderwagen. Florina Haderer hat beides verknüpft, ein 140-Jahr-Jubiläum draufgelegt und herausgekommen ist: eine Neulancierung der Kinderwagen von anno dazumal

Das kann er. Er kann aber auch die ganz grossen Bögen: «Wie der Kanton Aargau die Schweizer Traditionsanlässe mitprägt. Fête des Vignerons 2019 in Vevey, Olma 2015 in St. Gallen und Expo.02 in Neuenburg: Das waren die letzten Auftritte als Gastkanton.»

Ach ja, das Peter-Prinzip hat wieder zugeschlagen.

 

China zensiert brutal

Oder westliche Medien schreiben sich Fake News ab.

Von Felix Abt

Enthüllung: Das repressive China hat einen beliebten Spielzeugbären unterdrückt — oder waren es doch eher die Fake-News-Medien?

Als ich vor Jahren auf dem Markt einer mittelgroßen chinesischen Stadt zufällig einen großen Stand mit vielen Winnie-the-Pooh-Produkten sah, blieb ich stehen und war erstaunt. Hatte ich nicht kürzlich in den westlichen Medien gelesen, dass Winnie the Pooh in China verboten worden war?

Die Geschichte von den verbotenen Plüschbären, T-Shirts und anderen Winnie-the-Pooh-Utensilien ist seitdem immer wieder in den Medien zu vernehmen. Eine der ersten war die BBC, die 2017 «berichtete», dass Winnie the Pooh in China verboten worden sei.

Ein Jahr später, im Jahr 2018, «berichtete» Der Spiegel, dass der «chinesische Machthaber» Angst vor Winnie the Pooh hatte und der niedliche Spielzeugbär deshalb verboten werden musste. «Weil der Bär wie der Machthaber aussieht«, behauptete das Blatt, ohne zu scherzen. Und die Tatsache, dass Chinesen mit bärenähnlichen Gesichtszügen eine rassistische Beleidigung sein könnten, störte den ansonsten woken Moral-Spiegel nicht.

Er stellte die Behauptung auf, dass «Bilder von Winnie the Pooh in China seit langem verboten sind – eben um systemkritische Xi-Memes zu verhindern

Besser spät als nie: Ganze 5 Jahre später, also im Jahr 2023, «berichtete” auch die Neue Zürcher Zeitung über die unheimliche Bärenangst des chinesischen Staatsoberhauptes. Die NZZ führte das Winnie-the-Puuh-Verbot als hieb- und stichfesten Beweis für die allumfassende chinesische Repression an.

Winnie-the-Pooh  wurde auch anderswo verboten, weil der Bär als «unangemessener Zwitter» mit «fragwürdiger Sexualität» beschuldigt wurde. Da dies in einer polnischen und nicht in einer chinesischen Stadt geschah, war es in den westlichen Medien keine Schlagzeile wert.

Keiner dieser “Berichterstatter”, die über die Unterdrückung des Bären und seiner Fans in China schrieben, war vor Ort, um die Angelegenheit zu klären. Ideologische Überzeugungen haben die Macht, Fakten in den Medien zu ersetzen wie nie zuvor.

Glücklicherweise gibt es heute soziale Medien, die nicht nur Unsinn und Unwahrheiten verbreiten wie die traditionellen Medien, sondern auch Wahres, das in letzteren nicht zu finden ist.

In China lebende Ausländer, die westliche Medien weniger zur Information – das wäre Zeitverschwendung – als vielmehr zur Belustigung konsumieren, haben es gewagt, in den sozialen Medien Winnie Puuh zu posten, wie man ihn auf chinesischen Märkten oder auf von Chinesen getragenen T-Shirts sieht.

Der Brite Lee Barrett, der in Shenzhen lebt, twitterte beispielsweise kürzlich Fotos aus einem chinesischen Geschäft, in dem Winnie-the-Puuh-Produkte verkauft werden.

Und die in China lebende Amerikanerin Katrina twitterte ein Bild des mit Winnie the Puuh bemalten Autos ihres chinesischen Nachbarn.

Wo bleibt denn da die Repression, liebe NZZ? Wahrscheinlich ist ein neuer Artikel mit dem sinnigen Titel fällig: «Im unberechenbaren China kann man sich nicht einmal mehr auf die Repression verlassen

Bösartiges Nachklappern

Fall Seipel: ist’s vorbei, kommt noch die NZZ.

Am 15 November 2023 dröhnte die «B.Z.»: «Der Putin-Schleimer – gekaufter Journalist bei der ARD». Als netter Beifang der sonst völlig unspektakulären «Cyprus Papers» kam mit dieser Hehlerware eine Überweisung eines russischen Oligarchen via Briefkastenfirma von 600’000 Euro an den deutschen Journalisten Hubert Seipel ans Tageslicht.

Der verbrauchte das Geld für ein Buch über Russland und Putin, den er schon 2012 eher liebedienerisch in einem TV-Beitrag porträtiert hatte, der damals allerdings höchstes Lob aller Orten erhielt. Das waren noch andere Zeiten, als man den Ausgleich mit Russland suchte.

Heute ist sich Seipel keiner Schuld bewusst und hält das alles für hysterische Hetze à la McCarthy. Ein verwegener Ansatz, da er offen ins Mikrophon log, als er gefragt wurde – vor den Leaks notabene –, ob er jemals direkt oder indirekt Geld aus Russland bekommen habe: «Geht’s noch? Nein!»

Soweit die längst bekannte Sachlage. Die von allen überall lang und breit beschrieben wurde. Aber natürlich noch nicht von Lucien Scherrer in der NZZ. Der klappert die Geschichte nochmal nach, «kontextualisiert» mit dem Untersuchungsbericht, den die ARD in Auftrag gab und der überraschungsfrei zum Ergebnis kam, dass sich der öffentlich-rechtliche Sender nichts vorzuwerfen habe.

Das wäre alles bloss kalter, aufgewärmter Kaffee, wenn sich Scherrer nicht so nebenbei eine fiese Denunziation leisten würde:

«Gerade im öffentlichrechtlichen Rundfunk durften Russland-Verklärer wie Hubert Seipel und Gabriele Krone-Schmalz das Russlandbild der Deutschen massgeblich mitprägen; dies trotz internen Warnungen.»

Das ist nun an Bösartigkeit schwer zu überbieten. Krone-Schmalz ist eine ausgewiesene Russland-Kennerin, war Moskau-Korrespondentin der ARD, hatte Osteuropäische Geschichte und Slawistik studiert und über «Vom Kiewer Reich zum Kalten Krieg» ihre Dissertation geschrieben. Sie bemüht sich allerdings schon vor und seit dem Ukrainekrieg, Erklärungen und nicht nur Verurteilungen zum Verhalten der russischen Führung zu liefern.

Sie aber mit Seipel zu vergleichen, der kaum Russisch spricht und offensichtlich als nützlicher Idiot missbraucht und bezahlt wurde, ist eine bodenlose Frechheit von Scherrer. Das früher angesehene Mediengefäss der NZZ geht seit dem Abgang seines langjährigen Betreuers Rainer Stadler immer mehr vor die Hunde. Wie alle Kontrollinstanzen einen solchen unbegründeten und ungerechtfertigten Schmierenangriff durchgehen lassen können …

Alles eine Frage der Effizienz

Heute wird es voll betriebswirtschaftlich. Eine Analyse des Stellenabbaus bei den Medienhäusern.

Von Kurt W. Zimmermann*

Die Frage war nur noch: Sagen wir es unseren Mitarbeitern vor Weihnachten, oder warten wir aus Pietät etwas zu?

TX Group, die frühere Tamedia, und CH Media sagten es ohne Umschweife: 85 und 150 Stellen werden hier abgebaut. Ringier wartete bis nach Neujahr, um den Abbau von 75 Stellen zu kommunizieren.

310 Stellen weniger in den drei grössten Verlagen der Schweiz. Es ist, in der Kombination, die bisher grösste Sparübung der Branche. Bei Stellenabbau ist das entscheidende Kriterium, wie sich der Umsatz pro Mitarbeiter entwickelt hat. Zu diesem Kriterium der Effizienz kommt man in drei Schritten.

Betrachten wir im ersten Schritt, wie sich die Mitarbeiterzahl (MA) bei den führenden Verlagen Ringier Schweiz, TX Group, CH Media und NZZ-Gruppe seit 2017 entwickelt hat, wobei wir bei CH Media jeweils die Zahlen von 2018 heranziehen, weil die Firma erst dann gegründet wurde. Zum Abgleich stellen wir die öffentliche SRG daneben.

Mitarbeiterzahl (MA)

2017 2022 +/–

Ringier CH 3006 2358 – 22 %

TX Group 3261 3380 + 4 %

CH Media 2000 1800 – 10 %

NZZ-Medien 800 821 + 3 %

SRG 4975 5518 + 11 %

Interessant ist der Fall Ringier Schweiz, also ohne die Aktivitäten in Osteuropa. Ringier hat hier in kurzer Zeit 650 Stellen abgebaut. CEO Marc Walder hat einen vorzüglichen Job gemacht und dies geschafft, ohne dass die Schnitte in Öffentlichkeit und Medien ein Thema geworden wären.

Auch bei CH Media fiel die Mitarbeiterzahl. Die Firma entstand aus der Fusion der AZ Medien mit den Regionalmedien der NZZ und beseitigte Doppelspurigkeiten.

Die TX Group und ihr Chef Pietro Supino andererseits, die als Sparteufel gelten, haben an Mitarbeitern zugelegt, unter anderem durch den Kauf der Basler Zeitung.

Und natürlich ist der Personalbestand bei der SRG seit 2017 explodiert, wenig erstaunlich, wenn die Kosten vom Steuerzahler gedeckt werden.

Betrachten wir im zweiten Schritt nun, wie sich die Umsätze der Medienunternehmen entwickelt haben.

Ertrag (in Mio. Fr.)

2017 2022 +/–

Ringier CH 798 643 – 19 %

TX Group 974 925 – 5 %

CH Media 448 430 – 4 %

NZZ-Medien 213 247 + 16 %

SRG 1595 1549 – 3 %

Fast alle Medienunternehmen verzeichnen sinkende Erträge, am meisten bei Ringier. Es ist überall die Folge des gesunkenen Werbevolumens. Ausnahme ist die NZZ . Sie setzt auf das Geschäftsmodell Publizistik und dadurch auf Einnahmen aus dem Lesermarkt. Das macht sie weniger abhängig vom Anzeigengeschäft.

Im dritten Schritt ergibt sich nun der Umsatz pro Mitarbeiter. Es ist die Kennzahl für die Effizienz eines Unternehmens.

Umsatz pro MA (in Fr.) 2017 2022 +/-

Ringier CH 265 000 273 000 + 8000

TX Group 304 000 274 000 – 30 000

CH Media 224 000 239 000 + 15 000

NZZ-Medien 266 000 301 000 + 45 000

SRG 320 000 280 000 – 40 000

Auffallend ist zuerst einmal, wie ineffizient die TX Group geworden ist. Ein Sparprogramm von Tages-Anzeiger bis 20 Minuten ist darum unausweichlich.

Unproduktiv ist im Vergleich besonders die CH Media. Sie ist es auch darum, weil sie über zwanzig Radio- und TV-Sender betreibt, wo die Margen schlecht sind. Generell sind die Kosten zu hoch, darum ist es folgerichtig, dass CEO Michael Wanner einen harten Personalabbau durchzieht.

Deutlich besser präsentiert sich die NZZ-Gruppe unter ihrem CEO Felix Graf. Auch hier wird zwar immer mal die eine oder andere Stelle eingespart, aber man kann das dank einer imposanten Effizienzsteigerung ziemlich locker nehmen.

Als Schlusspointe bleibt die SRG. Ihr Umsatz pro Mitarbeiter ist im freien Fall, weil immer mehr Angestellte das immergleiche Angebot produzieren. Es ist ein Absturz an Effizienz. Aber das scheint SRG-Chef Gilles Marchand egal zu sein.

Effizienz im freien Fall: Immer mehr Angestellte produzieren bei der SRG das immergleiche Angebot.

*Die Kolumne erschien zuerst in der «Weltwoche» Nr. 3/24. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Die NZZ kann Hintergrund

Wieso ist sie damit so verdammt alleine?

Nachdem der zweitletzte Konkurrent von Donald Trump aufgegeben hat, herrscht allgemeines Rhabarber, was das denn nun bedeute. Ob Trump nun tatsächlich, Himmels willen, als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gesetzt sei – oder ob Nikki Haley doch noch eine Chance habe.

Vermutungs- und Hoffnungsjournalismus, Pfeifen im Wald, Wundenlecken, die Journalisten sich selbstverschuldet durch unsinnige Prognosen zugefügt haben. Wildeste «würde, könnte, wenn, unter Voraussetzung, dass»-Turnereien.

Aber erklärt mal jemand, wie denn eigentlich das Vorwahlsystem der Republikaner genau funktioniert, was das für die weitere Entwicklung der Vorwahlen bedeutet? Dagegen spricht schon mal, dass es bei genauerer Betrachtung verdammt kompliziert ist.

Die Caucuses laufen nach verschiedenen Prinzipien ab, «the winner takes it all» gegen Proporzwahlsysteme, wobei eine absolute Mehrheit wieder Auswirkungen haben kann. Letztlich sieht es schwer danach aus, als ob Trump einen totalen Triumph einfahren könnte.

Woher ZACKBUM das weiss? Weil es die NZZ detailliert erklärt. Nolens volens endet der Autor Andreas Rüesch mit der düsteren Feststellung: «Trump könnte sogar einen eigentlichen Vorwahlkantersieg erringen, mit Erfolgen in sämtlichen Gliedstaaten. In der Geschichte der beiden Grossparteien ist dies, abgesehen von wieder antretenden Präsidenten, noch nie jemandem gelungen – und wäre, ohne Trumpsche Übertreibung, «really huge»

Das ist mal eine Analyse und Prognose mit Hand und Fuss. Kann doch gar nicht so schwer sein. Was unweigerlich zur Frage führt, wieso sich die übrigen deutschsprachigen Medien – vor allem auch die Deutschschweizer – dermassen damit schwertun, ihren Lesern inhaltlichen Mehrwert zu bieten?

Hier sind nur Vermutungen möglich, aber doch solche mit Hand und Fuss.

  1. Dem Journalisten ist die Zurschaustellung der eigenen Befindlichkeit wichtiger als die Befriedigung des Leserinteresses.
  2. Der Journalist sieht seine Aufgabe nicht in der möglichst akkuraten Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern in der Beschreibung, wie sie sein sollte.
  3. Der Journalist will nicht rapportieren, was seiner Meinung nach ist, sondern wie es sein sollte, könnte, müsste.
  4. Der Journalist will nicht aufklären, sondern belehren, erziehen, das Richtige vom Falschen trennen, den Konsumenten bevormunden.
  5. Der Journalist möchte seiner schwindenden Bedeutung mit dem Reiten seiner Steckenpferde begegnen. Sei das Wokeness, Genderwahnsinn, Warnung vor einem neuen Faschismus oder Polemik gegen alles, was ihm nicht in den Kram passt.
  6. Der Journalist missbraucht schreiben oder berichten als Selbsttherapie, indem er den Konsumenten mit seiner eigenen Befindlichkeit langweilt.

Es ist eine allgemeine zunehmende Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Brötchengeber, dem Zahler zu verzeichnen. Es ist so eine Haltung, wie wenn der Verkäufer im Laden sagen würde: ach, Sie möchten dieses Produkt kaufen? Sind Sie sicher? Also ich würde das nicht tun. Und haben Sie sich schon mal überlegt, ob es nicht von Kindern in der Dritten Welt hergestellt wurde? Und überhaupt, wollen Sie nicht zuerst meine Meinung zum Produkt und über die Welt anhören?

Ein solcher Verkäufer würde hochkant auf die Strasse gestellt – oder der Laden ginge pleite. Aber im Journalismus …

Journalismus schafft sich ab

Das kann kein Geschäftsmodell mehr sein.

Journalisten opinieren, räsonieren, analysieren, schätzen ein, meinen, fordern, wissen es besser. Das ist zwar manchmal mühsam, aber erlaubt.

Journalisten spielen sich als als Genderpäpstinnen wie Andreas Tobler, als Konzernbüttel wie Philipp Loser, als Kriegsgurgeln wie Georg Häsler, als Panikkreischen wie Marc Brupbacher oder als Stimme der Gutmenschen wie Reza Rafi auf. Das ist manchmal unerträglich, aber Ausschuss wird überall produziert.

Journalisten kreieren Narrative und Framings. Sie bestehen darauf, dass Donald Trumps Konkurrenten durchaus noch intakte Chancen hätten, genügend Delegiertenstimmen zu sammeln, um Kandidat der Republikaner in den Präsidentschaftswahlen zu werden. Damit wiederholen sie ihre Fehler bei den vorletzten Wahlen: am Schluss erklären zu müssen, wieso sie krachend danebenlagen. Journalisten sind nicht sehr lernfähig. Das ist extrem dumm. Dummheit existiert überall und ist bekanntlich lernbar.

Aber es gibt einen heiligen Gral im Journalismus, an dem man sich nur dann vergreift, wenn man sich abschaffen will. Es handelt sich um ein Einverständnis zwischen Journalist und Leser, das nicht mutwillig oder fahrlässig missbraucht werden darf.

Die einstmals auflagemässig grösste Zeitung der Welt hat dieses Prinzip sogar zu ihrem Titel gemacht. «Prawda», Wahrheit. Sie hatte versprochen, ihren Lesern nur die Wahrheit zu erzählen. Lenin und Trotzki kamen unabhängig voneinander auf die Idee, eine solche Zeitung zu publizieren. Ihr Herausgeber war der spätere langjährige Aussenminister der Sowjetunion Molotow. Er agierte im Hintergrund, offiziell gab es rund 40 Herausgeber, die von der zaristischen Zensur regelmässig verhaftet und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurden. Sie waren sogenannte Sitzredakteure, dazu bereit, für anderen Strafen abzusitzen, die sie sich mit dem Verbreiten der Wahrheit einhandelten.

In ihren besten Zeiten hatte sie eine Auflage von über 10 Millionen Exemplaren. Allerdings verbreitete sie immer weniger die Wahrheit, immer mehr Lügen. Damit entkernte sie sich.

Nun kann man zu Recht fragen, was denn eigentlich die Wahrheit ist und wer zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden darf und die Autorität dafür hat. Niemand und jeder. Niemand ist im Besitz einer objektiven, einzig wahrhaftigen Wahrheit. Jeder glaubt an seine Wahrheiten, viele wollen wissen, dass sie die Wahrheit kennen.

Also ist alles relativ, alles erlaubt? Nein, eben nicht.

Denn es gibt eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen Berichterstatter und Konsument. Der Konsument bezahlt normalerweise dafür (sei es entweder mit Geld oder seiner Aufmerksamkeit oder seinen Daten), dass er sich darauf verlassen kann, dass ihm in Berichten über Gegenden oder Ereignisse, die er nicht kennt, kein Bären aufgebunden wird.

Wird diese Geschäftsgrundlage aufgehoben, ist der Journalismus am Ende. Sein Tod tritt nicht sofort, aber auf Raten ein. Deshalb beschäftigten viele Redaktionen früher Mitarbeiter, die sich der sogenannten Dokumentation widmeten. Also alle Fakten und Tatsachenbehauptungen checkten, die in einem Artikel vorkamen. Sie taten das zum Schutz des Redaktors vor Irrtümern und zum Schutz des Konsumenten vor Falschinformationen.

Sie sind als eine der ersten Abteilungen den Sparmassnahmen zum Opfer gefallen. In der Schweiz existieren sie nicht mehr. Gelegentlich werden mit grossem Brimborium Journalisten beauftragt, einen sogenannten Faktencheck durchzuführen. Das ist aber nicht mehr das gleiche.

Im deutschen Sprachraum leistet sich der «Spiegel» noch die grösste Dokumentarabteilung. Darauf ist er besonders stolz und wird nicht müde, die vielen Stationen aufzuzählen, die ein Manuskript durchlaufen muss, bis es publiziert wird. Der Grossfälscher Class Relotius sprengte diese Reputation in die Luft. Ihm gelang es jahrelang unentdeckt, frei erfundene Reportagen zu publizieren, bei denen sogar nachprüfbare Angaben wie Distanzen oder örtliche Beschaffenheiten erschwindelt waren, um dem Spin der Story zu dienen. Nicht einmal das fiel den Faktencheckern des «Spiegel» auf.

Sie waren, mitsamt allen anderen Kontrollinstanzen, voreingenommen. Sie hatten das Interesse verloren, zu schreiben, was ist. Sie wollten beschreiben, wie es sein sollte. Wie es ihrer Meinung nach zu sein hatte. Sie machten den alten erkenntnistheoretischen Zirkelschluss: wenn ich mit einer vorgefassten Meinung an die Wirklichkeit herangehe, finde ich in der Wirklichkeit das, was ich zuvor hineingetragen habe. Oder noch schlimmer: wenn ich es nicht finde, erfinde ich es.

Das ist keine lässliche Sünde, sondern eine Todsünde. Dafür gibt es leider im Schweizer Journalismus immer mehr kleine und grosse Beispiele. Eine Aufzählung wäre endlos, aber es sind zwei Tendenzen zu erkennen. Am häufigsten betroffen davon ist Tamedia. Dort hat eine wahrhaftige Verluderung der Sitten stattgefunden.

Die Leser belehren und mit absurdem Genderwahn quälen zu wollen, das ist verkaufsschädigend, aber noch nicht tödlich. Den Lesern keine Reportagen, sondern die Wiedergabe vorgefasster Meinungen zu servieren, das ist dumm, aber noch nicht tödlich.

Sich immer wieder dabei ertappen zu lassen, dass die vorgefassten Meinungen so stark sind, dass die Wirklichkeit, wenn sie nicht passt, passend gemacht wird, das ist tödlich. Wenn ein Präsident eine Meinung vertritt, die dem Berichterstatter nicht passt, dann ist es dennoch seine Pflicht, sie dem Leser wiederzugeben. Denn dafür bezahlt er, weil er selbst weder am WEF anwesend ist, noch Zeit oder Lust hat, die ganze Rede im Wortlaut anzuhören.

Wenn aber schon im ersten und auch im letzten Satz des Berichts die Wirklichkeit, höflich ausgedrückt, umgebogen wird, dann fühlt sich der Leser zu recht verarscht, wenn er das entdeckt. Und glücklicherweise gibt es in der Schweiz noch so etwas wie eine Pressefreiheit, wo solche Verbiegungen aufgedeckt und denunziert werden können. Das unterscheidet die Schweiz von Russland und der Ukraine.

Berichterstattung, wenn sie etwas wert ist, sollte dazu dienen, dem Käufer und Konsumenten dabei zu helfen, die grosse, weite Welt und auch seine nähere Umgebung besser zu verstehen. Oder zu begreifen, dass vieles, was sich abspielt, komplex, widersprüchlich, unübersichtlich, nicht fassbar ist. Die beiden aktuellen Beispiele dafür sind der Ukrainekrieg oder der Krieg im Gazastreifen. Noch nie verfügten wir über dermassen viele Informationsquellen, noch nie waren wir so ungenügend informiert.

Daraus entstehen Verschwörungstheorien, das sei Absicht, Manipulation, Bevormundung, von finsteren Mächten orchestriert, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinn zu beeinflussen. Aber die Wahrheit ist hier viel banaler. Natürlich gibt es Heerscharen von Spin Doctors, die sich diesen Versuchen widmen. Natürlich wird Selenskyj – im Gegensatz zu Putin – hochkarätig und sorgfältig beraten, wie er öffentlich aufzutreten hat. Vom gedrechselten Inhalt seiner Reden bis zu seiner Kleidung, seinem Gesichtsausdruck.

Aber das wäre durchschaubar, wenn man sich die Mühe machte. Wenn sich der 100. Todestag eines Welterschütterers wie Lenin jährt, um das zweite aktuelle Beispiel zu nehmen, dann wäre eine Würdigung, eine Auseinandersetzung auf Niveau mit seinen Taten geboten, vor allem in einem Intelligenz-Blatt wie der NZZ. Wenn stattdessen übelwollend die Krankheitsgeschichte seiner letzten Jahre ausgebreitet wird, ist das zwar kein Verstoss gegen das Wahrheitsgebot, aber so jämmerlich, dass der Leser sich auch fragt, wieso er dafür einen Haufen Geld zahlt.

Fazit: Journalismus, der die Übereinkunft mit seinen Konsumenten einseitig aufkündigt, schafft sich damit ab. Das ist nicht den Umständen geschuldet. Sondern selbstverschuldet. In der Schweiz steht Tamedia am nächsten vor diesem Abgrund, gefolgt vom «Blick».