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«Ich kann nichts dazu sagen»

Professor Iris Bohnet haut der Peinlichkeitsskala den Deckel raus.

Die Dame lehrt in Harvard «Public Policy». Und wettert in einem Interview in der NZZ gegen den neuen US-Präsidenten und seinen Kampf gegen alles Woke. Die Dame war von 2012 bis Juni 2023 die dienstälteste Verwaltungsrätin der Credit Suisse.

Im üblichen Plauderton quatscht sie gerne über Lohnungerechtigkeiten gegen Frauen und überhaupt über all die Formen der Diskriminierung, der sich weibliche Arbeitnehmer ausgesetzt sähen.

Sie selbst war im Vergütungsausschuss der CS und sorgte dort mit dafür, dass die tödliche Gierkultur, wo trotz massiven Verlusten massive Boni ausgeschüttet wurden, die Bank in den Untergang trieb.

So auskunftsfreudig sie im ersten Bereich ist, so verkniffen schweigsam wird sie, wenn es um ihr eigene unselige Rolle im CS-Skandal geht.

Diesen Teil des Interviews muss man sich integral zu Gemüte führen. Aber nur für starke Nerven geeignet, die immun gegen ungeheuerliche, öffentliche Peinlichkeit und Selbstentlarvung einer Dampfplauderin sind:

«Im vergangenen Jahr hat Jamie Dimon von JP Morgan 39 Millionen Dollar verdient, Brian Niccol wurde bei Starbucks mit einem Lohnpaket über 113 Millionen Dollar begrüsst, und der Industriekapitän Larry Culp von GE erhielt 89 Millionen Dollar. Sind das faire Löhne?
Ich kann dazu nichts sagen, ich möchte mich als Wissenschafterin nur äussern, wenn ich etwas beitragen kann, was ich empirisch belegen kann.
Als Verwaltungsrätin der Credit Suisse waren Sie Mitglied des Vergütungsausschusses. Würden Sie die Vergütungen von damals heute wieder akzeptieren?
Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.
Warum nicht?
Ich kann nichts dazu sagen.
Als ehemalige Verwaltungsrätin können Sie nichts dazu sagen?
Nein. Ich kann nichts dazu sagen.
Wir finden es schwierig, mit Ihnen über Fairness und Diversität zu reden und Ihre Erfahrungen bei der Credit Suisse auszublenden. Es ist auch eine Gelegenheit, Ihre Sicht der Dinge darzulegen.
Es ist mir wichtig, etwas zu Dingen sagen zu können, die für die Welt wichtig sind. Aber ich spreche nur als Wissenschafterin.
Eine Fehlerkultur zu leben, hat das nicht auch mit Fairness zu tun?
Ich kann Ihnen dazu nichts sagen.
Uns interessieren nicht nur akademische Fragen, sondern auch die reale Welt. Aus Schweizer Sicht ist es nicht verständlich, wenn der ganze Verwaltungsrat einer Grossbank auf Tauchstation geht.
(Bohnet schweigt.)
Wechseln wir das Thema und kommen zurück auf Ihr Buch. Sie sagen, alle könnten den Arbeitsplatz fairer machen, ob Praktikant oder CEO. Haben Sie ein paar Ideen?»

Will jemand wirklich das Buch einer solchen Versagerin lesen, die nicht einmal den Anstand hat, sich selbst als gutes Beispiel für das, was sie anprangert, kritisch zu hinterfragen?

Wie soll man so jemanden bezeichnen? Dazu kann ZACKBUM nichts sagen. Nicht, weil wir nichts zu sagen hätten. Aber leider gibt es da rechtliche Schranken …

 

Lob des Gujers

Der Mann kann denken. Und schreiben. Selten, heutzutage.

Wenn heute ein Editorial erscheint, dann wird geistiges Kleingeld unter die Leute gebracht. Raphaela Birrer, Patrik Müller, Reza Rafi, plus die Zwergenschar der Reichsverweser von Kopfblättern der grossen Medienkonzerne («Blick» kann man ja nicht mehr ernst nehmen): meistens im Sinne des Konzerns Gehampeltes. Nicht mal für den Tag geschrieben. Schneller vergessen als gelesen.

Oder erinnert sich jemand an ein einziges dieser Editorials? Eben.

Bei Eric Gujer sieht das etwas anders aus. Beansprucht er am Samstag den Platz oben in der NZZ, dann kommt durchaus etwas Lesenswertes heraus, wird der Leser auf eine andere Flughöhe mitgenommen. Zum einen, weil der Mann geschliffen schreiben kann. Das unterscheidet ihn schon mal von den gestolperten, sich verhaspelnden, unter erkennbarem Zeitdruck geschriebenen Werken seiner Kollegen.

Dazu hat er einen Bildungsrucksack, der wohlgefüllt ist; ein zweiter Unterschied, auch wenn Rafi, der Gerechtigkeit halber sei’s erwähnt, manchmal erstaunliches Wissen aufblitzen lässt.

Und schliesslich bemüht er sich in einer Tageszeitung, den Blick über den Tag hinaus zu erheben. Daraus entstehen dann Editorials wie «Torheit ist in der Politik normal».

Gujer beschäftigt sich mit der durchaus interessanten Frage: «Warum agieren die Inhaber hoher Ämter so oft in einer Weise, die der Vernunft und dem aufgeklärten Eigeninteresse zuwiderläuft?» Zur Beantwortung nimmt er das Buch der amerikanischen Historikerin Barbara Tuchman zu Hilfe: «Die Torheit der Regierenden».

Es ist schon vor vierzig Jahren erschienen, also bevor die meisten Kindersoldaten in den Newsrooms auf der Welt waren. Ihre Schlussfolgerungen: «Als Gründe nennt Tuchman Selbstüberhebung, Unfähigkeit, Dekadenz oder Starrsinn, kurz: das Mängelwesen Mensch. Gegen Torheit ist niemand gefeit. Nur weil wir künstliche Intelligenz besitzen, ist die natürliche Intelligenz nicht gewachsen.»

Dann lässt Gujer eigenes Wissen aufblitzen und salbt seinen Rückgriff in die Geschichte mit leichter Ironie: «John Adams, der zweite Präsident der Vereinigten Staaten, erklärte: «Während alle anderen Wissenschaften vorangeschritten sind, tritt die Regierungskunst auf der Stelle; sie wird heute kaum besser geübt als vor drei- oder viertausend Jahren.» Die Einsicht gilt von Troja bis Trump. Der 47. Präsident der Vereinigten Staaten ist keine Ausnahme, keine Monstrosität in sonst so aufgeklärten Zeiten. Er ist eine historische Konstante. Wem das zu fatalistisch klingt, der mag sich damit trösten, dass die Welt trotzdem nicht zugrunde gegangen ist.»

Dann dekliniert Gujer die Begrifflichkeit durch; Torheit sei keineswegs ein Privileg der Populisten oder von Menschen mit niedrigen Absichten wie Trump. Auch Lichtgestalten wie John F. Kennedy ritten die USA verblendet in den Vietnamkrieg, während ein Schurke wie Richard Nixon ihn beendete. Zudem nützt das Gegenteil, nämlich vernünftige Entscheidungen treffen, auch nicht unbedingt.

Wie Kanzler Schröder erfahren musste, der zwar die Wirtschaft reformierte, zum Dank dafür aber abgewählt wurde.

Gujers Conclusio, um es gewählt zu formulieren, verdient es, vollständig zitiert zu werden:

«Politische Torheit basiert nur selten auf schlichter Dummheit oder Borniertheit. Sie ist die Folge eines Kalküls, das Chancen und Risiken abwägt, auch wenn es am Ende irrig ist. Politik entsteht im Wechselspiel zwischen den Emotionen der Regierenden und denen der Regierten. Da verspricht die Unvernunft nicht selten mehr Ertrag als die Vernunft. Die Herrschenden handeln im Augenblick. Die wenigsten besitzen eine echte Strategie, die auch den übernächsten Spielzug vorhersieht. Der Historiker hat es da einfacher als der Politiker. Er ist der Prophet der Vergangenheit und nicht der Spielball der Gegenwart

Der Historiker als der Prophet der Vergangenheit, alleine dafür verdient Gujer ein anerkennendes Kopfnicken und eine leichte Verbeugung. Mindestens.

Zum Beispiel Mali

Wenn schwurbelnde Entwicklungshelfer ihre Felle davonschwimmen sehen.

Die geplanten oder schon durchgeführten Kürzungen bei der grössten Entwicklungshilfsorganisation der Welt haben Entsetzensschreie ausgelöst. Dass USAID nicht mehr mit der grossen Kelle Milliarden verteilt, trifft viele arme Entwicklungshelfer an ihrer empfindlichsten Stelle: dem Portemonnaie.

Das sei unmenschlich, unverantwortlich, Kinder sterben, Seuchen breiten sich aus, Hungersnöte, furchtbar. So das Narrativ. Die NZZ hat unter Verwendung des Öffentlichkeitsgesetzes Einblick in einen immer noch teilweise geschwärzten internen Bericht des EDA genommen, der sich mit der Schweizer Entwicklungshilfe in Mali befasst.

Zu der hat der berufene Fachmann Toni Stadler bereits das Nötige gesagt: «Weil die Bevölkerung stärker wuchs als das BIP, geht es der Unterschicht Afrikas heute schlechter als nach der Unabhängigkeit. Nach jahrzehntelanger Unterstützung sind der Sudan, Tschad, Niger, Mali, Burkina Faso oder Moçambique gescheiterte Staaten und werden (unterstützt durch Russland oder China) wieder autoritär regiert.»

Stadler hat 25 Jahre bei IKRK, Uno, OECD, Schweizer Auslandhilfe in Asien, Nahost und Afrika gearbeitet.

Im gescheiterten Staat Niger verbrät nebenbei die staatlich alimentierte NGO Swissaid seit 1974 Millionen. Das aktuelle Jahresbudget beträgt satte 3,52 Millionen Franken. Sinnlos verpulvert.

Der gescheiterte Staat Mali ist ein sogenanntes «Schwerpunktland» der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Deza. Als eines der wenigen Länder betreibt die Schweiz weiterhin «Entwicklungshilfe», während viele andere Staaten nach diversen Militärputschs und bürgerkriegsähnlichen Zuständen aufgegeben haben und abgezogen sind.

Aber auch die Schweiz konnte beim besten Willen 8 Millionen Franken ihres Gesamtbudgets von etwas über 21 Millionen nicht ausgeben. Allerdings, so schreibt die NZZ: «Nur das Budget für die kurzfristigere humanitäre Hilfe schöpfte die Schweiz in Mali vollständig aus.»

Also die sinnlosestes Art von Entwicklungshilfe. Insgesamt konstatiert der Bericht in der Zusammenfassung der NZZ ein Desaster: «Kriegerische Auseinandersetzungen erschwerten die Arbeit der Deza zusätzlich. In den betroffenen Regionen sei es nur in begrenztem Ausmass möglich gewesen, Besuche von Projekten und Partnern durchzuführen, heisst es im Bericht. Kontrollen scheinen generell schwierig zu sein. Die Prüfer stiessen auf verschiedene Zahlungen an Partnerorganisationen, die freigegeben worden waren, ohne dass bei diesen ein Bedarf an liquiden Mitteln feststellbar gewesen sei. In einigen Fällen seien für 2024 vereinbarte Zahlungen ohne nachweisbaren Bedarf bereits Ende 2023 vorgenommen worden.»

Diese «Verzögerungen» bedeuten zum Beispiel, dass ganze Projektteams in Lohn und Brot stehen, aber einfach Däumchen drehen. Erschwerend kommt hinzu, dass Mali Entwicklungshilfe mit 11 Prozent als festen Posten im Staatsbudget einbucht. Die Schweiz gehört mit insgesamt 38 Millionen diverser Hilfen zu den zehn grössten Geberländern des gescheiterten Staats.

Noch beunruhigender als dieses herausgeschmissene Steuergeld ist die Haltung des EDA, das der NZZ mitteilt:

«In volatilen Kontexten wie Mali sei eine Kombination von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe wichtig, um die langfristigen Ziele zu erreichen.»

Also null Problembewusstsein. Ein weiteres Problem, dem sich das Deza ausgesetzt sieht, läuft allerdings unter dem Aspekt schlechter Witz:

«Die an Ort und Stelle tätigen Schweizer sagten den Kontrolleuren, man ermüde in diesem Umfeld stark und benötige alle zwei bis drei Monate eine Auszeit. Selbst innerhalb Bamakos sei es nur mit Einschränkungen möglich, sich zu bewegen. Dadurch sei man das ganze Jahr einer schlechten Luft ausgesetzt. Das EDA bekundet zunehmend Mühe, Interessenten für die frei werdenden Stellen zu finden. Für die Stelle des Chefs der IZA ging in der ersten Runde keine Bewerbung ein.»

Schön wäre es, wenn es sich um einen Aprilscherz handeln würde …

Viel Ehr, wenig Feind

Kurze Bilanz nach 4000 publizierten Artikeln.

Am 25. Juli 2020 startete ZACKBUM. Aus dem Frust der abrebelnden Medienkritik wurde etwas Innovatives gemacht. Auf eigene Kosten aufgebaut, ein Blog der freien Medienkritik, weil keiner der Teilnehmer über Abhängigkeiten verfügt. Was im Zeitalter der Kopfsalatblätter und der Aufteilung der Schweizer Medienszene zwischen Tamedia, CH Media, Ringier und ein wenig NZZ und ganz wenig «Weltwoche» dringend nötig ist.

Es gelangen genügend Rückmeldungen ein, um zu wissen, dass grosse Teile der Medienbranche ZACKBUM lesen. Wohl hauptsächlich auf dem privaten Handy. Schliesslich sollte man sich in der Nähe von einem, der bei Tamedia Schreibverbot hat, weil die weibliche Chefredaktion etwas empfindlich auf Kritik reagiert, nicht sehen lassen.

Am Anfang gab es etwas – meist hämische – Resonanz, seither ist absolute Funkstille. Über jeden Pipifax berichten die eitlen Journalisten, aber bei ZACKBUM herrscht Omertà. Das Schweigen der Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden.

Das macht auch nicht mutig; gestern traf’s den Nebenmann (oder die Nebenfrau oder everybody beyond), trifft es heute mich – oder erst morgen?

Möglichst im fernen Ausland wohlfeile Ratschläge geben, darin sind die Journalisten gross. Sich um ihre eigenen Interessen kümmern, zum Beispiel einen GAV auf die Beine zu stellen, gegen die lausige Bezahlung allgemein von Kindersoldaten und die Hungerlöhne für die wenigen überlebenden Freien zu protestieren, sich zu organisieren, ach was.

Das grosse Rausschmeissen setzt sich in Wellen fort – Widerstand nicht erkennbar.

Neben zunehmender Feigheit hat die Nabelschau Ausmasse erreicht, die man sich vor fast fünf Jahren nicht vorstellen konnte. Wie Lemminge rennen alle den gleichen Narrativen hinterher, betreiben Framing, dass der Rahmen wegfliegt vor so viel Belastung.

Selbstkritik war noch nie die Stärke der Journalisten, aus Existenzangst ist sie nun gänzlich verschwunden.

Gesinnungs-Journalismus

Was ist nur aus Nick Lüthi geworden?

Der war früher mal ein unabhängiger Journalist, der die «Medienwoche» herausgab. Sie wurde dann ein weiteres Opfer der aussterbenden Spezies Medienkritik.

Seither verdingt er sich auf persoenlich.com als Redaktor. Hier wird meistens mit Wattebäuschen geworfen. Hier aber nicht. Der leicht unrasierte Herr mit gebleckten Zähnen ist «Martin Steiger, Anwalt und Medienrechtler». Also im Prinzip eine valable Figur, um etwas zum Zuger Skandal-Urteil zu sagen, dass Jolanda Spiess-Hegglin für 4 ehrverletzende Artikel eine Gewinnherausgabe von über 300’000 Franken zusprach.

Der Mann sagt für einen Juristen erstaunliche Dinge. Wieso sei Ringier mit seiner Argumentation nicht durchgekommen?

«Das lag aber auch daran, dass das Gericht auf dem Bundesgerichtsurteil zur Gewinnherausgabe in Sachen Willy Schnyder, dem Vater der Tennisspielerin Patty Schnyder, von 2006 aufbaute und auf die rechtliche Lehre verweisen konnte

Damit wäre er bei der Anwaltsprüfung durchgerasselt. Das Bundesgericht hat lediglich den grundsätzlichen Anspruch – im Gegensatz zur Vorinstanz – bestätigt. Es wurde damals, hinter die Ohren schreiben, keine Gewinnberechnung durchgeführt, weil man sich in einem Vergleich einigte.

Dann sollte der Jurist vielleicht die Finger von Finanzrechnungen lassen, denn er hat eine Meinung, aber keine Ahnung:

«Mir erscheint mit Blick auf den begründeten Entscheid plausibel, dass Jolanda Spiess mit ihren finanziellen Forderungen deutlich näher an der Wahrheit lag als Ringier.»

Und was ist mit der abschreckenden Wirkung dieses Fehlurteils? «Nein, ich teile diese Befürchtung nicht.» Dass Verlage damit bedroht sind, dass aufgrund von aberwitzigen Berechnungen Zahlungen in der Region Hunderttausende fällig werden könnten und kritische Berichterstattung unter diesem Damoklesschwert eingeschränkt wäre – nichts Abschreckendes. Da lachen selbst juristisch nicht ausgebildete Hühner.

Aber der Anwalt kann noch mehr, auch inhaltslose Sätze: «Die Medienfreiheit ist kein Freipass für Persönlichkeitsverletzungen.» Hat auch niemand behauptet …

Und dann noch zwei Brüller zum Schluss: «Das Kantonsgericht Zug hat mit seinem Entscheid erst einmal ein bemerkenswertes und lange erwartetes medienrechtliches Präjudiz geschaffen.» Es hat tatsächlich ein Präjudiz geschaffen, das aber so schnell wie möglich korrigiert werden muss, da es auf Luftberechnungen ruht.

Und: «Wenn es alles in allem bei dieser Rechtsprechung bleibt, wird jener Journalismus in der Schweiz, der auf Qualität setzt, erheblich gestärkt.»

Nach diesem juristischen Geplapper kommt allerdings noch eine Fussnote, die genau das Gegenteil beweist. Zum einen, dass Lüthi nicht auf Qualität, sondern auf Gesinnung setzt. Zum zweiten, dass es völlig unter jeder Kanone ist, jemanden als Fachmann zu präsentieren, der mit einer der beiden Parteien verbandelt ist. Es gäbe nun wahrlich genügend Medienanwälte in der Schweiz, die zumindest eine nur fachlich motivierte Meinung abgeben könnten. Aber so?

«Martin Steiger sitzt im Beirat von #NetzCourage, einer Organisation, die Jolanda Spiess-Hegglin gegründet hatte.»  Als die Hassleaks nachwiesen, auf welch üble Art JSH gegen ihre Feindin Michèle Binswanger vorging («Drecksarbeit», die Autorin so fertigmachen, dass sie am besten «auswandern» sollte), gingen die tapferen Beiräte auf Tauchstation.

Die NZZ schrieb damals: «Die zitierten Chat-Wortmeldungen sind teilweise krass und lassen sich mitnichten mit Spiess-Hegglins Ansinnen vereinbaren, Hass im Netz zu bekämpfen

Nur Steiger verstieg sich auf Anfrage zur Antwort: «Als Beiratsmitglied stehe ich dem Vorstand von #NetzCourage weiterhin mit meinem Fachwissen zur Verfügung: Der Vorstand fragt, ich gebe Rat. Meine Beiratstätigkeit erfolgt ausschliesslich gegenüber dem Vorstand und nicht gegenüber der Öffentlichkeit.»

Nun geht er aber an die Öffentlichkeit, und wie …

 

Der Belastungstest

Meine Güte: WEF und Trump gleichzeitig!

Da kommen die kärglichen Reste der Redaktoren in ihren Verrichtungsboxen echt ins Schwitzen. Ach, und dann auch noch der Geisel-Deal und der Waffenstillstand im Nahen Osten. Ist auch mal wieder blöd, wirklich alles auf einmal.

Was tun? Na, das Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger» greift zum Qualitätstool «Live Ticker». Das ist nichts anderes als ein teilweise automatisierter Feed von Agenturmeldungen. Also das, was sich jeder Leser problemlos auch selbst im Internet besorgen kann. Aber immerhin ist der Ticker gratis.

Und wirklich alles auf einmal, dann werden auch noch die drei Moderatorinnen des Eurovision Song Contest bekanntgegeben. Man darf hoffen, dass es so zu keinerlei Burnouts oder Zusammenbrüchen in der Hölle der Newsrooms kommt.

Heideldeidel, und ein neuer Bundesrat muss ja auch noch gewählt werden, wobei alle Kandidaten bislang absagen. Neben dem Newsticker ist auch da alte Frage-Antwort-Spiel immer beliebt:

 

Besonders lustig sind Antworten auf Fragen, die eigentlich niemand stellt wie «Was ist besonders am diesjährigen WEF?» oder «Warum gibt es keine grossen Anti-WEF-Demos mehr?» oder «Welche Termine muss man sich merken

Und wie zeigt sich CH Media der historischen Stunde gewachsen?

Nun ja, Ticker plus Beigemüse, sehr originell. Also hoffen wir auf das Blatt der tiefen Denke und der überlegenen Analyse mit dem anderen Blick:

Nun ja, ein «Live-Ticker» in der NZZ, oh Graus. Und als Nebenstory die längst bekannte Meldung, dass wegen eisigen Temperaturen die Inauguration ins Capitol verlegt wurde. Wenigstens muss das diesmal nicht mehr von Trump-Anhängern gestürmt werden.

Eher locker im Gelenk zeigt sich die alte Tante allerdings mit einem an diese Berichterstattung angeflanschten Eigeninserat:

«Eine Amtszeit, ein Abo. All in. 4 Jahre «NZZ Pro» für 1776 CHF». Mit Countdown auf einem hübschen Bömbchen. Wobei der Preis doch eher etwas für Menschen wie Musk ist; ob sich das Trump leisten könnte, wäre doch die Frage.

Und was macht wohl das andere Intelligenzblatt, das einfach noch mehr Service hat als die NZZ?

Irgendwie hat man sich beim «Blick» in dieses Foto verliebt. Und was macht «Blick» so? Also bitte, für Leser mit gehobenem «Blick»-IQ ist diese Frage kinderleicht: einen News-Ticker natürlich.

Was denn sonst.

Faktenfreie Faktenchecker

Wie ein Berufszweig sich selbst demontiert hat.

Hört sich gut an: als Gegenpol zu all dem Müll, den Fake News und den Lügen, die im Internet veröffentlicht werden, arbeiten Faktenchecker rastlos daran, zu überprüfen, zu verifizieren und vor allem zu falsifizieren.

Wenn man sie lässt. Schrecklich daher, dass sowohl Elon Musk auf X wie auch Mark Zuckerberg auf Facebook und Instagram die Zusammenarbeit mit Fakencheckern beendet haben. Das öffnet Tür und Tor für noch mehr Lügen, Propaganda, für Hass, Hetze und Desinformation.

Wirklich?

Wie die NZZ in einem verdienstvollen Artikel nachweist, ist das eigentlich – faktengecheckt – das Gegenteil der Wahrheit. Das ist zunächst mal wieder bitter für all die Journi-Lemminge, die einer ungeprüften, aber in  ihr Gesinnungsraster passenden Meldung mit Gebrüll nachgehechelt sind.

Autor Morton Freidel weist anhand von Beispielen nach, dass beispielsweise in Deutschland Faktenchecker oft überhaupt keine Fakten überprüfen, sondern Meinungen bewerten. So sorgte das auch wegen seiner fehlerhaften Berichterstattung über ein angebliches «Geheimtreffen» ins Feuer der Kritik geratene Medienunternehmen «correctiv» dafür, dass auf Facebook ein Artikel von achgut.com mit einem Warnhinweis versehen wurde. Bis das Oberlandesgericht Karlsruhe diesen Unsinn untersagte.

Das Gericht schrieb den angeblichen Faktencheckern ins Stammbuch, dass sie gar keinen Faktencheck unternommen hätten, also Tatsachenbehauptungen überprüft, sondern sich mit Werturteilen befasst hätten. Schlussfolgerung der NZZ:

«Der Vorwurf von correctiv, der Beitrag sei «irreführend», traf vor allem auf seinen eigenen Faktencheck zu.»

Ein Beispiel unter mehreren. Allerdings haben diese selbsternannten Faktenprüfer mit ihrem Handeln gravierenden Einfluss auf die öffentliche Debatte. Was sie als falsch denunzieren, beschränkt die Reichweite entsprechender Meldungen, der Warnhinweis, dass Faktenchecker hier Fehler gefunden hätten, untergräbt die Glaubwürdigkeit fatal.

Erschwerend kommt hinzu, dass Faktenprüfer aufgrund von empirischen Untersuchungen in ihrer politischen Haltung noch linker sind als Journalisten allgemein.

«Der Medienanwalt Joachim Steinhöfel hat zahlreiche erfolgreiche Klagen gegen Faktenchecks auf Facebook geführt, unter anderem auch in den hier zitierten Fällen. Er geht mit Faktenprüfern hart ins Gericht. Schon die immer wieder behauptete Unabhängigkeit stellt er infrage. Schliesslich werden sowohl Correctiv als auch DPA von der Bundesregierung unterstützt», schreibt die NZZ.

Natürlich ist es richtig und wichtig, Tatsachenbehauptungen oder die Darstellung von Fakten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Und sicherlich decken Faktenchecks nicht allzu selten Falschbehauptungen auf. Aber sobald sich Fälle häufen, wo das Wort vom Faktencheck dafür missbraucht wird, unbeliebte politische Meinungen zu denunzieren, desavouiert sich diese Gilde selbst.

Bei der ersten und bei der Wiederwahl von Donald Trump überschlugen sich nicht nur Faktenchecker dabei, ihm und seinem Gefolge eine unendliche Menge von Lügen nachweisen zu wollen. Die «Washington Post» führte ein eigentliches Register von Zehntausenden von angeblichen Falschbehauptungen. Genauere Untersuchungen erwiesen dann, dass ungefähr 90 Prozent der angeprangerten Lügen gar keine waren.

Also ist es nicht das Ende der Wahrheit im Internet, wenn grosse Plattformen darauf reagieren, indem sie die Faktenchecker arbeitslos machen. Wogegen die natürlich schon aus Eigeninteresse lauthals protestieren.

Aber mindestens so fragwürdig wie deren Tun ist die unreflektierte Übernahme von Hiobsbotschaften aus nicht weiter überprüften Quellen durch Journalisten, nicht zuletzt in der Schweiz wurden diese Behauptungen vom Ende des gesitteten Umgangs auf den Sozialen Plattformen ungeprüft kolportiert.

Der Journalismus ist am Ende, oder sagten wir das schon.

Keiner stoppt Häsler

Er warnt, mahnt und fordert. Ungehört, aber unermüdlich.

«Georg Häsler ist Oberst der Schweizer Armee, eingeteilt im Heeresstab. Er war zuvor Kommandant einer Festungsminenwerferkompanie und Kommandant Stellvertreter der Artillerieabteilung 10.» Vielleicht trägt er nun nicht nur bei Pressekonferenzen, sondern auch im Berner Stadtrat, in den er gewählt wurde, seine schmucke Uniform. Oder auch an seinem Arbeitsplatz bei der NZZ.

Dass es sich hier um eine demokratische Wahl handelte, würde wohl nicht mal Rabauke Häsler bestreiten. In anderen Regionen Europas sieht er das kritischer:

«In Budapest, in Bratislava und wohl bald auch in Wien regieren erklärte EU-Gegner. Dieser neue Nationalismus nützt Russland. Europa muss von innen heraus resilienter werden

Stoppen und müssen und resilient, so führt man als Oberst – in die sichere Niederlage, wenn diese Wortblasen geplatzt sind. Aber man soll Häslers Bildungsniveau nicht unterschätzen. Diesen Aufruf, diese Befehlsausgabe beginnt er mit einer Kurzzusammenfassung von Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften», der in Kakanien lebt, das Wort für die untergehende k. u. k. Herrlichkeit Österreich-Ungarns.

Aber ach je, das scheint doch das Abladen von überflüssigem Bildungsballast gewesen zu sein: «Natürlich ist die EU nicht Kakanien.» Tja, dann halt nicht.

Welches Wort aus dem kleinen Wörterbuch des Flachdenkens fehlt noch? Genau, die «Belastungsprobe», hier gar die «echte Belastungsprobe», im Unterschied zur unechten. Vor einer solchen steht die österreichische Demokratie. Wieso das? Nun, weil dort demokratisch die FPÖ zur stärksten Partei gewählt wurde. Das ist aber ganz schlimm: «Die Institutionen müssen einen Kanzler aushalten, der Österreich umgestalten will.»

Himmels willen, statt dass ein Kanzler kommt, der einfach so weitermacht wie bisher, was ja toll geklappt hat.

Aber das Unheil ist ja nicht auf die Alpenrepublik beschränkt, Häsler sieht da die grossen Zusammenhänge: «Gemeinsam mit dem ungarischen Ministerpräsidenten und dem ehemaligen tschechischen Präsidenten Andrej Babis unterschrieb er im Juni 2024 ein «patriotisches Manifest», das vor einem «europäischen Superstaat» warnt und eigentlich einen Rückbau der europäischen Institutionen fordert.»

Wie kann Kickl nur, und höchstwahrscheinlich haben diese drei bösen Buben auch nicht Häsler vorher um Erlaubnis gefragt, ob sie das tun dürfen. Wahrscheinlich nicht mal anständig salutiert, Sauhaufen.

Schlimmer Sauhaufen, denn: «Ein EU-Gegner als österreichischer Kanzler nützt deshalb vor allem Russland. Die gestärkten Schaukelstaaten treiben zunächst einen Keil in die europäische Abwehrfront gegen den Krieg als Mittel der russischen Machtpolitik.» Wussten wir’s doch, alles Diversanten, Saboteure, Fünfte Kolonne, früher hätte man gesagt: Moskau einfach.

Häsler schwant wieder einmal Schlimmes, aber ganz sicher ist er sich doch nicht: «Gegenwärtig fehlt die Basis für ernsthafte Prognosen.» Aber das kann natürlich einen Oberst nicht erschüttern. Wenn es keine Basis für Prognosen gibt, dann gibt es, Moment, wir schlagen im Wörterbuch nach, genau, dann gibt «Szenarien». Gleich ganze drei zaubert Häsler aus seinem Offiziershut. Und lässt sie zackig aufmarschieren. Es handelt sich um das Trio «Stagnation, Konfrontation, Erosion Europas».

Was wird’s denn sein? Da hält sich der Seher bedeckt: «Der geopolitische Blindflug dürfte in den nächsten Monaten anhalten. Kurzfristig könnte die Lage tatsächlich stagnieren ...» Schön, wenn man jemandem beim Backen von heisser Luft zuschauen darf.

Aber natürlich ist die Zukunft kein Ponyhof: «Jede weitere Stärkung des kakanischen Schaukelblocks beschleunigt die gefährlichste Entwicklung: die Erosion Europas, welche zu neuen Konflikten führen könnte.» Kakanien, Leitmotiv, aber hallo.

Doch, dann sind wir aber fast am Ende des Wörterbuchs, was fehlt denn noch? Na, was ist schon wieder bei Krisen? Genau: «Es besteht auch die Chance, dass sich die EU von innen heraus stärkt.» Jede Krise ist eine Chance, dass man das immer wieder sagen muss.

Aber wie stärkt man denn genau? Da gibt der Oberst einen klaren Marschbefehl aus: «Vor allem müssen die neuen Europäer aus dem Nordosten raus zu den Menschen – wohl ganz besonders in der Mitte Europas.» Raus zu den Menschen draussen im Lande, genau, eines der hohlsten Politikerworte aller Zeiten.

Wie endet der begabte Dampfplauderer seine Befehlsausgabe für Europa? Na, natürlich mit einer Klammer, am Schluss zurück zum Anfang. Auch wenn er hier mal wieder, ist so eine Marotte von ihm, recht dunkel in der Bedeutung wird. ZACKBUM zumindest ist zu blöd, um den Sinn dieses Schlussatzes zu begreifen:

«Kakanien, das versunkene Phantasieland, hat eine bessere Erinnerung verdient als den Nationalismus des Untergangs.» Sachdienliche Angaben mit militärischem Rang des Senders bitte an diese Redaktion.

Sudan? Ist da was?

Einzig die NZZ berichtet. Andere betrachten lieber ihren Bauchnabel.

Im Sudan findet die grösste humanitäre Katastrophe dieser Zeit statt. Zwei Tyrannen ringen um die Macht, rund 12 Millionen Sudanesen  (von schätzungsweise 48 Millionen) sind vor den Kämpfen in die mausarmen Nachbarländer geflüchtet. Die Hälfte der Bevölkerung hat nicht genug zu essen. Schätzungsweise 150’000 Menschen sind bei den Kämpfen bislang umgekommen.

Die Infrastruktur, mit der es auch vorher nicht weit her war, ist weitgehend zusammengebrochen. Schätzungsweise 80 Prozent aller Spitäler oder Gesundheitszentren sind nicht mehr benutzbar.

Im Kampf um die Macht schrecken weder die Rebellentruppe Rapid Support Forces, noch die offizielle sudanesische Armee vor Gräueltaten, Massakern und Völkermord zurück. Besonders umkämpft ist die Provinz Darfur, aber auch um die Hauptstadt Khartum herum und in anderen Landesteilen wird erbittert um die Macht gefunden.

Dabei stehen sich RSF-Führer Mohammed Hamdan Daglo und Militärgeneral Abdelfatah Burhan feindlich gegenüber. Sie hatten noch gemeinsam mit einem Putsch im Jahr 2019 die Macht vom damaligen Herrscher Omar al-Bashir übernommen und mit einer Militärjunta gemeinsam regiert. Vier Jahre später zerbrach dieses Zweckbündnis, erklärt die NZZ die Hintergründe.

Darfur galt einst als die Kornkammer Sudans, inzwischen schrecken die Kriegsparteien nicht einmal davor zurück, humanitäre Hilfe nur gegen Bestechung zuzulassen. Die enormen Kriegskosten werden mit den Goldschätzen des Sudans bezahlt, damit lassen sich auf den internationalen Märkten problemlos Waffen und alles Nötige besorgen, um die Schlachtereien und Metzeleien fortzusetzen.

Die internationale Gemeinschaft wirft ab und an mal ein Auge auf die Situation, die USA sprechen ein paar Sanktionen aus – ansonsten interessiert das kein Schwein. Auch der Tagi lässt verdienstvollerweise manchmal einen Korrespondenten zu Wort kommen, Arne Perras von der «Süddeutschen Zeitung».

Aber ansonsten interessiert sich der Wertewesten einen Dreck für diese humanitäre Katastrophe. Falsche Weltgegend, falsche Hautfarbe, es lässt sich kein Konflikt zwischen den Guten (wir) und den Bösen (Russland, China und alle anderen) konstruieren. Da ist es dann mit der Verteidigung unserer Werte nicht weit her. Nennenswerte Sanktionen existieren auch nicht.

Es wäre nicht allzu schwierig, diesem Morden ein Ende zu bereiten, indem eine internationale Friedenstruppe einmarschiert. Aber werder die Organisation afrikanischer Staaten (OAS) noch sonstjemand bringt das Interesse, die Energie und die Finanzmittel dafür auf.

Daraus lernt die Welt wieder einmal, dass die universelle Gültigkeit von westlichen Werten doch eher sehr partiell gehandhabt wird. Nicht zuletzt deswegen hat sich nur eine einstellige Zahl von Staaten (wenn man die EU insgesamt als einen nimmt) den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Denn die damit verbundene Heuchelei und die Finanzierung dieses Krieges mit Multimilliarden und immer wieder neuen Unterstütztungspaketen beruht nur darauf, dass damit den Grossmachtsstreben Russlands empfindliche Schläge versetzt werden können.

Da ist dann jedes einzelne tote Kind (wenn es auf ukrainischer Seite zu beklagen ist) Schlagzeilen wert. Dass sudanesische Kinder wie die Fliegen sterben, interessiert hingegen entschieden weniger.

Musk meets Weidel

Da hyperventilierten die Medien von links bis rechts.

Mehr Gratiswerbung hätte sich die AfD und ihre Kanzlerkandidatin Alice Weidel nicht wünschen können. Da plaudern die Politikerin und der Multimilliardär und Trump-Flüsterer Elon Musk miteinander – und alle hören zu und weg. Was haben sie eigentlich geredet? Interessiert kaum jemanden so wirklich, wer wollte es sich denn anhören?

Denn es geht doch nichts über die Bestätigung von Vorurteilen in den sogenannten Qualitätsmedien. So ist sich «watson» sicher: «Elon Musk ist ausser Rand und Band: Wie ein Berserker arbeitet sich der reichste Mann der Welt momentan am politischen Establishment in Europa ab.»

Okay, «watson» und Qualitätsmedium, das passt zusammen wie ein Palmenstrand mit Grönland. «Zwei hochumstrittene Köpfe, aber ein Herz und eine Seele», weiss der «Blick». Okay, «Blick» und Qualitätsmedium, das passt zusammen wie Schnee an der Copacabana.

«Elon Musks Anarcho-Diplomatie ist ein Problem für Europa – aber wer sich provozieren lässt, hat schon verloren», trompetet die NZZ. NZZ und Qualitätsmedium, aber wieso weitere Vergleiche machen.

CH Media weiss: «Musk hat X zur Macht-Maschine gemacht – jetzt gibt er Alice Weidel den Schlüssel». Hübsches Bild dieses Qualitätsmedienhauses, nur: triumphierte man nicht unlängst, dass sich Musk mit dem Kauf von Twitter halb ruiniert habe und die Plattform in Grund und Boden wirtschafte?

«Blind-Date auf X: Musk trifft AfD-Chefin Weidel», flötet die SDA, erstaunlich lyrisch für die sonst so trockene Nachrichtenagentur. Und was weiss sie von dem Gespräch zu berichten? ««Hitler war ein Kommunist», sagte Weidel». Das ist natürlich Schwachsinn, aber sowohl sie wie Musk haben durchaus auch bedenkenswerte Dinge gesagt. Nur sind die nicht berichtenswert.

Überhaupt nicht komisch finden das die anderen deutschen Parteien und natürlich die SZ: «Milliardär Elon Musk schaltet sich von den USA aus in den deutschen Wahlkampf ein und macht umstrittene Werbung für die AfD.» Und fügt triumphierend hinzu: «Gewerkschaften und Bundesgerichtshof verlassen Musks Plattform X. Konkreter Anlass ihres Abschieds von X ist Musks Wahlkampfgespräch mit AfD-Chefin Weidel.» Daran wird der grüne Kanzlerkandidat und Wendehals (bitte nicht klagen) Habeck zu knabbern haben; er ist gerade zu X zurückgekehrt.

Und die «Weltwoche» vermeldet die Schmonzette: «Bundestagsverwaltung prüft, ob Musks Gespräch mit AfD-Chefin Weidel eine «illegale Parteispende» darstellt».

Es ist mal wieder wie im Irrenhaus. Alle deutschsprachigen Politiker (und Journalisten) mischen sich unablässig in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein und überborden vor Ratschlägen, Anweisungen und Rechthabereien, wie andernorts die dummen Fehler der Regierenden korrigiert werden sollten.

Aber wenn ein irrer Milliardär Sympathien für die deutsche AfD hat und sich mal öffentlich mit der Parteichefin unterhält, dann erhebt sich grosses Geschrei. Dabei haben weder Musk noch Trump bislang die Einverleibung Deutschlands in die USA gefordert. Das müssen sie ja auch nicht, weil sich Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg als übereifriger und immer hilfsbereiter Adlatus der Amis gebärdet.

Und was sagt das Qualitätsmedienhaus Tamedia zum Gespräch? Ihm hat’s, fast bis Redaktionsschluss von ZACKBUM am späten Donnerstagabend, schlichtweg die Sprache verschlagen. Dann erst fand Dominique Eigenmann wieder eigene Worte. Erstes Drittel: Wiederholung von altbekannten Beschimpfungen Musks. Zweites Drittel: launiges Niedermachen des Gesprächs («Duett und Plauderei … sprangen wild von Thema zu Thema … lachten über die angebliche Dummheit aller anderen Parteien … Hitler, wärmte Weidel eine beliebte rechte Verkehrung auf, sei im Grunde nie ein Rechter, sondern immer ein nationaler Sozialist gewesen, ein Kommunist gar», etc.) Letztes Drittel: Beckmesserei und Niedermache: «Interessanter als das, was besprochen wurde, war vielleicht das, was nicht zur Sprache kam.» Interessanter als diese Gesinnungsschmiere wäre vielleicht der Versuch gewesen, den Inhalt der 75 Minuten einigermassen korrekt wiederzugeben.

Dafür gibt’s eine neue Gaga-Rubrik beim Tagi, obwohl Kerstin Hasse doch das Haus verlassen hat: «Dry January und Veganuary». Das wird der Einschaltquotenknüller, schon alleine mit diesem leichtverständlichen Titel  …

Allerdings, so viel Objektivität muss sein, gibt der «Blick» dem Bestsellerautor Claude Cueni eine Plattform, um einen ganz anderen Ton in die Debatte zu bringen. Der fragt besonnen, ob es denn ein Skandal sei, wenn Musk Alice Weidel interviewt: «Für Elmar Thevessen (57), Leiter des ZDF-Studios in Washington, sogar ein ganz grosser. Er sagt im ZDF, dass nur Journalisten und Journalistinnen Interviews führen dürfen.»

Dagegen hält Cueni:

«Slow down. Jeder darf jeden interviewen. Ausser in totalitären Staaten. Die Leute haben die einseitige Berichterstattung satt, sie haben die pürierten Fakten satt, sie haben die Bestrafung von harmlosen Rentnern, die lediglich etwas gelikt haben, satt. Sie wollen informiert und nicht belehrt und umerzogen werden. Sie brauchen keine «Experten», die für sie «einordnen», weil man sie für Deppen hält.»

Das haben allerdings die meisten Medien und auch die meisten Politiker noch nicht geschnallt. Deshalb werden sie mit Leser- und Wählerschwund bestraft. Was ihnen allerdings nicht zu denken gibt, sondern in der Überzeugung bestärkt, dass es eben zu viele Deppen gibt, die streng belehrt werden müssen.