Auch die NZZ schwächelt

Quellenkritik wäre auch an der Falkenstrasse sinnvoll.

Die Rubrik «Medien» bei der NZZ war einmal ein angesehenes Gefäss. Viele Jahre lang wirkte hier Rainer Stadler. Genauer 31,5 Jahre. Nachdem ihm die Verantwortung für die Medienseite* entzogen worden war, kündigte er. «Ich denke, dass Medienjournalismus in den Massenmedien zunehmend unmöglich wird», war sein bitteres Fazit.

Wir von ZACKBUM müssen dem beipflichten. Vor allem, da auf der Medienseite nun eine gewisse Verwilderung stattfindet. So wird das Stück von Abraham Wyner kommentar- und kritiklos aus der rechtsradikalen jüdischen Publikation «Tablet» übernommen.

Dessen Zweifel an den Opferzahlen im Gazastreifen hatte bereits Markus Somm verwendet, was für die NZZ ein Warnzeichen hätte sein sollen. Wyner ist ein nicht unumstrittener Statistik-Professor, dem zum Beispiel vorgeworfen wird, dass er in einem Prozess um den Klima-Forscher Michael E. Mann als Zeuge ausgesagt hatte, dass dessen Hockey-Stick-Grafik Unsinn sei. Mann beschuldigt ihn, dafür ein Honorar von 100’000 US-Dollar bekommen zu haben.

 

Statt Wirkung zu erzielen, seien Wyners «Glaubwürdigkeit und Integrität beim Prozess angezweifelt» worden, schreibt Mann.

Das Organ «Tablet» hat auch schon diverse Skandale hinter sich. So beschimpfte es in einem Artikel Holocaust-Überlebende, die seien «Bösewichte, die sich als Opfer ausgeben und allein aufgrund ihres Überlebens (höchstwahrscheinlich mit allen nötigen Mitteln) das Gefühl hatten, sie hätten sich das Recht verdient, Helden zu sein […] hinterlistig, unzerstörbar, nehmend und nehmend». Auch für diese Ungeheuerlichkeit musste sich «Tablet» entschuldigen, wie für andere Ausrutscher mehr.

Also ein sagen wir mal umstrittener Autor, ein mehr als fragwürdiges Publikationsorgan, und ein heftiger Vorwurf.

Natürlich ist es klar, dass die Zahlen über Todesopfer während der militärischen Invasion Israels eine Propagandawaffe sind. Und das Hamas-kontrollierte Gesundheitsministerium von Gaza ist sicherlich nicht die vertrauenswürdigste Quelle. Wyner behauptet nun, auch in der NZZ: «Das Problem mit diesen Daten ist Folgendes: Die Zahlen sind nicht real

Als Argument verwendet Wyner, dass die Zahlen der Opfer laut Statistiken der Hamas linear zunähmen, was angesichts der unterschiedlichen Intensität der Kriegshandlungen und Kriegsverbrechen Israels nicht möglich sei.

Etwas absurd ist dann seine erweiterte Beweisführung: «Insgesamt sollen etwa 70 Prozent der Opfer Frauen und Kinder sein, wobei dieser Anteil von Tag zu Tag willkürlich aufgeteilt wurde. Sind tatsächlich 70 Prozent der Opfer Frauen und Kinder, so liegt diese Zahl weit über den Zahlen, die bei früheren Konflikten mit Israel gemeldet wurden. Kommt hinzu: Wenn 25 Prozent der Bevölkerung erwachsene Männer sind, hat Israel die Hamas-Kämpfer entweder nicht erfolgreich eliminiert, oder die Zahl der erwachsenen männlichen Opfer ist extrem niedrig

Prozentrechnen für Anfänger. Aber Wyner geht noch einen Schritt weiter:

«Die Gesamtzahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung ist vermutlich stark übertrieben. Israel schätzt, dass bisher mindestens 12 000 Hamas-Kämpfer getötet wurden. Wenn sich diese Zahl auch nur einigermassen bewahrheitet, dann ist das Verhältnis von Opfern unter den nicht am Kampf Beteiligten zu den Kämpfern bemerkenswert niedrig: höchstens 1,4 zu 1 oder sogar 1 zu 1.»

Aber selbst wenn das so wäre, würde das bedeuten, dass ingesamt 24’000 oder sogar 28’600 Menschen getötet worden wären. Addieren und Multiplizieren für Anfänger.

Wyners Schlussfolgerung:

«Gemessen an den historischen Massstäben der urbanen Kriegsführung, bei der sich Kämpfer unter die Zivilbevölkerung mischen, ist dies ein bemerkenswerter und erfolgreicher Versuch, unnötige Verluste an Menschenleben zu vermeiden und gleichzeitig einen unerbittlichen Feind zu bekämpfen, der sich mit Zivilisten schützt.»

Also liegen alle Politiker und Repräsentanten humanitärer Organisationen oder der UNO falsch, die vor einer Hungersnot und einem Massensterben im Gazastreifen warnen. Also ist die israelische Taktik, den Palästinensern im Norden des Gazastreifens zuerst anzuraten, sie sollen in angeblich sichere Gebiete im Süden fliehen, um die dann zu bombardieren und anzugreifen, ein «erfolgreicher Versuch», unnötige Verluste zu vermeiden.

Es ist eher unappetitlich, die möglicherweise übertriebenen Zahlen der Hamas so in Zweifel zu ziehen. Es dürfte unbestritten sein, bei der flächendeckenden Zerstörung der Infrastruktur und der Immobilien im Gazastreifen, dass es wohl mehr als ein paar hundert zivile Opfer gegeben hat. Damit ist die verächtliche Taktik der Hamas, sich hinter der Zivilbevölkerung zu verstecken, keineswegs legitimiert oder entschuldigt. Aber irgendwie sollte sich doch das Gute vom Bösen unterscheiden, oder nicht?

Anders sehen das im Wesentlichen «Tablet», Wyner und Somm. Und nun übernimmt noch die NZZ dieses Stück. Ob dort das Qualitätsmanagement auch schon in den Osterferien ist?

*ZACKBUM-Redaktor René Zeyer veröffentlichte einige Artikel auf dieser Medienseite, als das noch möglich war …

8 Kommentare
  1. Ruedi Rudolf
    Ruedi Rudolf sagte:

    Wenn 50% der Bevölkerung Kinder sind hinter denen sich die Terroristen verstecken, ist es klar das es da auch Opfer zu beklagen gibt, das ist ja genau die Masche dieser Terroristen, um in der ganzen Welt Mitleid zu erwecken und Spendengelder zu erhalten. Die Terroristen diese Bestien Opfern ihre eigenen Kinder, wenn ihnen die Kinder wichtig wären, würden sie nicht immer wieder ihren Nachbarn terrorisieren, ohne denn sie gar keine Lebensnotwendige Infrastruktur haben, nicht mal Wasser, und sich hinter ihrer Zivilbevölkerung in Kindergärten, Schulen, Spitäler verstecken.

    Diese Terrorbubis sind auf die Hilfe von Israel und der Welt angewiesen, das wissen sie und bis jetzt hat ihr Erpressungsspiel ganz gut funktioniert, sie spielen damit und die sozialistischen Arabertüechli Träger fallen darauf rein und fördern den Terror auch noch.

    Wenn der Islam eine friedliche Religion der Nächstenliebe wäre, was er nicht ist, würden die Ägypter die Grenze für die Glaubensbrüder ihrer Irr-Religion öffnen. Denen sind aber ihre muslimischen Glaubensbrüder so was von total Wurscht – sind Heuchler und Lügner. Für die sind die Menschen in Gaza auch nicht mehr, als nur ein Werkzeug und Vorwand, um Israel zu Terrorisieren – einen Terrorkrieg den die arabischen Nachbarn mit Waffen zum Töten von Menschen fördern.

    Antworten
  2. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Die Geschichte wird vom Sieger geschrieben werden. Entweder 10’000e toter Terroristen oder oder 10’000e von Heldentoten. Wir werden es noch erleben.

    Antworten
  3. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Ich glaube keine veröffentlichte Zahlen, von niemandem. Ich musste selber welche «korrigieren». Auch harmlose Zahlen werden getürkt. Jede Firma fälscht Zahlen, um in irgendeinem Bereich besser auszusehen. Es ist völlig sinnlos darüber zu diskutieren. Wir müssen damit leben, dass wir von allen Seiten angelogen werden. Das gehört scheinbar einfach dazu. Mit Zahlen kann man zaubern. Hokuspokus.

    Antworten
  4. Tim Müller
    Tim Müller sagte:

    Warens 6 Millionen Tote? Oder 5? Oder «nur» Eine? Oder gar deren Zehn? – Bemerkenswert, dass wo ein Holocaust, auch dessen Leugner.

    Antworten
  5. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    Nicht mal die linksgebürstete Wikipedia labelt «Tablet» als «rechtsradikal». Sondern als konservativ. Framing?
    Über Hungersnöte und Massensterben im Gaza-Strip wäre hier im Mainstream schon längstens was zu lesen gewesen. Obwohl Guterrez jede 2. Woche davor warnt, ist es seit bald einem halben Jahr nicht dazu gekommen. Und zwar nur, weil der Gute Hilfslieferungen erlaubt.

    Antworten
    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Auch ohne mich auf Wikipedia stützen zu können, bezeichne ich ein Schmierenblatt, das Holocaust-Überlebende beschimpft, als rechtsradikal … Was noch höflich ausgedrückt ist.

      Antworten
    • Basil Weiss
      Basil Weiss sagte:

      Vermutlich kann man den Zahlen einigermassen Glauben schenken, und gemäss dieser sind es bereits deutlich mehr als 30’000 Tote Palästinenser. Und auch Berichte über verhungerte Kinder von unabhängiger Quelle gibt es ausreichend zu hören und zu lesen, wenn man denn will. Sie stammen allerdings nicht von der israelischen Armee…

      Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert