Wirtschaftsschwache NZZ

Schluderei auch bei der alten Tanten. Gerade in ihrer Kernkompetenz …

Es gibt vier Gründe, die NZZ zu lesen. Die Ausland- und Wirtschaftsberichterstattung. Das Feuilleton und ihre Fähigkeit, immer wieder abseitige, aber interessante Themen intellektuell anspruchsvoll aufzugreifen.

Spätestens seit dem Ukrainekrieg schwächelt die NZZ allerdings bei der Auslandberichterstattung. Sie lässt ihrem Auslandchef zu viel Spielraum, seine Sandkastengeneral-Fantasien auszuleben und mit barschen Worten einseitig Partei zu ergreifen. Bedauerlich.

Dass die NZZ sich bemüht, die Interessen des Finanzplatzes Schweiz zu vertreten und zu verteidigen, wohlan. Peinlich wird’s allerdings, wenn sie dabei fachliche Lücken offenbart. Konkret geht es um die Nachbereitung des skandalösen Abschreibers von Kreditinstrumenten im Nennwert von 16 Milliarden Franken, als die Credit Suisse mit Notecht an die UBS verscherbelt wurde.

Das war begleitet von einem Schnäppchenpreis von 3 Milliarden, Staatsgarantien in der Höhe von 259 Milliarden Franken und als Sahnehäubchen der durch die Bankenaufsicht FINMA angeordneten Ausradierung von begebenen Schuldpapieren in der Höhe von 16 Milliarden Franken.

Kurz zur Erklärung: das sind sogenannte AT 1 Bonds, ein von europäischen Regulatoren erfundenes Gebasteltes, das das Eigenkapital von Banken steigern soll. Konkret sind das hochverzinste Obligationen, die unter bestimmten Bedingungen zwangsweise in Eigenkapital, also Aktien, umgewandelt werden – oder abgeschrieben.

Ob in diesem Fall die Voraussetzungen dafür erfüllt waren oder nicht, darüber ist ein weltweiter Streit ausgebrochen, da die Käufer dieser Schuldpapiere selbstverständlich nicht einfach zuschauen, wie ihnen Milliarden abgeknipst werden. Es deutet vieles darauf hin, dass die in den Ausgabeprospekten genannten Bedingungen (Trigger) nicht erfüllt waren, die einen solchen Totalschaden auslösen könnten. Das wird in teuren und langjährigen Gerichtsverfahren in der Schweiz, in den USA, in England, Japan und vielen anderen Ländern der Welt geklärt.

Nun meldet sich die alte Tante mit etwas zu Wort, das sie gerne als «ordnungspolitischen Zwischenruf» etikettiert. Oder auf Deutsch: wir sagen mal, was Sache ist. Dazu meldet sich Flamm Mordrelle zu Wort, «seit Herbst 2022 befasst er sich im Wirtschaftsressort mit der Finanzindustrie und Anlagethemen».

Das tut nun weder der Finanzindustrie, noch Anlagethemen wirklich gut. Er fängt noch ganz vernünftig mit einer Beschreibung der Affäre an:

«Die Besitzer von sogenannten AT1-Anleihen der CS haben durch die Rettungsaktion alles verloren: Die CS musste die Anleihen auf Geheiss der Finanzmarktaufsicht (Finma) vollständig abschreiben. «Wertpapiere» im Umfang von 16 Milliarden Franken wurden dadurch wertlos. Diese Gläubiger, darunter Pensionskassen, Family-Offices und Privatanleger, wurden im Zuge der CS-Rettung finanziell somit am härtesten getroffen

Damit wurde die übliche Reihenfolge beim Bluten auf den Kopf gestellt. Denn die Aktionäre kassierten immerhin noch 3 Milliarden, während Obligationäre in die Röhre schauen mussten. Das habe weltweit grosses Gebrüll ausgelöst, schreibt Mordrelle noch richtig. Die Begründungen für diese Massnahme durch die Bankenaufsicht FINMA seien eher schwach, stellt er dann fest. Um sich in der Definition dieser AT1 Bonds dann zu vergaloppieren:

«Fällt das Kapital einer Bank unter eine bestimmte Marke, werden sie abgeschrieben und stärken so das Eigenkapital.»

Das ist höchstens halb richtig, denn normalerweise werden sie in Eigenkapital zwangsgewandelt. Auslöser für einen Abschreiber kann nur eine staatliche Nothilfe oder ein unter eine genau definierte Schwelle gefallenes Eigenkapital sein. Dazu schreibt der NZZ-Journalist wieder richtig: «Im Fall der CS war das Kapital aber bis am Schluss stets ausreichend

Er drückt sich aber um die auf der Hand liegende Schlussfolgerung: war das so (und es gab auch keine Notrettung durch den Staat; wie sagte die Finanzministerin Karin Keller-Sutter so unsterblich ungeschickt: «this is not a bail-out»), dann sind die beiden möglichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen.

Damit kommen nun Milliardenforderungen auf die Schweiz zu. Auf die Schweiz? Auf den Schweizer Steuerzahler, der mittels Staatshaftung dafür geradestehen muss. Wieder richtig lamentiert Mordrelle: Die Berner Beteiligten «nahmen in Kauf, dass der AT1-Markt – ganze 275 Milliarden Dollar gross – in die Krise gestürzt wird und der Ruf des Schweizer Finanzplatzes als sicherer Hafen weiter leidet».

Ob es der UBS weiterhin gelingen wird, sich aus diesem Schlamassel herauszuhalten (sie machte nicht zuletzt wegen diesem Abschreiber einen ungeheuerlichen Sondergewinn von 29 Milliarden Dollar in einem Quartal), ist auch eine interessante Frage.

Dann setzt Mordrelle aber zur Verteidigungsrede an: «Mitleid mit den professionellen Investoren ist indes fehl am Platz. Sie haben vielmehr schmerzlich erfahren, was für ein Risiko mit einem Coupon von bis zu 9,75 Prozent im Jahr für bestimmte AT1-Bonds der CS einherging. Solche Renditen erhält man nur, wenn man substanzielles Risiko übernimmt. Von einem professionellen Investor darf man erwarten, dass er den Emissionsprospekt genau liest

Hier macht er gleich zwei Denkfehler. Natürlich haben die professionellen Investoren die Emissionsprospekte genau gelesen. Sie konnten aber nicht damit rechnen, dass der Bundesrat per Notrecht versucht, dort enthaltene Definitionen im Nachhinein umzubiegen, bzw. zu erweitern. Ihnen mangelhafte Sorgfalt vorzuwerfen, ist etwa so absurd, wie wenn ein sich an die Geschwindigkeitslimite 50 haltender Automobilist eine Busse bekommt: die Höchstgeschwindigkeit sei halt im Nachhinein auf 30 runtergesetzt worden, ätsch. Von einem professionellen NZZ-Journalisten darf man erwarten, dass er das Verbot rückwirkender Änderungen von Ausgabeprospekten kennt.

Zum zweiten wurden diese AT1 Bonds, nicht zuletzt von Schweizer Banken, auch Kleinanlegern mit einer Stückelung von lediglich 5000 Franken ins Portefeuille gelegt.

Und am Schluss verschreibt sich Mordrelle dann ganz dem Prinzip Hoffnung: «Eine gerichtliche Klärung der Gläubigeransprüche ist auch aus diesem Grund angezeigt. Investoren wissen dann, woran sie sind. Die Schweiz wiederum könnte sich vom Image der Bananenrepublik, das ihr die geschädigten Gläubiger verpasst hatten, befreien – falls die Klagen auch wirklich abgelehnt werden

Hoppla. Damit räumt er indirekt ein, dass die Schweiz eine Bananenrepublik sei, sollten die Klagen erfolgreich sein. Die Schweiz als mögliche Bananenrepublik, sagt die NZZ. Unglaublich, aber wahr. Leider ist’s auch dort mit der Qualitätskontrolle vor Publikation nicht immer zum Besten bestellt.

12 Kommentare
  1. HJ Stadler
    HJ Stadler sagte:

    Leider nur halb richtig, Herr Zeyer. Sie beschreiben zutreffend, aber ziehen die falsche Schlussfolgerung. Es wurde nicht der Emissionsprospekt nachträglich abgeändert. Es wurde unzutreffend erklärt, die Kriterien für einen Abschreiber – wie Sie es nennen – seien erfüllt.

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Leider nein. Es wurde zu den Träger-Ereignissen, wie in den Prospekten beschrieben, nachträglich noch die Form von Staatshilfe hineingeschrieben, wie sie am 19. März angewendet wurde. Erst damit konnte behauptet werden, ein Kriterium für den Abschreiber, wie es allgemein genannt wird, sei erfüllt. Es ist einwandfrei der Versuch einer retroaktiven Regelung. Aber wie auch immer, das wird dem Schweizer Steuerzahler schwer auf die Füsse fallen, wetten?

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      • HJ Stadler
        HJ Stadler sagte:

        Erneut nein! In die Prospekte wurde nichts nachträglich hineingeschrieben. Die Finma bezog sich auf den sogenannten «Tragfähigkeitsfall», der ohne Staatshilfe mit Sicherheit in den Konkurs führt. Letztlich stellt sich einzig die Frage, ob das Notstandsgesetz korrekt zur Anwendung kam. Am Prospekt wurde nichts verändert!

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  2. Oliver Brunner
    Oliver Brunner sagte:

    Dieser neue Redaktor hat schon einige Analysen losgelassen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Der Leser vermisst Kenner des Finanzplatzes wie Ermes Gallarotti

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  3. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Wie immer auf den Punkt gebracht. Auch die UBS wird als «Kriegsgewinnlerin» ihre Problem im Auslandsgeschäft bekommen, eigentlich haben diese ja bereits begonnen. Sie wird in England aber auch in Teilen der USA populistsch als Paradebeispiel für ein von Bankstern geführtes Unternehmen dargestellt. Ihr Image ist dort im Sturzflug. Ich weiss nicht, ob das isolierte Meinungsinseln sind, aber die Schweiz hat grosse und kleine Anleger weltweit mit dem CS-Debakeldeal kreativ per «Notrecht» bestohlen. Das wird auf die Schweiz zurückfallen – todsicher.

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  4. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Manchmal scheint es mir, dass Herr René Zeyer der einzige verbliebene vernünftigte Journalist in der Schweiz ist! Seine Kompetenz und Arbeitsleistung sind einmalig, chapeau!

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  5. Gili
    Gili sagte:

    Herr Zeyer, Sie sind der Gosebeiu aller Zeitungskritiker im deutspracheigen Raum; Sie wissen einfach alles besser. Warum bemühen Sie sich eigentlich nicht um die Chefredaktion eines der von Ihnen so sehr geliebten“Blätter“; es würde sicher alles besser!

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    • Slavica Bernhard
      Slavica Bernhard sagte:

      Gilli, warten Sie, bis die Rechnung präsentiert wird, dann können Sie sich bei Herrn Zeyer entschuldigen! Zahlen müssen Sie so oder so…

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Liebe/r Gili
      ‹alles besser wissen› ist gar nicht das Kriterium.
      Es reicht schon, ein gewisses Mass an Wissen oder Denken und dazu vor allem: noch zu merken, wenn Experten im gleichen copy-paste Vorgang gleichzeitig Hü-go-go und Stopppp weiter verbreiten. Oder einfacher: sich haarsträubend widersprüchliche Fakten als völlig logische Wahrheiten und Lösungen präsentieren.
      ‹Schweiz als mögliche Bananenrepublik› ist dabei wenigstens noch lustig……
      Alles für unsere Gesundheit heisst jetzt einfach: alles für unseren – legal abgesicherten – Wohlstand. Für ‹Banker› oder Besorgte: bis 2030 werden wir alle glücklich sein.

      Zwischenzeitlich, wenn’s traurig ernst wird, nennen sie es dann: ‹Waffen für den Frieden› oder ‹Selbstverteidigung mit modernsten Angriffsbomben›.
      Dafür hat ja die Frau am Herd jetzt wieder fremdgesteuerte Fliegerli gekauft, die gleich wieder bremsen müssten nach dem Starten.
      So sie denn fliegen.

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