Peinlich hoch zwei

Das NZZaS Magazin kennt keine Scham.

Der Start der «Interview-Serie» legte schon das Niveau auf Höhe Bordsteinkante. Es durften die «Edel-Escort» Salomé Balthus, vulgo die Prostituierte Klara Lakomy, mitsamt ihrem Partner Florian Havemann, vulgo Autor eines verleumderischen Buchs über den eigenen Vater, über dies und das reden.

Duftmarke:

«War der Sex in der DDR freier?
Er: Das müssen Sie mich nicht fragen.
Weil?
Sie: Darf ich antworten?
Er: Nein, darfst du nicht. Ich hatte sehr wenig sexuelle Beziehungen.»

Als nächsten in dieser peinlichen Reihe interviewen Sacha Batthyany und Rafaela Roth den Gebrauchsschriftsteller Martin Suter. Der entäussert sich hier jeglicher Intimitäten: «Margrith wollte nicht sterben», sagt der über den Tod seiner Frau, und das nehmen die Autoren gleich als Titelzitat.

Was soll man zum Inhalt sagen? Am besten wendet man das Gesicht ab und schämt sich anstelle der drei Beteiligten. In all diesem Zurschaustellen von Innereien gibt es nur wenige Stellen, wo wenigstens etwas Absurdität durchschimmert, die aber nicht gewollt ist:

«Hatten Sie diese salzigen Zitronen, wie man sie aus Marokko kennt?
Ich lege sie selbst ein. Ich habe immer ein bis zwei Gläser dieser eingemachten Zitronen im Kühlschrank.
Essen Sie die Tajine auch von Hand?
Nein.»

Daneben dann solche Fragen:

«Sie kennen das Gefühl des Trauerns. Vor 14 Jahren haben Sie Ihren Sohn verloren. Trauern Sie anders um Ihre Frau als um Ihren Sohn?
Herr Suter, was bedeutet Liebe?
War Ihre Ehe monogam?
Man steht sich nackt gegenüber, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, sehen Sie das auch so?
In Ihren Büchern geht es oft ums Essen. Ist das Ihre Art, über Sex zu schreiben?»

Man muss ziemlich schmerzfrei sein, um solche Fragen zu stellen – und sie zu beantworten. So leiert das über fast 25’000 Anschläge, und es ist noch nicht vorbei:

«In den kommenden Monaten veröffentlichen wir an dieser Stelle Gespräche über die Liebe mit Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft, denn wir sind der Meinung: Sie kommt zu kurz.»

ZACKBUM ist der Meinung: hier kommt der gute Geschmack und vieles mehr zu kurz. Unsere schon geäusserte Ahnung verdichtet sich zur Überzeugung: früher oder später dürfte hier ein gewisser Kim auftauchen, und damit ist nicht der nordkoreanische Diktator mit Frisurproblemen gemeint.

Wenn eine Prostituierte eine Persönlichkeit ist, dann ist natürlich alles erlaubt, alles offen, gibt es keine Schranken und kein Mitleid mit dem Leser. Da gibt es für Beat Balzli noch einiges zu tun. Wobei die naheliegendste Lösung die einfachste wäre. Das Ende dieses Magazins würde eigentlich niemandem auffallen. Es würde nicht mal Phantomschmerzen auslösen. Ausser vielleicht bei den Beteiligten an diesem Schrottplatz der schlechten Ideen.

Im möglichst schmerzlosen Schnelldurchlauf:

Das ist die Titel-Leserverarschung, nomen est omen.

Dann senkt sogar Christoph Zürcher sein eigenes Niveau, indem er seinen Senf zum Nahen Osten geben muss. Will man Martin Helgs Pseudo-Klugscheisserei über den Staub lesen? Will man nicht, ausser, man wäre ein Staubsauger. Aber die lesen nicht.

Immerhin, der «sponsored content für Polestar» ist noch das Lesbarste hier. Aber eine Renzension von «Bellevue» geht sogar über unsere Kräfte. Warum? Bitte, nur für starke Leser: «Victorias neues Parfum «Portofino ’97» erzählt olfaktorisch von einem ihrer ersten geheimen Dates an der italienischen Riviera.» Bitte lüften. Selbst Henriette Kuhrts «Auswege aus befremdlichen Duftwolken» können hier nicht helfen.  Es hilft gegen den Würgreflex auch kein «Pumpkin Spice Latte» mit Gratiswerbung für das organisierte Erbrechen in einer abgetakelten US-Kette.

Die gute Nachricht ist allerdings: damit ist das Heft durch. Nun aber unter die Dusche.

7 Kommentare
  1. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Sex sells!
    Herr Zeyer, sie haben wie (fast) immer recht. Interviews mit Persönlichkeiten wie Frau Salomé Balthus oder Frau Klara Johanna «Hanna» Lakomy waren in den 70er Jahren, bzw. für die NZZ in den 80er Jahren, vielleicht aktuell. Heutzutage mit Internet und so läuft das wohl etwas anderst.

    Was mich in diesem Bereich, die Japaner sagen so schön «floating world», wirklich interessieren würde, ist diese ominöse Liste des Herrn Jeffrey Epstein. Wobei Frau Ghislane Maxwell als Interview-Partnerin wohl ausfällt; sie möchte ja noch etwas leben.

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Vollständiger Name laut Wikipedia: Klara Johanna „Hanna“ Lakomy. Wo’s bei diesem pseudonymen Wäffeler pfeift, wollen wir gar nicht wissen.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Nichts schreiben zum vorigen Beitrag kann auch als Kompliment gesehen werden: zackbum schafft es immer wieder, einige Schritte weiter zu denken, als die Abschreibmaschinen in ihrer Auftragserfüllung von gut-böse PR auch nur ahnen könnten. Ahnung gibt’s da anscheinend nicht mehr.

    Dafür kann ich mir hier meinen Senf nicht verklemmen:
    ich hab bloss eine Ahnung, dass es Prostituierte geben könnte, die mehr Persönlichkeit haben, als Herr Zeyer denen pauschal nicht zugestehen will.
    Aber ganz bestimmt sind heutzutage ganz viele, viel zu viele ‹Persönlichkeiten› mehr schrecklich prostituiert, als es der Welt bekommt.

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  3. Mathias Wyss
    Mathias Wyss sagte:

    Herr Zeyer, waren Sie noch nie, rein berufshalber natürlich, mit Leuten aus der Kreativszene, also der Werbung, beim Mittagessen? Es gibt eine Zielgruppe für pseudointellektuelle Medienprodukte.

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  4. Rapahel Stein
    Rapahel Stein sagte:

    Die Interview Serie hat wohl die Zeitung verwechselt, doch warum sollte eine Prostituierte keine Persönlichkeit sein?

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