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Die Not mit dem Notrecht

Wie die Mainstream-Medien Grundlegendes ignorieren.

Enteignung von Aktionären? Notrecht. 16 Milliarden mit einem Federstrich ausgelöscht? Notrecht. 209 Milliarden Staatsgarantien? Notrecht. Welches Notrecht eigentlich?

Wenn die Not gross ist, gibt es den sogenannten übergesetzlichen Notstand. Notstand wie Katastrophe, Krieg, Überschwemmung. Notstand wie Notwehr. Welches Notrecht kann eigentlich der Bundesrat anwenden, wenn er durch ihr unfähiges Management in Schieflage geratene Banken retten will, weil er meint, er müsse?

Zunächst einmal steht vor dem Notrecht in solchen Fällen das extra dafür verabschiedete Gesetz zur «Too big to fail»-Problematik. Zunächst einmal steht vor dem Notrecht das von der FINMA, der Bankenaufsicht verlangte und überprüfte Prozedere für systemrelevante Banken, wie die in einem Notfall ordnungsgemäss abgewickelt werden können.

Da mussten sogenannte Testamente eingereicht werden, die einen solchen völlig normalen Vorgang vorzeichnen. Denn es gibt das Grundgesetz im Kapitalismus, dass ein privates Unternehmen pleite gehen kann und muss, wenn sein Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert.

Wenn also beispielsweise eine Bank über 3 Milliarden Miese macht, dafür aber über 30 Milliarden Boni ausschüttet, dann ist sie krank und liegt komatös auf dem Sterbebett. Ist aber, wir sprechen natürlich von der Credit Suisse, keinesfalls ein Notfall. Weil das jahrelang so zu und her ging.

Chronisch Kranke werden normalerweise nicht auf der Notfallstation behandelt. Aber das mag der Bundesrat anders sehen. Weil seine Mitglieder von finanztechnischen Feinheiten keine Ahnung haben, bemerkte die Landesregierung erst vergangenen Donnerstag, dass bei der CS die Hütte brennt.

Da muss die Feuerwehr kommen, mit Alarmsirene und Notrecht. Aber welches Notrecht eigentlich, gibt es denn in der Schweiz eigentlich Notrechtparagrafen? Jein.

Es gibt zwei Artikel in der Bundesverfassung, die dafür hingeprügelt werden. Artikel 184 ist der eine. Der trägt zwar den Titel «Beziehungen zum Ausland», hat aber den Absatz 3: «Wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert, kann der Bundesrat Verordnungen und Verfügungen erlassen. Verordnungen sind zu befristen

Was hat das mit einer Bank in Schieflage zu tun? Gemach, es gibt noch Artikel 185. Absatz 2 und 3 lauten:

«Er trifft Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit.
Er kann, unmittelbar gestützt auf diesen Artikel, Verordnungen und Verfügungen erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen. Solche Verordnungen sind zu befristen.»

Jetzt kommt der Witz, der keiner ist: gestützt auf diese beiden Artikel der Bundesverfassung hantiert der Bundesrat mit Notrecht bei Banken. Das tat er mehrfach bei der Rettung der UBS vor dem Abgrund, das tut er inzwischen schon wieder bei der Übung, die CS zum Schnäppchenpreis an die UBS zu verticken. Da fragt sich der juristische Laie, was das Problem der CS mit der «Wahrung der Interessen des Landes» oder mit der inneren Sicherheit oder «mit unmittelbar drohenden schweren Störungen» zu tun habe.

Ha ha, sagt da der Bundesrat, und willige Staatsrechtler, zufälligerweise als Professoren vom Staat angestellt, stimmen ihm zu: ein Zusammenbruch der CS könnte die Interessen des Landes im Ausland beschädigen, ein möglicherweise zusammenbrechender Zahlungsverkehr zu einer Störung der öffentlichen Ordnung führen.

Wenn der Laie nachfragt, ob das wirklich ernstgemeint ist, dann ist die Antwort, professoral eingekleidet oder einfach mit der besserwisserischen Attitüde, die man als Regierungsverantwortlicher haben muss: ja.

Eine solche Umdeutung geht eigentlich überhaupt nicht, müsste völlig ausgeschlossen sein, wenn gesunder Menschenverstand noch eine Rolle spielte. Wie sagt ein Anwalt, der normalerweise nicht zu kräftigen Ausdrücken neigt:

«Ein Megamurks von Beamtenärschen ohne dogmatische Kenntnisse.»

Die Herleitung der Anwendung von Notrecht ist ein Megamurks. Die Legitimation des Notrechts ist ein Megamurks. Was unter Anwendung von Notrecht stattfindet, ist – Überraschung – auch ein Megamurks.

Eigentlich müsste das Notrecht gegen den Bundesrat angewendet werden. Denn mit der Enteignung von Anteilseignern, dem Kotau vor der UBS, der Nichtberücksichtigung von alternativen Rettungsplänen schädigt der Bundesrat das Image der Schweiz und wahrt keinesfalls ihre Interessen. Eine Störung der öffentlichen Ordnung könnte höchstens durch diese Handlungen des Bundesrats eintreten.

Ist das absurd oder nicht? Unter Verwendung eines für solche Fälle gar nicht vorgesehenen Notrechts schafft der Bundesrat einen Notfall, den er eigentlich verhindern will. So geht verantwortungslose Regierungspolitik als Antwort auf verantwortungslose Bankführung.

Hört damit das Gemurkse auf? Nicht wirklich. Die grossen Medien, also Tamedia, CH Media und Ringier, ebenfalls die NZZ, haben in gewählten Worten hin und her gerudert. Einige Professoren sagen dies zu dieser Anwendung des Notrechts. Andere sagen das. Und letztlich gilt doch die Macht des Faktischen; ist nunmal so beschlossen, war wohl nicht anders möglich.

Was sich genau abspielte, das wird inzwischen aus der «Financial Times» abgeschrieben, weil die Schweizer Wirtschaftsmedien nicht mehr in der Lage sind, selber zu recherchieren. Dass der Abschreiber von 16 Milliarden Franken Additional Tier 1 auf null eine heikle Sache sein könnte: um das zu schreiben, muss man zuerst einmal kapiert haben, worum es sich hier genau handelt.

Und da der durchschnittliche Wirtschaftsjourni schon bei der banalen Frage zögert, ob das Eigenkapital zu den Aktiven oder Passiven gehört, nimmt er hier am liebsten den Telefonjoker oder wartet, dass auch das von der FT erklärt wird. Als die sofort von einem «Aufschrei» schrieb, trauten sich Schweizer Journis halb aus der Deckung, nachdem sie dieses Detail vorher schlichtweg überlesen hatten.

Es ist leider so: Bundesrat? Schwach. Nationalbank? Oberschwach. FINMA? Sackschwach. Medien: peinlich. UBS: clever.

Der Fluch der WeWo

Wie wir prognostizierten. Truss ist weg.

Die «Weltwoche» scheint über magische Kräfte zu verfügen. Wen sie lobt – sei das eine Firma, eine Partei oder ein Mensch – ist anschliessend weg vom Fenster. Als eine der ersten ereilte es die UBS. Titelgeschichte der WeWo, wie diese Bank die Finanzkrise eins bravurös gemeistert habe. Künstlerpech: die Story erschien just an dem Tag, als die UBS beim Bundesrat zu Kreuze kriechen musste und das Schleifen des Schweizer Bankgeheimnisses verlangte.

Auch Urs Rohner, der Versagerrat bei der Credit Suisse, war ein gern bejubelter Interviewpartner der WeWo. Das hat der CS nicht gut getan.

Aber nicht nur Firmen leiden unter dem Fluch der WeWo. Donald Trump, grossartiger Präsident, über den (und seine Gattin) schrieb Urs Gehriger Berichte, mit denen er das Genre des Groupie-Journalismus begründete. Scheiterte krachend bei der Wiederwahl. Will nun möglicherweise ein zweites Mal Anlauf nehmen. Sollte er lassen, denn die WeWo mag ihn immer noch.

Gilt auch für Steve Bannon. Dem bekam das Lob der WeWo so schlecht, dass er von Trump gefeuert wurde und es schaffte, als Chef von Breitbart abgesetzt zu werden. Inzwischen drohen ihm sogar ein paar Monate oder Jahre Knast. Die WeWo sollte endlich aufhören, ihn gut zu finden.

Geradezu beängstigend wird es aber bei der englischen Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss. Kaum im Amt, hatte die WeWo sie als «die richtige Frau zur richtigen Zeit am richtigen Ort» bejubelt, als wahre Nachfolgerin von Margaret Thatcher. Das war zu viel für Truss. Nach nur sechs Wochen im Amt und einer Katastrophe nach der anderen erklärte sie ihren Rücktritt. Zwei Tage zuvor hatte sie noch kämpferische Töne im Parlament angeschlagen. Wahrscheinlich fürchtete sie, nochmals von der WeWo gelobt zu werden – und machte sich lieber aus dem Staub.

Fehlt noch jemand? Oh ja, Viktor Orbán ging’s in Ungarn auch schon deutlich besser als heutzutage. Fluch der WeWo? Putin bombt sich in sein eigenes Grab – weil ihn die WeWo zu Friedensverhandlungen auffordert?

Sonst noch jemand? Oh ja. Über die Post-Faschistin Giorgia Meloni schrieb die WeWo, dass sie gute Chancen habe, die gesamte Legislaturperiode durchzustehen. Seither laufen Wetten, ob sie die ersten hundert Tage im Amt überstehen wird. Wer schlau ist, wettet nicht darauf …

Notkredit für Axpo: UBS reloaded

Schon wieder muss der Steuerzahler einem Zocker unter die Arme greifen.

Staatstragend wie es sich für die NZZ gehört, berichtet sie: «Die extremen Preissteigerungen auf den Energiemärkten machen dem Stromkonzern Axpo zu schaffen. Der Bundesrat spannt einen Rettungsschirm und verhilft dem Unternehmen zu Liquidität

Etwas aufgeregter hört sich CH Media an: «Schock in der Strombranche: Bund spricht Notkredit für die Axpo – es geht um Milliarden». Allerdings muss man sich dort erst noch sortieren und druckt einfach vorsichtshalber die Medienmitteilung des Bundesrats im Wortlaut ab. Eine Gratis-Leistung gegen Bezahlung, nicht schlecht.

Gleich drei Schreibkräfte und eine mangelhafte Interpunktion wirft Tamedia in die Schlacht: «Stromkonzern Axpo in Nöten: Paukenschlag im Schweizer Energie-Business: Bund stützt Axpo mit Milliardenkredit». Neutral wie das Schweizerkreuz berichtet das Staats-TV SRF: «4 Milliarden Franken: Bundesrat aktiviert Rettungsschirm für Axpo».

Das ist eine niedliche Beschreibung eines dramatischen Vorgangs. «Rettungsschirm aktivieren», damit assoziiert man einen nötigen Vorgang, die Axpo schwebt nun gerettet und gesichert an einem Schirm sanft zu Boden. Worum allerdings all diese Qualitätsmedien herumrudern, ist die entscheidende Frage: wieso muss hier der Steuerzahler wieder ins Risiko, wie weiland bei der UBS?

Auch hier herrscht Schönsprech, wie es George Orwell nicht besser persifliert könnte: «Aufgrund der Verwerfungen an den europäischen Energiemärkten und der unvorhersehbaren weiteren Entwicklung …», flötet der «Blick». Verwerfungen ist immer gut, das hat so etwas Naturgesetzliches. Das ist wie ein Erdbeben, kann man nix machen. Unvorhersehbar ist auch immer gut. Entweder ist die Zukunft beherrschbar, wie Banker und Manager gerne behaupten – oder dann ist sie plötzlich «unvorhersehbar». Das war auch damals bei der UBS der Fall.

Zunächst meinte die Bank, man könne in den USA das ganz grosse Rad drehen; alles vorhersehbar, haben wir im Griff, wer zweifelt, hat doch keine Ahnung. Und dann kam plötzlich das grosse Jammern, war doch alles unvorhersehbar, Hilfe, wir brauchen dringend Kohle, sonst sind wir pleite. Also gingen Bund und Nationalbank mit insgesamt 76 Milliarden Franken ins Risiko. Zum grossen Glück des Steuerzahlers kam das Geld wieder zurück. Das war aber im Zeitpunkt der Notrettung auch unvorhersehbar.

Und als Kollateralschaden wurde dann das Bankkundengeheimnis aufgegeben, als die Eidgenossenschaft die UBS zum zweiten Mal aus der Bredouille retten musste, als die USA drohten, ihr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung schlichtweg den Stecker zu ziehen. Ausser, sie liefere freiwillig ihre US-Kunden ans Messer. Was sie dann tat, und ihre damit befassten Angestellten warf sie gleich noch hinterher.

Eine Variante wäre gewesen, dass die hochbezahlten Nieten in Nadelstreifen an der Spitze der UBS persönlich Verantwortung übernommen und den USA diese Kundendaten ausgeliefert hätten. Um sich anschliessend der Strafverfolgung in der Schweiz zu stellen. Aber Verantwortung ist in diesen Kreisen nur ein leeres Wort.

Genau gleich sieht’s heute bei der Axpo aus, und wieder einmal gibt es nur einen, der das in aller Klarheit ausspricht: Lukas Hässig auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz». Schon im Titel bringt er’s auf den Punkt: «UBS-Moment der Strom-Zocker: Staatsrettung». Auch im Text nimmt er kein Blatt vor den Mund: «Statt die „Gratis“-Wasserkraft für eine solide Planung zu nutzen, gingen die Chefs von Axpo, Alpiq und BKW auf tutti. Sie strebten nach dem grossen Reibach. Und erlitten die totale Pleite. Verschätzt mit Shorts auf Strom, mussten sie sich teuer eindecken, als die Preise durch die Decke schossen.»

Er ist auch der Einzige, der Namen nennt und mit dem Finger auf die verantwortlichen Versager zeigt: «Das alte Lied. Dass drei Frauen – Thoma, Staiblin, Leuthard – und ein Strahlemann – Brand – Milliarden im Casino verzockten, davon spricht keiner.»

Dass bei der UBS-Rettung die Medien im ersten Moment überfordert waren, kann man mit der Milde der Distanz verzeihen. Dass nun schon wieder staatstragende Töne angeschlagen werden, so getan wird, als sei das Verzocken am Strommarkt unvorhersehbar und somit unvermeidlich gewesen, statt die unselige Lockerheit der Stromkonzerne mit ihren Quasi-Monopolen zu kritisieren, statt auf den merkwürdigen Umstand hinzuweisen, dass alle grossen Energieversorger zu 100 Prozent im Besitz der Kantone sind, aber der Bund ins Portemonnaie greift, statt den Steuerzahler darauf aufmerksam zu machen, dass er schon wieder für Management-Fehler geradestehen muss – stattdessen wird wieder das alte Lied der Solidarität gesungen, systemrelevant geflötet. Ein paar Milliarden ausschütten ist schlimm, ein Zusammenbruch der Stromversorgung wäre schlimmer.

Ist das so? Schon bei der UBS gab es ernsthafte und kompetente Stimmen, die forderten, die Bank ungerettet in den Bankrott fahren zu lassen. Weil es im Kapitalismus ein Systemfehler ist, eine Privatfirma für systemrelevant und somit gegen den Untergang gefeit zu erklären. Weil es heutzutage relativ problemlos möglich ist, Zahlungsverkehr und andere nötige Dienstleistungen relativ schnell umzulagern. Weil es zu ungehemmten Zocken und Gambeln verleitet, wenn die geldgierigen und verantwortungslosen Bankenlenker wissen, dass sie sich ungestraft und mit vollen Geldsäcken aus dem Staub machen können, während der Steuerzahler das Schlamassel aufräumt.

Die Geschichte wiederholt sich. Es wird von grösseren Transparenz-Vorschriften gefaselt, mit dem Wort Notrecht gewinkt, der Kredit wird – natürlich – als alternativlos hingestellt, alles andere wäre noch viel schlimmer, es könnte plötzlich keinen Strom mehr geben. Es wird auch stolz auf die Verzinsung und andere Bedingungen hingewiesen. Selbstverständlich dürften Buden, die Kredit beziehen, keine Dividenden mehr ausschütten. Wäre ja noch schöner. Und wie steht es mit einem Bonus-Verbot für die Versager ganz oben? Nein, das sei nicht vorgesehen, wird eingeräumt.

Der Axpo-CEO Christoph Brand bringt alle Voraussetzungen mit, um einen Konzern gegen die Wand fahren zu können. Er war bis 2020 für den Bereich «Classified und Marketplaces» zuständig – beim Medienkonzern Tamedia. Also für Inserate und Handelsplattformen. In dieser Eigenschaft wusste er vom Strom nicht viel mehr, als dass er aus der Steckdose kommt, es einen Kurzschluss geben kann und keine gute Idee ist, an blanke Kabel zu fassen, wenn die unter Strom stehen.

Begleitet wird sein Wirken vom Nachlass der unfähigen Energieministerin «Duschen mit Doris» Leuthard und einigen weiteren Managerinnen. Aber da spricht nur einer Klartext, alle anderen beschwichtigen, sossen drüber. Aus Unfähigkeit oder Unkenntnis. Oder aus beiden Gründen zugleich. Schwachstrom mit Wackelkontakt zur Realität aus den Medienhäusern. Erbärmlich.

Too big to fail – auch die CS?

Wenn eine Bank zu gross ist, sei sie systemrelevant. Und wenn sie klein wird?

Als Nachwehe der Finanzkrise eins von 2009 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) insgesamt fünf Banken für «too big to fail» erklärt.

Als systemrelevant gelten seither die UBS und die Credit Suisse als internationale Banken, dazu Postfinance, Raiffeisen und ZKB als mehr nach innen orientierte Geldhäuser.

Als Kriterium gilt, dass

«ihr Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde. Die Systemrelevanz einer Bank beurteilt sich nach deren Grösse, nach deren Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie nach der kurzfristigen Substituierbarkeit der von der Bank erbrachten Dienstleistungen».

Schritt für Schritt, mit Schweizer Bedächtigkeit, wurden diverse Massnahmen beschlossen, was Kapitalanforderungen, Notfallpläne und Abwickelbarkeit betrifft. Auf der anderen Seite steht die SNB bereit, um diesen fünf Banken unter die Arme zu greifen, sollten sie wieder einmal in Schieflage geraten, wie weiland die UBS.

Privat versagen, staatlich retten

Wir haben hier also das Unding einer Staatsgarantie für privates Geschäften – oder Versagen. Das anhaltende Gehampel der obersten Verantwortlichen vor allem bei UBS und CS lässt dabei das Schlimmste befürchten.

Nun sollte es aber bei jedem Vorgang in der Wirtschaft auch ein Exit-Szenario geben. Damit ist nicht eine erneutes Absaufen eines dieser Finanzhäuser gemeint. Sondern das Kriterium, dass man doch eine gewisse Grösse haben – und behalten! – sollte, um zu diesem erlauchten Kreis zu gehören.

Während die drei Inlandbanken soweit stabil vor sich hinwirtschaften, haben ja sowohl UBS wie CS in den 12 Jahren seit der Finanzkrise eins – gemessen an ihrem Börsenwert – nur eine Richtung eingeschlagen: unaufhaltsam nach unten. Das löst natürlich die Frage aus: ab wann ist eine Bank eigentlich «too small to fail»?

Also wann ist sie so kleingeschrumpft, dass sie eben nicht mehr systemrelevant ist, damit auch keine Staatsgarantie mehr verdient? Es kann ja nicht sein, dass dieser exklusive Fünferkreis auf ewig in Stein gemeisselt ist, so stabil wie das Matterhorn in die weitere Zukunft ragt.

Marktkapitalisierung als Schrumpfgrösse

Hatte beispielsweise die CS im Jahre 2006 noch eine Börsenkapitalisierung von fast 100 Milliarden Franken, schrumpfte das auf unglaubliche 28 Milliarden im Jahr 2020 zusammen. Die aktuelle Marktkapitalisierung (20. Dezember) liegt bei 22,36 Milliarden. Etwas mehr als ein Fünftel vergangener Grösse.

Das ist einerseits ein absolutes Armutszeugnis für die wechselnde Führungscrew seit 2006. In 15 Jahren fast 80 Prozent des Börsenwerts vernichtet, das soll denen mal einer nachmachen. Dafür Hunderte von Millionen an Salären und Boni kassiert: das ist einmalig in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Sich ohne rot zu werden in der Öffentlichkeit zeigen und ein Leben als Jetsetter zu führen: das ist nassforsch und unverschämt.

Aber das alles ist erlaubt, solange der Aktionär mitmacht. Die Frage ist hingegen, wieso der Staat weiterhin seine schützende Hand über die Schrumpf-Bank halten soll. Eine Aktie der UBS kostete vor der Finanzkrise knapp 75 Franken. Im März 2020 wurde sie auch einstellig, dass sie inzwischen um die 15 Franken herumdümpelt, wird bereits als grandioser Erfolg gefeiert.

Auch bei der UBS stellt sich also die Frage, wieso ein deutlich geschrumpftes, verzwergtes Geldhaus immer noch eine schützende staatliche Hand braucht und besondere Anforderungen erfüllen muss.

Schon die UBS-Rettung stand unter Kritik

Es ist schwer, in der Wirtschaft vergleichbare Beispiele zu finden, wie der Anbieter einer Grundversorgung, hier finanzielle Transaktionen, Geldanlage und Kreditausgabe, dermassen zusammenschnurrt, ohne dass an den Rahmenbedingungen etwas verändert wird.

Schon bei der Rettung der UBS nach ihrem US-Debakel eins wurde kritisiert, dass man sie besser hätte in den Bankrott schicken sollen. Das Argument, das wäre noch schlimmer gewesen, wurde stark bezweifelt, da andere Finanzinstutute wie die Postfinance wohl den Zahlungsverkehr hätten aufrecht erhalten können.

Dass diese Milliardenrettung (die später wieder reinkam) problematisch war, bewies dann die zweite UBS-Krise, die nur durch die Aufgabe des Bankkundengeheimnisses mit Milliardenschäden für alle Schweizer Banken gelöst werden konnte. Aber da hatte der Staat bereits 60 Milliarden ins Feuer gestellt, die zweite Nothilfe war dadurch unvermeidlich oder wie man so schön sagt alternativlos.

Auch heute, das beweist vor allem die CS, ist es jederzeit möglich, mit Milliardenflops, Milliardenbussen oder Milliardenabschreibern die Bank in ihren Grundfesten zu erschüttern. Dass dann eine allfällige Abwicklung reibungsloser ablaufen würde als 2009, ist ja eher ein zusätzlicher Grund, die Frage zu stellen, ob die CS überhaupt noch die Kriterien für «too big to fail» erfüllt. Oder ob sie nicht «too small to matter» ist, zu klein, um bedeutend zu sein.

Zumindest der Steuerzahler könnte ruhiger schlafen. Zudem kommen wegen Covid-19 noch ganz andere Ausgaben auf die Schweiz zu, will sie ihr Wirtschaftssystem über die Runden retten.

Staatsgarantie für diese Figuren?

Oder ganz einfach gefragt: braucht eine Bank wirklich eine Staatsgarantie, die alleine in diesem Jahr zwei Milliardenflops, einen Multimillionenabschreiber hingelegt hat? An der Spitze Fachkräfte beschäftigt, die nicht mal in der Lage sind, ihrer Vorbildfunktion nachzuleben? Die mehr Wert auf ein Leben als Jetsetter und braungebrannter Beau legen als auf die Erfüllung ihrer Aufgaben, für die sie fürstlich bezahlt werden? Ist also VR-Präsident Horta-Osório oder CEO Gottstein too big to fail?

Diese Lenker einer verzwergten Bank, die immer noch so tun, als wäre die CS ein Global Player? Die solange am Gerät bleiben, bis eine der wirklich grossen Grossbanken der Welt darauf lustig ist, die CS aus der Portokasse aufzukaufen? Wovon nur abhält, dass alle Schiss haben, welche Leichen noch in den tiefen Kellern am Paradeplatz ruhen …

Interessant auch, dass die versammelte Wirtschaftsjournaille zu diesem Thema ein Schweigegelöbnis abgelegt hat.

Meinungen vom Heiligen Gral

Wer Wirtschaftschef bei der NZZ ist, ordnet die Welt.

Chanchal Biswas kletterte gelenkig und nicht nur für NZZ-Verhältnisse schnell die Karriereleiter hoch. Unterbrochen von kurzen Abstechern in die Privatwirtschaft wurde er 2019 Leiter der Wirtschaftsredaktion der NZZaS, als zusammengelegt wurde, zog der Kapitän des Beiboots am Steuermann des Tankers vorbei.

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Seither beschallt er die Wirtschaft mit seinen Kommentaren. Es steht zu vermuten, dass er als Freizeitsport Slalomfahren betreibt. Einen solchen legt er zum Beispiel mit «Die Strafzahlung in Frankreich hat auch etwas Gutes für die UBS-Mitarbeiter» hin.

Dort wurde die Grossbank gerade auch in der zweiten Instanz in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Für die illegale Anwerbung von Kunden und Geldwäsche im Zusammenhang mit Steuerbetrug. Strafrechtlich veruteilt, das nennt man einen neuen Tolgen im Reinheft. Ach, und die Kleinigkeit von 1,8 Milliarden Euro muss die Bank auch noch abdrücken.

Oder in den Worten von Biswas:

«Es scheint, dass die Bank im Berufungsprozess mit ihrer neuen Verteidigungsstrategie gut gefahren ist.»

In erster Instanz war sie noch zur Zahlung von 4,5 Milliarden verknurrt worden. Auch gegen das zweite Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.

Weiterentwicklung der Relativitätstheorie

Nun ist bekanntlich alles relativ im Leben. Auch in Relation dazu, dass die Bank vor fünf Jahren gegen eine Zahlung von 1,5 Milliarden ohne Vorstrafe hätte davonkommen können. Aber das schlugen die drei massgeblichen Figuren aus. Ex-CEO Sergio Ermotti kann ein Vermögen von rund 200 Millionen Franken streicheln. Der abgängige Chief Legal Markus Diethelm muss mit insgesamt 100 Millionen auch nicht am Hungertuch nagen. Und Noch-VRP Axel Weber bekommt für sein süsses Nichtstun insgesamt 50 Millionen.

 

So sähen sich Plisch und Plum gerne.

Sicher, Peanuts, im Vergleich zu rund 2 Milliarden Franken Busse plus Vorstrafe. Aber ist die Bank damit «gut gefahren»? Aber sicher, wenn alles relativ ist: «Gerade im Vergleich mit der angeschlagenen Credit Suisse wird die UBS heute als solides und gut geführtes Finanzinstitut wahrgenommen», nimmt Biswas wahr.

Aber dann geht doch der Slalomfahrer mit ihm durch: «Ein Erfolg also für die Schweizer Bank? Klar. Aber das Steuerverfahren in Frankreich muss den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch eine Mahnung sein. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Bank heute erfolgreich wirtschaftet.»

Selbstverständlich ist das allerdings nie, wie Biswas weise und richtig feststellt. Dann zählt er aus dem umfangreichen Sündenkatalog der Bank ein paar Höhepunkte auf, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Um den Leser schliesslich völlig verwirrt zurückzulassen:

«Dass der Steuerstreit mit dem französischen Staat der UBS erhalten bleibt, ist für die bankinterne Hygiene gar nicht schlecht. Er erinnert an die pannenreiche Vergangenheit – und daran, dass Übermut vor dem Fall kommt.»

Wenn wir die Stimme aus dem heiligen Gral der Wirtschaft richtig verstehen, ist diese Busse also Ausdruck eines Falls nach Über-, eventuell sogar Hochmut. Wobei die UBS allerdings mit ihrem Übermut gut gefahren ist. Oder eine neue Panne an alte erinnert. Aber auf jeden Fall ist die Credit Suisse noch viel schlimmer dran.

So sieht der Aktienkurs einer soliden und gut geführten Bank aus.

Schliesslich nimmt man die vorbestrafte Bank mit langem Sündenregister als «solide und gut geführtes Finanzinstitut» wahr. Echt jetzt? Weil der Aktienkurs der UBS immer noch zweistellig ist, aber um die 16 Franken herumdümpelt, wo er doch mal stolze 75 Franken betrug?

Kurs im Schönschreiben

Relativieren ist schon gut, aber dieser Slalom erinnert doch fatal an Berichte in Staatsorganen des längst verblichenen Sozialismus, wo auch Stillstand, Rückschritt oder krachende Niederlagen schöngeschrieben wurden.

Mann mit Maske: Chief Legal Markus Diethelm in Paris.

Denn eine Riesenbusse, auch wenn sie kleiner geworden ist, plus ein schwarzer Fleck auf der bekleckerten weissen Weste, das ist nichts Gutes für niemanden. Nicht für die UBS-Mitarbeiter, deren Wertschöpfung damit vermindert wird. Nicht für UBS-Kunden, die sich fragen dürfen, ob sie mit einem solchen Geldhaus weiter Geschäfte machen wollen.

 

Mosambik und die Schweiz

Wozu haben wir eigentlich noch Grossbanken, wenn man sie nicht für Vergleiche nutzen kann?

Schweiz, Credit Suisse, Mosambik. Wir haben die Verbindungen kurz skizziert. Kümmern wir uns nun um die Unterschiede. Richtig, die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung hat eine andere Hautfarbe als die Mehrheit in Mosambik. Ausserdem redet man verschiedene Sprachen.

In Mosambik geht es den Menschen mehr so ums Überleben; die korrekte Verwendung einer gendergerechten Sprache ist ihnen eher wurst. Das hingegen ist den Klimaktivisten eher wurst:

Kein Spass, aber auch nicht ernstzunehmen.

Denn sich auf den Mosambik-Skandal zu konzentrieren, das wäre viel zu schweisstreibend und anstrengend. Lieber dümmliche Forderungen aufstellen wie «sofortige Offenlegung aller Finanzflüsse». Orthografische Unsicherheiten zeigen sich auch:

«Das ganze soll mit Hilfe der SNB (schweizer Nationalbank) gesetzlich verankert werden.»

Aber bitte, keine Beckmesserei, wenn es um das grosse Ganze geht. Um den Planeten. Die Welt. Die Zukunft. Einfach um alles, daher um nichts.

Andere Vergleiche wären viel naheliegender

Dabei wäre doch ein ganz anderer Vergleich zwischen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und den beiden (noch) überlebenden Grossbanken naheliegend gewesen. Abgesehen davon, dass man die einstnals stolze CS inzwischen zu einem wahren Schnäppchenpreis kaufen könnte (50’000 Mitarbeiter, rund 175-jährige Geschichte, zu haben für schlappe 21 Milliarden Börsenwert).

So zum Vergleich: Partners Group (1500 Mitarbeiter) bringt an der Börse ein Gewicht von 41 Milliarden auf die Waage. Aber es gibt noch einen viel dramatischeren Vergleich, um das Elend der Grossbanken zu beschreiben. Sie tröten ja heraus, dass es ihnen gelungen sei, endlich mal wieder einen halbwegs anständigen Quartalsgewinn zu machen. Falls der CS nicht ein paar kleine Milliardenfehltritte die Bilanz verhagelt hätten; so bleibt nur ein Pipifaxgewinn von einer Viertelmilliarde im zweiten Quartal.

Die UBS brüstet sich immerhin mit 2 Milliarden. Toll. Toll? Alles ist relativ. Nehmen wir das ganze 2021 als Vergleichsraum. Da spielte die UBS 4,3 Milliarden ein, die CS eine runde Null. Corona, widriges Umfeld, Negativzinsen, Weltwirtschaft, Blabla? Blabla.

Stellen wir mal 43,5 Milliarden dagegen. Gewinn. Mit weniger Mitarbeitern als die Partners Group, nämlich ganzen 950. Von denen sich etwas mehr als 100 um die Anlagestrategie kümmern. Zu durchaus beamtenstaatlichen Gehältern, ohne Millionenboni, Statussymbolen und wichtigem Getue. Denn das alles ist der SNB völlig fremd. Mit ihrem Bilanzvolumen von über einer Billion Franken (das sind 1000 Milliarden, weit mehr als das Schweizer BIP und unvorstellbar viel Geld) hat sie gerade mal wieder 5000 Franken Gewinn erwirtschaftet. Pro Eidgenosse. Die CS mit einem Bilanzvolumen von 806 Milliarden brachte nur eine Nullnummer zustande.

Dagegen könnte die SNB pro Kopf der Schweizer Bevölkerung ein 13. Monatsgehalt auszahlen. Die eigentlich, so sahen es die Gründer der SNB vor, die Besitzerin der Notenbank ist. Daher ist die SNB eine der ganz wenigen an der Börse gehandelten AGs unter den Nationalbanken. Natürlich mit Einschränkungen, aber im Prinzip auch zu kaufen.

Was tun mit den ganzen Gewinnen?

Nun gibt es hier die grosse Debatte, ob der SNB-Chef Thomas Jordan Recht hat, wenn er immer wiederholt: «Finger ab de Röschti.» Denn in weiser Voraussicht haben die Gründer der SNB sie dem Einfluss von Politik, Parlament und Regierung weitgehend entzogen. Sie haben allerdings nicht im Traum daran gedacht, dass der Franken einmal zur Handelsware werden könnte, die in grösseren Mengen hergestellt, immer reissenden Absatz findet.

Notgroschen, Reserve für strube Zeiten, so verteidigt Jordan das auf 250 Milliarden Franken angeschwollene Eigenkapital der SNB. Zum Vergleich: die grosse EZB (Europäische Zentralbank) hat gerade mal 12 Milliarden Euro EK. Denn eine Notenbank braucht das eigentlich nicht. Solange Vertrauen in die Währung vorhanden ist, kann sie Neugeld herstellen, sollte sie es brauchen.

Worüber sich die Klimajungend allerdings auch mal Gedanken machen könnte: Wenn es die SNB schafft, mit rund 100 überschaubar bezahlten Beamten einen Gewinn von 43,5 Milliarden zu machen, alleine im Jahr 2021, was ist dann am Geschäftsmodell einer CS falsch? Dass die den Klimawandel nicht verhindert? Was für ein Quatsch.

Falsch daran ist, dass die CS mit 50’000 mehr als üppig bezahlten Mitarbeitern (in der Teppichetage) von einem Skandal in den nächsten stolpert und kaum Gewinn macht. Abgänge, Neuanfänge, zuerst energisch-tatkräftig dreinschauende Manager, die dann zunehmend elegisch-unbeeindruckt dreinschauen, bis sie früher oder später, letzthin eher früher, mit einer hübschen Abfindung in den Olymp der abgehalfterten Riesenbanker abschwirren.

Begegnen sich auf dem Finanzplatz Schweiz und Mosambik?

Wäre es unfair, daher die SNB und die Credit Suisse wie eine Begegnung von Schweiz und Mosambik zu beschreiben? Ja. Denn die CS produziert bekanntlich gerne rote Zahlen mit weisser Weste, also in den Landesfarben der Schweiz. Die SNB hingegen produziert schwarze Zahlenmeere, was nun zumindest der vorherrschenden Hautfarbe in Mosambik gleicht. Damit wären wir sicher bereits tief im Sumpf der politischen Unkorrektheit.

Immer freundlich lächeln, wenn man wenig versteht.

Solche Zusammenhänge sind zwar offensichtlich, man braucht aber vielleicht etwas mehr Grundkenntnisse als für solches Gehampel:

Ein ganz subversive Idee am Schluss: Mit etwas mehr als 10 Milliarden könnte man die CS kaufen. Da ihr Buchwert höher ist als der Börsenwert, kriegt man das Geld relativ schnell geliehen. Oder schon mit 3 Milliarden hätte man ein gewichtiges Wörtchen mitzureden und Anspruch auf einen Sitz im Verewaltungsrat.

Sollte es nicht gelingen, die CS auf Kurs zu bringen (und neben bei auch ihre Investitionen in angeblich klimaschädliche Projekte zu stoppen), könnte man die Bank zerschlagen und die Einzelteile mit Gewinn verkaufen. Damit könnte man dann tausende von Quadratkilometern Regenwald retten, halb Afrika mit Schulzimmern ausstatten oder alternative Energiequellen fördern. Wär’ doch was, oder nicht?

Hat auch nix gebracht.

Noch ein Rohner …

Der eine geht (endlich), der andere kommt wieder: Marcel Rohner is back. Leider.

Marcel Ospel ist tot. Und blieb nach dem UBS-Desaster schön in der Versenkung. Basler Fasnacht, gelegentliche Besuche in der Zürcher «Kronenhalle» (wo er nicht ausgebuht, sondern applaudiert wurde), das war’s.

Peter Wuffli, die Pfeife, die 2007 nicht ganz freiwillig als CEO der UBS zurücktreten musste. Vor der Finanzkrise hatte er es bereits geschafft, mit der Pleite des US Hedgefonds Dillon Read ein erstes Zeichen für kommendes Unheil zu setzen. Das natürlich auch nicht Schicksal, sondern zu grossen Teilen bei den beiden Schweizer Grossbanken hausgemacht war.

Dann war etwas Ruhe, schliesslich tauchte er lächelnd als Präsident des VR der Partners Group wieder aus der Versenkung auf. Ach, und 2010 veröffentlichte er das Buch: Liberale Ethik. Orientierungsversuch im Zeitalter der Globalisierung. Unlesbar, ungeniessbar, aber Ethik ist immer gut im Titel.

Auf und nieder mit ewig gleichen Figuren

Peter Kurer, eine weitere Pfeife, hinterliess einen bleibenden Eindruck, weil er immer wieder von «das Schlimmste hinter uns, gut aufgestellt» zu «stehen vor dem Abgrund» wechseln musste. Bis er dann auch ausgewechselt wurde. Längere Ruhephase, dann tauchte er als VR-Präsident des Telecom-Unternehmens Sunrise wieder auf.

Da blamierte er sich ein weiteres Mal, als er ums Verrecken den Ankauf von UPC Schweiz durchstieren wollte. Gegen den Ratschlag aller Fachleute, gegen den Widerstand seiner Grossaktionäre. Das Hallenstadion war schon für die ausserordentliche GV angemietet, alles vorbereitet, als Kurer im letzten Moment auf die Notbremse trat. Es war ihm klargeworden, dass er wohl keine Stimmenmehrheit für dieses geplante Millionengrab bekommen hätte.

Diese Peinlichkeit wollte er sich ersparen, also nix GV. Der ganze Spass dürfte Sunrise rund 120 Millionen Franken gekostet haben. Dann trat Kurer nach verrichteter Tat auch dort zurück, und schliesslich kaufte UPC Sunrise.

Würden Sie diesem Mann eine Bank abkaufen?

Marcel Rohner, der Ziehsohn von seinem Vornamensvetters Ospel, wurde 2007 UBS-Chef. Gut zwei Jahre später war’s das dann, die historischen 60-Milliardenrettung der Bank durch den Bund überlebte er nicht. Es war ihm offenbar nicht gelungen, sich einen Überblick über den wahren Zustand der UBS zu verschaffen.

Wuffli, Rohner, und dann kam Oswald Grübel und räumte auf. Auch Rohner machte auf low profile, wurde VR bei SVP-Giezendanner und bei der UBP, einer der letzten (noch) überlebenden Privatbanken. Über seine Immobilienbude ist er zudem mit 5 Prozent an der «Helvetischen Bank» des SVP-Nationalrats Thomas Matter beteiligt – und sitzt auch dort im VR.

Nun ist Rohner als nächster Präsident der Bankiervereinigung gewählt worden. Das sorgt für leises Rauschen im Blätterwald. Die Zeitung mit dem Regenrohr im Titel macht sich gleich Sorgen: «Trimmt Rohner die Banken auf Anti-EU-Kurs?» Schliesslich sitze er mit SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi in SVP-Matters Bank. Die sind vehement gegen das Rahmenabkommen, die Schweizerische Bankiervereinigung ist dafür. Bislang.

Dann ist noch eine ganz bedeutende Machtfigur fürs Rahmenabkommen. Ringiers Hausgespenst Frank A Meyer. Da weiss der «Blick» natürlich, welche Farbe das Wasser haben muss, das er durch das Rohr auf Rohner giesst.

Laue Lüftchen aus den Medien

Eher unentschieden ist der «Tages-Anzeiger»: «Einst bei der UBS abgesägt, bald an der Spitze des wichtigsten Bankenverbands», titelt er. Der Tagi zeigt einmal mehr: tiefe Kenntnisse und intelligente Analyse, das ist seine Sache nicht. Und die NZZ? Die hat sich schnell festgelegt: «Der finanziell unabhängige, meinungsstarke und liberale Schweizer bringt somit nicht nur viel Sachverstand und eigene Erfahrung aus allen Zweigen der Branche mit.»

Somit hat die NZZ dieser Wahl ihren Segen erteilt; damit dabei nix stört, wird die SVP-Connection von Rohner erst gar nicht erwähnt. Das tut zwar CH Media, aber auch dort wird ein Lobeslied auf den gefallenen, sich dann aber wieder hocharbeitenden Ex-Banker und Immobilienlöwe Rohner gesungen.

Das waren noch Zeiten …

Nur – wie meist – «Inside Paradeplatz»  stört den Jubelchor mit ein paar handfesten und fundierten Hinweisen; so eben darauf, dass Rohner nicht nur im VR von Matters Bank sitzt, sondern auch an ihr beteiligt ist. Was den übrigen Recherchiergenies offenbar entging.

Hinzuzufügen wäre noch, dass die einstmals so mächtige Bankiervereinigung – darin all den gefallenen Starbankern nicht unähnlich – längst an Bedeutung und Grösse verloren hat. Raiffeisen ist bereits ausgetreten, der Spalt zwischen den beiden Grossbanken, den Kantonalbanken und Kleinbanken wird immer grösser, da UBS und CS natürlich ganz andere Interessen haben als beispielsweise eine Regionalbank.

Das Bankgeheimnis muss auch nicht mehr verteidigt werden, weil Rohner, Rohner & Co. dafür gesorgt haben, dass es aufgegeben werden musste. Also ist bei Rohners Wahl überhaupt nicht wichtig, ob er nun die Haltung zum Rahmenvertrag beibehalten wird – oder nicht. Einzig interessant wäre die Frage: Ist er als Totengräber der Vereinigung gewählt worden? Weiss er das? Ist er einfach als Schuldiger ausgeguckt, wenn weitere Bankenverbände austreten werden?

Aber eben, da müsste man ja etwas nachdenken und recherchieren. Also ist das kein Thema in den Medien.

Das waren noch Zeiten …

Blasen, Blähungen, Geblubber

Die Credit Suisse hat ihre GV abgehalten. Die NZZ bringt ein grosses Interview – mit dem UBS-CEO.

Das ist ganz grosses Kino, für einmal aus der NZZ. Wie kann man zum Ausdruck bringen, dass es über die Credit Suisse wirklich nichts zu berichten gibt, obwohl dort diverse Verwaltungsräte zurückgetreten sind, der neue CEO bereits ums Überleben kämpft?

Mit harscher Kritik, mahnenden Worten, die über einen «ordnungspolitischen Zwischenruf» hinausgehen? Nein, das wäre nicht die feine Art. Die feine Art ist: die NZZ bringt ein grosses Interview mit UBS-Chef Ralph Hamers.

Das ist auch schon die gute Nachricht. Denn Hamers hat sich mit einer Videobotschaft an seine Untergebenen gewandt. Das sieht «Inside Paradeplatz» so:

Kindergarten, Märchenstunde, dazu noch falsch gekleidet. Setzen, Schnauze. Sagt Lukas Hässig. Das sieht die NZZ nun entschieden anders: Hamers habe «erste Eckwerte der künftigen Strategie seiner Bank präsentiert».

Aber erfahrende NZZ-Leser wissen: Wenn das Titel-Quote lautet: «Wir wurden schon dafür kritisiert, zu konservativ zu sein», dann muss man sich auf das Schlimmste gefasst machen. Auf gähnende Langeweile. Und so ist es dann auch.

Wir fragen, was Sie wollen. Sie antworten, was Sie wollen

Wie ist es denn so nach 8 Monaten UBS? Diese Frage wird gestellt, die Fortsetzung nicht: in denen man von Ihnen nichts hörte, ausser das Gurgeln von vielen Millionen, die in Sie hineingeflossen sind. Deshalb kann Hamers auch ein Märchen aus 1001-Nacht erzählen:

«Von aussen professionell, solide, manchmal vielleicht etwas kühl», wirke die Bank, «von innen strahlt sie viel mehr Wärme aus.»

Echt jetzt?

Spricht Hamers von seinen Erfahrungen in der Männergruppe «lernen zu weinen?» Oder von einer Grossbank, die nur sagen kann: den Kollegen drüben von der CS geht’s noch dreckiger? Und die haben immerhin einen neuen VR-Präsidenten gekriegt. Unserer nimmt nur an Umfang zu, nicht an Bedeutung.

Wie sieht’s denn technologisch bei der UBS aus, fragt die NZZ. Und fügt nicht hinzu, wie die Bank denn das in der Finanzbranche übliche Problem schaukle, dass so viele Systeme nebeneinander laufen, aneinander genäht wurden, dass längst pensionierte Programmierer sich ein nettes Zubrot verdienen, weil ausser ihnen uralte Sprachen nicht mehr beherrscht.

Deshalb kann Hamers aus dem Stehsatz, Pardon, aus dem Stehgreif antworten: «Operativ gut unterwegs, Digitalisierung Schritt für Schritt voranbringen, stehen nicht unter Druck.» Nun kommen sicher Nachfragen. Block Chain, Cryptowährungen, eigene Währungen von Grosskonzernen, teure Flops mit eigenen, kontaktlosen Zahlungssystemen? Kniefall vor Apple Pay? Ach was, die NZZ möchte doch nicht, dass Hamers gegelte Langhaarfrisur in Unordnung gerät.

Konkrete Ziele? Was ist das, kann man das essen?

Stattdessen giesst die Zeitung die Tatsache, dass Hamers keine einzige Zahl in seinem ersten Auftritt nannte, in die vornehme Frage: «Warum haben Sie sich bisher mit konkreten Finanzzielen zurückgehalten?» Pandemie, «Strategie weiter konkretisieren», und nun kommt wirklich ein Satz, den man unbedingt in die eiserne Reserve von Nonsens-Gequatsche aufnehmen sollte:

«Wir wissen zwar, dass wir das, was wir bereits heute tun, auch morgen tun wollen – aber besser.»

Statt sich vor Lachen auf die Schenkel zu klopfen und mal nachzuhaken, fragt die NZZ nur scheu, was denn noch an Plänen fehle. «Wenn Sie beispielsweise in Asien schneller wachsen wollen, spielt China eine wichtige Rolle.» Auch ein Satz von monumentaler Flachheit. Wenn sie gross und stark werden wollen, spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Und dafür kriegt man wirklich Millionen nachgeschmissen?

Dann geht die NZZ gnadenlos an die heissen Themen. Archegos? «Wir sind von dieser Situation auch enttäuscht.» Was ging denn schief? «Das schauen wir uns jetzt genau an. Offensichtlich ging etwas schief.» Das Offensichtliche gelassen aussprechen, das muss man auch erst mal bringen.

Modern, gebürsteter Stahl, gegelte Haare, Pochettli statt Krawatte. Aber der Inhalt?

So plätschert es dahin, gehen Ruf und Reputation von Hamers und der NZZ gemeinsam in den Orkus. Ganz am Schluss erlaubt sich das Blatt noch «eine persönliche Frage». Wie stehe es denn mit der Wiederaufnahme des Geldwäschereiverfahrens in Holland? Da war Hamers immerhin CEO einer Bank, die die grösste Busse aller Zeiten in Holland zahlen musste. Und will von nichts gewusst haben. In der Bio-Box «Der digitale Niederländer» wird seine Tätigkeit für die ING ausführlich geschildert, dieses kleine Detail grosszügig ausgelassen. Die ING musste ja nur eine Busse von 775 Millionen Euro auf den Tisch legen. Peanuts für die UBS.

Blasen, Blähungen, Geblubber. Aber Werte.

Was sagt Hamers? «Voll und ganz zusammengearbeitet, nach bestem Wissen und Gewissen, konzentriere mich auf meine Arbeit bei der UBS». Einfühlsam will die NZZ dem durch diese unverschämt kritische Frage vielleicht angefassten Hamers noch die Gelegenheit für ein goldenes Schlusswort geben; was werde denn in fünf Jahren gleich sein wie heute?

«Die Swissness. Swissness steht für Stärke, für Vertrauen, für Zuverlässigkeit. Diese Werte sind und bleiben Kern der UBS.»

Da kann man für die Interviewer nur hoffen, dass sie sich anschliessend in der UBS-eigenen Tränke «Widder» auf Kosten des Hauses ein paar Single Malts hinter die Binde gegossen haben. Zum Weggurgeln.

 

 

Der Mann, der das aufräumte

Markus Diethelm sagt beim Abschied leise tschüss. Mit ihm geht ein ganzer Giftschrank voller nicht erzählter Storys.

Er ist das dienstälteste Mitglied der Geschäftsleitung der UBS. Er ist seit 13 Jahren Chief Legal Councel, wie das im Banker-Sprech heisst. Der Chefjurist der Bank. Der Auf- und Abräumer. Wohl das einzige Mitglied der GL, das sein Salär wert ist.

Er ist all das, was Urs Rohner gegenüber am Paradeplatz nicht ist. Daher wurde die UBS zwar auch stark gerupft, von der Finanzkrise eins bis heute. Aber sie hat’s überlebt, nicht zuletzt wegen diesem Mastermind. Nun beginnt Diethelm mit seinem Abgang. Überlegt, geplant, leise. Wie immer.

Man muss sich die damalige Situation nochmals vergegenwärtigen. Wegen den irren und hochfliegenden Plänen des damaligen UBS-Bosses Marcel Ospel, die UBS zur Nummer eins machen zu wollen, musste die Bank mit einer gewaltigen Staatshilfe vor dem Bankrott gerettet werden.

Während sich Journalisten schon mit Lobliedern lächerlich machten, wie die UBS elegant durch die Krise gesteuert sei, musste sie gleich die nächste Hiobsbotschaft verkünden. Ein rachsüchtiger Ex-Mitarbeiter hatte sich den US-Behörden als Whistleblower angeboten. Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Vor Ort, in den USA.

Nach der Krise ist vor der Krise. Alte Bankerweisheit

Jetzt reicht’s, sagten die Amis. Wir wollen alle Kundendaten von US-Steuerpflichtigen, die die UBS beherbergt. Sonst – ziehen wir der Bank den Stecker raus. Durch den Ausschluss aus dem Dollar-Clearing. Nach der schlimmen Krise die noch schlimmere.

Was tun? Diese Kundendaten waren durch das Schweizer Bankgeheimnis geschützt. Und durch heilige Schwüre der UBS. Selbst wenn die Bank wollte, jeder, der sich an einer solchen Datenherausgabe beteiligte, machte sich in der Schweiz gleich doppelt strafbar. Und ein Banker mit Vorstrafe, das ist dann doch undenkbar.

Nur Christoph Blocher hatte damals den Mut, die einzig richtige Lösung vorzuschlagen: ein führender UBS-Banker müsse in die USA reisen. Mit den Kundendaten im Gebäck. Sich anschliessend in der Schweiz verantworten. Das sei dann wenigstens einmal von Verantwortung nicht nur quatschen, sondern sie auch übernehmen.

Ein Fall für Diethelm.

Jetzt muss ich ausdrücklich festhalten, dass wir den Bereich der Fantasie betreten, dass von hier an Übereinstimmungen mit tatsächlichen Ereignissen oder Personen rein zufällig und nicht beabsichtigt wären.

Was alles so sicher nicht passiert ist …

Nehmen wir also an, der Chief Legal einer Schweizer Grossbank hat ein grosses Problem auf dem Schreibtisch. Gerade hat der Schweizer Steuerzahler ungefragt viele Milliarden Franken für diese Grossbank, nennen wir sie SUP, ins Feuer gestellt. Und nun muss sie bereits das zweite, ganz grobe Problem bekannt geben.

Was noch erschwerend hinzukommt: der dafür zuständige Bundeszwerg, der schon der Staatsnotrettung nur widerwillig zugestimmt hatte, machte Anstalten, diesmal der Bank zu sagen: «pfeift Euch eins, es reicht mit Hilfe von uns.» Selbstverständlich wollte keiner des Kaders es auf sich nehmen, Freiheit, Ruf und Karriere aufs Spiel zu setzen. Das Bankgeheimnis, das hatte der Bundeszwerg gesagt, das sei so stabil, daran würden sich alle die Zähne dran ausbeissen.

Die Bankführung um den allmächtigen Oberopel war gelähmt, was sie auch nach seinem Abgang blieb. Also die Aufgabe für einen wahren Mastermind. Seine Bank stand auf einem Spielfeld, das mit Verboten und Unmöglichkeiten gespickt war. Was tun? Da gab es nur einen Ausweg: die Spielregeln ändern.

Mit Fantasie läuft’s wieder wie geschmiert.

Der einer neuerlichen Rettung der SUP sehr ablehnend gegenüberstehende Bundeszwerg: nach einer Herzbaracke ausser Gefecht gesetzt. Das störende Bankgeheimnis: muss weg. Nun wurden die Amis aber leider ungeduldig und stiessen immer finsterere Drohungen aus. Also Notrecht. Damit konnte das Schlimmste verhütet werden. Ein reitender Bote überbrachte der US-Botschaft zu Bern die gewünschten Daten auf einem Memory Stick, gleichzeitig wurde den US-Behörden der Codeschlüssel übermittelt.

Problem gelöst? Fast. Die fällige Busse wurde auf schlappe 780 Millionen Dollar runtergehandelt. Es blieb nur noch ein Problem. Die USA hatten nicht die etwas über 2000 ihnen ausgelieferte Kundendaten verlangt. Sondern alle, also über 50’000. Das ging nun beim besten Willen mit Notrecht nicht, und die offizielle Abschaffung des von der SUP geschleiften Bankgeheimnisses, das würde dauern.

Nach der Lösung ist vor dem Problem

Was tun? Die SUP stand schon wieder am Abgrund, und die Kräfte, die sie vor dem Fall bewahren könnten, wurden immer schwächer. Da kam der Mastermind auf seine nächste grosse Idee. Die SUP schmiss einfach alle ihre Ami-Kunden raus. Zwangsweise, und wenn Ihnen das nicht passt, schauen Sie mal ins Kleingedruckte.

Die anderen Schweizer Banken wunderten sich, wieso plötzlich Amikunden kleine Schlangen vor dem Kontoeröffnungsschalter bildeten. Aber während das Einwerben eines Schwarzgeldkunden locker mal über 100’000 Franken kosten konnte, hier schaute man einem geschenkten Gaul doch nicht ins Maul. Hätte man aber vielleicht tun müssen.

Den gleichzeitig mit dem Rausschmiss bei der SUP wurde eine sogenannte Leaver-List erstellt. Also Namen, Anschrift, Höhe des saldierten Betrags, wohin er überwiesen wurde. Teuflisch, aber effektiv. Die US-Steuerämter konnten ihr Glück kaum fassen. Die bei der SUP Schwarzgeld bunkernden Amis konnten ihr Pech nicht fassen.

Das geniale Sahnehäubchen war: so konnten die Amis die Wanderung der Schwarzgelder auf andere Schweizer Banken genau verfolgen. Der ganze Finanzplatz war kontaminiert, ohne es zu wissen. Schliesslich musste der letzte Konkurrent der SUB eine Multimilliardenbusse zahlen, die Waffengleichheit war wieder hergestellt.

Zurück aus der Fantasie in die reale Welt. Diethelm, wir werden Sie schmerzlich vermissen.

Und die Verantwortung, Herr Rohner?

Die Credit Suisse steht in einem Scherbenhaufen. Einem GAU, verursacht aus eigener Unfähigkeit.

Gleich einen Doppelschlag einstecken müssen, das ist wenigstens originell. Die UBS machte das damals scheibchenweise. Zuerst Vollgas in das Schlamassel von verwursteten und undurchschaubaren Wettscheinen auf US-Hypotheken, die zwar klingende Namen hatten, ellenlange Prospekte, auf die die Ratingagenturen schneller ein AAA draufhauten, als man 400 Seiten vom Schreibtisch wuchten kann.

Aber gegen Schluss der Party glaubten nur noch Arroganz-Banker wie Marcel Ospel daran, damit das Riesengeschäft zu machen. Der Schweizer Staat musste für die absaufende Bank ins Risiko gehen. Womit er beim zweiten Scheibchen, Steuerstreit mit den USA, bereits in Geiselhaft war und der UBS erlauben musste, das Bankgeheimnis zu schleifen.

Aber nach kurzer und heftiger Gegenwehr und flotten Sprüchen («wir haben und wir sind enttäuscht») trat Ospel wenigstens zurück. Nachdem Oswald Grübel das Kunststück geschafft hatte, als erster und wohl einziger Banker sowohl CEO bei der UBS wie dann auch bei der Credit Suisse zu werden, zeigte er, was ein starker Abgang ist.

«Ist es schlimm», fragte er, als über den Fall Adoboli informiert wurde. «Ist es mehr als eine Milliarde?» Nach dem zweiten Ja meinte Grübel trocken:

«Das war’s dann.»

Nichts von «ich habe von nichts gewusst». Kein «ich klatsche diesen und jenen raus, aber der Chef muss am Steuer bleiben».

Heute nur noch Sesselkleber

Das waren noch Zeiten. Heutzutage bleiben «angespannte Weste» Axel Weber bei der UBS und «weisse Weste» Urs Rohner bei der CS auf ihren Stühlen als VR-Präsident sitzen, als wären sie mit Araldit drangeklebt.

Obwohl zurzeit die CS in der wohl grössten Bredouille seit ihrer Gründung als SKA steht. Die Finanzkrise und die Gewaltsbusse im Steuerstreit mit den USA konnte sie noch einigermassen wegstecken. Allerdings nur, weil sie reiche Scheichs dazu bewegen konnte, in sogenannte CoCos zu investieren. Zwangswandelanleihen mit dem Vorteil, nicht als Kapitalaufnahme, sondern als Aktienkapital verbucht werden zu können. Das Preisschild war allerdings happig: bis zu knapp 10 Prozent Zinsen, zudem streckte die CS Kredite vor, mit denen die Scheichs dann kauften.

Seither gibt es kaum einen gröberen Skandal, in dessen Umfeld die CS nicht auftaucht. Und nun noch das. Da müssten doch die Medien endlich ihrer Funktion als Vierte Gewalt nachleben und genauso harsch reagieren, wie sie es bei ein paar randalierenden Jugendlichen tun. Durchgreifen, nicht länger zusehen, Wiederholungen verhindern. Sagen sie tapfer – zu den kleinen Jugendunruhen von St. Gallen. Mit ein paar zehntausend Franken Sachschaden. Bei der CS drohen Verluste von bis zu 7 Milliarden.

Und was sagt die Vierte Gewalt dazu?

Natürlich fehlt es auch da an markigen Sprüchen nicht. «Auf den Bonus verzichten reicht nicht», donnert Beat Schmid von Tamedia seine Meinung von der Kanzel. Um dann doch nur auch einen rückwirkenden Bonusverzicht zu fordern. Was nach seiner Berechnung zu den 41 Millionen noch ein paar Dutzend drauflegen würde. Peanuts, lachhaft, wie da Banker sagen würden, angesichts dieser Riesenlöcher.

Auch der «Blick» wird pseudo-markig: «Urs Rohner war ein Verwalter des Niedergangs», schimpft Guido Schätti. Geradezu todesmutig, dem abtretenden VR-Präsidenten noch einen Tritt zu verpassen.

Noch samtpfotiger streichelt sein Kollege Daniel Zulauf von CH Media die Tasten: «Nach wie vor hervorragend sei seine Bank, behauptet der Chef der Credit Suisse» überscchreibt er seinen Kommentar, um dagegen zu stellen: «Die Aktionäre teilen dieses Urteil sicher nicht. Viele Mitarbeitende und Kunden dürften es auch nicht tun.»

Da wird Thomas Gottstein aber zusammenzucken, in sich gehen und Hand in Hand mit Urs Rohner auf dem Paradeplatz niederknien und um Verzeihung betteln.

Auch srf.ch konzentriert sich auf den einzigen Verantwortlichen, der sowieso das Ende seiner Restlaufzeit erreicht hat: «Urs Rohner und das Vermächtnis der «weissen Weste»», hier zählt Eveline Kobler die gesammelten, vergangenen Flops auf.

Meldungen aus der Kathedrale des Kapitals

Und was meinen denn die Lordsiegelbewahrer der einzig kompetenten Meinung zu den Schweizer Finanzhäusern? Ende März urteilte die NZZ noch relativ milde: «Eine Risikopandemie macht der CS zu schaffen.» Also sozusagen eine Naturgewalt, und gute Besserung, liebe Bank. Schon harscher tönte es dann am 3. April: «Die Credit Suisse braucht einen Neuanfang. Ohne neue Köpfe und ein neues Geschäftsmodell geht es nicht.» Nun ist die NZZ verschnupft: «Der Befreiungsschlag der CS gelingt nur halbwegs.»

Aber wozu hat man immer noch Beziehungen: «Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein: «Was in den USA passiert ist, ist absolut inakzeptabel» Gleich zu dritt rückte die NZZ an, damit sich Thomas Gottstein richtig ausheulen kann. Dabei wird ihm mit der Einleitungsfrage schon mal die starke Schulter zum Anlehnen geboten: «Herr Gottstein, wie geht es Ihnen?»

Das war dann aber auch schon die einzige Frage, die etwas in die Tiefe ging. Deshalb antwortet Gottstein auch nicht darauf. Anschliessend darf er ungeniert den ewigen Bankertalk talken: «einmaliger Vorfall – unser operatives Geschäft läuft sehr gut – Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit – wir prüfen alle Optionen – ich denke, wir haben starke Massnahmen getroffen – verlorenes Vertrauen zurückgewinnen – stolz, für diese Bank zu arbeiten.»

Einmal ganz sanft

Wortblasen aus einem Paralleluniversum, fürsorglich aufgefangen und publiziert von der NZZ. Warum nur gehen alle Leitmedien mit dieser Bank, die mehr einer Crash Site als einer stolzen CS gleicht, so pfleglich und sanft um? Dafür gibt es einen naheliegenden Grund. Schon mal überlegt, bei wem die grossen Medienkonzerne ihren Finanzhaushalt regeln? Von wem sie Events, Kundenbindungsveranstaltungen sponsorn lassen? Wer sie frank und frei mit Hintergrundanalysen, guten Tipps und furchtbar wichtigen off-the-record-Gesprächen versorgt?

Nein, die Alternative Bank ist es nicht.

Hier verrösten ein paar Milliarden, aber die bange Frage ist: Flächenbrand?

Diese Frage stellen sich «Tages-Anzeiger» und «Blick» beinahe gleichlautend: «Nach Krawallen in St. Gallen: Kommt es jetzt zum Flächenbrand?» (Tagi), «Corona: Werden die Jugendkrawalle zum Flächenbrand?» («Blick»). Der Kenntnisstand ist bei beiden Blättern gering, aber die Furcht gross: «War das der Anfang oder das Ende? Jetzt sind nicht nur in St. Gallen, sondern auch in Zürich und Winterthur weitere Krawalle angekündigt. Die Polizei ist gewarnt», sorgt sich der «Blick». Achtung, frei laufende Jugendliche. Gewaltbereit. Ausser Kontrolle. Unordnung, Unruhen, Chaos, Sachbeschädigungen! «Reisst euch am Riemen», befahl eine Spassbremse beim Tagi streng. Um diesen Flächenbrand gar nicht auflodern zu lassen, wird flächendeckend in allen Medien die Ordnungsmacht zum strengen Durchgreifen aufgefordert.

Und die CS? Dass da bald am Paradeplatz ein Krater gähnen könnte, wo das altehrwürdige Gebäude der SKA steht? Der vielleicht sogar mit Steuergeldern zugeschüttet werden muss? Ach, nicht mal ein «reisst euch am Riemen». Wackelnde Zeigefinger, leicht gerunzelte Stirnen, ein wenig Prügel für den, der sowieso abgeht, mehr ist da nicht. Eine feige Bande, die Journalisten heutzutage. Mutig nur in der Bekanntgabe des eigenen Leidens.