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Amateure am Gerät

Finanzpolitik ist schwierig zu verstehen. Vor allem für Journalisten.

«Keller-Sutter plant, dass es für die UBS richtig teuer wird», verkündet Konrad Staehelin auf Tamedia. Seine Berichterstattung über Fussball-Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele qualifizieren ihn sicher zu dieser Aussage.

Gigantische Zahlen geistern durch die Medien; 12 Milliarden, 20 Milliarden, gar um 25 Milliarden müsse die UBS ihr Eigenkapital erhöhen. ««Es stimmt, die Grössenordnungen sind plausibel», bestätigte Keller-Sutter am Montag im Bundeshaus gegenüber dieser Zeitung», vermeldet Staehlin stolz als Primeur auf zuonline.

Dann wagt er einen Blick in die Vergangenheit, was er lieber gelassen hätte. Es geht dabei um die Frage, welches Eigenkapital für ihre im Ausland tätigen Ableger systemrelevante Banken in der Schweiz vorhalten müssen. Umso höher, desto sicherer, lautet die simple Formel. Das mache es einfacher, im Krisenfall ausländische Töchter zu verkaufen.

«Die heute gültige Regelung kann die Ausführung in einer finanziell angespannten Situation verunmöglichen, da sie zu unübersichtlichen finanziellen Verflechtungen im Gesamtkonzern führen kann. Im Falle der Investmentbank der Credit Suisse geschah 2022 genau das. Unter anderem deswegen liess sich das Ende der Bank und die notfallmässige Integration in die UBS vor einem Jahr nicht mehr verhindern.»

Das ist eine so originelle wie von A bis Z unsinnige Erklärung. Es war ein Liquiditätsproblem, in dem die CS steckte. Und selbstverständlich hätte sich die «Integration» in die UBS verhindern lassen. Statt sie zu einem Schnäppchenpreis zu verschenken und dem Steuerzahler zusätzlich Ärger in der Höhe von 16 Milliarden Franken einzuhandeln, hätte unsere Finanzministerin auch den vorliegenden Sanierungsplan der Bankenaufsicht FINMA umsetzen können. Da sie aber von Finanzen ungefähr so viel versteht wie Staehelin …

Anleger reagieren immer empfindlich auf auch nur leise Andeutungen, dass eine Bank ihr sowieso viel zu dünnes Eigenkapital erhöhen müsse. Denn Eigenkapital hat eine unangenehme Eigenschaft. Es liegt solange blöd und unproduktiv rum, wie es nicht im Notfall gebraucht wird. Wenn’s im Ernstfall aber fehlt, dann kracht’s.

Also wäre für systemrelevante Banken ein Eigenkapital von 20 oder besser 25 Prozent –  und zwar echtes, hartes, nicht mit kreativer Bilanzbuchhaltung herbeifantasiertes – dringlich nötig. Zieht man all dieses Geschwurbel ab, hat die UBS zurzeit eine Eigenkapitalquote von 4,7 Prozent. Lachhaft.

Um nur schon eine Quote von 10 Prozent zu erreichen, müsste sie rund 90 Milliarden Dollar neues Kapital beschaffen. Dagegen sind 25 Milliarden ein erster, kleiner Schritt.

Was bei all diesem Gedöns in den Medien ebenfalls untergeht: das sind alles Vorschläge des Bundesrats; mal so Ideen. Das geht dann ins Parlament, wird dort unter dem Einfluss der Bankenlobby zu Kleinholz verarbeitet und zu Staub zermahlen.

Vielleicht könnte man dem Publikum mal diese Tatsachen näherbringen. Statt Karin Keller-Sutter auf den Leim zu gehen, die sich gern als unerschrockene Bankendompteurin aufspielen will. Um von ihrem Versagen während der CS-Krise abzulenken. Aber wer von der Materie so viel versteht wie sie, der nimmt ihr das natürlich ab.

Unverständlich dabei ist höchstens, wieso auch Arthur Rutishauser ins gleiche Horn stösst; er sollte es wirklich besser wissen.

Die UBS soll ihre Risiken selber tragen können

Bei einer Rettung oder Sanierung dieser Mega-Bank müsste der Staat Hunderte von Milliarden bereitstellen.

Von Urs Schnell*

Für die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS leistete der Bund eine Ausfallgarantie von 100 Milliarden. Auch bei einer Zwangssanierung hätte der Bund Milliarden garantieren müssen. Dafür war alles vorbereitet. Die Finma legte die Too-big-too-fail-Notfallpläne am Sonntagmorgen, 19. März 2023, dem Bundesrat verfügungsbereit vor. Es kam anders.

Im Hinblick auf die neue grosse UBS soll das eidgenössische Regelwerk nun verschärft werden. Denn eine Sanierung würde wesentlich mehr kosten als bei der CS. Dabei werden mächtige ausländische Behörden immer mitreden. Zuvorderst die USA, die in ihrem Finanzmarkt, dem grössten der Welt, nichts anbrennen lassen wollen.

Im Fall der Credit Suisse wäre ein Flächenbrand ausgebrochen. Er hätte die USA massiv betroffen. Global systemrelevante Banken haben eine Vielzahl von Tochtergesellschaften, die in einer Vielzahl von Ländern tätig sind. Über ausländische Tochtergesellschaften war die CS in den USA und in Grossbritannien äusserst aktiv, darunter mit dem hochrisikobehafteten Investmentbanking.

Komplexität als Gefahr und Treiber für Boni

Das Firmengeflecht der CS war nicht nur für Laien, sondern auch für Fachleute aus Wissenschaft und Medien kaum übersehbar. Als die Bank ins Trudeln geriet, verschärfte sich der Druck auf das Kapital- und Liquiditätsmanagement in der global verschachtelten Gruppenstruktur auch «aufgrund steigender lokaler regulatorische Anforderungen im Ausland», wie die Finma in ihren «Lessons Learned» in der Woche vor Weihnachten schrieb.

Die Komplexität des Konzerns nützte zum Beispiel der langjährige Finanzchef David Mathers aus. Der Brite verliess das sinkende Schiff letztes Jahr, nachdem er Boni in der Höhe von insgesamt über 50 Millionen Franken eingestrichen hatte, wie die «Bilanz» schätzt. Andere Medien schilderten, er habe ein kreatives Buchhaltungssystem mit über tausend Untergesellschaften geschaffen. Dieses System hätten in der Credit Suisse nur wenige verstanden. Seinen Zweck aber habe es jahrelang erfüllt, nämlich die internationalen Rechnungslegungsstandards einzuhalten. Ab 2016 war Mathers auch Chef eines der wichtigsten CS-Konglomerate in London, der Credit Suisse International CSi. Die CSi hatte per Ende 2022 ein sagenhaftes Nominalkapital von über 11 Milliarden Franken.

Operationen zum Schutz des Systems

Damit das internationale Finanzsystem möglichst nicht abstürzt, hat das Financial Stability Board FSB im Nachgang zum Kollaps von 2008 für Grossbanken globale Leitlinien aufgestellt (Infosperber vom 22.12.23). Sie zeigen auf, wie ins Wanken geratene Banken saniert oder abgewickelt werden können, ohne dass das Gesamtsystem, also das Netz der global verbundenen Finanzinstitute, zu Schaden kommt. Man könnte sagen: Sanierungs- und Abwicklungpläne der «Too big to fail» (TBTF)-Regulierung, auf Englisch unter dem Begriff Resolution zusammengefasst, zielen auf die gleiche Wirkung wie eine Krebsoperation: Der Tumor soll entfernt werden, damit er das übrige Gewebe nicht infiziert.

Wegen der geschilderten Vernetzung der Credit Suisse war die Finma nicht der alleinige Akteur beim Vorbereiten der Notfallpläne. Der Financial Stability Board (FSB) sieht für eine Bank in der Krise eine sogenannte Crisis Management Gruppe vor. Ab Oktober 2022 setzte die Finma eine solche Krisengruppe für Credit Suisse in Gang und zog hochrangige Vertreter der weltweit mächtigsten Finanzbehörden mit ein. In den USA die Zentralbank Fed und die Einlagensicherungsbehörde FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation), in Grossbritannien die Zentralbank Bank of England.

Die Rolle des SEC

Im November 2022 stiessen Vertreter des New York State Department of Financial Services NYDFS und der Securities Exchange Commission SEC dazu. Das NYDFS hatte die Rechtshoheit über die in New York angesiedelte Credit Suisse Holdings (USA) Inc. und hätte hier Liquidität via Fed einschiessen können. Falls in die vorgesehene Sanierung oder Abwicklung ein US-Broker-Dealer involviert gewesen wäre, hätte die SEC «unterstützend» gewirkt, wie das FSB in einem eigenen Bericht vom 10. Oktober 2023 schreibt. Diese Unterstützung hätte die SEC auch für Wertpapiere leisten müssen, die auf dem US-Markt ausgegeben wurden und – im Falle einer Krise – für die Umwandlung in neues Kapital vorgesehen waren. Diese Wertpapiere tragen den Namen Bail-in Bonds und spielen in jedem Sanierungsplan für systemrelevante Banken eine wesentliche Rolle.

Bei der Credit Suisse hatten diese Bail-in Bonds eine Höhe von 57 Milliarden Franken. Sie wären anlässlich einer Sanierung zusammen mit den AT1 Bonds in neues CS-Kapital gewandelt worden. Wie hoch die Summe der Bonds unter US-Jurisdiktion waren, wollte die UBS als neue Eigentümerin der CS nicht sagen. Aus UBS-internen Kreisen verlautet aber, dass vier Bonds dem New York Recht und zwei Bonds englischem Recht unterstehen. Sie seien von renommierten US- und UK-Kanzleien bestätigt und von der Finma als Wandlungskapital genehmigt worden.

Zwischen den Zeilen lesen

Die Haltung der US-Behörden ist damit nicht geklärt. Dem FSB-Bericht ist zu entnehmen, dass der internationale Austausch in der Crisis Management Group CMG gut funktionierte. Doch wer vertrat in dieser CMG welche Positionen? Was sagten die US-Amerikaner, was die Engländer? Davon steht im internationalen Bericht des FSB nichts. Es wird nur auf die sogenannten Key Attributes verwiesen, die das FSB für den Fall einer Resolution vorgibt:

«Authorities are expected, when choosing the resolution strategy for a particular firm, to have assessed its systemic impact considering a scenario with potential adverse market conditions, in line with Annex I-3, section 5 of the Key Attributes, which refers to the assessment of systemic impact.»

Weiter nimmt der FSB-Bericht Bezug auf den Finanzstabilitätsbericht der Schweizerischen Nationalbank vom Juni 2023:

«At the time of the failure of Credit Suisse, the Swiss authorities had concerns that the application of the bail-in tool in the volatile market conditions following the failures of several US banks in mid-March 2023 could give rise to financial stability issues and could be accompanied by several knock-on effects in Switzerland and globally

Das FSB zeigte sich trotzdem überzeugt, dass die Sanierungs- und Abwicklungspläne der Finma einen glaubwürden Weg gewiesen hätten («a credible alternative path»). Um aber sofort zu relativieren:

«(…) it may be useful for authorities to gain greater visibility into the potential impact of bail-in on financial markets, in line with the systemic assessment described in Annex I-3 section 5 of the Key Attributes.»

US-Wertschriftengesetz als Hindernis

Die Bemerkung «it may be useful…» kommt sehr nebensächlich daher. Doch gerade diese Relativierung ist mitentscheidend dafür, dass der Finma-Abwicklungsplan nicht in Kraft gesetzt wurde.

Das FSB stellt nämlich fest:

«According to the SEC staff, there would have been legal challenges relating to US securities laws in executing a bail-in; they noted that banks need to prepare sufficiently to comply with US securities laws after an open bank bail-in. US investors held bail-in bonds issued by Credit Suisse representing a significant portion of the firm’s TLAC. US securities laws apply to any TLAC instruments held by US investors, irrespective of the currency or governing law of that TLAC instrument.»

Diese TLAC ist die Total Loss Absorbing Capacity. Sie bezeichnet alle Werte, die die federführende Aufsichtsbehörde bei einer Sanierung in neues Bankenkapital umwandeln kann. Die oben erwähnten Bail-in Bonds in der Höhe der 57 Milliarden gehören dazu. Nur eben, die Finma hatte nicht den vollen Zugriff.

Wie und in welchem Zeitrahmen die SEC im Fall einer Abwicklung entschieden hätte, bleibt offen. Ebenso, ob US-Investoren sich gegen eine Ausnahmebewilligung hätten wehren können.

Das sind Faktoren, die im Falle einer Sanierungsverfügung bei Börseneröffnung am 20. März das Vertrauen in eine abzuwickelnde Credit Suisse nicht beflügelt hätten. Sie bestätigen vielmehr die Kritiker, welche die Sanierung oder Abwicklung einer global systemrelevanten Bank im TBTF-Regime nicht für möglich hielten.

Auch nicht, wenn dieses Abwicklungs-Regime verschärft wird. Für die neue noch grössere UBS heisst das: Sie muss sich selber helfen, ihr Risiko selber tragen.

Extremfall Staatsbankrott

Professor Aymo Brunetti von der Universität Bern, einer der Väter der Schweizer Grossbankenregulierung, sagte anfangs September:

«Vor der CS-Rettung im März ging man davon aus, dass eine Grossbank in einer Krise regulär abgewickelt würde. An den Plänen hatte man jahrelang gearbeitet. Nun hat aber der Staat in einer Rettungsaktion eingegriffen (NZZ a.S., 3.9.23)

Es ist schwer vorzustellen, dass das TBTF-Regelwerk bei der noch viel grösseren UBS greifen wird. Als letzter Garant bliebe nur der Staat.

Das hingegen widerspreche den Fundamentalien einer funktionierenden liberalen Marktwirtschaft, meinte Brunetti weiter:

 «Bei einer Übernahme würde der Staat mit Hunderten von Milliarden Franken im Risiko stehen. (…) Dieses Risiko ist völlig inakzeptabel. Die UBS-Rettung könnte die Solidität des staatlichen Haushaltes ernsthaft gefährden und den Bund im Extremfall in die Nähe eines Staatsbankrotts bringen.»

Sein Fazit:  Entweder, man zeigt, wie global systemrelevante Banken wirklich abgewickelt werden können – oder man macht sie kleiner. Vielleicht wird sich das Parlament nächstes Jahr dazu durchringen können. Dass die USA hingegen ihre Wall-Street-Riesen ebenfalls auf ein global systemverträglicheres Mass reduzieren, ist kaum anzunehmen.

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Dieser Artikel erschien zuerst auf der Plattform «Infosperber». Der erste teil geht ihm voraus.

Das unzähmbare Monster UBS

Die Behörden können die Grossbank im Fall einer Krise nicht abwickeln. Das Too-big-to-fail-Regime steht in der Kritik.

Von Urs Schnell*

Die Finanzmarktaufsicht Finma sagte am 19. Dezember, sie glaube eine schwer gefährdete global systemrelevante Bank abwickeln zu können, falls sie schärfere Eingriffsmöglichkeiten bekäme.

Den bisherigen Sanierungs- und Abwicklungsplänen, die das sogenannten Too-big-to-fail-Regelwerk vorsieht, hatte Finanzministerin Karin Keller-Sutter nicht vertraut. Sie setzte am 19. März auf die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und ermöglichte dank Notrecht die Schaffung der neuen Superbank UBS.

Dieser Entscheid, als beste von mehreren schlechten Varianten dargestellt, war auch darauf zurückzuführen, dass die Securities and Exchange Commission SEC in den USA nicht bereit war, eine zeitgerechte Ausnahmebewilligung für die Umwandlung von Teilen des Pufferkapitalszu geben. Dieses Kapital besteht aus besonderen Anleihen, die die Behörden im Notfall in neues Bank-Eigenkapital wandeln können. Bei der Credit Suisse waren das 16 Milliarden Franken aus sogenannten AT1-Anleihen und 57 Milliarden Franken an Bail-in Bonds. Ein Teil dieser Bail-in Bonds werden von US-Investoren gehalten, sind also dem Zugriff der Finma entzogen, weil dieser Teil der Bail-in Bonds dem US-Recht unterstellt ist.

Die Finma bestätigte am 19. Dezember, dass keine Behörde der Welt eine solche Ausnahmebewilligung zum voraus, also ex ante, machen würde. Es ist deshalb höchst unwahrscheinlich, dass die Finma die Sanierungs- und Abwicklungspläne, die im Gesetz vorgesehen sind, auf die neue UBS wird anwenden können. Das Problem wird auch bei einer Verschärfung weiter bestehen. Anders gesagt, im Fall einer existenzgefährdenden Krise der UBS blieben nur zwei Varianten:

  • Die Varianten einer Verstaatlichung
  • Die Übernahme durch eine ausländische Bank.

Bewegte Vorweihnachtstage

Bankenpolitisch hat sich diese Woche einiges getan. Zuerst die grosse Credit-Suisse-Verteidigungsrede der Finma mit öffentlichen Äusserungen in nie gekannter Härte, dann erstaunliche Aussagen aus der Geschäftsleitung der UBS.

Während die neue Bank auf Imagepolieren macht und sich als beste Bank der Schweiz verkauft («A bank like Switzerland – cautious, conservative, rational»), setzen deren ambitionierte Chefs neue globale Ziele. Angefangen hatte es anfangs Dezember mit Iqbal Khan, dem Chef der UBS-Vermögensverwaltung: «In den nächsten drei Jahren wollen wir in den USA stark investieren und zu den führenden Anbietern aufschliessen.» Jetzt doppelt das risikoreiche Investmentbanking nach. «The world needs a European global champion and we just became the European global champion» sagte der Chef der UBS-Investmentbank, Rob Karofsky, gegenüber dem Wall Street Journal. Man wolle den Anschluss an die Big Five in den USA schaffen.

Zuhause wird CEO Ermotti in der NZZ gefragt, ob die Übernahme der Credit Suisse denn die bessere Lösung als eine Abwicklung gewesen sei: «Was für eine Frage!» meint Ermotti. «Eine Grossbank zu liquidieren, obwohl eine private Lösung zur Verfügung steht, nur um zu beweisen, dass ‹too big to fail› funktioniert. Das wäre doch reiner Masochismus gewesen.»

Dass auch die UBS in eine Schieflage geraten könnte, ist für Ermotti kein Thema. Dafür hat die Schweiz bekanntlich ein Bankengesetz. Und darin festverankert ist das Too-big-to-fail-Regelwerk, welches der Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma die Abwicklung einer global systemrelevanten Bank erlaubt – möglichst ohne dass der Staat und die Steuerzahlenden gross Schaden nehmen.

Doch reichen einige Nachbesserungen dieses Regelwerks, um die UBS im Ernstfall abwickeln zu können?

Das TBTF-Regelwerk

Seit Jahren läuft in der Wissenschaft eine äusserst kontroverse Debatte, ob das TBTF-Regime das Systemrisiko einer Bank vermindern könne. Die Diskussion wird sich auch in der Politik intensivieren. Im April 2024 will der Bundesrat seinen grossen komplexen Bericht zu den global systemrelevanten Banken vorlegen.

Der Zielgedanke hinter jeder TBTF-Regulierung ist es, eine strauchelnde Bank möglichst ohne umfassende staatliche Mittel zu stabilisieren, zu sanieren oder – im schlimmsten Fall – abzuwickeln. Der Schaden soll also primär durch Aktionäre und Gläubiger getragen werden und nicht durch die öffentliche Hand. Der Gedanke entspricht der Logik des marktliberalen Wirtschaftssystems. Das TBTF-Regelwerk will Kampfsprüche wie «Die fetten Boni den Bankern, die Verluste dem Staat» hinfällig machen. Wer erinnert sich nicht an die Vehemenz von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, als sie an der historischen Medienkonferenz vom 19. März den privatwirtschaftlichen Aspekt der Credit-Suisse-Rettung betonte. Nicht der Staat rette, sondern die UBS übernehme: «This is not a bail-in.»

Im Fall der Credit Suisse kam die im Gesetz vorgesehene Abwicklung nach dem Too-big-to-fail-Regime nicht zur Anwendung. Nur Tage später sagte die Finanzministerin in der NZZ:

«Persönlich bin ich in den letzten Wochen zur Erkenntnis gelangt, dass eine global tätige systemrelevante Bank nicht ohne weiteres gemäss dem ‹Too big to fail›-Plan abgewickelt werden kann. Rechtlich wäre das zwar möglich. In der Praxis wären die volkswirtschaftlichen Schäden aber beträchtlich. Die Schweiz wäre das erste Land gewesen, das eine global systemrelevante Bank abgewickelt hätte. Es war aber klar nicht der Moment für Experimente.»

Internationale Vorgaben

Während Jahren hatten hochrangige Vertreter von Zentralbanken, grossen Aufsichtsbehörden und wichtigen Finanzministerien der G-20 daran gearbeitet, die Staaten aus der Haftung zu nehmen. Das sogenannte Financial Stability Board FSB erarbeitete dafür globale TBTF-Leitlinien. Diese wurden von der Schweiz weitgehend übernommen. Zwischen 2010 und 2014 entstand daraus ein angepasstes neues Bankengesetz.

Das schweizerische TBTF-Regelwerk besteht aus drei Säulen:

  1. Eigenkapitalanforderungen
  2. Liquiditätsanforderungen
  3. Die sogenannte Resolution.

Aufsichtsbehörde ist die weitgehend unabhängige Finma. Sie kann im Notfall verfügen, dass eine Bank abgewickelt wird.

Gestützt auf die dritte Säule, der Resolution, bereitete die Finma in den turbulenten Monaten vor dem Untergang der Credit Suisse einen Sanierungs- und Abwicklungsplan vor. Es war jener Plan, den Frau Keller-Sutter im entscheidenden Moment als zu experimentell betrachtete.

Hans Gersbach – gewichtige Stimme gegen TBTF-Regime

Die Finanzministerin war nicht die einzige, die gegenüber dem TBTF-Regime schwerwiegende Vorbehalte äusserte. Am 27. März sprach Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie an der ETH Zürich, Klartext. «Die Notfallpläne der TBTF-Bestimmungen können von der Finma nicht ohne grössere Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten umgesetzt werden.» Gersbach nannte drei Gründe:

«Erstens betreffen sie die Jurisdiktionen verschiedener Länder und das «Single Point of Entry»-Verfahren ist politisch nicht akzeptiert. Zweitens können die Notfallpläne die Ansteckungsdynamik einer in Schieflage geratenen Bank nicht sicher eindämmen. Drittens sind sie praktisch nur schwer umsetzbar

Professor Gersbach ist an der ETH auch Direktor des Center of Economic Research und Ko-Direktor der Konjunkturforschungstelle KOF, dazu Fellow am paneuropäischen Center of Economic Policy Research CEPR in London. Im weitern sitzt er im Wissenschaftlichen Beirat des deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin.

Expertengruppe Bankenstabilität: Minimalkonsens

Neben seinen vielen Tätigkeiten war Gersbach auch Mitglied der sogenannten Expertengruppe Bankenstabilität. Das Finanzdepartement hatte in dieser Gruppe am 17. Mai 2023 acht Expertinnen und Experten eingesetzt, um «eine umfassende Evaluierung des Too-big-to-fail-Regimes» vornehmen zu lassen. Das Ziel der Evaluierung: eine «Grundlage» zu erarbeiten für den «Bericht zu den systemrelevanten Banken», den der Bundesrat im April 2024 dem Parlament vorlegen will.

Der Ausgang der kommenden parlamentarischen Debatten wird entscheiden, in welcher Grösse und in welcher Form die UBS in der Schweiz in Zukunft geschäften kann.

Der Bericht der Expertengruppe erschien am 1. September. Sein Fazit: Damit eine mögliche UBS-Krise nicht eskaliere, solle das behördliche Krisenmanagement nachgebessert, die Liquiditätsversorgung ausgebaut und mehr Transparenz über die Qualität der Eigenmittel hergestellt werden. Das TBTF-Regime habe «wichtige Fortschritte» erzielt.

Unverständnis und harsche Kritik

Die vielen Unschärfen und die vagen Empfehlungen im Bericht lösten teils harsche Kritik aus. Am weitesten ging Ökonom Adriel Jost vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP in Luzern. «Diesen Expertenbericht hätte auch die Bankiervereinigung schreiben können, das wäre für den Steuerzahler günstiger gekommen.» Jost kritisiert, dass der Expertenbericht weder die Anreize zur Risikonahme auf Staatskosten minimieren wolle noch die extrem hohe Verschuldung der Banken ins Visier nehme: «Man erhöht die Subventionen der Banken und versucht Retuschen im Too-big-to-fail-Regime, obwohl sich gezeigt hat, dass dieses Regime nicht funktioniert.»

Welche Position vertrat Professor Gersbach in der Expertengruppe? Er will sich auf Anfrage nicht äussern. Doch noch zwei Wochen, bevor die Experten ihre Arbeit aufnahmen, hatte er seine Zweifel an den Sanierungs- und Notfallplänen des TBTF-Regimes öffentlich wiederholt («Unmöglichkeit der Umsetzung») und dafür mehr Banken-Eigenkapital gefordert – eine Massnahme, die die Finanzinstitute ablehnen. Sergio Ermotti meinte am Donnerstag in der NZZ: «Es braucht nicht noch mehr teures Eigenkapital. Das zu behaupten ist reiner Populismus. Mehr Kapital käme die ganze Wirtschaft teuer zu stehen.»

Übersetzt heisst das: Lasst die Banken weiterhin mit minimalem Kernkapital und minimalen Kapitalpuffern geschäften. Nur so lassen sich fette Boni erhalten. Gerät eine Bank ins Schwanken, sollen SNB und der Staat genügend Liquidität bereitstellen, so, wie dies das TBTF-Regime vorsieht. Was bei der Credit Suisse noch mit Notrecht umgesetzt wurde, nämlich staatliche Hilfe in Form eines Public Liquidity Backstopp, soll das Parlament bitte im Gesetz nachbessern.

Nach uns die Sintflut

Was geschieht, falls die neue «Monsterbank» UBS doch einmal ins Taumeln gerät? Zum Beispiel in einer Post-Ermotti-Zeit? Sollte man dann verstaatlichen? Vom Tessiner Bankenchef kein Wort dazu. Dafür diese Antwort: «Der Begriff Monsterbank wurde von Journalisten kreiert, die auf viele Klicks aus sind.» Mit dem, was die UBS als Bank sei und für die Schweiz bedeute, so Ermotti, habe das nichts zu tun. «Kennen Sie ‹Iron Giant›, den Film von dem Eisenmann aus dem All? Wenn wir ein fremdartiges Wesen sind, dann sind wir der Iron Giant. Ein Geschöpf, das in dem Film zuerst als Bedrohung empfunden wird, bis man versteht, dass es doch eine positive Kraft ist

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Es folgt ein zweiter Teil:

Die Macht des Auslands – warum Schweizer Notfall- und Sanierungspläne für global systemrelevante Banken scheitern werden. 

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Der Artikel erschien zuerst auf der Plattform «Infosperber».
Es ist verblüffend, dass der Dokumentarfilmer Schnell zu Einsichten und Schlussfolgerungen kommt, zu denen die gesammelte Schweizer Wirtschaftsjournalisten nicht in der Lage waren.

Monsterbank UBS

Licht ins Dunkel ihrer Entstehung.

Es folgen zwei im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Artikel. Sie werfen ein neues Schlaglicht auf die Entstehung der Monsterbank UBS. Einiges ist schon bekannt, anderes – wie die Existenz spezieller Bail-in Bonds in der Höhe von 57 Milliarden Franken – ist ZACKBUM neu. Und wir verstehen mehr davon als der durchschnittliche UBS-Kundenberater.

Diese Schuldpapiere spielen deshalb eine besondere Rolle, weil alleine ihre Existenz bedeutet, dass die grossartigen Too-big-to-fail-Regeln (TBTF), die die Schweiz nach der grossen Bankenkrise von 2008 entwickelt hat, schlichtweg nicht funktionieren können. Ganz einfach deswegen, weil die Abwicklung einer Bank von der Grösse der Credit Suisse Auswirkungen auf den internationalen Finanzmarkt hätte.

Da haben Big Player, in erster Linie die USA, ein paar entscheidende Wörtchen mitzureden, also waren die TBTF schlichtweg von Anfang Makulatur. Denn wenn solche Bonds beispielsweise in den USA oder in England begeben werden, sind die dortigen Aufsichtsbehörden am Drücker. «Schweizer» TBTF-Regeln: Mit grossem Trara angekündigt, diskutiert und verabschiedet. Reine Spiegelfechterei.

Im Fall der CS-Katastrophe stellte der Steuerzahler ungefragt über 250 Milliarden Franken ins Feuer. Daraus folgt die logische Frage, ob die Schweiz eine UBS-Katastrophe finanziell überleben würde. Dass die stattfinden könnte, darauf weisen nicht nur Grossmannssprüche von führenden UBS-Kadern hin, die mal wieder substanziell wachsen wollen, zu den «Big Five» aufschliessen. Solche Töne hörte man das letzte Mal, als der Versager Marcel Ospel meinte, er könne es mit den aalglatten, smart-brutalen und von reiner Geldgier getriebenen US-Investmentbankern aufnehmen.

Aber damals mussten nur vergleichsweise läppische 50 Milliarden ins Feuer gestellt werden. Heute wäre der Betrag wohl mindestens 20 Mal so gross, müsste die UBS gerettet werden. Als weit mehr als das gesamte BIP der Schweiz.

Banker können aus einer banalen Bilanz einen Dschungel machen mit so vielen Lianen, Bäumen, Unterholz, Bewertungs-Absurditäten, dass am Schluss niemand mehr genau sagen kann, wie viel verlustabsorbierendes Kapital die Bank denn nun in Wirklichkeit hat. Denn das echte, harte Eigenkapital ist der Sicherheitspuffer bei Katastrophen. Der hat für den Banker aber den Nachteil, dass er im Nicht-Krisenfall einfach so rumliegt, keine boniwirksamen Aktivitäten entfaltet.

Daher wehrt sich auch UBS-Boss Ermotti erbittert gegen jede Forderung, das Eigenkapital der UBS hinaufzusetzen. Das sei einfach teuer, blöd, wirtschaftsschädlich. In Wirklichkeit ist ein echtes Eigenkapital von 20, besser 25 Prozent die beste Garantie, dass im Fall der Fälle genügend Reserven vorhanden sind, um dem Steuerzahler Ungemach zu ersparen.

Der immer noch nicht aufgearbeitete Untergang der CS beweist, dass es weiterhin dringend nötig ist, Regeln für solche Katastrophen aufzustellen – und umzusetzen. Neben deutlich erhöhtem Eigenkapital wäre auch eine wasserdichte Aufspaltung der UBS in einen Schweizer und einen internationalen Teil sinnvoll. Geht hierzulande was schief, ist der potenzielle Schaden überschaubar. Geht weltweit was in die Hose, kann die Schweiz nicht in Regress genommen werden.

Was spricht dagegen? Ein überforderter Bundesrat, eine zahnlose Bankenaufsicht, ein nicht durchsetzungsfähiger Chef der SNB, machthungrige und geldgierige UBS-Kader  – und eine uninformierte und abgelenkte Bevölkerung. Dabei ist die Beantwortung der Frage, wie die Monsterbank UBS gezähmt werden könnte, für die Schweiz viel bedeutender und existenzieller als die Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten.

Daher ein Sondertag Monsterbank bei ZACKBUM.

Wie desolat nur schon die Informationslage ist, beweisen folgende zwei Artikel von Urs Schnell. Von Haus aus Dokumentarfilmer, liefert er eine um Längen bessere Analyse ab als die versammelte Schweizer Wirtschaftspresse, die sich schon während den hektischen Tagen vor dem Ende der CS regelmässig von angelsächsischen Wirtschaftsmedien abtrocknen liess.

Bezeichnend ist auch, dass diese Beiträge auf «Infosperber» einzig von Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz» und von ZACKBUM aufgenommen werden. Sonst herrscht dumpfes Schweigen oder die Forderung nach Frieden auf Erden.

Also, lieber Leser, auf, auf. Ist nicht kurz, ist nicht ganz einfach (aber flüssig geschrieben) – und ungemein erhellend. Oder ist Euch das eigene Portemonnaie völlig egal?

Wenn sich die UBS räuspert, …

… dann verschluckt sich CH Media.

Der CH-Media-Wirtschaftsjournalist Benjamin Weinmann wagte eine Glosse über die neue Werbekampagne der UBS «Eine Bank wie die Schweiz». Das hätte er besser bleiben lassen. Warum, das erklärt Beat Schmid vom Tippinpoint.

Von Beat Schmid*
Eine Glosse über die UBS ist nicht mehr online. Nach einem Gespräch zwischen einer Vertreterin der Grossbank und dem viertgrössten Verlagshaus der Schweiz verschwand der Beitrag. Die UBS buchte ein Werbevolumen über mehrere 100’000 Franken.

Sich über Werbung lustig zu machen, ist immer heikel. Schliesslich sind es die Werbeauftraggeber, die für einen beträchtlichen Teil der Kosten einer Redaktion aufkommen. Ein langjähriger Wirtschaftsjournalist der Zentralredaktion von CH Media («Aargauer Zeitung», «Luzerner Zeitung», «Watson» etc.) hat es trotzdem gewagt, sich in einer Glosse über die neuste, von einer Berliner Agentur konzipierte Werbekampagne lustig zu machen.

Wie es in der Glosse «Bonzen, Böötli und Berge» heisst, zeichne die UBS in ihrer neusten Werbekampagne eine Hochglanzwelt von «Business-Männern mit Sonnenbrillen und Yuppie-Böötli». Der Werbefilm wirke, als sei Sergio Ermotti «höchstpersönlich in die Schauspiel-Hosen» gestiegen. «Eine Bank wie die Schweiz» – aber eine ohne Migros-Kassiererin, Hauswart oder Krankenpflegende. «Also eine Schweiz ohne all die Steuerzahlenden, die schon einmal die UBS retteten und ihr auch das CS-Schnäppchen des Jahrhunderts ermöglichten.»

Die Glosse wurde Ende Oktober in Print und Online publiziert. Eine Woche nach der Publikation wurde der Artikel auf allen Websites der CH-Media-Titel gelöscht. Wie Recherchen ergaben, löste der Artikel in der Marketingabteilung der UBS negative Reaktionen aus. Es kam zu einem Telefongespräch zwischen der Marketingverantwortlichen der UBS und dem Chief Commercial Officer von CH Media.

Dieser rief daraufhin die Redaktionsleitung an, die den Artikel umgehend vom Netz nahm – oder wie es bei CH Media heisst: depublizierte. Offenbar wollte man einen wichtigen Werbeauftraggeber nicht unnötig verärgern. Die UBS soll einen mittleren sechsstelligen Betrag gebucht haben.

Die Entscheidung des Chefredaktors

Der Verlag bestätigt die Löschung des Artikels. CH Media dementiere jedoch den «Vorgang», heisst es in einer schriftlichen Stellungnahme. Im erwähnten Fall habe es weder seitens des Kunden noch von Seiten des Verlags «Druck» gegeben. «Es war die Entscheidung des Chefredaktors Patrik Müller, diese ‹Glosse›, die zuvor in Print publiziert worden war, nach einer Woche vom Netz zu nehmen». Über die Höhe des Werbevolumens machte der Verlag keine Angaben.

Fast identisch klingt es bei der UBS. Ein Sprecher der Grossbank schreibt, die Bank dementiere «ausdrücklich», dass es seitens der UBS Druck auf CH Media gegeben habe, den Artikel zu löschen.

Artikel werden von Redaktionen nie leichtfertig vom Netz genommen. Das geschieht in der Regel nur dann, wenn ein Artikel falsche Tatsachenbehauptungen aufstellt, ein Gericht die Löschung eines Artikels anordnet oder schwerwiegende rechtliche Konsequenzen drohen. Einen Artikel zu löschen, weil er einem Inserenten nicht passt, ist dagegen höchst ungewöhnlich und vor allem heikel, weil damit die Unabhängigkeit der Redaktion tangiert wird.

UBS hat das grösste Werbebudget

Dass es sich ausgerechnet um einen Artikel über die UBS handelt, ist umso heikler. Durch die Fusion mit der Credit Suisse wird die Bank in der Schweiz zum Elefanten. In verschiedenen Bereichen des Retail- und Firmenkundengeschäfts verfügt die Bank über sehr hohe Marktanteile. Der Wettbewerbskommission sind zwar die Hände gebunden, aber sie hat vor kurzem ihre Untersuchungen zur Marktbeherrschung der Finma zur Beurteilung übergeben.

Die Übernahme der CS hat auch dazu geführt, dass die UBS künftig über das mit Abstand grösste Werbebudget aller Schweizer Banken verfügen dürfte. Da wäre es schlecht, wenn auch nur der Verdacht aufkommt, dass sie ihre Macht als Druckmittel gegen kritische Berichterstattung einsetzen könnte.

Anfang November kündigte CH Media den Abbau von 150 Stellen an, davon rund 90 Entlassungen. Das Unternehmen begründete die Massenentlassung mit sinkenden Werbeeinnahmen. Im zweiten Halbjahr habe sich der Einbruch noch verstärkt, teilte CH Media mit. Eine Erholung des Werbemarktes sei kurzfristig nicht zu erwarten.

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

PS: In der Mediendatenbank SMD ist die Glosse übrigens immer noch abrufbar. Banker halt …

 

 

Wirtschaftsschwache NZZ

Schluderei auch bei der alten Tanten. Gerade in ihrer Kernkompetenz …

Es gibt vier Gründe, die NZZ zu lesen. Die Ausland- und Wirtschaftsberichterstattung. Das Feuilleton und ihre Fähigkeit, immer wieder abseitige, aber interessante Themen intellektuell anspruchsvoll aufzugreifen.

Spätestens seit dem Ukrainekrieg schwächelt die NZZ allerdings bei der Auslandberichterstattung. Sie lässt ihrem Auslandchef zu viel Spielraum, seine Sandkastengeneral-Fantasien auszuleben und mit barschen Worten einseitig Partei zu ergreifen. Bedauerlich.

Dass die NZZ sich bemüht, die Interessen des Finanzplatzes Schweiz zu vertreten und zu verteidigen, wohlan. Peinlich wird’s allerdings, wenn sie dabei fachliche Lücken offenbart. Konkret geht es um die Nachbereitung des skandalösen Abschreibers von Kreditinstrumenten im Nennwert von 16 Milliarden Franken, als die Credit Suisse mit Notecht an die UBS verscherbelt wurde.

Das war begleitet von einem Schnäppchenpreis von 3 Milliarden, Staatsgarantien in der Höhe von 259 Milliarden Franken und als Sahnehäubchen der durch die Bankenaufsicht FINMA angeordneten Ausradierung von begebenen Schuldpapieren in der Höhe von 16 Milliarden Franken.

Kurz zur Erklärung: das sind sogenannte AT 1 Bonds, ein von europäischen Regulatoren erfundenes Gebasteltes, das das Eigenkapital von Banken steigern soll. Konkret sind das hochverzinste Obligationen, die unter bestimmten Bedingungen zwangsweise in Eigenkapital, also Aktien, umgewandelt werden – oder abgeschrieben.

Ob in diesem Fall die Voraussetzungen dafür erfüllt waren oder nicht, darüber ist ein weltweiter Streit ausgebrochen, da die Käufer dieser Schuldpapiere selbstverständlich nicht einfach zuschauen, wie ihnen Milliarden abgeknipst werden. Es deutet vieles darauf hin, dass die in den Ausgabeprospekten genannten Bedingungen (Trigger) nicht erfüllt waren, die einen solchen Totalschaden auslösen könnten. Das wird in teuren und langjährigen Gerichtsverfahren in der Schweiz, in den USA, in England, Japan und vielen anderen Ländern der Welt geklärt.

Nun meldet sich die alte Tante mit etwas zu Wort, das sie gerne als «ordnungspolitischen Zwischenruf» etikettiert. Oder auf Deutsch: wir sagen mal, was Sache ist. Dazu meldet sich Flamm Mordrelle zu Wort, «seit Herbst 2022 befasst er sich im Wirtschaftsressort mit der Finanzindustrie und Anlagethemen».

Das tut nun weder der Finanzindustrie, noch Anlagethemen wirklich gut. Er fängt noch ganz vernünftig mit einer Beschreibung der Affäre an:

«Die Besitzer von sogenannten AT1-Anleihen der CS haben durch die Rettungsaktion alles verloren: Die CS musste die Anleihen auf Geheiss der Finanzmarktaufsicht (Finma) vollständig abschreiben. «Wertpapiere» im Umfang von 16 Milliarden Franken wurden dadurch wertlos. Diese Gläubiger, darunter Pensionskassen, Family-Offices und Privatanleger, wurden im Zuge der CS-Rettung finanziell somit am härtesten getroffen

Damit wurde die übliche Reihenfolge beim Bluten auf den Kopf gestellt. Denn die Aktionäre kassierten immerhin noch 3 Milliarden, während Obligationäre in die Röhre schauen mussten. Das habe weltweit grosses Gebrüll ausgelöst, schreibt Mordrelle noch richtig. Die Begründungen für diese Massnahme durch die Bankenaufsicht FINMA seien eher schwach, stellt er dann fest. Um sich in der Definition dieser AT1 Bonds dann zu vergaloppieren:

«Fällt das Kapital einer Bank unter eine bestimmte Marke, werden sie abgeschrieben und stärken so das Eigenkapital.»

Das ist höchstens halb richtig, denn normalerweise werden sie in Eigenkapital zwangsgewandelt. Auslöser für einen Abschreiber kann nur eine staatliche Nothilfe oder ein unter eine genau definierte Schwelle gefallenes Eigenkapital sein. Dazu schreibt der NZZ-Journalist wieder richtig: «Im Fall der CS war das Kapital aber bis am Schluss stets ausreichend

Er drückt sich aber um die auf der Hand liegende Schlussfolgerung: war das so (und es gab auch keine Notrettung durch den Staat; wie sagte die Finanzministerin Karin Keller-Sutter so unsterblich ungeschickt: «this is not a bail-out»), dann sind die beiden möglichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen.

Damit kommen nun Milliardenforderungen auf die Schweiz zu. Auf die Schweiz? Auf den Schweizer Steuerzahler, der mittels Staatshaftung dafür geradestehen muss. Wieder richtig lamentiert Mordrelle: Die Berner Beteiligten «nahmen in Kauf, dass der AT1-Markt – ganze 275 Milliarden Dollar gross – in die Krise gestürzt wird und der Ruf des Schweizer Finanzplatzes als sicherer Hafen weiter leidet».

Ob es der UBS weiterhin gelingen wird, sich aus diesem Schlamassel herauszuhalten (sie machte nicht zuletzt wegen diesem Abschreiber einen ungeheuerlichen Sondergewinn von 29 Milliarden Dollar in einem Quartal), ist auch eine interessante Frage.

Dann setzt Mordrelle aber zur Verteidigungsrede an: «Mitleid mit den professionellen Investoren ist indes fehl am Platz. Sie haben vielmehr schmerzlich erfahren, was für ein Risiko mit einem Coupon von bis zu 9,75 Prozent im Jahr für bestimmte AT1-Bonds der CS einherging. Solche Renditen erhält man nur, wenn man substanzielles Risiko übernimmt. Von einem professionellen Investor darf man erwarten, dass er den Emissionsprospekt genau liest

Hier macht er gleich zwei Denkfehler. Natürlich haben die professionellen Investoren die Emissionsprospekte genau gelesen. Sie konnten aber nicht damit rechnen, dass der Bundesrat per Notrecht versucht, dort enthaltene Definitionen im Nachhinein umzubiegen, bzw. zu erweitern. Ihnen mangelhafte Sorgfalt vorzuwerfen, ist etwa so absurd, wie wenn ein sich an die Geschwindigkeitslimite 50 haltender Automobilist eine Busse bekommt: die Höchstgeschwindigkeit sei halt im Nachhinein auf 30 runtergesetzt worden, ätsch. Von einem professionellen NZZ-Journalisten darf man erwarten, dass er das Verbot rückwirkender Änderungen von Ausgabeprospekten kennt.

Zum zweiten wurden diese AT1 Bonds, nicht zuletzt von Schweizer Banken, auch Kleinanlegern mit einer Stückelung von lediglich 5000 Franken ins Portefeuille gelegt.

Und am Schluss verschreibt sich Mordrelle dann ganz dem Prinzip Hoffnung: «Eine gerichtliche Klärung der Gläubigeransprüche ist auch aus diesem Grund angezeigt. Investoren wissen dann, woran sie sind. Die Schweiz wiederum könnte sich vom Image der Bananenrepublik, das ihr die geschädigten Gläubiger verpasst hatten, befreien – falls die Klagen auch wirklich abgelehnt werden

Hoppla. Damit räumt er indirekt ein, dass die Schweiz eine Bananenrepublik sei, sollten die Klagen erfolgreich sein. Die Schweiz als mögliche Bananenrepublik, sagt die NZZ. Unglaublich, aber wahr. Leider ist’s auch dort mit der Qualitätskontrolle vor Publikation nicht immer zum Besten bestellt.

Der 16-Milliarden-Schwindel

CS, Bundesrat und Finma wussten, was sie am 19. März taten, als sie die AT-1-Wandler ausradierten. Doch gesagt haben sie’s nicht.

Doppelleser von ZACKBUM und «Inside Paradeplatz» mögen sich fragen: warum hier nochmal? Ganz einfach. Weil zu diesem Thema ansonsten in den Medien das Schweigen der Lämmer herrscht. Weil es von Anfang an ignoriert wurde. Weil die «Financial Times» vorführte, dass sie besser informiert ist und besser einen Skandal entdecken kann als die versammelte, vergammelte Wirtschaftspresse der Schweiz. Weil es also ein Medienskandal ist.

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Wir brauchten … ähm … also das AT-1 … ähm … das gesamte Paket … ähm … muss die Absicht haben … ähm … das Finanzsystem zu stabilisieren und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten …“.

Das stammelte die Finma-Präsidentin Marlene Amstad an der ominösen Pressekonferenz vom 19. März 2023.

Damals wurde bekanntgegeben, dass der Bundesrat per Notverordnung die Credit Suisse zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken an die UBS verscherbelt hatte.

Als hübschen Bonus legte die Landesregierung noch 16 Milliarden Franken obendrauf. Dabei handelte es sich um sogenannte AT-1-Bonds, Zwangs-Wandelanleihen.

Das ist ein von den Regulatoren erfundenes Gebastel. Obligationen, die unter bestimmten Bedingungen in Aktien gewandelt werden und so das Eigenkapital einer Bank stützen.

Oder aber, unter genau definierten Umständen, von der Bankenaufsicht auf null abgeschrieben werden können.

Genau diese Tatsache wollten weder Bundesrat noch Bankenaufsicht Finma allzu deutlich bekanntgeben. Das hat seine schmutzige Vorgeschichte.

Schon vor diesem 19. März war klar, dass sich die CS in gröberen Schwierigkeiten befand.

Allerdings hatte der damalige CEO Ulrich Körner noch am 14. März bekannt gegeben, dass die CS einen erfreulichen Zuwachs an Kundengeldern verzeichnen konnte und dass sich die Liquidität der Bank seit Ende 2022 verbessert habe.

Am gleichen Tag stellte die CS eine Präsentation für Investoren über festverzinsliche Wertpapiere vor.

Auf Seite 11 dieser Präsentation stellte die Bank in einem “Verlustabsorptionswasserfall” dar, in welcher Reihenfolge in einem Notfall (Bail-in) das Kapital herangezogen würde.

Zunächst das Eigenkapital, erst dann die AT-1-Bonds. Erst im fast unleserlichen Kleingedruckten wies die CS darauf hin, “sofern nicht umgewandelt/abgeschrieben, vor der vertragsgemässen Umstrukturierung“.

Allerdings: Wenige Tage nach der Pressekonferenz vom 19. März verschwand diese Präsentation von der Webseite der CS.

Blöd nur: In einer Präsentation von 2016, die immer noch aufzufinden ist, existiert der gleiche Wasserfall – allerdings ohne das Kleingedruckte.

Noch am 15. März hatten die Finma und die Schweizerische Nationalbank (SNB) gemeinsam bekanntgegeben:

Die Finma bestätigt, dass die Credit Suisse die höheren Kapital- und Liquiditätsanforderungen von systemrelevanten Banken erfüllt. Darüber hinaus wird die SNB der weltweit tätigen Bank bei Bedarf Liquidität zur Verfügung stellen.

Solche beruhigenden Geräusche waren nötig, um einen Bank Run zu verhindern. Das Problem dabei:

Wenn die CS all diese Kriterien erfüllt, gibt es laut den verbindlichen Ausgabeprospekten dieser AT-1-Bonds keinen Grund und keine Rechtfertigung, wieso die Bankenaufsicht diese Zwangsanleihen mit einem Federstrich von 16 Milliarden auf null vernichten könnte.

Auf einer der Folien steht zwar als Fussnote 4: „… FINMA determines that cancellation of the instrument and other similar contingent capital instruments is necessary, or that the Group requires public sector capital support, in either case to prevent it from becoming insolvent or otherwise failing (‚Customary Non-Viability Scenarios) …“.

Doch dass die Aufsicht ohne Kriterium, quasi nach eigenem Gusto, die Bonds ausradieren könnte, dürfte damit wohl kaum gemeint gewesen sein.

Wenige Tage nach dem High-noon, am 25. März, wiederholte Finanzministerin Karin Keller-Sutter in einem Interview:

Die CS hat die regulatorischen Kapital- und Liquiditätsanforderungen immer erfüllt.“

Von ihr stammt auch der fatale Satz: “This is not a bail-out”, das ist keine Notrettung.

Das wären aber die einzigen Voraussetzungen für die Streichung der 16 Milliarden gewesen.

Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Am 16. März hatte die CS bekannt gegeben, dass die Bank von der SNB 50 Milliarden Franken Liquiditätshilfe im Rahmen der “Emergency Liquidity Assistance” (ELA) bekommen habe.

In Wirklichkeit hatte sie so nur 39 Milliarden erhalten; für die übrigen 11 konnte sie schon damals nicht genügend Sicherheiten hinterlegen, sie musste dafür einen höher verzinsten Kredit aufnehmen.

Gleichzeitig wollte die CS einen Teil dieses Kredits dafür verwenden, AT-1 Bonds zurückzukaufen. Was ihr die Finma untersagte. Womit das doppelte Problem sichtbar wird:

Erfüllte die CS alle Liquiditäts- und Kapitalbestimmungen, war ein Abschreiber der 16 Milliarden nicht möglich.

Erfüllte sie sie nicht – und wäre das bekannt geworden –, hätte es möglicherweise einen Bank Run gegeben.

Wie auch immer: In beiden Fällen spielten Bundesrat und Finma mit gezinkten Karten.

Dann überstürzten sich die Ereignisse. Als erstes Kaufangebot der UBS ging eine läppische Milliarde Franken um (was 25 Rappen pro CS-Aktie bedeutet hätte), wie «Bilanz»-Chef Dirk Schütz in seinem Buch ausführt.

Gleichzeitig lag ein Angebot der Saudi National Bank, die ihr eigenes Investment retten wollte, von 5 Milliarden auf dem Tisch.

Bei dieser Offerte wären die Besitzer von AT-1 Bonds nicht zur Kasse gebeten worden. Der Bundesrat lehnte ab.

Nun musste am 19. März während der Pressekonferenz das Kunststück aufgeführt werden, den Ramschverkauf an die UBS zum Spottpreis von 3 Milliarden als einzig mögliche Lösung zu präsentieren – und das Sondergeschenk von 16 Milliarden möglichst nicht zu erwähnen.

Das übernahm in erster Linie Finma-Präsidentin Amstad. Sie sagte vieldeutig:

Die heute präsentierte Lösung, die Übernahme der CS durch die UBS … sowie von der Finma angeordneten Wandlung von entsprechenden AT-1 Kapitalinstrumenten in Eigenkapital bringt Stabilität für Kundinnen und Kunden der Bank, für den Finanzplatz und für die Finanzmärkte allgemein.

Wohlgemerkt: Von “Wandlung” konnte keine Rede sein.

Ein Journalist stellte in der anschliessenden Fragerunde fest, dass so doch die Aktionäre und die Halter von Pflichtwandelanleihen “ungeschoren davon” kämen, also in erster Linie die saudischen Investoren.

Er hatte offensichtlich die Aussage von Amstad falsch verstanden. Daraufhin doppelte Amstad mit einer völlig unverständlichen Antwort nach:

Also dazu muss ich festhalten … dass wir den AT-1 ist ein Teil der ‚too big to fail Regulierung‘ … der so vorgesehen ist, dass man die entsprechenden Bonds – die von Investoren, nicht von kleinen Investoren, sondern von [unverstehbar] den und grossen Investoren gehalten werden – dass die eben dann in equity gewandelt werden und dieses Teil der ‚too big to fail Regulierung’ der ist jetzt hier eben auch ausgelöst worden von daher hat man eben auch eine Beteiligung der von Ihnen erwähnten Investoren.

Die Aussage, dass es nur um Bonds von Grossinvestoren gehe, ist nachweislich falsch. Diese AT-1 Bonds wurden in Stückelungen von lediglich 5’000 Franken auch an Kleinanleger verkauft.

Und diese Schuldpapiere wurde eben nicht in Eigenkapital verwandelt, sondern vernichtet.

Bundesrätin Keller-Sutter wurde wohl bewusst, dass die Finma-Präsidentin falsch und unverständlich geantwortet hatte; sie ergänzte nicht minder kryptisch:

… das ist natürlich eine schmerzhafte Lösung für diejenigen, die solche Beteiligung halten, aber es ist eine ordnungspolitisch korrekte Lösung.

Aber schon am Ende der Pressekonferenz zirkulierte das offizielle Statement der Finma online, das eiskalt festhielt:

Die ausserordentliche staatliche Unterstützung löst eine vollständige Abschreibung des Nennwerts aller AT-1-Anleihen der Credit Suisse im Umfang von rund sechzehn Milliarden Franken und damit eine Steigerung des Kernkapitals aus.

Bereits zuvor hatte der Reuters-Korrespondent die entscheidende Frage gestellt:

Wie ist es möglich, dass die CS-Aktionäre etwas bekommen, die Besitzer von Obligationen aber leer ausgehen?“

Darauf antwortet Amstad mit dem eingangs zitierten Gestammel.

Kein Wort über die klaren Bestimmungen in den Ausgabeprospekten für diese AT-1 Zwangswandelanleihen, nach denen dieser Abschreiber nicht möglich wäre.

Kein Wort über die nachträglichen Änderungen in der Notverordnung, mit denen das rückwirkend (!) erlaubt werden sollte.

Kein Wort darüber, dass die Obligationsbesitzer geschädigt werden, um die Aktionäre zu retten.

Kein Wort darüber, wieso die Offerte der Saudis abgelehnt worden war. Kein Wort über die mysteriöse CS-Präsentation, obwohl die Finma immer behauptete, dass sie alle Vorgänge in der CS von ganz nah beobachte.

Kein Wort darüber, dass CS-CEO Körner noch am 14. März unwahre Angaben machte, ohne dass die Finma eingegriffen hätte.

Als sie jedoch zugeben mussten, dass sie Tipp-Ex genutzt hatten, um über 16 Milliarden an AT-1-Anleihen auszulöschen, was auch zum Verlust von Ersparnissen von Tausenden von Kleinsparern führte, weigerten sich Regierung und Bankenaufsicht, dafür Verantwortung zu übernehmen.

So vieles blieb unausgesprochen; Amateure im Chaos. Gott behüte.” So endet Dario Item seine Darstellung dieses Desasters auf antigua.news.

Seine Recherchen liegen – mit freundlicher Erlaubnis – diesem Artikel zugrunde.

Der Monstertöter vom Dienst

Die angeblich neoliberale NZZ wird richtig böse.

Zuerst traut man seinen Augen nicht. Unter dem Titel «Wie man Monster zähmt: Die Politik ist gegenüber der UBS nicht machtlos», haut Eric Gujer richtig drauf:

«Banker sind gierig, siehe Bonus-Exzesse. Banker sind inkompetent, siehe das Debakel der Credit Suisse. Banker sind unbelehrbar, siehe Urs Rohner.»

Aber hallo, doch die Relativierung kommt sogleich: «Für jedes Klischee findet sich im Handumdrehen ein tatsächliches oder vermeintliches Beispiel. Keine Branche ist so sehr zur Projektionsfläche geworden für alle negativen Emotionen, zu denen Menschen fähig sind, wie die Banker und die Banken

Dann aber die Relativierung der Relativierung: «Sie sind selbst schuld dran

Nach diesem Rundumschlag mit dem Morgenstern kommt nun die UBS dran: «Ist die UBS eine Monster-Bank? Vielleicht. Wird man sie eines Tages wieder retten müssen? Vielleicht. Soll man aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen? Sicher nicht. Oberste Richtschnur für den Umgang mit Monstern aller Art muss der volkswirtschaftliche Gewinn sein, den die Schweiz aus ihnen zieht.»

Das nennt man mal einen ordnungspolitischen Zwischenruf. Monster müssen nicht getötet, aber benutzt werden. Dazu gebe es jede Menge Reformvorschläge, die natürlich von Gujer grösstenteils abgewatscht werden:

«Sie reichen von akademisch richtig, aber unrealistisch (drastische Erhöhung des Eigenkapitals bis zu neunmalklug und auch in ewiger Wiederholung nicht überzeugender (Trennbankensystem). Je kühner die Ideen sind, umso mehr gilt für sie die Chirurgenweisheit: Operation gelungen, Patient tot.»

Nun ist abwatschen einfacher als argumentieren. Was am richtigen und durchaus realisierbaren Vorschlag, die Schweizer Banken endlich mit genügend Eigenkapital auszustatten, was ihnen weltweit eine unvergleichliche USP verschaffen würde, unrealistisch sein soll? Und war nicht die neunmalkluge Aufhebung  des Trennbankensystems der Anfang der Finanzkrise eins?

Nach einem starken Antritt und einem starken ersten Teil geht nun aber Gujer lesbar die Luft aus:

«Niemand sieht gerne den Zusatz «Staats-» an sich kleben. Die Swisscom will kein Staatskonzern sein, die SRG kein Staatsfunk und die UBS keine Staatsbank. Dennoch trifft es auf alle drei Unternehmen zu. Die Politik steht daher vor einem Paradox. Einerseits ist sie der UBS ausgeliefert. Anderseits muss sie in Krisen entschlossener eingreifen als bisher. Denn alles, was Staatsunternehmen anrichten, fällt am Schluss auf die Politik zurück

Hier wird’s dann zu einem ordnungspolitischen Gequengel. Also was tun?

«Das politische System der Schweiz belohnt Zaudern, nicht resolutes Handeln. Entsprechend wird das Führungspersonal rekrutiert. Dennoch müssen Regierung und Regulatoren kein zahnloser Abnickverein sein.
Auch jenseits des Vorschriften-Dschungels zur Bankenregulierung verfügt der Bundesrat über ein unschätzbares Machtinstrument: die Öffentlichkeit

Nun schüttelt es alle Vertreter des FDP-Slogans «Weniger Staat, mehr Freiheit» kräftig durch: «Der Staat ist nicht nur der letzte Geldgeber, sondern auch die ultimative Quelle von Vertrauen und Legitimität. Firmen gehen unter, Staaten in der Regel nicht. Diese Art von Vertrauen kann sich keine Bank kaufen, es wird ihr vom Gemeinwesen geliehen.»

Am Schluss muss es natürlich wieder furios werden, und wir merken uns, was die UBS für Gujer ist: «Die Regierung besitzt erhebliche Macht, und sie sollte bereit sein, sie im richtigen Moment konsequent einzusetzen. Damit bringt man Monster nicht zum Verschwinden, aber man zähmt sie.»

Die UBS ist ein Monster, das man leider nicht killen kann, aber zähmen muss. Das werden Ermotti und Kelleher gar nicht gerne hören, denen Gujer sogar Triumphalismus vorwirft, warnt: «Dennoch pflegen Starallüren in der Schweiz nach hinten loszugehen. Im schlimmsten Fall siegen dann die Emotionen über das Nutzenkalkül.»

Und da behauptet doch die WoZ, die  NZZ vertrete die reine Lehre des Neoliberalismus. Was für ein Schwachsinn.

Wumms: Cédric Wermuth

Der Mann weiss alles über alles. Oder tut zumindest so.

Der SP-Co-Präsident ist völlig unbelastet von wirtschaftlichen oder ökonomischen Erfahrungen. Er hat noch nie in seinem Leben Wertschöpfung betrieben. Das ist die ideale Voraussetzung, um über Finanzthemen zu sprechen.

Konkret über Versuche, eine Wiederholung des Credit-Suisse-Debakels zu verhindern. Da ist sich Wermuth in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sicher: «Hätte man vor dem Credit-Suisse-Skandal auf uns gehört, hätten wir diesen Schlamassel so nicht

Aber eben, wer hört schon auf Wermuth, dabei ist der doch unüberhörbar. Was hätte es denn gebracht, auf ihn, bzw. die SP zu hören? «Hätte die CS mehr Eigenkapital halten müssen, wäre das Risiko für den Steuerzahler kleiner gewesen. Die Bank hätte weniger riskante Geschäfte eingehen können, das Vertrauen wäre grösser gewesen, und sie wäre im Krisenfall resistenter gewesen.»

Kleines Problem bei dieser Ansicht: das Eigenkapital war etwas vom Wenigen, was kein Problem bei der CS darstellte. Und zwischen der Höhe des Eigenkapitals und der Risikohaftigkeit von Geschäften existiert eine Korrelation von null.

Aber wie könnte man denn sonst Risiken bei Banken minimieren? Genau, durch eine Deckelung der Gehälter: «Es dürfen keine überhöhten Risiken mehr eingegangen werden, um millionenschwere Boni abzukassieren.»  Wunderbar, nur: wie sollte man das denn umsetzen? Sollte man es etwa Wermuth überlassen, zu entscheiden, was ein «überhöhtes Risiko» ist und was nicht? Das käme sicher gut.

Denn Wermuth zeigt auch tiefe Kenntnisse davon, was eine international tätige Bank wie die UBS heute tun sollte: «Sie soll sich auf die Kernaufgaben einer Bank in einer Volkswirtschaft fokussieren, nämlich Kredite zu vergeben und Sparkapital zu verwalten. Alles andere, das wissen wir jetzt, birgt mehr Risiken als Chancen.»

Dumm nur, dass die gesammelten US-Banken mit allem anderen kräftig Gewinne schreiben. Denn Kredite vergeben und Sparkapital verwalten, das ist vielleicht für eine Bank wie der «Sparhafen» durchaus ein sinnvolles Geschäftsmodell. Das der UBS zu empfehlen, ist aber schlichtweg so lachhaft wie nach Berlin zu fliegen, um sich mit dem damaligen Wahlsieger Olaf Scholz auf einem unscharfen Selfie zu produzieren.

Dass eine Bank eine Unzahl von Dienstleistungen erbringt, von denen Wermuth wahrscheinlich noch nie gehört hat, ist ihm wohl genau deswegen völlig egal.

Natürlich gäbe es durchaus sinnvolle Vorschläge, wie man auf das neuste Bankendesaster in der Schweiz reagieren könnte. Nur stammt kein einziger davon von Wermuth. Seit sich Susanne Leutenegger Oberholzer aus der aktiven Politik zurückgezogen hat, gibt es in der SP offensichtlich niemanden mehr, bei dem sich Wermuth einen Grundkurs über das Funktionieren der Finanzbranche reinziehen könnte.

Aber es gibt Trost: da weiterhin niemand auf die SP oder Wermuth ernsthaft hören wird, kann er gerne erzählen, was er will. Nur mutet das so an, als ob ein Blinder über Aspekte des Farbfernsehens referierte.

 

Obszön

Die UBS rülpst beim Verdauen der Credit Suisse.

Ein Quartalsgewinn von 29 Milliarden Franken. Mit allen Rechenkünsten liess es sich nicht verhindern, dass bei der Präsentation der Quartalszahlen offenkundig wurde: die Übernahme der Credit Suisse ist das profitabelste Geschäft aller Zeiten im Schweizer Banking.

Im ersten Quartal 2023 betrug der Vorsteuergewinn der UBS vergleichsweise läppische 2,35 Milliarden, weniger als ein Zehntel. Wie kann das sein, haben die Bankgesellen plötzlich einen Goldesel im Keller stehen? Midas wiederbelebt? Doch herausgefunden, wie man aus dem Nichts Geld machen kann?

Nichts von alledem. Das Einzige, was die UBS für diesen obszönen Quartalsgewinn brauchte, war ein völlig überforderter Bundesrat, ein Beamtenheer in Bern (alleine im Finanzdepartement arbeiten fast 9000 Sesselfurzer), das mal wieder vor einer Situation krachend versagte, in der es Tatkraft und Sachverstand gebraucht hätte. Dazu eine Bankenaufsicht, die einmal mehr unter Beweis stellte, dass sie aufgelöst werden könnte, ohne dass das gross auffiele. Und schliesslich eine Nationalbank, die zwar von einem korrekten Menschen geleitet wird, aber sich nur als Erfüllungsgehilfe der Politik sah und insgesamt 259 Milliarden Liquidität ins Feuer stellte.

Das Einverleiben der CS wäre schon aus vielen Gründen ein Supergeschäft gewesen, wenn die UBS einen adäquaten Preis (also alles zwischen 7 bis 12 Milliarden Franken) bezahlt hätte. Der Hauptkonkurrent im In- und Ausland weg. Monopolstellung im Auslandgeschäft. Too too too big to fail, kriegt die UBS jetzt einen Schnupfen, kommt die Staatsfeuerwehr, die Ambulanz, die Rega, ein Heer von besorgten Regierenden, die salben, Pflästerchen auflegen, heissen Tee servieren und fragen wohin sie denn den Puderzucker blasen sollen, und ob’s schon etwas besser gehe.

Aber das ist ja noch nicht alles. Mit dem brutalen Runterschnetzeln des Aktienkurses auf weniger als die Hälfte des schon lächerlichen Tiefststandes zwei Tage vor dem Notverkauf hat sich die Eidgenossenschaft weltweit Kaskaden von Prozessen eingehandelt, deren Ausgang völlig ungewiss ist. Wobei aber einzig jetzt schon klar ist: das wird Multimillionen kosten, alleine schon für die Rechtshändel.

Aber auch das ist nicht alles. Der Abschreiber von CS-Obligationen im Buchwert von 16 Milliarden Franken auf null ohne genügende Rechtsgrundlage wird die Schweiz Milliarden kosten.

Aber auch das ist nicht alles. Damit hat die Schweiz ein Signal ausgesendet, dass auch wir ein Rechtsstaat von Fall zu Fall sind, die Eigentumsgarantie nicht nur bei reichen Russen keine Garantie mehr ist, sondern dass auch angeblich sichere Investitionen in Obligationen einer Schweizer Traditionsbank per Federstrich in Luft aufgelöst werden können. Was überlegt sich da ein zukünftiger Investor wohl, wenn es darum geht, dass er viel Geld hierzulande anlegen könnte?

Wird das alles in den Medien thematisiert? Ach, ein paar fuchtelnde Zeigefinger, die üblichen «man sollte, man muss jetzt, es ist nötig, die Politik ist gefordert, in Zukunft kann nicht mehr länger» und Blabla und Blüblü. Und wie ist das Wetter morgen, stimmen die Temperaturprognosen, wo fehlt noch ein Genderstern, wie geht’s dem Gletscherschwund, braucht der Flughafen Zürich wirklich einen längere Piste, und wieso haben wir von Kim de l’Horizon schon lange nichts mehr gehört, wird Trump endlich verknackt?

16 Milliarden. das sind 16’000 Millionen. Das ist mehr als ein Fünftel aller Steuereinnahmen des Bundes. 160’000 krampfende Schweizer, die damit eine Wertschöpfung von 100’000 Franken pro Nase stemmen, wären dafür nötig. Wollen sie daneben noch von was leben, wären es wohl eher 300’000.

Auf Geheiss des Bundesrats mit einem Federstrich weggeschmissen, um als Forderungen wieder zurückzukommen. Braucht es mehr, um vorzuführen, wie hilflos ein mediokres politische Personal, unterstützt von genauso mediokren Beamtenheeren Volksvermögen verschleudert, sich von cleveren Bankern vorführen lässt?

Aber auch für die Medien ist ein Gebastel von Zwangswandelanleihen zu kompliziert, als dass das dort einer wirklich verstehen würde. Also hat das Volk nicht nur die Regierung, sondern auch die Medien, die es verdient. Und sollte sich nicht beschweren.