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NZZaS, quo vadis?

Ein beliebter Spruch der alten Tante, mal auf sie selbst angewendet.

Wer auf eine solche, riesige Illustration kommt, bietet Anlass zu Sorge:

Denn was will uns die NZZaS mit dieser Sanduhr sagen?

Dass sie die hier abgekupfert hat?

Denn das Problem dieser Symbolik ist immer: soll das nun bedeuten, dass die Zeit für die FDP abläuft? Oder soll es bedeuten, dass sich immer mehr Sandkörner, also Wähler, für die FDP entscheiden? Und ist dem begabten Illustrator Dario Veréb nicht bekannt, dass man so eine Sanduhr einfach umdrehen kann, und schon geht das Geriesel wieder von vorne los?

Aber wir wollen auch das Positive sehen. Chefredaktor Beat Balzli will sich nicht die Finger am klaren Bekenntnis der FDP zum Europavertrag und gegen das Recht der Stände, darüber mitzubestimmen, verbrennen. Also schimpft er wohlfeil über die Erbschaftssteuer-Initiative der Rotsocken.

Aber das hat immerhin noch einigermassen Niveau. Auf das Niveau einer schlechten Schülerzeitung sinkt die NZZaS allerdings mit dieser Kolumne von Nicole Althaus: «Warum der Herbst viel mehr ist als bloss eine Jahreszeit». Das dümpelt in der Reihe «Sieben ist mehr als eine Zahl», «eine Hose ist mehr als ein Kleidungsstück» oder gar «Liebe ist mehr als ein Wort».

Utta Danella oder Hedwig Courths-Mahler hätten es nicht besser hingekriegt:

«Sommer für Sommer wundert man sich aufs Neue, wie man die Zeichen seines Endes einfach verdrängen konnte.»

Aber die Antwort kennt nur der Wind, leise spielt die Musik der Zeit, der Duft der Steinkrabbe verweht, und wo sind die Schatten der Vergangenheit?

Aber immerhin, auf Seite 35, Aufmacher Wirtschaft, macht die NZZaS dem Geeier der NZZ ein Ende: «Über Nacht 16 Milliarden weg». Sie zitiert sogar den teuren Satz unserer Finanzministerin an der denkwürdigen Pressekonferenz vom 19. März 2023: «This is not a bailout. This is a commercial solution». Womit einer der Trigger für das Abschreiben der AT1 Bonds futsch wäre.

Dieser Satz könnte ähnlich teuer werden wie die berühmte Abqualifizierung der Kirch-Gruppe durch den damaligen Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Der Finanzsektor sei nicht mehr bereit, sagte Rolf Breuer 2002, dem angeschlagen Medienkonzern weiter Kredit zu geben. Daraufhin brach die Firma zusammen.

Der Satz kostete die Deutsche Bank so alles in allem knapp eine Milliarde Euro. Der Satz von Karin Keller-Sutter kann für den Steuerzahler noch viel teurer werden. Dabei galoppiert die NZZaS dem vifen Finanzblog «Inside Paradeplatz» hinterher, der die Story, wann und wie überhaupt dieser Riesenabscheiber aufs Tapet kam, nachzeichnete.

Was nochmals bleibt, ist das Erschrecken, wie stümperhaft agiert wurde. Noch am 16. März bekräftigten FINMA und SNB, dass die Credit Suisse tipptopp aufgestellt sei, alle Anforderungen ans Kernkapital erfülle. Noch einen Tag zuvor, am 15. März, war von dem 16-Milliarden-Abschreiber im Forderungskatalog der UBS keine Rede.

Am nächsten Tag war er drin, SNB-Chef Thomas Jordan alles andere als begeistert darüber. Und erst am 19. März erfuhren die Spitzenkräfte der CS davon. Zudem musste das Recht der FINMA für diesen Abschreiber noch nachträglich, am 19. März, in die Notverordnung zur Liquiditätshilfe vom 16. März hineingeschrieben werden.

Ein Desaster.

Nach so viel kritischer Anspannung geht’s dann beim Aufmacher von «Wissen Kultur» etwas ruhiger zu: «Raus aus der Gewichtsspirale». Man fragt sich allerdings, wieso die NZZaS dieses Stehsatz-Thema für die Feiertage jetzt schon verballert.

Die «Kultur» wartet auch mit einem abgehangenen Topos auf. Hast du sonst nichts im Hemd, erfinde einfach einen Trend. Alte Journalistenregel; neuste Anwendung: «Die Herrschaft der Gefühle. Emotionen bestimmen unseren Alltag …»

Da sagt ZACKBUM ganz emotionsfrei: Quatsch. Nicht mehr oder weniger als vorher.

 

 

Pfeifen im Wald

Die NZZaS sieht die Bankenaufsicht FINMA mit «Superkräften».

Die FINMA ist ein Papiertiger. Sie ist zahnlos, und die wenigen Beisserchen, die sie hat, wendet sie fast nie an. Sie kann ein sogenanntes Enforcement durchführen, also eine Bank dazu zwingen, Anordnungen Folge zu leisten. Oder sie kann die Gewähr entziehen, die Lizenz zum Banking für Kader.

Beides kommt äusserst selten vor. Die Gewähr hat sie bislang nur ein paar Kleinbankern entzogen. Das war bei der UBS oder der verblichenen Credit Suisse nie der Fall. Obwohl es mehr als genug Anlässe gegeben hätte.

Die zum Tode führende Unterkapitalisierung der CS tolerierte die FINMA mit einem sogenannten «Filter», dank dem die Bank vorgaukeln konnte, dass sie alle Vorschriften erfülle. Ein Skandal.

Nun lobt aber die NZZaS neue, vom Bundesrat vorgeschlagene «Massnahmen» über den grünen Klee. «Mächtiger als jeder Banker: Der Bundesrat stattet den Finma-Chef mit Superkräften aus», bollert Zoé Baches schon im Titel.

Dabei spielt natürlich keine Rolle, dass Karin Keller-Sutterthis is not a bail-out») einen der beiden wackelnden Sitze im Bundesrat für die Freisinnigen besetzt.

«Geschäftsbereiche schliessen, Bonuszahlungen verbieten, die Bankführung auswechseln oder gleich die Dividende aussetzen: Die Finanzmarktaufsicht soll künftig früher und einschneidender bei Banken eingreifen können», jubelt sie.

Da habe sich der Bundesrat jeweils für «Maximalforderungen» entschieden: Die UBS «müsste dann ihr Eigenkapital um gut 25 Milliarden Dollar aufstocken, um den Anforderungen gerecht zu werden».

Die Bank stänkert wie zu erwarten dagegen an. Spiegelfechterei, denn sozusagen im Kleingedruckten offenbart sich das Unsinnige an diesem angeblich entschlossenen Durchgreifen. Denn diese neuen Kapitalanforderungen müsste die UBS erst 2035 erfüllen. Genug Zeit für die nächste Bankenkrise. Und wenn dieser Koloss mit einer Bilanzsumme, die doppelt so gross wie das gesamte Schweizer BIP ist, ins Wanken gerät, dann wackelt die Schweiz.

Das wäre dann natürlich unvorhersehbar. Das Lieblingswort der geldgierigen Banker, wenn sie mal wieder richtig Scheisse gebaut haben.

Auch die anderen furchtbar strengen Massnahmen haben einen kleinen Haken: «Zwar handelt es sich erst um Vorschläge, Entscheide werden frühestens in zwei Jahren vom Parlament gefällt.» Also haben die Schweizer Banken, angeführt von der Monsterbank, mindestens zwei Jahre Zeit, mit Lobbying und allen ihren Mitteln diese Vorschläge zur Unkenntlichkeit zu verwässern. Von der Möglichkeit eines Referendums, falls das der Linken dann nicht akzeptabel erscheint, ganz zu schweigen.

Das ist so, wie wenn die Hütte wieder brennt, nachdem das letzte Feuer mühsam und mit Notrecht gelöscht wurde. Der Feuerwehrkommandant wiegt bedächtig das Haupt und sagt: so geht das ja nicht. Diesmal werden wir aber eine Sprinkleranlage und ganz viele Hydranten aufstellen. So etwa in zwei Jahren. Oder in zehn.

Und als Sahnehäubchen: dann kann der Besitzer der Hütte unsere Massnahmen nicht mehr mit jahrelangen Rechtsstreitigkeiten verzögern, es gibt keine aufschiebende Wirkung mehr.

Bevor sich der Feuermann dafür ausgiebig auf die Schulter klopfen könnte, wäre er seinen Posten los.

Schon gibt es Kritik vom Fachmann: «Die Angaben zu den Kriterien einer Frühintervention seien nicht erkennbar, sagt Hans Gersbach, Co-Direktor des Forschungsinstituts KOF der ETH Zürich. Ohne einen klaren Katalog an quantitativen und qualitativen Kriterien öffne sich aber eine Tür zu intransparenten Ermessensentscheiden, gibt er zu bedenken. Das führe zu Unsicherheit und rechtlichen Risiken.»

Um im Bild zu bleiben: der neue Feuerwehrschlauch hat zudem unzählige Löcher.

Unverständlich, wie Baches am Schluss ihres Artikels zu dieser Schlussfolgerung kommen kann: «Für die UBS ist das eine gute Nachricht: Ausgerechnet eine starke Finma könnte ihr dazu verhelfen, dass sie weniger zusätzliches Kapital aufbauen muss.»

Dazu werden ihr Bundesrat, FINMA und alle anderen Bundesbeamten sowieso verhelfen.

In den besseren Zeiten des Journalismus hätte man hier von einer Titel-Text-Schere gesprochen.

Die «Superkräfte» für die FINMA reduzieren sich bei genauerer Betrachtung als mit entschlossener Miene vorgetragene Ankündigungen. In zwei Jahren, in zehn Jahren werden wir dann aber ganz streng werden. Wenn man uns lässt.

Bank Reyl traut sich was

Eine superprovisorische Anordnung gegen Enthüllungen ist gescheitert.

Selten hat ein Genfer Gericht einem Antragsteller so eine Klatsche verpasst. Die Genfer Pochettli-Bank Reyl, genauer Reyl Intesa Sanpaolo, wollte mit dieser Massnahme ungute Presse vermeiden.

Seit 2021 gehört sie mehrheitlich zur italienischen Bankengruppe Intesa Sanpaolo, und sie hat eine Vorgeschichte. Im Zusammenhang mit der «Cahuzac-Affäre» wurde Reyl 2017 in Frankreich zu einer Geldstrafe verurteilt, da sie dem ehemaligen französischen Finanzminister Jérôme Cahuzac bei der Verschleierung von Vermögenswerten geholfen haben soll.

Jetzt berichtete die «SonntagsZeitung»: «Kurz nach dem Überfalls Russlands auf die Ukraine «eröffnete die Genfer Bank Reyl ein Millionenkonto für die Tochter eines russischen Kriegssponsors. Auch ein Ex-Minister von Wladimir Putin und Mitglieder von Diktatorenfamilien aus Usbekistan und Kasachstan gehörten bis mindestens 2024 zur Kundschaft der Bank Reyl. Besonders brisant: Alt-Bundesrätin Ruth Metzler war bis letzten Sommer acht Jahre lang Verwaltungsrätin bei der Bank Reyl und in diesem Gremium insbesondere zuständig für Fragen der guten Geschäftsführung.»

Als die Bank davon Wind bekam, weil sie wie es sich gehört vor Publikation mit den Anwürfen konfrontiert wurde, liess sie von ihren Anwälten ein 24-seitiges Schreiben mit der Aufforderung ans Gericht richten, diese Berichterstattung zu untersagen. Putzig die Begründung:

«— Die Existenz einer Bankbeziehung mit einem Kunden sei durch das Bankgeheimnis geschützt und dürfe in einem Artikel nicht erwähnt werden.
— Die Daten über Bankkunden seien unrechtmässig an die Medien gelangt, und wenn die Journalisten sie weitergeben oder nur schon «verwenden» würden, machten sie sich strafbar.
— Die Pressefreiheit gelte nicht, wenn die Veröffentlichung eine Straftat sei.
— Eine Offenlegung der Kunden wäre aber «zweifellos» eine Straftat.
— Die Bank sei gerade dabei, wegen dieser Tatsachen Strafanzeige zu erstatten.
— Eine Publikation basierend auf solchen Daten würde «den Ruf des gesamten Finanzplatzes Schweiz schädigen», wobei die finanziellen Folgen weit über den Schaden für die betroffene Bank hinausgehen könnten.
— Letztlich stünden hier sogar die Interessen der ganzen Schweizer Wirtschaft auf dem Spiel.
Das Schreiben an das Gericht schliesst mit einem Plädoyer: Angesichts der Bedeutung dieser Frage «für das Ansehen des gesamten Finanzplatzes Schweiz und für den Schutz des Bankgeheimnisses» sei ein Verbot des geplanten Artikels «vollkommen verhältnismässig».»

Auf ihrer Webseite sondert die Bank den üblichen Bullshit Bingo des Banking ab: «Success.Together». Das Geldhaus wurde 1973 gegründet und verfügt seit 2010 über die Lizenz zum Banking. Es fiel schon mehrfach bei der Finanzaufsicht FINMA auf, die zurzeit ein sogenanntes Enforcement-Verfahren durchführt, die schärfste Waffe, wenn Hinweise auf Rechtsverletzungen vorliegen.

Die Banker scheinen noch in der guten, alten Zeit zu leben, als ihr Handeln sakrosankt war und jede Kritik daran Majestätsbeleidigung.

Heutzutage zu behaupten, eine kritische, auf Fakten basierende Berichterstattung über ihr Tun schädige gar den «Ruf des gesamten Finanzplatzes Schweiz» – und nicht etwa das Handeln der Bank –, ist eine nassforsche Umkehr der wahren Lage.

Ihre Argumentation, dass die Veröffentlichung von Kundendaten eine Straftat sei, ist allerdings nicht ganz falsch. Denn theoretisch existiert das Bankgeheimnis noch, und diese Informationen stellen ein Bruch dar.

Auf der anderen Seite gibt es ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, über dieses Geschäftsgebaren der Bank informiert zu werden.

Oder wie es das Gericht formulierte: «Die Verbreitung wahrer Tatsachen durch die Presse ist grundsätzlich durch den Informationsauftrag gerechtfertigt.»

Brenzlig wird es allerdings, wenn es sich herausstellt, dass behauptete Tatsachen nicht wahr sind. Die Hürden für die Erlangung einer solchen superprovisorischen Verfügung, die als einziges Rechtsmittel dem Betroffenen kein Gehör gibt, sondern zur Abwehr einer sonst nicht vermeidbaren Schädigung dienen soll, sind allerdings gesenkt worden, der Ständerat hirnt darüber, ob nicht einfach die Publikation aller rechtswidrig erlangten Informationen verboten werden sollte.

Da gibt es den guten Satz von George Orwell:

«Journalismus ist etwas zu veröffentlichen, was andere nicht wollen, dass es veröffentlicht wird. Alles andere ist PR.»

Viele Medien in der Schweiz fürchten inzwischen nicht nur superprovisorische Verfügungen, sondern juristische Scharmützel, die ein unliebsamer Artikel nach sich ziehen kann. Dabei geht es den Betroffenen nicht in erster Line darum, Recht zu bekommen, sondern der Publikationsquelle möglichst grossen finanziellen Schaden zuzufügen, der alleine schon durch die notwendige Gegenwehr entsteht.

Und in Zeiten eines verelenden Journalismus gehört es zu den vornehmsten Aufgaben der Redaktionsleiter, dieses Gefahrenpotenzial abzuschätzen – und im Zweifelsfall auf eine Publikation zu verzichten.

Regulatorischer Filter

Der Begriff steht für Staatsversagen. Für Medienversagen.

Das nur von Banausen gelobte Verscherbeln der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis ist der jüngste – und grösste – Finanzskandal in der daran nicht armen jüngeren Geschichte der Schweiz.

Wie er – mit wenigen Ausnahmen wie dem Finanzblog «Inside Paradeplatz» – medial verarbeitet wird, ist ein weiterer Skandal. Hier paart sich wieder – wie schon mehrfach zuvor – Staatsgläubigkeit mit Inkompetenz.

Genau genommen sind es drei Skandale mit einem Schadenspotenzial in Multimilliardenhöhe. Überschattet wird das lediglich von der zukünftigen Möglichkeit, dass die Monsterbank UBS beim Umfallen einen Krater hinterlässt, der so gross ist wie die Schweiz. Denn wenn eines sicher ist im Bankenwesen: nach der Krise ist vor der Krise. Immer.

Aber der Reihe nach.

Der erste – von den meisten einheimischen Medien zunächst gar nicht beachtete – Skandal ist das Abschreiben von sogenannten AT1 Bonds im Nominalwert von 17 Milliarden Dollar auf null. Per Federstrich, per Notrecht von einem überforderten Bundesrat angeordnet, von einer überforderten Finma ausgeführt.

Diese Schuldverschreibungen gehören zum Gebastel, mit denen schwachbrüstige Banken ihr mageres Eigenkapital aufpumpen wollen. Sie sind ein perverser Zwitter zwischen Obligation und Aktie. Von Haus aus Obligation, soll das Papier im Krisenfall in Aktien gewandelt werden und somit das Eigenkapital stärken. Oder aber auf null abgeschrieben werden, wenn mit Staatshilfe ein Bail-out stattfindet. Genial, dass die Finanzministerin Karin Keller-Sutter vor laufenden Kameras sagte: «this is not a bail-out». Das dürfte den Steuerzahler ein paar Milliarden kosten, während sich die UBS über dieses Milliardengeschenk nicht einkriegt vor klammheimlicher Freude. Denn eigentlich hätte sie beim Kauf dafür geradestehen müssen.

Der zweite – von den meisten Medien bis heute nicht beachtete – Skandal steht hinter dem Begriff «regulatorischer Filter».  Wie vieles in der perversen Finanzwelt hört sich das harmlos an, ist aber in Wirklichkeit die Bankrotterklärung des Schweizer Staats, der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, der gesamte Berner Bundesverwaltung und auch des Bundesrats.

Denn «regulatorischer Filter» bedeutet nichts anderes, als dass die Aufsichtsbehörde Finma ihre eigenen, schon sackschwachen Regeln nochmals verwässerte, umbog, ausser Kraft setzte. «Ohne Filter wäre die CS schon ab 2020 leicht und bis im Herbst 2022 klar unterkapitalisiert werden», schreibt Urs Birchler. Der ist nicht irgendwer, sondern emeritierter Bankenprofessor und war Mitglied der Direktion der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

In einem dreissigseitigen Gutachten für die Parlamentarische Untersuchungskommission zerfetzt er dieses Behördenversagen. Ganz abgesehen davon, dass die PUK zwar viel Papier, aber kaum Brauchbares für die Zukunft produziert hat.

Man muss sich das vorzustellen versuchen. Da gibt es eine staatliche Bankenaufsicht, die schlappe regulatorische Vorschriften durchsetzen sollte. Die noch niemals bei einer Grossbank ihre beiden schärfsten Waffen eingesetzt hat: ein Enforcement-Verfahren zur Durchsetzung einer Anordnung oder der Entzug der Gewähr, was einen leitenden Banker arbeitslos machen würde und nicht nur beim Versagerrat Urs Rohner überfällig war.

Damit nicht genug, natürlich wusste die Finma die ganze Zeit, dass die ausgebrüteten «Too big to fail»-Regeln nach der Fast-Kernschmelze des Finanzsystems von 2008 völlig unzureichend, unpraktikabel, das Papier nicht wert waren, auf das sie gedruckt wurden. Typische Bürokratenhaltung: nicht unser Bier.

Aber der Gipfel des Gipfels ist, sogar die eigenen Regeln statt anzuwenden – zu verwässern. Denn «regulatorischer Filter» heisst auf Deutsch: die CS erfüllte nicht mal die vorhandenen windelweichen Eigenkapitalvorschriften, macht aber nix, da gewähren wir ihr doch eine grosszügige Ausnahme nach der Devise: was nicht passt, wird passend gemacht.

Gibt es da rote Köpfe, Riesengebrüll, wird dringlicher Handlungsbedarf angemahnt? Ach was, sanftes Gesäusel in den Medien, die NZZaS zitiert immerhin Birchler, stellt aber seine Erkenntnisse gleichzeitig wieder in Frage.

Dabei kommt hier der dritte und noch grössere Skandal zum Vorschein. Dazu muss man wissen, dass jeder Banker, vor allem, wenn er verantwortungslos und geldgierig ist, Eigenkapital als etwas Überflüssiges, Unnützes, Sinnloses empfindet. Liegt bloss blöd rum, produziert keinen Profit, ein echter Klotz am Bein, so wenig wie möglich davon.

Als Schreckgespenst haben die Banker dann den Popanz aufgebaut, dass eine Steigerung des Eigenkapitals die Bankgeschäfte verteuern würde, bspw. die Kreditvergabe. Dass das eine niemals bewiesene Behauptung ist – was soll’s. Solange es die Medien und die Öffentlichkeit schlucken …

Eigenkapital ist nicht nur dringend nötig als Risikopuffer, es verstärkt auch die Sicherheit einer Bank, was für sie die Kapitalaufnahme verbilligt. Die Behauptung, dass beim Untergang der CS die mangelhafte Eigenkapitaldecke gar keine Rolle gespielt habe, ist Unsinn. Ausreichendes Eigenkapital hätte zwar den Abzug von Milliardenbeträgen nicht ausgleichen können – aber allenfalls verhindern, weil das ja alles Vertrauensfragen sind. Und eine gutkapitalisierte Bank geniesst viel mehr Vertrauen als eine, die mit aller kreativen Buchhaltung und gnädiger Mithilfe der staatlichen Aufsicht ein Eigenkapital herbeischwindelt.

Das ist Vergangenheit, aber das Problem ragt in die Zukunft. Denn natürlich wehrt sich auch die Monsterbank UBS mit Händen und Füssen, viel Geschwurbel und Gedöns gegen eine dringend nötige Erhöhung des Eigenkapitals. Angesichts ihrer weltweit einmaligen Grösse (im Verhältnis zum BIP der Schweiz) müsste es mindestens 20 Prozent betragen. Besser noch 25 Prozent. Und zwar echtes, hartes, reales Eigenkapital, kein Gebastel.

Da behauptet die UBS nun, das sei gar nicht möglich, so viel zusätzliches Eigenkapital aufzunehmen. Wenn wir ihr das glauben wollen, gibt es nur eine Alternative dazu: die UBS muss gewaltig auf ein zuträgliches Bilanzvolumen geschrumpft werden. Damit würden natürlich auch die weltweiten Ambitionen von VR-Präsident und CEO verzwergen, und wenn ein führender Banker etwas hasst, dann ist es Bedeutungsverlust. Einkommen, Yacht, Privatjet, Personal Assistents à gogo, alles gut und schön. Aber Bedeutung, Macht, Wichtigkeit, wenn ich anrufe, nehmen alle den Hörer ab, ich tue das nicht bei allen, selbst wenn es ein Bundesrat ist, das ist das Elixier für Bankbosse, ihr Zaubertrank, der sie jeden Morgen grösser macht, als sie eigentlich sind.

Also müsste das Eigenkapital gewaltig hochgesetzt werden, wenn der Staat stärker als die UBS wäre. Zudem müsste die UBS endlich ein akzeptables Entgelt dafür zahlen, dass sie sich wie keine andere Bank in der Schweiz einer impliziten Staatsgarantie erfreut. Nicht nur ein Wettbewerbsvorteil, sondern auch bares Geld wert.

Zwei einfache Massnahmen als Konsequenz aus diesem Riesenskandalberg.

Wetten, dass keine davon umgesetzt wird?

Hoch die Flaschen

Colm Kelleher, UBS-Boss, macht die Bankenaufsicht FINMA zur Schnecke.

Der Ire ist ein mutiger Mann. Denn schliesslich könnte ihm die FINMA die Gewähr entziehen, die Lizenz zum Banking. Täte sie das, wäre er seine Stelle los. Aber das tut sie natürlich nicht, denn die Bankenaufsicht ist wohl die erbärmlichste staatliche Behörde, die die Schweiz hat. Unfähig, devot, zahnlos, gelähmt, ein Master of Desaster.

Dass die FINMA als Aufsichtsorgan über den Schweizer Finanzplatz versagt, ist längst erstellt. Dass sie ein Reihenversager ist, auch. Aber dass der mächtigste Banker der Schweiz in einem Interview im «SonntagsBlick» so über die herzieht, das hat historischen Wert.

Kelleher nimmt – auf Englisch – kein Blatt vor den Mund, was für einen Spitzenbanker erfrischend originell ist. Das war schon bei einem off-the-record-Treffen im kleinen Kreis so, wo er Sachen sagte, die man liebend gerne zitiert hätte.

Aber nun sagt er’s auch offiziell. Zunächst sieht er den Ankauf der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis ganz anders: «Im Grunde genommen wickeln wir die CS für die Schweizer Regierung ab.»

Worauf er sich da eingelassen hat, das beschreibt der Boss mit offenen Worten: «In Teilen der Investmentbank der Credit Suisse gab es Cowboys, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Wir sahen, dass einige der Geschäfte, die sie tätigten, für die Bank keinen Sinn ergaben.»

Aber das war noch nichts gegen das völlige Versagen der CS-Führung, die Kelleher schonungslos geisselt:

«Am 12. Juni 2023, als UBS erstmals die volle Kontrolle über die CS hatte, habe ich mir die Briefe der Finma an den CS-Verwaltungsrat angesehen. Ich war – diplomatisch gesagt – sehr erstaunt. … Die Tatsache, dass die Credit Suisse diese Briefe erhielt und nichts oder zu wenig unternommen hat, ist unfassbar.»

Und die FINMA tat nichts dagegen – ausser Briefe schreiben.

Und wann fing das Elend der CS an? «Seit 2015 war es für mich offensichtlich, dass die Credit Suisse als eigenständiges Unternehmen nicht mehr überlebensfähig sein wird. Ihre Zukunft lag damals in meinen Augen in der Fusion mit einer anderen Bank. Ab Oktober 2022 bestand ihre Zukunft aus meiner Sicht nur noch in einer Notrettung. Ich verstehe also nicht, warum man acht Jahre gewartet hat, wenn ab 2015 die Warnzeichen da waren

Er sagt’s noch klarer: «Ich kam im März 2022 zu UBS. Wir waren wirklich besorgt, dass etwas passieren könnte. Wenn also wir uns Sorgen gemacht haben, warum dann nicht auch andere

Schon nach einer persönlichen Begegnung sagte ZACKBUM-Autor René Zeyer zu Kelleher, dass er sich nun viel beruhigter fühle. Das war nicht nur ironisch gemeint. Natürlich outet sich Kelleher auch in diesem Interview als strikter Gegner von starken Kapitalerhöhungen, was für einen Banker normal ist. Echtes Eigenkapital liegt bloss rum und kriegt keine Junge, eine Horrorvorstellung für jeden Finanzmenschen.

Aber seine Kritik an den haltlosen Zuständen innerhalb der CS, die offensichtlich die ganze Amtszeit des Oberversagerrats Urs Rohner andauerten, ist von entlarvender Brutalität. Und sogar mit der Bankenaufsicht, die eigentlich Herrin über ihn ist, legt sich Kelleher mit offenen Worten an.

Natürlich besteht er darauf, dass die Fehlentscheidungen im VR und in der GL der CS gefällt wurden, wo hochbezahlte Nieten gebannt auf ihren Bonus starrten – und eine Fehlentscheidung nach der anderen trafen.

Sie frisierten die Bücher dermassen, dass die US-Aufsichtsbehörden die Verschiebung eines Quartalsberichts erzwangen. Sie kassierten Milliarden-Boni für Milliardenverluste. Unter ihrer Verantwortung wurde das korrupte Entwicklungsland Mozambique in den Staatsbankrott getrieben. Die CS wusch Drogengeld der bulgarischen Mafia. Einem vorbestraften Finanzjongleur warfen sie Milliarden hinterher, ebenso einem flott schwätzenden Errichter eines Schneeballsystems namens Greensill. Dabei ruinierte die CS noch ihren Ruf bei vermögenden Anlegern, denen sie dieses windige Konstrukt schmackhaft machte.

Wenn laut Kelleher seit 2015 alle Alarmzeichen sichtbar waren, wieso taten dann Bankenaufsicht und Politik nichts? Wenn er sich schwere Sorgen machte und als erste Amtshandlung bei der UBS eine Arbeitsgruppe ins Leben rief, die sich mit dem möglichen Grounding der CS befasste, wieso tat das sonst niemand? Wieso tat das die FINMA nicht?

Worauf in den Interview gar nicht eingegangen wird: nach dieser Kette von Versagen setzte die FINMA noch ein letztes Glanzlicht, indem sie auf Geheiss des Bundesrats 17 Milliarden Dollar Wandelanleihen, sogenannte Tier 1 Bonds, auf null abschrieb. Damit lädierte die FINMA den Ruf des Finanzplatzes Schweiz zusätzlich und löste eine Prozesslawine aus, unter der der Schweizer Steuerzahler dereinst begraben wird.

Die Flaschen bei der CS sind wenigstens aussortiert und können ihre unverdienten Millionen geniessen. Aber bei der Bankenaufsicht FINMA sind immer noch die gleichen Personen an der Spitze. Es wäre fahrlässig, sie dort zu belassen.

Unpaid Nonsens in der NZZ

Normalerweise steht über so was wie Ermottis Märchenstunde «paid content».

In der NZZ gibt es viel Licht. Aber auch viel Schatten. Dunkelschwarz ist es, wenn Sergio Ermotti auf einer ganzen Seite schwurbeln darf. Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, dass seine Corporate Communication extra für die alte Tante in die Tasten griff. Sondern die NZZ fasst einfach ein Referat des Bankenlenkers zusammen.

Es ist für alle Kenner der Sachlage fast unerträglich, wie Ermotti die Ereignisse zusammenfasst, die am 19. März kumulierten. Hier fand ein einmaliger Kniefall der Schweizer Regierung vor der UBS statt. Ihr wurde die letzte Konkurrentin Credit Suisse zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden Franken weggegeben. Mit Notrecht wurden mal wieder alle demokratischen Prozesse ausgehebelt.

Für Leichen im Keller der CS wurde eine Staatsgarantie ausgesprochen. Insgesamt gab es Staatsgarantien von 255 Milliarden Franken. Damit sich die UBS noch bequemer ins gemachte Bettchen legen konnte, wurden ausstehende Kredite (AT 1 Bonds) im Nominalwert von 16 Milliarden Franken per amtlichen Federstrich auf null gesetzt. Inzwischen gibt es weltweit Hunderte von Klagen durch geprellte Anleger. Möglicherweise greift hier die Staatshaftung, also wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Die zuständige Bundesrätin Keller-Sutter zeigte sich völlig überfordert («this is not a bail-out»). Die schwierigste Aufgabe für den VR-Präsidenten der UBS war, zu all dem ein staatstragendes Gesicht zu machen und nicht laut herauszuprusten vor Lachen.

Durch diesen Notverkauf unter Wert ist eine Monsterbank entstanden, die zudem wettbewerbsrechtlich zu grössten Bedenken Anlass gibt. Aber wenn schon, denn schon. Auch mit Notrecht übersteuerte gerade die Bankenaufsicht FINMA die berechtigten Einwände der Wettbewerbskommission. Ein staatspolitisches Trauerspiel erster Güte, ein Abgrund von staatlicher Verantwortungslosigkeit.

Oder in den Worten von Ermotti: «Am Wochenende des 19. März 2023 zeigte die Schweiz Stärke und Mut. Die Regierung, die Aufsichtsbehörden und die UBS trugen durch ihr entschlossenes Handeln dazu bei, gravierende Folgen für die Finanzwelt und die Wirtschaft zu verhindern und den Ruf der Schweiz zu erhalten.»

Man fragt sich, in welcher Parallelwelt seine Redenschreiber leben. Allerdings haben sie gelegentlich Sternstunden einer diabolischen Umkehrlogik: «Aus dem Untergang der Credit Suisse sollte man nicht ableiten, dass die einzige verbleibende Grossbank den Preis für das Versagen anderer bezahlen und für ihre globale Bedeutung bestraft werden sollte.» Wer will denn die UBS bestrafen, welchen Preis für das Versagen anderer sollte sie bezahlen? Sie hat einen Sondergewinn von 25 Milliarden durch ein staatliches Geschenk gemacht; die Shareholder der CS haben bezahlt und wurden bestraft, der Schweizer Steuerzahler ging ins Risiko.

Und weiter im wilden Geholper: «Allein die UBS, die Credit Suisse und ihre Mitarbeitenden in der Schweiz zahlten in den vergangenen zehn Jahren rund 25 Milliarden Franken an Steuern. Im Jahr 2023 waren es 2,6 Milliarden.» Oder mit anderen Worten: ein Klacks ein einstelliger Prozentanteil an den gesamten Steuereinnahmen. Ausserdem zahlten sie erst wieder Steuern, nachdem sie die Verlustvorträge durch die Finanzkrise eins ausgeschöpft hatten.

Die ewige Leier, jetzt ist alles anders, besser, darf natürlich auch nicht fehlen: «Die UBS hat heute ein viel sichereres Risiko- und Geschäftsprofil als in der Vergangenheit.» In Wirklichkeit hat die UBS – im Vergleich zu ihrer potenziellen Gefahr für die Schweizer Volkswirtschaft und Stabilität – ein viel zu kleines Eigenkapital und wehrt sich mit Händen und Füssen gegen eine Erhöhung. Schlimmer aber: mangelndes Eigenkapital ist nie das Problem einer Bank in ernster Gefahr. Selbst Lehman Brothers hatte ein höheres Eigenkapitalpolster als die UBS vor dem damaligen Zusammenbruch, dem Startschuss zur Fast-Kernschmelze des internationalen Finanzsystems.

Das Problem einer Bank ist die Liquidität bei einem Bank Run, wenn sie kurzfristig langfristig angelegtes Geld anstürmenden Kunden auszahlen sollte. Wäre das bei der UBS der Fall, müsste die SNB als lender of the last ressort Gelder herbeiklicken, dass der Schweizerfranken seinen Ruf als sicherer Hafen auf Jahre verspielt hätte.

Schliesslich betritt Ermotti mit sicherem Schritt eine Wunderwelt wie Alice: «Wir sollten Bankbilanzen auch nicht mit denen von Industrieunternehmen vergleichenDas ist der feuchte Traum jedes Bankenlenkers. Ja nicht die grundsolide Eigenfinanzierung eines Industrieunternehmens, wo reale Werte geschaffen werden, mit dem Gebastel einer Bankbilanz vergleichen, wo alleine für die Definition des Eigenkapitals mehrere Seiten verwendet werden, bei denen nur Träger eines Black Belts in Accounting überhaupt noch durchsteigen. Vom Anteil von Bilanzposten, die mangels Markt gar nicht bewertet, sondern nur mit dem feuchten Finger in der Luft geschätzt werden können, ganz zu schweigen.

Schliesslich noch Schalmeientöne, was denn im natürlich furchtbar unwahrscheinlichen Fall einer Krise geschehen würde: «Am Montag würde die Bank mit einer gesunden Bilanz und ausreichendem Kapital wieder öffnen, Kunden und Gegenparteien wären beruhigt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Steuerzahler einen Franken verlieren würde, ebenso wenig wie Einleger und vorrangige Gläubiger der Bank.»

Falls es jemand immer noch nicht kapiert haben sollte, wird Ermotti am Schluss nochmal ganz deutlich: «Deshalb brauchen wir eine Regulierung mit Mass und ein Bankensystem, dessen Akteure höchste Integrität beweisen und nachhaltig wirtschaften.»

Ds ist die abgesoftete Version seines Vordenkers im VR Marcel Ospel selig, der vor dem Fast-Zusammenbruch der UBS noch getönt hatte: «Unsere Investmentbank soll die Nummer eins werden.» Auch er empfahl der Politik, sie solle sich aus Angelegenheiten raushalten, von denen sie keine Ahnung habe: «Die Wirtschaft muss dem Staat helfen, sich zu benehmen.» Hochmut kam dann vor dem Fall.

Und wie steht es um die «höchste Integrität?» Ist ein Gehalt von sagenhaften 14,4 Millionen Franken für 9 Monate Arbeit Ausdruck vermittelbarer Integrität? Gehört sich das für einen Bankenlenker, der respektiert und anerkannt werden will? Kann Ermotti wirklich jeden Arbeitstag so viel wert sein wie ein Jahres-Medianlohn in der Schweiz, nämlich rund 80’000 Franken?

Man kann diesen Kotau der NZZ vielleicht auch so sehen: Sie dokumentiert, was sich im Hirn eines Dinosauriers abspielt, dessen Fall die ganze Schweiz erbeben lassen würde. Das Denken von Führungspersonal wie Ermotti zerstört keinesfalls die Bedenken, dass das nicht passieren könnte.

Kompetenzzentrum Tagi

Staatliche Behörden entscheiden bezüglich UBS Ungeheuerliches.

«Die UBS muss nach der Übernahme der Credit Suisse keine wettbewerbs­rechtlichen Auflagen erfüllen.» Mit dieser furztrockenen Aussage beginnt das Qualitätsmedium «Tages-Anzeiger» einen Bericht. Nicht, dass man mit eigenen Kräften dazu in der Lage gewesen wäre. Dafür hat es zu wenig Genderproblematik. Also übernimmt das der Tagi von der SDA. Wozu zahlt man schliesslich das Abo beim Newsticker.

Hinter dieser Meldung verbirgt sich aber ein veritabler Skandal. Um den zu verstehen, bräuchte es aber ein Minimum an finanztechnischen Wissen. Worum geht es, in einfachen Worten?

Eigentlich gibt es in der Schweiz eine Wettbewerbskommission (Weko), die dafür zuständig ist, abzuklären, ob eine Elefantenhochzeit dazu führen kann, dass der Wettbewerb nicht mehr gewährleistet ist, sondern ein Markteilnehmer durch seine monopolartige Stellung die Preise diktieren kann. Wie das die UBS bereits tut.

Nun steht in diesem Artikel weiter unten:

«Aus Sicht der Weko haben sich die Anhaltspunkte bestätigt, dass in gewissen Märkten eine marktbeherrschende Stellung der kombinierten Bank begründet oder verstärkt wurde. Die Weko nennt dabei folgende Bereiche: passives Asset Management und Fondsbereich, Global Custody und Anlageklasse Schweizer Immobilien sowie das Corporate Banking für grosse Unternehmen und Unternehmen mit spezifischen Bedürfnissen.»

Zum Beispiel die Fusion Sunrise/Orange: verboten. Ticketcorner/Starticket: verboten. Es leuchtet nun selbst dem Laien ein, dass durch die Tatsache, dass eine der beiden verbliebenen international tätigen Grossbanken die andere schluckt, gravierende Wettbewerbsprobleme entstehen. Denn  auf vielen Gebieten ist die UBS nun der einzige Schweizer Anbieter; die Möglichkeit, bei der CS eine Gegenofferte einzuholen, fällt weg.

Völlig entspannt sieht das hingegen die Finanzmarktaufsicht Finma. Sie «kommt nach einem kartellrechtlichen Kontrollverfahren zum Schluss, dass der Zusammenschluss der beiden Grossbanken den wirksamen Wettbewerb «in keinem Marktsegment» beseitigt».

Die Behörde räumt zwar ein: «Zwar habe die UBS in gewissen Teilsegmenten ihre Marktposition verstärken können.» Gibt aber gleich Entwarnung:  «Die gesetzlichen Voraussetzungen der Fusionskontrolle für einen Eingriff seien aber nicht erfüllt, teilte die Finma am Mittwoch mit. Das Kontrollverfahren sei damit «ohne Bedingungen, Auflagen und weitere Prüfungen» abgeschlossen worden.»

Wobei auch dieses «Kontrollverfahren» ein besserer Witz ist: «Die Finma hatte die Notübernahme der CS durch die UBS nach Kartellgesetz bereits vorzeitig am 19. März 2023 bewilligt. Diese Massnahme sei im Interesse des Gläubigerschutzes erfolgt, betont sie.»

Die ewig gleiche Leier: also eigentlich geht das so nicht, es gibt klare Regeln und Vorschriften und Abläufe. Aber hallo, wir haben hier einen Notfall, die ganze Too-Big-To-Fail-Gesetzgebung haben wir auch in die Tonne getreten, also wieso dann so Pipifax wire die Zustimmung der «Weko» einholen.

Denn: «Bei der Notübernahme der einst zweitgrössten Schweizer Bank durch die UBS wurde ein Mitspracherecht der Schweizer Wettbewerbsbehörden ausgeschlossen. In Fällen, wo es um die Finanzstabilität geht, darf die Finma eine Fusion genehmigen ohne eine Prüfung durch die Weko.»

Frei nach Radio Erwin: im Prinzip nein, aber.

Und was meint die UBS: «Wir werden uns weiterhin für ein dynamisches, wettbewerbsfähiges und faires Umfeld einsetzen.» Selten so gelacht.

Bundesrat und staatliche Behörden tun alles, um das Bettchen für die UBS möglichst bequem aufzuschütteln. Mögliche Leichen im Keller der CS? Ach, für die ersten Milliarden steht der Staat gerade. Mögliche Liquiditätsprobleme? Reichen 250 Milliarden fürs Erste oder soll es noch mehr sein? AT1 Bonds, also Schulden in der Höhe von nominal 16 Milliarden Franken? Ach, die schreiben wir doch per Federstrich auf null ab, im schlimmsten Fall gilt dann Staatshaftung. Können wir noch etwas tun? Oh, die Weko, ja, die kann manchmal recht bissig sein, da ziehen wir ihr doch einfach den Stecker raus.

Ach, und wir gratulieren zum Milliardensondergewinn, weil die UBS die CS zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden fast geschenkt kriegte.

Ist das ein Gemurkse, ein Skandal, ein Sich-Unterwerfen des Staates gegenüber der Monsterbank UBS, deren Umfallen die Schweiz in ihren Grundfesten erschüttern würde.

Schon, aber na und, sagt der Tagi. Gibt es eigentlich nichts Neues von Nemo? Und welches leckere Rezept bietet Elif, als Ergänzung zum Eiersalat à la Mama? Ach, und Komiker «buckeln vor dem Papst», statt knackige Witze zu reissen? Wollten wir das dem alten Mann wirklich antun, dass Hazel Brugger, Mike «Arschloch»-Müller, Patti Basler oder Victor Giacobbo einen ihrer unterirdischen Blödscherze zum Besten geben? Oder wie wär’s mit Sauglattismus: «So erwärmen Sie Ihre Gäste für Eiswürfel. Ein Franken für einen Eiswürfel – wie es gewisse Bars halten: Das muss nicht sein. Hier sind fünf praktische Tipps für die Hingucker im Cocktailglas.»

Von «Inside Paradeplatz» geklaut, lahm weitergedreht. Ein Desaster, der Tagi.

Arbeitsbiene Rutishauser

Der Chefredaktor der SoZ leistet alleine so viel wie 50 Nasen der «Republik» zusammen.

Verdient aber entschieden weniger als die. Legt man den angeblichen Einheitslohn von 8500 Franken brutto zugrunde, kommen die Republikaner auf locker über 400’000 Franken im Monat. Das kassiert Arthur Rutishauser im Jahr nicht.

Dennoch hat er gerade mal wieder ein Editorial und drei Artikel in der neusten SoZ rausgehauen. «Der Rohrkrepierer von Economiesuisse», in seinem Kommentar spiesst er die völlig missglückte Intervention von vier ehemaligen Bundesräten gegen die 13. AHV-Rente auf. Sein Verdikt:

«Dass so ein Aufruf beim Volk schlecht ankommt, wäre eigentlich voraussehbar gewesen. Um glaubwürdig zu wirken, hätten die Ex-Magistraten schon während ihrer Amtszeit überlegen müssen, ob es wirklich noch zeitgemäss ist, wenn ein Regierungsmitglied eine Rente bekommen soll – selbst wenn sie oder er mit unter 50 Jahren abtritt oder abgewählt wird.»

Dann vermeldet er, dass die UBS eine teilweise Schwärzung des WEKO-Berichts verlangt. Zum Hintergrund: Die UBS hat bekanntlich 2023 nur deswegen einen Riesengewinn gemacht, weil sie die CS zum Schnäppchenpreis nachgeworfen bekam. Sonst läuft das Geschäft schlecht.

Nun prüfte die zahnlose Bankenaufsicht Finma diesen Notverkauf. Und prüft und prüft und prüft. Dabei hat die Wettbewerbskommission WEKO ihren Bericht bereits im Oktober letzten Jahres eingereicht, Aber der darf erst dann veröffentlicht werden, wenn die Finma zu Potte gekommen ist. Das lässt aber auf sich warten; Rutishausers Bilanz: «im Resultat führt das dazu, dass die UBS bald ein Jahr nach der Fusion ihre Marktmacht ausspielen und Fakten schaffen kann».

Dann hat Rutishauser offensichtlich ein Hörrohr in der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), die sich ebenfalls mit dieser Affäre CS – UBS befasst. Seine bittere Zusammenfassung, was bislang geschah: «Jahrelanges Versagen und übertriebener Formalismus der Aufsicht, aber keiner ist schuld. Das ist das Zwischenfazit der parlamentarischen Untersuchungskommission.» Insbesondere habe die Finma einen geplanten Verkauf des US-Geschäfts der schlingernden Bank durch übergrossen Formalismus verhindert. Und damit einen Beitrag zum Untergang geleistet.

Und schliesslich nimmt sich Rutishauser nochmals den Präsidenten der Bank Bär zur Brust. Der hat bekanntlich seinen CEO geopfert und hält sich selbst krampfhaft an seinem Sessel fest. Obwohl Romeo Lacher unter anderem im Risikoausschuss sass, der alle inzwischen geplatzten Kredite an den österreichischen Hasardeur René Benko durchwinkte.

Noch schlimmer sei aber das Wirken von Lacher als VR-Präsident der Schweizer Börse Six. Dort habe er sogar einen doppelt so grossen Verlust als die über 600 Millionen bei der Bank Bär zu verantworten. Einmal ein lausiger Verkauf des Kreditkartengeschäfts an die französische Worldline. Dafür erhielt Six deren Aktien «und diese verloren im letzten Jahr 70 Prozent ihres Werts». Und dann noch der versemmelte und viel zu teure Einstieg bei der spanischen Börse, der zu einem gewaltigen Goodwill-Abschreiber führte, aus dem letztes Jahr ein Verlust von 340 Millionen resultierte. Also alles in allem weit mehr als das Doppelte im Vergleich zu Bär.

Rutishauser resümiert: «Ausbaden muss die gescheiterte Strategie nun sein Nachfolger Thomas WellauerDer ehemalige McKinsey-Mann «versuchte um die Jahrtausendwende, die Winterthur-Versicherung mit der Vermögensverwaltung der CS zusammenzubringen. Damals scheiterte er.»

Was wieder die Frage aufwirft, wie gigantisch man eigentlich in der Finanzwelt versagen muss, um vom Präsidentenstuhl abmontiert zu werden.

Aber im Journalismus leben ja diverse Leichen auch immer noch, und durchaus komfortabel, von links bis rechts. Von der «Republik» über «bajour» bis zum «Nebelspalter».

Die UBS soll ihre Risiken selber tragen können

Bei einer Rettung oder Sanierung dieser Mega-Bank müsste der Staat Hunderte von Milliarden bereitstellen.

Von Urs Schnell*

Für die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS leistete der Bund eine Ausfallgarantie von 100 Milliarden. Auch bei einer Zwangssanierung hätte der Bund Milliarden garantieren müssen. Dafür war alles vorbereitet. Die Finma legte die Too-big-too-fail-Notfallpläne am Sonntagmorgen, 19. März 2023, dem Bundesrat verfügungsbereit vor. Es kam anders.

Im Hinblick auf die neue grosse UBS soll das eidgenössische Regelwerk nun verschärft werden. Denn eine Sanierung würde wesentlich mehr kosten als bei der CS. Dabei werden mächtige ausländische Behörden immer mitreden. Zuvorderst die USA, die in ihrem Finanzmarkt, dem grössten der Welt, nichts anbrennen lassen wollen.

Im Fall der Credit Suisse wäre ein Flächenbrand ausgebrochen. Er hätte die USA massiv betroffen. Global systemrelevante Banken haben eine Vielzahl von Tochtergesellschaften, die in einer Vielzahl von Ländern tätig sind. Über ausländische Tochtergesellschaften war die CS in den USA und in Grossbritannien äusserst aktiv, darunter mit dem hochrisikobehafteten Investmentbanking.

Komplexität als Gefahr und Treiber für Boni

Das Firmengeflecht der CS war nicht nur für Laien, sondern auch für Fachleute aus Wissenschaft und Medien kaum übersehbar. Als die Bank ins Trudeln geriet, verschärfte sich der Druck auf das Kapital- und Liquiditätsmanagement in der global verschachtelten Gruppenstruktur auch «aufgrund steigender lokaler regulatorische Anforderungen im Ausland», wie die Finma in ihren «Lessons Learned» in der Woche vor Weihnachten schrieb.

Die Komplexität des Konzerns nützte zum Beispiel der langjährige Finanzchef David Mathers aus. Der Brite verliess das sinkende Schiff letztes Jahr, nachdem er Boni in der Höhe von insgesamt über 50 Millionen Franken eingestrichen hatte, wie die «Bilanz» schätzt. Andere Medien schilderten, er habe ein kreatives Buchhaltungssystem mit über tausend Untergesellschaften geschaffen. Dieses System hätten in der Credit Suisse nur wenige verstanden. Seinen Zweck aber habe es jahrelang erfüllt, nämlich die internationalen Rechnungslegungsstandards einzuhalten. Ab 2016 war Mathers auch Chef eines der wichtigsten CS-Konglomerate in London, der Credit Suisse International CSi. Die CSi hatte per Ende 2022 ein sagenhaftes Nominalkapital von über 11 Milliarden Franken.

Operationen zum Schutz des Systems

Damit das internationale Finanzsystem möglichst nicht abstürzt, hat das Financial Stability Board FSB im Nachgang zum Kollaps von 2008 für Grossbanken globale Leitlinien aufgestellt (Infosperber vom 22.12.23). Sie zeigen auf, wie ins Wanken geratene Banken saniert oder abgewickelt werden können, ohne dass das Gesamtsystem, also das Netz der global verbundenen Finanzinstitute, zu Schaden kommt. Man könnte sagen: Sanierungs- und Abwicklungpläne der «Too big to fail» (TBTF)-Regulierung, auf Englisch unter dem Begriff Resolution zusammengefasst, zielen auf die gleiche Wirkung wie eine Krebsoperation: Der Tumor soll entfernt werden, damit er das übrige Gewebe nicht infiziert.

Wegen der geschilderten Vernetzung der Credit Suisse war die Finma nicht der alleinige Akteur beim Vorbereiten der Notfallpläne. Der Financial Stability Board (FSB) sieht für eine Bank in der Krise eine sogenannte Crisis Management Gruppe vor. Ab Oktober 2022 setzte die Finma eine solche Krisengruppe für Credit Suisse in Gang und zog hochrangige Vertreter der weltweit mächtigsten Finanzbehörden mit ein. In den USA die Zentralbank Fed und die Einlagensicherungsbehörde FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation), in Grossbritannien die Zentralbank Bank of England.

Die Rolle des SEC

Im November 2022 stiessen Vertreter des New York State Department of Financial Services NYDFS und der Securities Exchange Commission SEC dazu. Das NYDFS hatte die Rechtshoheit über die in New York angesiedelte Credit Suisse Holdings (USA) Inc. und hätte hier Liquidität via Fed einschiessen können. Falls in die vorgesehene Sanierung oder Abwicklung ein US-Broker-Dealer involviert gewesen wäre, hätte die SEC «unterstützend» gewirkt, wie das FSB in einem eigenen Bericht vom 10. Oktober 2023 schreibt. Diese Unterstützung hätte die SEC auch für Wertpapiere leisten müssen, die auf dem US-Markt ausgegeben wurden und – im Falle einer Krise – für die Umwandlung in neues Kapital vorgesehen waren. Diese Wertpapiere tragen den Namen Bail-in Bonds und spielen in jedem Sanierungsplan für systemrelevante Banken eine wesentliche Rolle.

Bei der Credit Suisse hatten diese Bail-in Bonds eine Höhe von 57 Milliarden Franken. Sie wären anlässlich einer Sanierung zusammen mit den AT1 Bonds in neues CS-Kapital gewandelt worden. Wie hoch die Summe der Bonds unter US-Jurisdiktion waren, wollte die UBS als neue Eigentümerin der CS nicht sagen. Aus UBS-internen Kreisen verlautet aber, dass vier Bonds dem New York Recht und zwei Bonds englischem Recht unterstehen. Sie seien von renommierten US- und UK-Kanzleien bestätigt und von der Finma als Wandlungskapital genehmigt worden.

Zwischen den Zeilen lesen

Die Haltung der US-Behörden ist damit nicht geklärt. Dem FSB-Bericht ist zu entnehmen, dass der internationale Austausch in der Crisis Management Group CMG gut funktionierte. Doch wer vertrat in dieser CMG welche Positionen? Was sagten die US-Amerikaner, was die Engländer? Davon steht im internationalen Bericht des FSB nichts. Es wird nur auf die sogenannten Key Attributes verwiesen, die das FSB für den Fall einer Resolution vorgibt:

«Authorities are expected, when choosing the resolution strategy for a particular firm, to have assessed its systemic impact considering a scenario with potential adverse market conditions, in line with Annex I-3, section 5 of the Key Attributes, which refers to the assessment of systemic impact.»

Weiter nimmt der FSB-Bericht Bezug auf den Finanzstabilitätsbericht der Schweizerischen Nationalbank vom Juni 2023:

«At the time of the failure of Credit Suisse, the Swiss authorities had concerns that the application of the bail-in tool in the volatile market conditions following the failures of several US banks in mid-March 2023 could give rise to financial stability issues and could be accompanied by several knock-on effects in Switzerland and globally

Das FSB zeigte sich trotzdem überzeugt, dass die Sanierungs- und Abwicklungspläne der Finma einen glaubwürden Weg gewiesen hätten («a credible alternative path»). Um aber sofort zu relativieren:

«(…) it may be useful for authorities to gain greater visibility into the potential impact of bail-in on financial markets, in line with the systemic assessment described in Annex I-3 section 5 of the Key Attributes.»

US-Wertschriftengesetz als Hindernis

Die Bemerkung «it may be useful…» kommt sehr nebensächlich daher. Doch gerade diese Relativierung ist mitentscheidend dafür, dass der Finma-Abwicklungsplan nicht in Kraft gesetzt wurde.

Das FSB stellt nämlich fest:

«According to the SEC staff, there would have been legal challenges relating to US securities laws in executing a bail-in; they noted that banks need to prepare sufficiently to comply with US securities laws after an open bank bail-in. US investors held bail-in bonds issued by Credit Suisse representing a significant portion of the firm’s TLAC. US securities laws apply to any TLAC instruments held by US investors, irrespective of the currency or governing law of that TLAC instrument.»

Diese TLAC ist die Total Loss Absorbing Capacity. Sie bezeichnet alle Werte, die die federführende Aufsichtsbehörde bei einer Sanierung in neues Bankenkapital umwandeln kann. Die oben erwähnten Bail-in Bonds in der Höhe der 57 Milliarden gehören dazu. Nur eben, die Finma hatte nicht den vollen Zugriff.

Wie und in welchem Zeitrahmen die SEC im Fall einer Abwicklung entschieden hätte, bleibt offen. Ebenso, ob US-Investoren sich gegen eine Ausnahmebewilligung hätten wehren können.

Das sind Faktoren, die im Falle einer Sanierungsverfügung bei Börseneröffnung am 20. März das Vertrauen in eine abzuwickelnde Credit Suisse nicht beflügelt hätten. Sie bestätigen vielmehr die Kritiker, welche die Sanierung oder Abwicklung einer global systemrelevanten Bank im TBTF-Regime nicht für möglich hielten.

Auch nicht, wenn dieses Abwicklungs-Regime verschärft wird. Für die neue noch grössere UBS heisst das: Sie muss sich selber helfen, ihr Risiko selber tragen.

Extremfall Staatsbankrott

Professor Aymo Brunetti von der Universität Bern, einer der Väter der Schweizer Grossbankenregulierung, sagte anfangs September:

«Vor der CS-Rettung im März ging man davon aus, dass eine Grossbank in einer Krise regulär abgewickelt würde. An den Plänen hatte man jahrelang gearbeitet. Nun hat aber der Staat in einer Rettungsaktion eingegriffen (NZZ a.S., 3.9.23)

Es ist schwer vorzustellen, dass das TBTF-Regelwerk bei der noch viel grösseren UBS greifen wird. Als letzter Garant bliebe nur der Staat.

Das hingegen widerspreche den Fundamentalien einer funktionierenden liberalen Marktwirtschaft, meinte Brunetti weiter:

 «Bei einer Übernahme würde der Staat mit Hunderten von Milliarden Franken im Risiko stehen. (…) Dieses Risiko ist völlig inakzeptabel. Die UBS-Rettung könnte die Solidität des staatlichen Haushaltes ernsthaft gefährden und den Bund im Extremfall in die Nähe eines Staatsbankrotts bringen.»

Sein Fazit:  Entweder, man zeigt, wie global systemrelevante Banken wirklich abgewickelt werden können – oder man macht sie kleiner. Vielleicht wird sich das Parlament nächstes Jahr dazu durchringen können. Dass die USA hingegen ihre Wall-Street-Riesen ebenfalls auf ein global systemverträglicheres Mass reduzieren, ist kaum anzunehmen.

*Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Dieser Artikel erschien zuerst auf der Plattform «Infosperber». Der erste teil geht ihm voraus.

Wirtschaftsschwache NZZ

Schluderei auch bei der alten Tanten. Gerade in ihrer Kernkompetenz …

Es gibt vier Gründe, die NZZ zu lesen. Die Ausland- und Wirtschaftsberichterstattung. Das Feuilleton und ihre Fähigkeit, immer wieder abseitige, aber interessante Themen intellektuell anspruchsvoll aufzugreifen.

Spätestens seit dem Ukrainekrieg schwächelt die NZZ allerdings bei der Auslandberichterstattung. Sie lässt ihrem Auslandchef zu viel Spielraum, seine Sandkastengeneral-Fantasien auszuleben und mit barschen Worten einseitig Partei zu ergreifen. Bedauerlich.

Dass die NZZ sich bemüht, die Interessen des Finanzplatzes Schweiz zu vertreten und zu verteidigen, wohlan. Peinlich wird’s allerdings, wenn sie dabei fachliche Lücken offenbart. Konkret geht es um die Nachbereitung des skandalösen Abschreibers von Kreditinstrumenten im Nennwert von 16 Milliarden Franken, als die Credit Suisse mit Notecht an die UBS verscherbelt wurde.

Das war begleitet von einem Schnäppchenpreis von 3 Milliarden, Staatsgarantien in der Höhe von 259 Milliarden Franken und als Sahnehäubchen der durch die Bankenaufsicht FINMA angeordneten Ausradierung von begebenen Schuldpapieren in der Höhe von 16 Milliarden Franken.

Kurz zur Erklärung: das sind sogenannte AT 1 Bonds, ein von europäischen Regulatoren erfundenes Gebasteltes, das das Eigenkapital von Banken steigern soll. Konkret sind das hochverzinste Obligationen, die unter bestimmten Bedingungen zwangsweise in Eigenkapital, also Aktien, umgewandelt werden – oder abgeschrieben.

Ob in diesem Fall die Voraussetzungen dafür erfüllt waren oder nicht, darüber ist ein weltweiter Streit ausgebrochen, da die Käufer dieser Schuldpapiere selbstverständlich nicht einfach zuschauen, wie ihnen Milliarden abgeknipst werden. Es deutet vieles darauf hin, dass die in den Ausgabeprospekten genannten Bedingungen (Trigger) nicht erfüllt waren, die einen solchen Totalschaden auslösen könnten. Das wird in teuren und langjährigen Gerichtsverfahren in der Schweiz, in den USA, in England, Japan und vielen anderen Ländern der Welt geklärt.

Nun meldet sich die alte Tante mit etwas zu Wort, das sie gerne als «ordnungspolitischen Zwischenruf» etikettiert. Oder auf Deutsch: wir sagen mal, was Sache ist. Dazu meldet sich Flamm Mordrelle zu Wort, «seit Herbst 2022 befasst er sich im Wirtschaftsressort mit der Finanzindustrie und Anlagethemen».

Das tut nun weder der Finanzindustrie, noch Anlagethemen wirklich gut. Er fängt noch ganz vernünftig mit einer Beschreibung der Affäre an:

«Die Besitzer von sogenannten AT1-Anleihen der CS haben durch die Rettungsaktion alles verloren: Die CS musste die Anleihen auf Geheiss der Finanzmarktaufsicht (Finma) vollständig abschreiben. «Wertpapiere» im Umfang von 16 Milliarden Franken wurden dadurch wertlos. Diese Gläubiger, darunter Pensionskassen, Family-Offices und Privatanleger, wurden im Zuge der CS-Rettung finanziell somit am härtesten getroffen

Damit wurde die übliche Reihenfolge beim Bluten auf den Kopf gestellt. Denn die Aktionäre kassierten immerhin noch 3 Milliarden, während Obligationäre in die Röhre schauen mussten. Das habe weltweit grosses Gebrüll ausgelöst, schreibt Mordrelle noch richtig. Die Begründungen für diese Massnahme durch die Bankenaufsicht FINMA seien eher schwach, stellt er dann fest. Um sich in der Definition dieser AT1 Bonds dann zu vergaloppieren:

«Fällt das Kapital einer Bank unter eine bestimmte Marke, werden sie abgeschrieben und stärken so das Eigenkapital.»

Das ist höchstens halb richtig, denn normalerweise werden sie in Eigenkapital zwangsgewandelt. Auslöser für einen Abschreiber kann nur eine staatliche Nothilfe oder ein unter eine genau definierte Schwelle gefallenes Eigenkapital sein. Dazu schreibt der NZZ-Journalist wieder richtig: «Im Fall der CS war das Kapital aber bis am Schluss stets ausreichend

Er drückt sich aber um die auf der Hand liegende Schlussfolgerung: war das so (und es gab auch keine Notrettung durch den Staat; wie sagte die Finanzministerin Karin Keller-Sutter so unsterblich ungeschickt: «this is not a bail-out»), dann sind die beiden möglichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen.

Damit kommen nun Milliardenforderungen auf die Schweiz zu. Auf die Schweiz? Auf den Schweizer Steuerzahler, der mittels Staatshaftung dafür geradestehen muss. Wieder richtig lamentiert Mordrelle: Die Berner Beteiligten «nahmen in Kauf, dass der AT1-Markt – ganze 275 Milliarden Dollar gross – in die Krise gestürzt wird und der Ruf des Schweizer Finanzplatzes als sicherer Hafen weiter leidet».

Ob es der UBS weiterhin gelingen wird, sich aus diesem Schlamassel herauszuhalten (sie machte nicht zuletzt wegen diesem Abschreiber einen ungeheuerlichen Sondergewinn von 29 Milliarden Dollar in einem Quartal), ist auch eine interessante Frage.

Dann setzt Mordrelle aber zur Verteidigungsrede an: «Mitleid mit den professionellen Investoren ist indes fehl am Platz. Sie haben vielmehr schmerzlich erfahren, was für ein Risiko mit einem Coupon von bis zu 9,75 Prozent im Jahr für bestimmte AT1-Bonds der CS einherging. Solche Renditen erhält man nur, wenn man substanzielles Risiko übernimmt. Von einem professionellen Investor darf man erwarten, dass er den Emissionsprospekt genau liest

Hier macht er gleich zwei Denkfehler. Natürlich haben die professionellen Investoren die Emissionsprospekte genau gelesen. Sie konnten aber nicht damit rechnen, dass der Bundesrat per Notrecht versucht, dort enthaltene Definitionen im Nachhinein umzubiegen, bzw. zu erweitern. Ihnen mangelhafte Sorgfalt vorzuwerfen, ist etwa so absurd, wie wenn ein sich an die Geschwindigkeitslimite 50 haltender Automobilist eine Busse bekommt: die Höchstgeschwindigkeit sei halt im Nachhinein auf 30 runtergesetzt worden, ätsch. Von einem professionellen NZZ-Journalisten darf man erwarten, dass er das Verbot rückwirkender Änderungen von Ausgabeprospekten kennt.

Zum zweiten wurden diese AT1 Bonds, nicht zuletzt von Schweizer Banken, auch Kleinanlegern mit einer Stückelung von lediglich 5000 Franken ins Portefeuille gelegt.

Und am Schluss verschreibt sich Mordrelle dann ganz dem Prinzip Hoffnung: «Eine gerichtliche Klärung der Gläubigeransprüche ist auch aus diesem Grund angezeigt. Investoren wissen dann, woran sie sind. Die Schweiz wiederum könnte sich vom Image der Bananenrepublik, das ihr die geschädigten Gläubiger verpasst hatten, befreien – falls die Klagen auch wirklich abgelehnt werden

Hoppla. Damit räumt er indirekt ein, dass die Schweiz eine Bananenrepublik sei, sollten die Klagen erfolgreich sein. Die Schweiz als mögliche Bananenrepublik, sagt die NZZ. Unglaublich, aber wahr. Leider ist’s auch dort mit der Qualitätskontrolle vor Publikation nicht immer zum Besten bestellt.