Binswanger, der Israeli

Die Berichte aus Israel und dem Gazastreifen sind furchtbar genug.

Aber wenn man die «Republik» liest, wird’s einem auch noch übel. ZACKBUM wollte eigentlich die Berichterstattung darüber einstellen, aber…

Aber, was niemand verdient hat und worauf die Welt nun wirklich verzichten könnte: der Chefredaktor, Schwurbler, die schreibende Schmachtlocke hat sich nicht entblödet, seine wöchentliche Kolumne dem Thema Hamas und Israel zu widmen. Man ist versucht, von einem weiteren verbalen Massaker zu sprechen.

Das fängt schon mit dem abgeschmackt-geschmacklosen Titel an: «Wir sind alle Israelis». Der Missbrauch eines Slogans, der in einem anderen Zusammenhang Sinn machte. Hier ist es so: soviel wir wissen, ist Daniel Binswanger kein Israeli. ZACKBUM auch nicht. Das ist aber seine Einleitung für eine geschmacklose Fortsetzung: «Das Massaker an isrealischen Zivilisten richtet sich gegen die Menschlichkeit, gegen uns alle.» Da ist es wieder, dieses geliehene Leiden, dieser pathetische Gestus der Betroffenheit, mit dem sich schon weisse Kids in der Schweiz lächerlich machten, wenn sie bedeutungsschwer niedergedrückt von einer imaginierten Schuld niederknieten und grölten: «Black lives matter». Tun die übrigens nicht mehr so wirklich, oder den Spruch letzthin mal wieder gehört?

Dann verrutscht Binswanger nicht die Tolle, aber die Sprache: «Doch dieser furchtbare Krieg macht klar: Der Palästina-Konflikt muss wieder eine Lösungs­perspektive bekommen.» Ist’s nun ein Massaker oder ein Krieg? Und ein Krieg macht etwas klar? So ausserhalb des Sprachgeholpers dieses unerträglichen Möchtegerns? Dabei hat er bis hierher gerade mal zwei Sätze verbrochen. Und 10’000 A stehen noch bevor.

Nun labert sich Binwanger zu Kennedy zurück und dessen Satz «Ich bin ein Berliner». Warum der US-Präsident das sagte, mit welcher Begründung, das ist Binswanger wohl entfallen. Dann lässt sich Binswanger vom Mantel der Geschichte umwehen: «Es gibt Situationen, die unsere unbedingte Solidarität erfordern. Situationen, in denen wir Farbe bekennen müssen.» Ach was, und welche Farbe bekennt er denn? «Wir sind alle Israelis.» Ach was.

Nachdem er das zum wiederholten Mal niedergeschrieben hat, merkt man deutlich, dass er sich kurz grüblerisch eine Haarsträhne zurückwarf und fortfuhr: «Natürlich trifft es zu, dass sich immer wieder Gräueltaten, Verbrechen, Kriegs­verbrechen ereignen.» Das ist ein Satz von tiefer Wahrheit, ungefähr so bedeutungsschwanger wie: Natürlich trifft es zu, dass immer wieder die Sonne aufgeht. Aber dennoch wird es dann doch auch Nacht.

Binswanger erinnert an den Ukrainekrieg, daran, dass auch «Israelis mit ihren Militäraktionen immer wieder furchtbares Leid über die Zivilbevölkerung der Gegenseite bringen». Nun könnte er ja vielleicht noch den Jemen, den Sudan, Äthiopien, Myanmar und all die vergessenen Elendslöcher der Welt erwähnen, wo sich auch immer wieder Gräueltaten ereignen. Aber wozu, er möchte ja seinem dünnen Gedankenrinnsal nicht Steine in den Weg legen.

Denn nun muss er gelenkig von dieser Bemerkung wieder auf seine These zurückhangeln: «Doch moralische Bewertungen lassen sich nicht auf Opfer­statistiken reduzieren. Dieser Überfall auf Israel hat alles verändert. Er ist ein beispielloser Vorgang.» Ach ja? Dann war die industrielle Ermordung von über 6 Millionen Juden ein beispielhafter Vorgang? Das Wüten der Roten Khmer in Kambodscha? Der von den USA unterstützte, beispiellos blutige Angriffskrieg des Iraks gegen Iran? Mit solchen beispiellosen Beispielen könnte Binswanger nun den Rest seiner Kolumne füllen.

Tut er aber nicht. Denn nun macht er den nächsten Salto Fatale, nachdem er Beispiele des Wütens der Hamas gegeben hat: «Dennoch ist es nicht korrekt, diese Gräueltaten als Terror­akte zu bezeichnen. Man muss sie als Kriegs­verbrechen einstufen.» Richtig, das tun Völkerrechtler schon längst, so wie sie auch die Abriegelung des Gazastreifens durch Israel und den Einsatz von Hunger als Kriegsverbrechen qualifizieren.

«Es hat ein ungeheurer Tabu­bruch stattgefunden. Eine Art der Kriegs­führung, die nichts anderes ist als ein einziges grosses Kriegs­verbrechen.» Tabubruch sagt meistens einer, der weder weiss, was ein Tabu ist, noch, wie oft es schon gebrochen wurde. Vielleicht erinnert sich Binswanger noch an Ruanda? Nein? An die unzähligen Tabubrüche der Kolonialherren in Afrika und anderswo? An das Wüten der Belgier im Kongo?

Aber weg vom Tabubruch, hinein in die reine Kakophonie: «Aber dass wir solidarisch sind mit Israel bedeutet nicht, dass wir nicht Kritik üben müssen an der israelischen Besatzungs­politik. Es bedeutet nicht, dass wir schweigen zu den israelischen Verstössen gegen das Völker­recht.»

Hm, also wenn wir alle Israelis sind, sind wir dann auch alle Kriegsverbrecher oder verstossen wir allesamt gegen das Völkerrecht? Da ist ZACKBUM nochmals froh, bei diesen Worten kein Israeli zu sein.

Nun kommt noch die staatsmännische Orgel zum Einsatz, Binswanger als kleiner Helmut Schmidt, der sich allerdings nicht mehr dagegen wehren kann: «Die Nato hat gut daran getan … die internationale Staaten­gemeinschaft muss insistieren … vor allem aber müssen alle Kräfte … ein neuer Eskalations­schritt in den Zyklen der immer verheerenderen Gewalt».

Die «Perspektive einer politischen Lösung» muss her, ruft Binswanger den Völkern und den Regierungen der Welt zu. Gewalt ist auch keine Lösung, ermahnt er. Aber gleich anschliessend wird es ganz dunkel, das raunende Wort des Flachdenkers: «Wer sagt, dass er zu Israel steht, muss sich im Klaren darüber sein, zu welchem Israel.»

Herrje, sind wir nun alle Israelis oder nicht? Sind wir alle Kriegsverbrecher oder nicht? Egal, zuerst ein neues Husarenstück: «Ohne die Hamas wäre Netanyahu vermutlich niemals israelischer Premier­minister geworden. Heute, 27 Jahre später, hat er die Bedingungen geschaffen, die der Hamas ihren mörderischsten Coup ermöglichten.» Hä? ZACKBUM befürchtet fast, dass sich Israel dagegen verwahrt, dass so ein Wirrkopf sich als Israeli bezeichnet.

Aber der nähert sich nun, auch die irrste Kolumne muss mal zu Ende gehen, dem dramatischen Höhe- und Schlusspunkt. Die Mähne wallt, die Zeigefinger fuchteln, bevor sie die Tasten treffen, Planet, aufgemerkt; Binswanger spricht zu dir: «Die internationale Gemeinschaft muss von allen Parteien die Einhaltung des humanitären Völker­rechtes fordern. Und sie muss alle Mittel mobilisieren, um nach dem Waffen­gang wieder eine Friedens­perspektive zu ermöglichen

ZACKBUM hofft inständig, dass die «internationale Gemeinschaft» die «Republik» liest. Aber leider, leider, das tut sie halt nicht. Deshalb wohl ist die Erde ein so schlechter Ort, obwohl wir alle Isrealis sind, aber nicht wissen, von welchem Israel. Wobei, nun geht Binswanger noch in den Nahkampf: «Auch die Schweiz kann bei solchen Bemühungen eine Rolle spielen.» Wunderbar, nur was für eine? Da bleibt der Denker wieder dunkler, als es der Schwulstschwätzer aus dem Schwarzwald, als es Martin Heidegger jemals hinkriegte: «Wir sind alle Israelis. Wir dürfen uns dieser Verantwortung nicht entziehen.»

Ähm. Wir dürfen uns der Verantwortung, alle Israelis zu sein, nicht entziehen? Oder müssen wir alle die «Einhaltung des humanitären Völkerrechts» fordern? Ja wie denn, wo denn? ZACKBUM möchte sich dieser Verantwortung keinesfalls entziehen.

Allerdings wollen wir ihr anders nachleben. Obwohl Binswanger ein Israeli (von welchem nur?) ist: kann denn niemand dafür besorgt sein, im Namen des humanitären Völkerrechts, dass der Mann es endlich sein lässt, die Welt mit solchem Stuss zu belästigen?

12 Kommentare
  1. Florian Casutt
    Florian Casutt sagte:

    Sie sind wirklich ein begabter Schreiber, Herr Zeyer. So begabt, dass ich mich sogar mit ihrem Israel-Besetzer-Kriegsverbrecher-Blabla abfinde.

    Oder anders gesagt: Ich halte Ihre Gedanken in diesem Fall nicht für schlauer als jene von Binswanger – aber für x mal besser formuliert.

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  2. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Daniel Binswanger ist genauso wie Fabian Molina ein typischer linker Israel-Gegner. Molina durfte seine heuchlerischen Krokodilstränen wegen des Hamas-Terrors auf Tele Züri ohne jeden Widerspruch des Moderators vergiessen. Daniel Binswanger macht das Gleiche in derselben „Glaubwürdigkeit“ in der Republik. Beide sind tatsächliche Hamas-Versteher. Denn der Hass auf Israel gehört zur linken DNA. So himmeltraurig das auch ist. Die Linken haben Europa zu einem islamistischen Pulverfass gemacht.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Herr Streulicht (das war nicht ich, das war der mac-Korrektor!) macht wieder mal den linken-basher – er soll uns mal erklären, was Linke sind. Ich erkenn die linken Linken auch nicht mehr.
      Aber es gibt noch andere Nicht-Versteher, bzw Versteherinnen = Frauen:
      https://www.infosperber.ch/politik/welt/israelische-und-juedische-frauen-zum-maennerdominierten-krieg/
      Oder hier etwas knüppeldick, die israelische Armee als Waffe gegen ihre Eigenen; ‹unfriendly fire›:
      https://transition-news.org/ging-die-israelische-armee-nach-dem-hamas-uberfall-mit-der-hannibal-direktive
      Oder hier israelische Menschen, die sich trotz allem Wahnsinn das Menschversuchenzusein, nicht rauben lassen wollen:
      https://zeitpunkt.ch/index.php/node/35317

      Es gibt auf solchen Plattformen noch vieles, kurz und sachlich (ohne Schmachtlocke) zu lesen – solange die EU und EUsi Frau hinter dem Herd die nicht zum schweigen gebracht haben (on the way).
      Damit wir dann nur noch die staatlich subvenstrumentalisierten Lügenmedien den Hals runter gewürgt kriegen.

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    • Beth Sager
      Beth Sager sagte:

      Unter dem Titel „Das Schweigen der nützlichen Idioten“ schreibt der Schriftsteller Jürg Halter in den CH Medien über die fehlende Solidarität mit Jüdinnen und Juden in der Schweiz.

      Halter schreibt u.a. auch treffend:

      „Noch schockierender sind all die Menschen in westlichen Grossstädten, die den Massenmord an unschuldigen Zivilisten in Israel frenetisch feierten und zur Vernichtung Israels aufriefen. An manchen Demos waren «Scheiss Juden!»-Rufe zu vernehmen. Und etwa in Berlin wurden jüdische Gegendemonstrantinnen gar als «Nazis» niedergebrüllt. Geschichtsvergessenheit in Reinform. Einen Massenmord als Befreiungskampf feiern, das ist unmenschlich, demokratiefeindlich, herzlos.

      Was die Tage also auch wieder schmerzhaft sichtbar wird: Viele gebildete, privilegierte Linke sind Teil dieses Problems, denn durch ihr antiaufklärerisches, strukturelles Verharmlosen des radikalen Islam wird der Islamismus seit Jahrzehnten auch bei uns in Europa legitimiert und stärker – obwohl gerade Linke und ihr Einstehen für Diversität unter islamistischer Herrschaft zuerst vernichtet würden. Die Islamismusverharmlosung gehört seit jeher zur DNA eines einflussreichen Teils der Linken. Aber nützliche Idioten merken nie, dass sie nützliche Idioten sind – Ideologie macht blind.

      Und wie kann man gleichzeitig antirassistisch, intersektional-feministisch, queer und antisemitisch, islamismusblind, diversitätsfeindlich sein? Wie kann man sich selbst nur strukturell und empathisch so widersprechen? Was für eine multiple, theoretische Gehirnwäsche muss man hinter sich haben, um so zu ticken? Haben solche Selektiv-Feministinnen Critical Post Human Rights Theory in Teheran oder Doha studiert?“

      Das ganze Essay von Jürg Halter in der Gebührenschranke unter
      https://www.aargauerzeitung.ch/kultur/essay-zum-terror-in-israel-das-schweigen-der-nuetzlichen-idioten-juerg-halter-ueber-die-fehlende-solidaritaet-mit-juedinnen-und-juden-ld.2528341

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      • René Küng
        René Küng sagte:

        ist doch genau der ‹Halter› der sich doch solidarisch impfen liess,
        jetzt wieder solidarisch ist,
        immer solidarisch,
        immer solid
        auf Einheitskurs.
        Darum kommt halt er in der aaaaahrgauer Presse.

        Und Frau Sager ist sauber gewaschen – alles andere verbreitet schmutzige news. Ein paar Zweifel chips im Denken würde dem Horizont von manchem CH-Medien Opfer gut tun.
        Damit wär der täglichen Spaltung der Entvölkerung wieder mal Genüge geleistet – nicht nur Israel bricht entzwei, dieser Countdown läuft fast überall nach Plan.

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      • Jürg Streuli
        Jürg Streuli sagte:

        Erinnert an Lenin der gesagt haben soll: „Um ein Geschäft zu machen, würden uns die Kapitalisten sogar die Stricke verkaufen, an denen wir sie nachher aufhängen“.

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Er soll ja dort bleiben. Sie haben gehört, dass er dort bleiben soll?
      Er soll jaaa dort bleiben. Sie wünschen sich sehr, dass er dort bleibt?
      Er soll – ja – dort bleiben. Sie sind einverstanden, dass er dort bleibt?
      Ja, wie nun?

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