Splitter und Balken

Die NZZ rechnet mal wieder ab – mit allen anderen und unfair.

Die Jungautorin Beatrice Achterberg aus der Berliner NZZ-Redaktion darf allen anderen Medien Saures geben: «Westliche Medien fallen auf Terrorpropaganda herein». Selbst «eine der renommiertesten Zeitungen der Welt» habe diese «Breaking News» herausgeschickt: «Ein israelischer Luftangriff hat ein Spital in Gaza getroffen und nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mindestens 200 Palästinenser getötet

Kommentar Achterberg: «So dramatisch wie der Inhalt der Eilmeldung war auch das mediale Versagen dahinter.» Schliesslich stehe bislang nur fest, dass es eine Explosion beim Ali-Arab-Spital gegeben habe; wer oder was die ausgelöst habe, sei völlig unklar, ebenso die Antwort auf die Frage, wie viele Tote es dabei gegeben habe.

Dennoch habe die NYT «die Behauptung einer Terrororganisation ungeprüft verbreitet». Dabei sei es doch die erste Aufgabe des Journalismus, schulmeistert Achterberg, «Quellen zu verifizieren und auf Plausibilität und Seriosität zu überprüfen». Denn: «Die Hamas als vertrauenswürdig zu behandeln, ist haarsträubend. Eine Organisation, die mehr als 1400 Menschen getötet, mehr als 3700 verletzt und 203 verschleppt hat, ist kein gewöhnlicher politischer Akteur. Verlautbarungen aus ihrem Herrschaftsbereich müssen mit maximaler Vorsicht behandelt werden

Da ist was dran, tatsächlich ist es ein zunehmendes Problem von «Breaking News», dass ein Medium in diesem Rattenrennen nur dann die Nase vorne hat, wenn es vom Empfang einer Meldung so wenig Zeit wie möglich verstreichen lässt, bis die News online ist.

Bei solchen gravierenden Anschuldigungen müsste man aber schon korrekt zitieren:

Vielleicht kann Achterberg kein Englisch, das mag ja auch im Qualitätsorgan NZZ vorkommen. Aber die Quelle «Palästinensisches Gesundheitsministerium» bezieht sich natürlich nicht nur auf die Anzahl Tote, sondern auch auf den Verursacher. Kurz darauf änderte die NYT den Titel:

Da Achterberg hier grobes Geschütz auffährt, darf man genauso zurückballern: Die NZZ als vertrauenswürdig zu behandeln, kommt auf den Autor an.

Und wie berichtete denn das Weltblatt zunächst selbst? «Bei einer Explosion beim Ahli-Arab-Spital in Gaza-Stadt sind am Dienstagabend wohl Hunderte Menschen ums Leben gekommen. Laut dem Gesundheitsministerium in Gaza, das der islamistischen Hamas untersteht, wurden mindestens 500 Menschen getötet.»

Nun, das unterscheidet sich nicht wirklich und grundsätzlich von der NYT-Meldung. Die NZZ, nicht unter dem Druck von «Breaking News», fährt in ihrem ersten Artikel fort: «Zur Ursache der Explosion gab es bis Dienstagabend noch keine überprüfbaren Angaben. Die palästinensischen Behörden beschuldigten umgehend Israel, einen Luftangriff auf das Spital durchgeführt zu haben. … Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte teilte hingegen mit, gemäss Geheimdienstinformationen habe eine fehlgeschlagene Rakete der Organisation Islamischer Jihad die Explosion verursacht.»

Die NZZ wies auch auf die prekäre Quellenlage hin: «Für internationale Journalisten ist es zurzeit nicht möglich, aus Gaza zu berichten. Was vor Ort passiert, erfährt die Welt vor allem durch Mitteilungen der Hamas-Behörden, Statements von humanitären Organisationen und Videos auf Social Media, die meist jüngere Palästinenser und lokale Reporter veröffentlichen

Achterberg fährt gnadenlos fort: «Die Medien, die der Propaganda aus Gaza auf den Leim gegangen sind, haben ihre Darstellungen inzwischen korrigiert. Doch ihre ursprünglichen Beiträge bleiben in der Welt

Was sie nicht erwähnt: wie akkurat die NYT auf die veränderte Nachrichtenlage bei dieser Meldung hinweist und dass sie sofort die Stellungnahme des israelischen Verteidigungsministeriums veröffentlichte, sobald diese vorlag.

Schliesslich biegt die Jungautorin zur Schlusspointe ab: «Die «New York Times», die in dieser Woche zu unvorsichtig war, hat sich selbst schon vor Jahren eine schöne Regel gesetzt: «If you read it in The Times, it must be true.» Übersetzt: Wenn es in der «Times» steht, dann muss es wahr sein. Wie man sieht, reicht es nicht, hehre publizistische Leitsätze zu formulieren. Man muss sich auch daran erinnern

Vielleicht sollte sich Achterberg daran erinnern, dass man schon zunächst korrekt zitieren sollte, bevor man ein Blatt wie die NYT in die Pfanne hauen will. Tut man das nicht, dann wird’s ein Rohrkrepierer …

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