Menschenverachtend

Die Gutmenschen sind Bösmenschen.

«Kevin Spacey im freien Fall. Seit Jahren hat der Schauspieler junge Männer belästigt und genötigt.» Tamedia, November 2017.

«In London laufen polizeiliche Ermittlungen gegen Spacey, der sich einer Sprecherin zufolge in therapeutische Behandlung begeben hat.» Tamedia, Dezember 2017.

«Soeben hat Scotland Yard Ermittlungen gegen Kevin Spacey aufgenommen, der als künstlerischer Leiter des «Old Vic» einen anderen Mann sexuell angegriffen haben sollTamedia, November 2017.

«CNN hatte von acht aktuellen oder früheren Mitarbeitern am Set von «House of Cards» berichtet, die Spacey mit Blick auf sexuelle Annäherungen ein «räuberisches» Verhalten vorwerfen. Sie beschuldigten ihn unter anderem, ein giftiges Arbeitsklima erzeugt zu haben.» Tamedia, November 2017.

«Kevin Spacey hat sich für einen sexuellen Übergriff auf einen 14-Jährigen entschuldigt – und zur Ablenkung sein Coming-out bekannt gegeben.» Tamedia, Oktober 2017.

Vorsicht vor Beschädigungen, Respekt vor der Unschuldsvermutung? Klarer Hinweis darauf, dass es sich um unbewiesene, teilweise Jahrzehnte zurückliegende Anschuldigungen handelt, deren Motivation nicht zuletzt Ruhm- und Geldgier ist?

Ach was. Nun Freispruch auf ganzer Linie in London. Sämtliche Anschuldigungen in den USA hatten sich schon zuvor in Luft aufgelöst. Nein, nicht in Luft. Spacey, einer der begabtesten Schauspieler unserer Zeit, der in «House of Cards» die Rolle seines Lebens gefunden hatte, wurde geächtet, von Hollywood ausgespuckt, aus fertigen Filmen geschnitten, in der Erfolgsserie gefeuert. Er hat sieben Jahre seines Lebens verloren – und all sein Geld, das für Anwälte draufging.

Hört man da bei Tamedia und bei allen anderen Blätter, die die damalige Hetze befeuerten und willig mitmachten, mit dem moralischen Zeigefinger wackelten, Behauptungen als Tatsachen darstellten, hört man da ein leises Wort des Bedauerns, der Entschuldigung gar?

Schlimmer noch, hat man gelernt? Wie der Fall Rammstein beweist: null und nichts wurde gelernt. Dem «Blick» wurde eine Verfügung um die Ohren gehauen, einen Schmierenartikel zu löschen. Selbst die NZZ vergriff sich und schrieb nassforsch vom Sänger als «Täter». Das wurde dann immerhin schnell korrigiert, aber der Fleck bleibt.

Inzwischen gehen Lindemanns Anwälte weiterhin konsequent gegen Kolporteure, Schmierer und Hetzer vor. Dem «Spiegel» – inzwischen einschlägig für solche Unterleibsstorys bekannt – wurden diverse Aussagen verboten. Einer Videobloggerin, die auch die Welle reiten wollte, um bekannter zu werden, wurden diverse kolportierte Aussagen untersagt.

Aber gibt es Anzeichen von Lernfähigkeit? Bei den grossen Medienkonzernen in der Schweiz null. Noch viel weniger bei «Republik», WoZ und Konsorten. Mit einer lobenswerten Ausnahme – wie meist. richtig, natürlich die NZZ.

Claudia Schwartz nimmt sich die Berichterstattung nach dem Freispruch Spaceys vor. Und urteilt so scharf wie richtig:

«Auch am Dienstag hielten manche Medien nicht inne. Freispruch vor Gericht? Das gilt jedenfalls für Prominente wie Kevin Spacey offenbar nicht mehr, ist die Meinung einmal gemacht. «Kein üblicher Verdächtiger» titelte das deutsche Magazin «Stern» wenige Stunden nach Prozessschluss, um dann, fett hervorgehoben, nochmals die Anschuldigungen in voyeuristischen Details aufzuwärmen. Dass Spacey bereits im vergangenen Oktober in einem ersten Zivilprozess von dem Vorwurf freigesprochen worden ist, den damals vierzehnjährigen Schauspieler Anthony Rapp sexuell belästigt zu haben: Wen interessiert’s?»

Schwartz geht noch weiter und sieht Anlass, «sich die Frage zu stellen, wie eine Gesellschaft zugerichtet ist, in der manche die Vorverurteilung höher gewichten als ein gerichtliches Urteil. «Ich verlor meinen Job, ich verlor meinen Ruf, ich verlor alles in nur wenigen Tagen. Noch bevor eine einzige Frage gestellt wurde», sagte Spacey zum Auftakt des Strafprozesses.»

Dann kommt sie zur einzig richtigen Schlussfolgerung: «Die Cancel Culture stösst nicht nur historische Figuren vom Sockel und verbannt Bücher, sondern sie geht – Kevin Spacey ist ein mahnendes Beispiel dafür – ans Lebendige und zerstört in moralischer Überheblichkeit Menschen, Karrieren, Existenzen. Deshalb sollte man auch das Urteil in derzeit diskutierten Fällen wie Til Schweiger oder Till Lindemann den Gerichten überlassen

So gut auch eine Stimme der Vernunft tut: sie geht unter im wilden Gekreisch und Gehetze auf den sozialen Plattformen, wo die Mainstream-Medien aus billigen Gründen mitschwimmen, wo jeder Kurzdenker und Kleinredaktor sich zum moralischen Grossinquisitor aufschwingen kann, vor Entrüstung beben, vorverurteilen – um dann feige zu schweigen.

Das ist verantwortungslos, erbärmlich und ein weiterer der vielen Sargnägel für diese Art von Medien, die keinerlei Mehrwert mehr enthalten. Ausser, Erregungsbewirtschaftung und wohlfeile Vorverurteilungen, das Errichten von Schandmalen, an denen sich das Publikum gütlich tun kann, sei ein Mehrwert.

 

6 Kommentare
  1. Ludwig Detusch
    Ludwig Detusch sagte:

    Hat die NZZ sich etwa bei Herrn Spacey entschuldigt oder gar die eigenen Verfehlungen mit allen «voyeuristischen Details aufgewärmt»? Natürlich nicht. Frau Schwartz› Artikel zeugt also keineswegs von Lernfähigkeit, sondern von mieser Heuchelei und kaltem Geschäftssinn. Abkassiert wird in jedem Fall, ganz egal, wie die Neuigkeiten lauten: Die NZZ ist dabei, und stets auf der richtigen Seite.

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  2. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Die Zusammenstellung der Tamedia-Hässlichkeiten spricht für sich. Oh, es galt übrigens jedes mal die Unschuldsvermutung.

    «hört man da ein leises Wort des Bedauerns, der Entschuldigung gar?»

    Wozu auch? Man hat im vorliegenden Fall zwar keinen totalen Sieg (also eine Verurteilung) erzielt, doch die Existenz des ideologischen Feindes (Mann, alt, weiss) ist trotzdem vernichtet. Genau darum ging und geht es ja.

    Für die primitivsten, niederträchtigsten Medienprodukte wie z.B. «Tages-Anlüger» gilt: Abos kündigen, Apps deinstallieren, auch Gratisartikel oder vermeintlich Neutrales nicht mehr lesen.

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    • Victor Brunner
      Victor Brunner sagte:

      Was kann man von JournalistenInnen erwarten die vorwiegend abschreiben oder Studien recyclen. Eigene Recherche keine, ausser Brupbacher geht ans Werk, Resultat auch nicht besser aber immerhin ideologisch geprägt!

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