Schlagwortarchiv für: Kevin Spacey

Schludriger «Spiegel»

Die Rammstein-Affäre wird zum «Spiegel»-Skandal.

Die Anwälte des Rammstein-Sängers Till Lindemann haben «Strafanzeige wegen Urkundenfälschung und versuchten Prozessbetrugs gegen die Verantwortlichen des Spiegel» eingereicht.

In einer Titelgeschichte hatte das Blatt behauptet, verschiedene Frauen hätten Anschuldigungen gegen den Sänger erhoben. Ein Journalist mit Vollklatsche in der Schweiz hatte sogar gefordert, dass wegen diesen wilden Behauptungen die Konzerte der Band abgesagt werden sollten. Wobei aber die Unschuldsvermutung gälte.

Auch das Hamburger Oberlandesgericht hat inzwischen die Verfügung der Vorinstanz bestätigt.

«Danach ist es dem Spiegel weiterhin untersagt, den Verdacht zu erwecken, Till Lindemann habe Frauen bei Konzerten der Gruppe Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen bzw. Drogen betäubt oder betäuben lassen, um ihm zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an den Frauen vornehmen zu können».

So viel zum Ende dieser unappetitlichen Medienhatz, in der sich einmal mehr fast alle unter grober Missachtung der Unschuldsvermutung auf ein angebliches Sexmonster gestürzt hatten. Allerdings konnte der Sänger, ähnlich wie Kevin Spacey, genügend finanzielle Mittel aufbringen, um sich erfolgreich gegen diese Denunziationen zur Wehr zu setzen. Im Gegensatz zu Spacey ist Lindemann sogar nicht Bankrott gegangen.

Und lässt weiterprozessieren, wobei – auch hier gilt die Unschuldsvermutung – eine unglaubliche Schlamperei des angeblich so seriösen Nachrichtenmagazins zum Vorschein kommen könnte.

Das hatte nämlich im Verfahren zwei eidesstattliche Versicherungen von Frauen eingereicht. Sie sollen von einer «Zoe» und einer «Sophie W.» stammen. Dabei fiel den Anwälten von Lindemann auf, dass die Versicherung von Zoe auf einer Seite mit einem unvollständigen Satz endete, während auf der nächsten Seite nur die Unterschrift der Dame stand.

Darauf hingewiesen, räumte der «Spiegel» ein, dass die ursprünglich eingereichten Eidesstattlichen gar nicht von diesen beiden Frauen stammten und reichte zwei neue ein. Ein Versehen des eigenen Prozessbevollmächtigten, behauptet das Blatt.

Das ist nun nicht gerade ein Kavaliersdelikt, daher die Strafanzeige.

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht darauf, auf welch dünnem Eis sich der «Spiegel» bewegt, wenn es darum geht, sich der «#metoo»-Bewegung anzudienen. Nicht einmal die behaupteten eidesstattlichen Versicherungen zwecks Beleg der Vorwürfe sind gerichtsfest.

Ähnlich spielte es sich auch beim Roshani-Skandal ab. Der «Spiegel» gab der Redaktorin, die gefeuert worden war, weil sie ihren Chef wegmobben wollte, ungefiltert die Gelegenheit, rachsüchtig über diesen Chef herzuziehen – mit offensichtlich unwahren oder unbewiesenen Behauptungen. Leider ging dann dem Betroffenen das Geld aus, er musste seine Klage gegen das Nachrichtenmagazin abbrechen.

Gerade ein Organ wie der «Spiegel» lebte und lebt davon, dass seine Aufdeckung von Skandalen belegt werden kann. Das ist ihm in der Vergangenheit mehrfach und grandios gelungen, man denke an den Neue-Heimat-Skandal oder die Parteispendenaffäre. Aber in den letzten Jahren macht das Blatt mehr mit internen Affären von sich reden; der Posten des Chefredaktors ist zum Schleudersitz geworden, und der GAU mit Claas Relotius bewies, wie sehr Gesinnung, voreingenommene Meinung und die fatale Tendenz, vor der Recherche oder Reportage bereits das Ergebnis zu definieren, Einzug gehalten haben.

Auch wenn das von der letzten verbliebenen Edelfeder Ullrich Fichtner wortgewaltig schöngeschrieben wurde, obwohl ihn Relotius die angestrebte Stelle des Chefredaktors kostete, sind das alles Symptome eines bedauerlichen Niedergangs.

Von der einstigen Grösse ist penetrante Arroganz übriggeblieben, tiefe Verunsicherung wird durch markige Worte überspielt, die Berichterstattung über die Präsidentschaftswahlen in den USA ist ein anhaltendes Desaster.

Der Kampf gegen die AfD nimmt krankhafte Züge an, immer mehr Leser geben resigniert auf. Bedauerlich ist der Niedergang deswegen, weil es gerade heute ein journalistisches Kraftwerk bräuchte, wie es der «Spiegel» einmal war. Allerdings fing der Niedergang schon an, als der Gründer, Herausgeber und langjährige Chefredaktor Rudolf Augstein auf die dem Zeitgeist geschuldete Idee kam, den Mitarbeitern die Mehrheit am Unternehmen zu schenken.

Das bereute er später bitterlich, aber es war nicht mehr rückgängig zu machen. Seither sind Primadonnenkämpfe, Intrigen und persönliche Befindlichkeiten oftmals wichtiger als unternehmerische Entscheidungen. Ein Trauerspiel, das vielleicht einmal zum Trauerfall wird.

Das kommt davon, wenn das unmögliche «sagen, was ist» durch das idiotische «sagen, wie es sein sollte» abgelöst wird.

Bock als Gärtner

Ueli Bernays tritt in der NZZ gegen Rammstein & Co. nach.

Aufhänger für ihn ist das Buch von Daniel Drepper, Lena Kampf: «Row Zero. Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie». Wer sich in solch vermintes Gebiet begibt, sollte wenigstens ordentlich identifiziert werden. So ist Drepper Mitgründer des sogenannten Recherchezentrums «correctiv», das unlängst mit einem teilweise auf Fälschungen beruhenden Bericht über ein sogenanntes Geheimtreffen in die Schlagzeilen geriet. Diverse wilde Behauptungen mussten zurückgenommen werden, ein mehr als peinliches Schauspiel.

Lena Kampf arbeitet im Ressort Investigative Recherche bei der «Süddeutschen Zeitung». Auch die hat sich in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, siehe Fall Aiwanger oder die Bespitzelung der eigenen Redaktion durch die Chefredaktion.

NZZ-Autor Bernays fiel beim Fall Rammstein durch eine grobe Entgleisung auf: «Till Lindemann und Rammstein: Aus dem Künstler ist ein Täter geworden», so titelte der Vorverurteiler, bis dann Vernunft einkehrte und so abgeschwächt wurde:

Allerdings war sich die NZZ zu fein, diese Korrektur für den Leser kenntlich zu machen. Die unanständige Behauptung im Text blieb allerdings stehen: «Ob es sich dabei um einvernehmlichen Sex gehandelt hat, ist kaum zu eruieren. Jedenfalls gab es kaum ein klares Ja.» Was Bernays da alles wusste. Als dann sämtliche Anschuldigungen gegen den Rammstein-Sänger im Sand verliefen, schwieg er verkniffen, schwieg sozusagen des Sängers Unhöflichkeit.

Aber nicht nur, wenn es um woke Denunziationen geht, ist Bernays vorne dabei. Auch Musiker mit einer ihm quer rüberkommenden politischen Meinung kriegen ihr Fett ab: «Achtung, Roger Waters ist wieder unterwegs. … breitbeinig und zielbewusst in alle möglichen Fettnäpfe … Plattform für diesen Wüterich … sein aufgeblasener Idealismus und seine Besserwisserei lassen ihn oft als Ritter von hässlicher Gestalt erscheinen.»

Also schlechte Voraussetzungen, um eine sachliche Buchrezension zu erwarten. Das ist sie natürlich auch nicht:

«In einem Buch kratzt ein deutsches Autorenduo an alten Rocker-Mythen». Das Groupie-Wesen, ja ja. Wie soll man volljährige weibliche Fans, die sich freiwillig ihren Popidolen andienen, nur vor sich selbst beschützen? Indem man von einer Zeitenwende schwafelt:

«Lange haben die Fans den selbstgerechten Sexkult ihrer Pop- Götter gefeiert oder zumindest akzeptiert. In den letzten Jahren aber haben sich die Sensibilitäten verändert. Seit man Michael Jackson den Missbrauch von Minderjährigen postum nachgewiesen hat, ist ein Star nach dem anderen ins Fadenkreuz eines kritischen, zumeist feministischen Blicks geraten

Da bewegt sich Bernays zunächst höchstens im Streubereich der Wahrheit, um es höflich zu formulieren. Ein Kläger wirft dem King of Pop posthum vor, ihn als Kind sexuell missbraucht zu haben. Und die Merkwürdig-Justiz der USA hat diese Klage – 15 Jahre nach dem Tod Jacksons – nun zugelassen, dann halt gegen dessen Produktionsfirma und Nachlassverwalter.

Vielleicht sollte man erwähnen, dasss der gleiche Kläger noch 2005 für Jackson vor Gericht aussagte. Das nahm er später zurück und scheiterte bereits 2021 als angebliches Missbrauchsopfer vor Gericht. Nun also ein neuer Anlauf, bei dem es, mangels Täter, nur um Geld geht. Aber solche Differenzierungen sind für Bernays natürlich zu kompliziert und würden seinen Thesen- und Gesinnungsjournalismus unangenehm stören.

Oder einfach: Jackson wurde weder zu Lebzeiten noch posthum Missbrauch «nachgewiesen». Ausser, man nimmt Behauptungen als «Nachweis», was eigentlich mit dem Niveau der NZZ nicht kompatibel sein sollte.

Dann leiert Bernays die Liste von Popstars runter, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Meistens aus finanziellen Absichten oder aber, damit sich das angebliche Opfer eine Scheibe vom Ruhm des angeblichen Täters abschneiden konnte. Selbst der Prozess gegen Harvey Weinstein muss inzwischen neu aufgerollt werden. So bleibt der Fall des verurteilten Sexualstraftäters R. Kelly ziemlich einsam stehen.

Nachdem Bernays immerhin darauf hingewiesen hat, dass es durchaus auch zu wilder Lynchjustiz in den sozialen Medien kommen kann, urteilt er am Schluss dennoch streng: «Sexhungrige Altstars sollten ihre Triebe nicht mehr auf Kosten überforderter Fans befriedigen können.»

Laut Bernays sollten also angeblich sexhungrige Altstars darauf verzichten, der Versuchung nachzugeben, wenn hysterische Fans sich für die Row Zero rekrutieren lassen, sich wunschgemäss einkleiden und ausser Rand und Band geraten, wenn sie zur Afterparty eingeladen werden, bei denen es allen Beteiligten klar ist, dass nicht in erster Linie Mikado gespielt und mit abgespreiztem kleinem Finger Tee getrunken wird?

Statt solche unsinnige Forderungen aufzustellen, hätte sich Bernays vielleicht mal eingehender mit seinem eigenen Fehlverhalten und den Vorverurteilungen vieler Kollegen (herausragend Andreas Tobler von Tamedia, der nassforsch forderte, «es gilt die Unschuldsvermutung», dass alle Rammstein-Konzerte in der Schweiz abgesagt werden müssten) beschäftigen.

Mit der Frage, wie es sein kann, dass beim Vorwurf «sexuelle Belästigung vor 20 Jahren» der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss, von Social Media und von Schmiermedien vorverurteilt wird, und wenn er dann wie Kevin Spacey siegreich aus allen Prozessen hervorgeht, ruiniert und um seine Karriere beraubt dasteht.

Mit der Frage, ob sich Unken wie Bernays und Tobler nicht haftbar oder schadenersatzpflichtig machen, wenn sie kolportieren, denunzieren und vorverurteilen.

Zauberhaft

Nun also auch David Copperfield.

Die «#metoo»-Bewegung ist schon längst entzaubert. Als oftmals missbrauchter Knüppel, um sich an Prominenten abzuarbeiten. Entweder, um etwas vom Schein deren Prominenz auf sich selbst abzulenken – oder aus rein finanziellen Erwägungen.

Als letztes grosses Opfer blieb der grosse Schauspieler Kevin Spacey zurück. Von allen Vorwürfen freigesprochen, aber ruiniert und für Jahre ohne seinem Talent entsprechende Rollen. Shit happens, sagen da die harten Vertreter von #metoo» (wenn sie überhaupt etwas sagen). Denn Typen wie Andreas Tobler sind schnell bereit, das Canceln von allen Konzerten von Rammstein in der Schweiz zu fordern. Aber wenn sich dann seine Unschuld herausstellt, schweigt er feige.

Nun hat es also noch den Zauberer David Copperfield erwischt. Es ist sozusagen das übliche Vorgehen. 16 Frauen beschuldigen ihn öffentlich, ihnen gegenüber sexuell übergriffig geworden zu sein. Die Vorfälle sollen sich von den späten Achtzigerjahren bis 2014 ereignet haben. Also der jüngste liegt 10 Jahr zurück; allesamt jenseits der Verjährungsfristen. Angezeigt wurde kein einziger dieser angeblichen Übergriffe.

Eines der möglichen Opfer behauptet unter Namensnennung, sie sei 1988 als damals 17-Jährige von Copperfield unter Drogen gesetzt und während einer Ohnmacht missbraucht worden. Schon 2007 hatte ihn eine frühere Schönheitskönigin bezichtigt, sie sexuell missbraucht zu haben. Da das in den Einzugsbereich des FBI fiel, untersuchte die Behörde zwei Jahre lang, ohne Ergebnis. Dieselbe Frau wurde dann später wegen der gleichen falschen Anschuldigung gegen ein anderes Opfer zu einer Geldstrafe verurteilt.

Schon 2018 hatte Copperfield geradezu seherisch vor der Verwendung falscher Anschuldigungen gewarnt, weil sie den tatsächlichen Opfern schadeten.

Das alles bedeutet nicht, dass all diese behaupteten Übergriffe erfunden oder imaginiert seien. Es ist nicht auszuschliessen, dass Copperfield ein Sexmonster mit einer Vorliebe für blutjunge Frauen ist. Die er mit dem Versprechen, ihnen bei ihrer Karriere behilflich zu sein, mehr oder minder willig machte, seinen Avancen nachzugeben. Oder die er unter Drogen setzte, damit sie ihm wehrlos ausgeliefert waren.

Nur: auch Copperfield beteuert und lässt durch seine Anwälte ausrichten, dass er sich niemals «unangemessen» verhalten habe, schon gar nicht gegenüber Minderjährigen. Er weist auch darauf hin, dass das nicht das erste Mal sei, dass er mit solchen (niemals zu einer Verurteilung führenden) Vorwürfen konfrontiert werde.

Schuld oder Unschuld ist hier nicht beweisbar. Nur hat die Anschuldigung «sexueller Übergriff» die fatale Folge, dass der Angeschuldigte eigentlich seine Unschuld beweisen muss. Reines Leugnen, Unschuldsvermutung, im Zweifel für den Angeklagten, der Nachweis muss über jeden vernünftigen Zweifel hinaus erfolgen, all diese Prinzipien des Rechts sind hier ausser Kraft gesetzt.

Stattdessen wird gemeint und vermutet. Die einen meinen, dass Copperfield doch sicher Zaubertricks angewendet habe, um Groupies ins Bett zu kriegen. Andere meinen, dass man es dem doch schon ansehe. Wieder andere meinen, dass er ein weiteres Opfer der sich wirklich wiederholenden gleichen Masche ist. Viele Jahre später melden sich Frauen nicht etwa bei den Strafbehörden, sondern bei den Medien, in diesem Fall dem «Guardian».

Der titelt recht merkwürdig: «Enthüllt: Magier David Copperfield wird des sexuellen Fehlverhaltens von mehreren Frauen beschuldigt». Das hätte eine «US-Investigation» des «Guardian» ergeben. Was für eine Untersuchung? Offensichtlich haben sich diese Frauen bei der Zeitung gemeldet, während Copperfields Anwälte die Anschuldigungen als «nicht nur komplett falsch, sondern auch völlig unplausibel» zurückweisen.

Nun ist es normalerweise eher schwierig, ein Ereignis, das wohl unter vier Augen vor vielen Jahren stattgefunden haben soll, zu beweisen. Es ist fast noch schwieriger, zu beweisen, dass es nicht stattgefunden hat.

Sicher ist einzig: damit ist auch der Ruf von Copperfield schwer beschädigt. Sollten sich auch diese Anschuldigungen (womit nicht gesagt sein soll, dass es keine widerlichen sexuellen Übergriffe unter Ausnützung von Jugend oder Machtgefälle gebe) in Luft auflösen, bleibt sicherlich mehr als ein schlechter Geruch zurück.

So wie Spacey, wie beim Sänger von Rammstein, wie bei anderen deutschen Prominenten. All denen klebt bis an ihr Lebensende an: war da nicht mal was? Aber sicher, wenn man reich und berühmt ist, dann kommt man aus allem heraus. Wobei sich bei solchen Anschuldigungen gerade zeigt, dass auch das Gegenteil der Fall ist.

Was hier besonders befremdet: die überdeutliche Parallelität zum Fall Rammstein. Ein mutmassliches Opfer meldet sich und steht mit Namen und Gesicht zu seiner Anschuldigung, die allerdings im Jahr 1988 stattgefunden haben soll. Dann melden sich weitere mutmassliche Opfer, fast alle anonym. Und alle diese 16 Frauen konnten bis heute niemals über das ihnen angetane Unrecht sprechen? Keine einzige kam auf die Idee, direkt nach dem Vorfall Anzeige zu erstatten? Aber jetzt bricht es gleichzeitig aus ihnen heraus?

Beschuldigt – schuldig

Unverzeihlich, dass Kevin Spacey von allen Vorwürfen freigesprochen wurde.

Er verlor die Rolle seines Lebens in der genialischen US-Serie «House of Cards». Er wurde aus einem abgedrehten Film herausgeschnitten, seine Szenen mit einem anderen Schauspieler nachgespielt. Spacey verlor sein gesamtes Vermögen, weil er es für seine Verteidigung ausgeben musste.

Die Karriere eines der besten Schauspieler unserer Zeit wurde brutal und abrupt unterbrochen. Weil Anschuldigungen von sexuellen Übergriffen erhoben wurden. Vielfach Jahre zurückliegend und oftmals aus pekuniären Gründen, oder damit sich der Denunziant ein Weilchen im Sonnenschein der medialen Aufmerksamkeit wichtig vorkommen konnte.

Zum Schluss wurde Spacey überall von allen Anwürfen freigesprochen, Sieg auf ganzer Linie. Ein bitterer Sieg, denn um ihn zu erringen, hatte Spacey alles verloren. Und die harte Fraktion der «#metoo»-Inquisitoren – wie in SZ oder Tagi – schrieb selbst das noch zu einem Freispruch zweiter Klasse um. Der Mann sei halt berühmt und reich, das habe geholfen.

Wie keifte Tamedia im November 2017? «Kevin Spacey im freien Fall. Seit Jahren hat der Schauspieler junge Männer belästigt und genötigt.» Soll haben? Ach was, beschuldigt heisst schuldig. Dass vor und während der Prozesse die Unschuldsvermutung galt, nach den Freisprüchen die Unschuldsgewissheit – was kümmert das diese verpeilten Rechthaber, die sich nicht eingestehen wollten, dass sie wie in anderen Fällen (Rammstein) zu wilder Hatz geblasen hatten. Ohne jede Rücksicht auf Ausgewogenheit oder Unparteilichkeit.

Spacey hat seither keine nennenswerte Rolle mehr bekommen, steht aber noch. Nun ist auch noch das Urteil gegen Harvey Weinstein aufgehoben worden. Ist dann mal gut mit solchen Hetzjagden? Aber nein, der Tagi hat noch nicht genug:

«Neue Vorwürfe gegen Kevin Spacey: Wie kann man zu «Saving Private Ryan» masturbieren

So widerlich wie der Titel ist auch der Inhalt des neuen Schmierenstücks. Filmredaktor Pascal Blum referiert den Zweiteiler auf dem englischen Channel 4 «Spacey Unmasked». Der Inhalt, laut Blum: «Zehn Männer kommen darin vor, praktisch alle äussern sich zum ersten Mal über das Verhalten des gefallenen Stars von «American Beauty» und «The Usual Suspects». Eine ganze Reihe von Vorwürfen, von ungewünschten Berührungen bis zu sexuellen Übergriffen. Vorwürfe, die nicht Teil von Gerichtsprozessen waren.»

Oder mit anderen Worten: schon wieder versuchen Denunzianten, mit Anschuldigungen gegen Spacey öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Wie die meisten solcher Vorwürfe haben sie zwei Dinge gemein: die Vorfälle liegen Jahre zurück, wurden nie angezeigt, wären längst verjährt – und beruhen auf  Behauptungen, was sich in Zweisamkeit oder ohne stützende Zeugenaussagen abgespielt haben soll. Also in einem Wort: übel.

Das sieht Blum aber ganz anders: ««Spacey Unmasked» mag motiviert sein von der Empörung darüber, dass der Starschauspieler von allen Vorwürfen freigesprochen wurde. Ein aktivistischer Angriff ist es dennoch nicht. Dafür sind die Interviews zu wenig sensationslüstern

Eine Dokumentation mit diesem Titel sei kein «aktivistischer Angriff»? Ja was denn sonst? Immerhin verlinkt Blum auf ein längliches Interview, das ein sichtlich angefasster Spacey auf X gegeben hat. Darin bestreitet er vehement die Vorwürfe, soweit er sich erinnern kann, nach so vielen Jahren. Allerdings sei sein Verhalten vielleicht manchmal peinlich gewesen, aber sicher nicht strafbar.

Damit meint Blum, seiner Pflicht zur Ausgewogenheit Genüge getan zu haben. Dabei hat er die bereits mit dem Titel in den Sand gesetzt. Der ist von abfeimter Fiesheit. Denn mit der Frageform will Blum vermeiden, diese Anschuldigung als wahr zu übernehmen. Das ist  ungefähr so scheinheilig, wie wenn er publizieren würde: ich sage ja nicht, dass Spacey ein homosexuelles Sexmonster ist.

Also wieder «much ado about nothing», wie der Shakespeare-Schauspieler Spacey deklamieren könnte. Bei einem so widerwärtigen Titel, wie ihn der Tagi gewählt hat, würde es ihm aber wohl die Sprache verschlagen.

Archäologie des Verschwindens

Was weg ist, fehlt nicht. Oder doch?

Wer erinnert sich noch an die grossen Debatten, ob eine Impfung gegen Corona nützt oder schädlich ist? Ob Ungeimpfte potenzielle Massenmörder seien? Da liefen Corona-Kreischen wie Marc Brupbacher zu Höchstformen auf, sahen völlige Verantwortungslosigkeit herrschen («Der Bundesrat ist völlig übergeschnappt») und das Ende der Welt nahen.

Vorher völlig unbeachtete Wissenschaftler überboten sich in Ankündigungen von Todeszahlen (Wissenschaftler Althaus gewann mit dem Höchstgebot von 100’000 Toten in der Schweiz).  Eine Task Force ermächtigte sich, verantwortungsfrei allen Politikern, inklusive Bundesrat, der sie eigentlich zwecks stillen Beratungsdienstleistungen ins Leben gerufen hatte, Noten, Ratschläge und besserwisserische Forderungen zukommen zu lassen.

Das Maskentragen war nicht nur obligatorisch, sondern Nicht-Träger wurden öffentlich an den Pranger gestellt; alle Dissidenten von der medial unterstützten Regierungslinie wurden als Corona-Leugner, Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker und willige Gefolgsleute von üblen Rechtspopulisten beschimpft. Wer an bewilligten Demonstrationen teilnahm, war ein nützlicher Idiot, wer sie mit Treicheln begleitete und den eidgenössischen Schlachtruf «Horus» anstimmte, ein Faschist.

Welche Schäden die hysterische und überzogene Politik wirtschaftlich und gesellschaftlich angerichtet hat – Schwamm drüber.

Vorbei, verweht, vergessen.

«#metoo», die grosse Bewegung gegen männliche Herrschaft, Übergriffe von Mächtigen auf Abhängige, der Aufschrei lange schweigender Frauen. Neben wenigen sinnvollen Anklagen produzierte die Bewegung eine Hexenjagd, diesmal aber auf Männer. Harvey Weinstein, als Sexmonster entlarvt und in den Knast gesteckt. Kevin Spacey und so viele andere: falsch beschuldigt, ruiniert, fertiggemacht, und wenn sie Jahre später von allen Anwürfen freigesprochen werden, interessiert das niemanden mehr wirklich. Die doppelte Endmoräne dieser Bewegung trägt die Namen Anuschka Roshani und Till Lindemann. Sie als Falschbeschuldigerin, er als Falschbeschuldigter.

Erinnert sich noch jemand daran, dass der heruntergekommene «Spiegel» dem Rammstein-Sänger sogar eine Titelgeschichte widmete, Roshani ihre grösstenteils frei erfundenen und längst widerlegten Anschuldigungen dort veröffentlichen durfte? Dass nun auch noch ein gefallener linker Starreporter seine Karriere beenden musste, weil ihm anonym verbale Übergriffe und ein angeblicher körperlicher Übergriff vorgeworfen werden, wobei eine medienbewusste Medienanwältin eine zwielichtige Rolle spielt: war da mal was?

Vorbei, verweht, vergessen.

«We stand with Ukraine», jede bessere WG machte neben der Pace-Fahne Platz für eine Ukraine-Flagge. Der ehemalige Schauspieler Volodymyr Selenskyj, an die Macht bekommt dank der Millionen eines ukrainischen Oligarchen, der sich damit eine Amnestie von gewaltigen Unterschlagungen erkaufte, wurde zum neuen Superhelden des Widerstands. Selbst eine Modestrecke in der «Vogue» mitsamt vor zerschossenen Flugzeugen posierender Gattin konnte diesem Image keinen Abbruch tun. Endlich war die Welt wieder in Ordnung. Nach dem bösen chinesischen Virus nun der böse russische Autokrat.

Seither dürfen Ukrainer und Russen in einem Stellvertreterkrieg verbluten. Der völkerrechtswidrige Überfall hat bislang Schäden in der geschätzten Höhe von 1000 Milliarden US-Dollar angerichtet. Zahlen wird die nicht Russland, auch nicht die Ukraine. Und erst recht nicht China oder Indien. Wer bleibt? Genau, in erster Linie die EU. Da gab es neulich eine gross angekündigte ukrainische Offensive. Wie geht’s der, wo steckt sie, ist sie erfolgreich, erfolglos, ist die Ukraine am Ende oder Russland oder beide? Wen interessiert’s im Moment, der arme Selenskyj versucht verzweifelt, darauf aufmerksam zu machen, dass es Hamas-Terrorismus und russischen gäbe. Dabei zählen seine westlichen Verbündeten ihre Munitions- und Waffenlager durch und fragen sich, womit sie allenfalls Israel unterstützen wollen.

Vorbei, verweht, vergessen.

Ein Treppenwitz ist dagegen, dass der grosse Shootingstar der Schweizer Literatur, der mehrfach preisgekrönte Kim spurlos verschwunden ist. Das eint ihn mit dem anderen grossen Gesinnungsblasenschreiber Lukas Bärfuss, von dem man auch noch kein ordnendes Wort zu den aktuellen Weltläufen gehört hat. So viel zu der gesellschaftspolitischen Verantwortung des Schriftstellers, die immer als Begründung herhalten muss, wenn mehr oder minder begabte Schreiber meinen, ihre persönliche Meinung zu diesem und jenem interessiere eine breitere Öffentlichkeit. Ach, und wo bleibt Sibylle Berg, die nach Plagiatsvorwürfen und leichten Zweifeln an der Authentizität von Reportagen auch deutlich leiser geworden ist.

Ein Treppenwitz im Treppenwitz ist, dass die Webseite von «Netzcourage» seit Tagen nicht mehr erreichbar ist, und ausser ZACKBUM ist das noch niemandem aufgefallen, bzw. keiner hält es für nötig, darauf hinzuweisen, dass nun Tausende, na ja, Hunderte, öhm, Dutzende, also eine Handvoll von Cybermobbing-Opfern unbeholfen und ungeholfen rumstehen. Ach, und es können wieder ungehemmt «Cockpics» verschickt werden, wovon angeblich bereits jede zweite Frau belästigt wurde. Nun kommt auch noch die andere Hälfte dran.

Vorbei, verweht, vergessen.

Sich prügelnde Eritreer, überhaupt Nachrichten aus den Elendslöchern dieser Gegend, aus Äthiopien, Sudan, Somalia, aber auch Tschad, Niger? Ach ja.Falsche Hautfarbe, keine nennenswerten Rohstoffe, Pech gehabt. Hat noch nie gross interessiert, interessiert aktuell überhaupt nicht. Armenier? Ach ja, die Armenier, war da nicht neulich was? Der religiöse Autokrat Erdogan, der die Errungenschaften Atatürks aus reiner Machtgier rückgängig gemacht hat und die Türkei ins Mittelalter zurückführen will, bombardiert als Kriegsverbrecher kurdische Lager in Syrien? Na und, ist aber doch in der NATO, hilft bei den Flüchtlingsströmen und daher ein Guter. Mohammed bin Salman, auf dessen Befehl hin ein Dissident unter Bruch aller diplomatischer Regeln in einer saudischen Botschaft brutal ermordet und zerstückelt wurde – nun ja, ein Freund des Westens, Waffenkäufer und Besitzer von Ölquellen. Da sehen wir ihm doch sein Gemetzel im Jemen auch gleich nach.

Vorbei, verweht, vergessen.

Hunderttausende von Kindern, denen bei der Kakaoernte Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die missbraucht, gequält, geschlagen, erniedrigt werden? Das wurde vom Läderach-Skandal überstrahlt, von der erschütternden Enthüllung, dass Läderach Senior als Mitglied einer Freikirchen-Sekte mitverantwortlich dafür war, dass vielleicht zwei oder drei Dutzend Zöglinge eines Internats ein wenig psychisch oder physisch misshandelt wurden.

Das Zurich Film Festival kündigte sofort erschreckt die Partnerschaft. Das gleiche Filmfestival, das den geständigen Vergewaltiger einer Minderjährigen Roman Polanski noch einige Jahre zuvor den Ehrenpreis fürs Lebenswerk überreicht hatte. Das gleiche Filmfestival, das ohne Skrupel solche Schoggi verteilt hätte, wenn das Problem nur darin bestanden hätte, dass sie mit ausbeuterischer Kinderarbeit gewonnen wird. Na und, Westafrika, Schwarze, who cares.

Vorbei, verweht, vergessen.

Israel, Israel, Israel. Ein bestialischer Überfall, das Abschlachten von Zivilisten. Das Vorgehen einer Mörderbande, wie es nur mittels der mittelalterlichen Todesreligion Islam möglich ist. Und schon wieder werden die Fundamente der Aufklärung in Frage gestellt. Es ist diskussionslos widerwärtig, dass in Deutschland (und in kleinerem Umfang auch in der Schweiz) antisemitische Ausschreitungen stattfinden. Wer die Sache Palästinas mit radikalfundamentalistischen Wahnsinnigen wie Hamas vermischt, ist ein Vollidiot und schadet der Sache Palästinas schwer. Aber wer Antisemitismus als wohlfeiles Totschlagargument gegen jede, auch gegen berechtigte Kritik an Israel verwendet, schadet einer fundamental wichtigen Sache unserer westlichen Gesellschaft: dem freien Diskurs. Der Überzeugung, dass nur im Austausch von Argument und Gegenargument, von Meinung gegen Meinung Erkenntnis und somit Fortschritt möglich ist.

Niemand hat das anschaulicher auf den Punkt gebracht als der ehemalige Pfaffenbüttel Giuseppe Gracia: «Wer Israel für Dinge kritisiert, die er bei anderen Staaten akzeptiert, ist ein Antisemit.» Wer Israel kritisiert, muss also zuerst Vorbedingungen erfüllen, die von Gracia und seinen Gesinnungsgenossen selbstherrlich aufgestellt werden. Wer Israel kritisiert, muss zuerst eine Litanei herunterbeten, welche anderen Staaten er auch kritisiert. Wer Israel kritisiert, muss zuerst Bekenntnisse ablegen. Zu oder gegen oder über. Sonst sei er Antisemit. Wer sagt «Israel verübt im Gazastreifen Kriegsverbrechen», dürfte das laut diesen Zensoren allenfalls nur sagen, ohne als Antisemit beschimpft zu werden, wenn er vorher sagt «Russland verübt Kriegsverbrechen in der Ukraine, die USA verüben Kriegsverbrechen überall auf der Welt, der Iran verübt Kriegsverbrechen, Saudiarabien, die sudanesische Regierung» usw. usf.

So wie früher die Inquisition forderte, dass Bekenntnisse abgelegt werden mussten, bevor in von ihr bestimmtem engem Rahmen Kritik an der Kirche geübt werden durfte. Bis man ihr dieses Recht wegnahm. So wie man es heute all diesen Anti-Aufklärern wegnehmen muss. Denn wer da zuschaut, wenn freie Rede beschränkt werden soll, ist das nächste Opfer.

Oder ganz einfach: grausame Kriegsverbrechen, die gegen Israel begangen werden, rechtfertigen, erklären, beschönigen nicht Kriegsverbrechen, die Israel begeht. Dass für persönlich Betroffene Hamas-Anhänger Tiere sind, die vernichtet werden müssen, ist menschlich verständlich. Dass der israelische Verteidigungsminister von menschlichen Tieren spricht, die als solche behandelt werden müssten, ist inakzeptabel. Ein militanter Israel-Verteidiger hat vor Kurzem in der NZZ eine richtige Frage gestellt: Wie kann Israel auf monströse Taten reagieren, ohne selbst zum Monster zu werden?

Auch beim Kampf gegen Monster darf man nicht selbst zum Monster werden. Auch gegen Palästinenser gab es Massaker, oder hat man die Namen Sabra und Schatila samt der üblen Rolle Israels bereits vergessen? Erinnert man sich schon nicht mehr an den Werdegang des aktuellen israelischen Ministerpräsidenten, den nur sein Amt vom Knast trennt? Entschuldigt, relativiert, verniedlicht, erklärt das die bestialischen Massaker der Hamas? In keiner Art und Weise. Aber es hilft dabei, nicht auf Stammtischniveau dumm zu schwätzen.

Das Schlimmste, was den Palästinensern in den letzten Jahren passiert ist, ist die Machtübernahme durch fundamentalistische Islamisten, durch Anhänger einer menschenverachtenden Todesreligion. Was Hamas will, ist Zerstörung, sie haben keinerlei positive Perspektive. Weder für Israel, noch für die Palästinenser. Was will aber Israel? Wo bleibt hier der gesunde Menschenverstand, der freie Diskurs, die konstruktive Debatte?

Einfache Frage: sollte es Israel gelingen, die Hamas zu liquidieren, wie es sein erklärtes Ziel ist: und dann?

Vorbei, verweht, unmöglich.

Die Schell-Schmiere

Wer meint, die Journaille könne sich nicht mehr tieferlegen …

Da gab es den Medienskandal um Kevin Spacey. Dann gab es den Medienskandal um Till Lindemann. Um Til Schweiger. Um einen Sternekoch. Um einen ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor. Um einen Reporter, der bei der WoZ und der «Republik» arbeitete.

Ach, und dann gibt es noch den Ukrainekrieg (gähn) und die Missbrauchsvorwürfe gegen die katholische Kirche (gähn). Eigentlich gäbe es die Inflation, die Altersvorsorge, die Krankenkassenprämien, die steigenden Lebensmittelpreise, den Energieschock, die Mieten. Die Heizkosten, die Masseneinwanderung, die Flüchtlingskrise. Aber alles etwas komplexere Themen, die ein Minimum an Kenntnissen voraussetzen. Also nix für die Journaille.

Die ist glücklich, wenn sich der selbstgemachte Läderach-Skandal nicht weiter auslutschen lässt, dass eine mässig begabte und bekannte Schauspielerin ihrer erlahmenden Karriere und dem schleppen Buchverkauf Schub geben möchte. Was eignet sich dafür besser als Mann, berühmt, tot. Was eignet sich dafür besser als Mutter, berühmt, tot. Also macht die Nichte von Maximilian Schell zunächst dunkle Andeutungen, um dann zu bestätigen, was jeder herauslesen konnte: ja, es war Schauspieler Schell, der mich missbrauchte.

Also findet sich sofort auch noch die Tochter, die das auch erlebt haben will. Tote können sich nicht mehr wehren, das ist sehr praktisch. Die Taten sind längst verjährt, das ist auch praktisch. Verleumdung eines Toten, wer will dagegen klagen oder vorgehen?

Die Witwe des 2014 verstorbenen Schauspielers sagt wohl das Nötige und Gültige zu dieser Schmiere:

«Ich finde es nur immer sehr problematisch, mit solchen Anschuldigungen nach so vielen Jahren an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn der Beschuldigte bereits seit 10 Jahren verstorben ist, sich nicht mehr dazu äussern und wehren kann und gleichzeitig die Promotion für ein neues Buch gestartet wird. Es hätte sicher Momente zu seinen Lebzeiten gegeben, ihn damit zu konfrontieren.»

Man kann es auch weniger höflich formulieren: das ist schlichtweg widerwärtig, unappetitlich, schamlos und entwürdigend für alle Beteiligten. Es ist diese ausgeleierte Nummer: Jahrzehntelang war es dem angeblichen Opfer nicht möglich, über die schrecklichen Vorfälle zu sprechen, geschweige denn, Strafanzeige zu stellen. Aber als Werbung für ein Buch ist der richtige Moment gekommen. Gesteigert wird diese Schmiere nur noch durch einem Skandal, Klickzahlen und Aufmerksamkeit alle Prinzipien opfernde Medien.

Als Begründung für das sehr späte Coming-Out wird immer die gleiche Ausrede missbraucht: das angebliche Opfer habe vorher nicht gekonnt, aber jetzt wolle es allen anderen Opfern Mut machen.

Wenn selbst die ehrwürdige NZZ einer mediengeilen Prostituierten ihre Spalten opfert und deren Lebensgefährten unwidersprochen von einem «Schicksalsschlag» schwafeln lässt, der in Wirklichkeit aus der Veröffentlichung eines verleumderischen Buchs mit unwahren und unappetitlichen Anschuldigungen bestand, dann muss sich ZACKBUM fragen, ob man fürderhin nicht ausschliesslich angelsächsische Medien lesen sollte. Denn selbst in der Schmiere ist ein «Daily Mirror» allem überlegen, was auf Deutsch erscheint. Und oberhalb davon gibt es mindestens ein Dutzend Qualitätsblätter, die diesen Namen auch verdienen.

Versager 3

Ein Männerberater darf im Tagi Unsinn verzapfen.

Bei einem Interview hat der Redaktor – neben dem Stellen von möglichst intelligenten Fragen – zwei Aufgaben. Er muss den Interviewten vor sich selbst beschützen. Und den Leser vor ihm.

Edgar Schuler hat hier tapfer gekämpft. Er interviewt den «Psychologen und Männerberater» Markus Theunert. Der freut sich natürlich über so viel Gratiswerbung. Und verzapft jede Menge Unsinn.

Gleich am Anfang galoppiert Theunert los: «Übergriffiges, grenzverletzendes, gewalttätiges Verhalten von Männern wird angeprangert, auch wenn es Männer mit Macht sind. Nicht der Missbrauch ist neu, sondern das öffentliche Anprangern

Schuler wendet ein, dass sich viele dieser Vorwürfe als falsch erwiesen und Karrieren zerstört wurden, zum Beispiel beim Schauspieler Kevin Spacey und beim Sänger Till Lindemann. Papperlapapp, meint Theunert: «Die Anschuldigungen erwiesen sich ja nicht als falsch, sondern in den beiden konkret untersuchten Fällen als strafrechtlich nicht genügend. Bei beiden Männern gibt es von zahlreichen Menschen ähnliche Anschuldigungen. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass da einfach nichts dran sei.»

Will sich wirklich jemand von so einem Psychologen helfen lassen, der selbstherrlich meint, Scharfrichter sein zu dürfen und selber Schuld von Unschuld unterscheiden kann?

Auch auf die Frage, was Theunert den Männern sage, die sich nicht mehr trauen, alleine mit einer Frau im Lift zu fahren, hat der Psychologe eine knallharte Antwort: «Ich halte diese Männer für ein Phantom. Für eine Kunstfigur zwecks Schüren von Verunsicherung. Oder sind Sie schon einmal einem begegnet

Als Schuler das bestätigt, fällt der Psychologe in ein psychologisches Koma: «Echt? (zögert) Das macht mich grad etwas betroffen. Diese Angst ist mir fremd

Aber nun zum Werbespot für Theunerts neues Buch. Das hat natürlich eine Mission: «Was ich will: Männer ermutigen, ihren eigenen Weg zu finden, ohne sich von Männlichkeitsimperativen so arg beschneiden zu lassen. Das ist eine grosse Aufgabe! Wir haben da eine historische Chance.»

Er spricht da, ganz der Küchenpsychologe, natürlich aus eigenen Erfahrungen: «Wie alle Männer, die in einer patriarchalen Gesellschaft wie unserer aufgewachsen sind, habe ich toxische Männlichkeitsnormen verinnerlicht.» Deshalb habe er gedacht, er werde männlicher, wenn er mit möglichst vielen Frauen schlafe.

Aber dann hat er sich selbst entgiftet. Wie das? «Indem ich mich – auch emotional – der Einsicht gestellt habe: Das macht mich leer und letztlich einsam.»

Fehlt noch was? Aber ja, es ist Wahlkampf, da muss natürlich noch das gute, alte SVP-Bashing sein: «Ich finds eher interessant, weshalb die SVP so lange gewartet hat, bis sie auf den Anti-Gender-Zug der rechtspopulistischen Internationalen aufgesprungen ist. Das Muster ist global und leicht durchschaubar: Wer das Bewirtschaften von Ressentiments als politisches Geschäftsmodell hat, landet fast zwangsläufig beim Gender-Thema.»

Ganz im Gegensatz zu einem «Männerberater», der ein Geschäftsmodell daraus gemacht hat, Männer zu beraten, wie sie bessere Männer werden. Oder so.

Eigentlich ist im Song «Männer» von Herbert Grönemeyer mehr Erkenntnis drin als in all diesem Gequatsche.

 

Charakterlumpen

Aus rechtlichen Gründen wahren wir die Anonymität. Aber wohl jeder weiss, wer gemeint ist.

Kevin Spacey war einer der besten und vielbeschäftigten Hollywoodstars unserer Zeit, In «House of Cards» hatte er die Rolle seines Lebens gefunden. Bis er Jahre zurückliegender sexueller Belästigungen bezichtigt wurde. Von einem Moment auf den anderen verlor er alles. Ruf, Karriere, Geld.

Der hetzende Mob in den sozialen Medien, begleitet vom hetzenden Mob in den Massenmedien, senkte den Daumen über ihn. Der mediale Volksgerichtshof entschied: schuldig im Sinne der Anschuldigung, Gerichtsverfahren überflüssig, klare Sache. Nachdem Spacey nun von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde, hat sich der verbale Lynchmob, wie seine realen Vorgänger in der Geschichte, still und leise verkrümelt. Ohne ein Wort des Bedauerns. Nur einem Mann wie Spacey mit gewissen finanziellen Möglichkeiten war es überhaupt vergönnt, das juristisch durchzustehen.

Finn Canonica hat nicht so viel Geld wie Spacey. Er begann, in Deutschland gegen den «Spiegel» zu prozessieren, der einer rachsüchtigen ehemaligen Mitarbeiterin von ihm, die zudem gefeuert worden war, eine Plattform geboten hatte, um eine Kaskade von erfundenen oder nicht belegbaren Beschuldigungen über ihn auszuschütten. Als ihm das Geld ausging, triumphierte der «Spiegel», er habe gesiegt. Dabei hat die üble Nachrede, die Existenzvernichtung mittels Anschuldigung von Belästigungen gesiegt.

Dieser Fall beinhaltet noch eine Steigerung der Widerwärtigkeit. Dass die üblichen Japser und Hetzer über Canonica herfielen, wie sie das unbelehrbar immer tun, leider normal heute. Aber seine Beschuldigerin fühlte sich so unangreifbar und sicher, dass sie sogar behauptete, bei gewissen Vorfällen sei die Redaktion Zeuge gewesen. Offensichtlich besteht diese Redaktion aber aus Charakterlumpen.

Denn kein Einziger dieser tapferen Verteidiger des Guten, dieser Besserwisser und moralisch Überlegenen, kein Einziger dieser Rechthaber, dieser Kämpfer für Menschenrechte, kein Einziger dieser Heuchler und Feiglinge kam auf die Idee, öffentlich Zeugnis abzulegen. Sei es als Bestätigung der Beschuldigungen, sei es als Dementi.

Leider machen diese Charakterlumpen sogar noch weiter Karriere, so verludert ist der Journalismus inzwischen.

Der zurzeit im Feuer von anonymen Beschuldigungen stehende Journalist wirft mit seinem Fall ein weiteres Schlaglicht auf die verlotternden Sitten und Zustände in angeblich linken, moralisch sauberen Redaktionen. Zum einen ist es keine Art, schon wieder höchstwahrscheinlich längst verjährte Anschuldigungen aus feiger Anonymität heraus zu kolportieren. Sind sie verjährt, dann besteht der einzige Gesetzesverstoss in einer Persönlichkeitsverletzung des Beschuldigten.

Dafür gibt sich sogar das Staatsradio hin, ein Sender, der eigentlich gewissen journalistischen Mindeststandards genügen sollte. Wie eine solche Denunziationsorgie durch alle Kontrollinstanzen rutschte und ausgestrahlt wurde, inklusive einer faktischen Enthüllung des Namens des Angeschuldigten, ungeheuerlich.

Aber das kann man noch steigern. Stimmen die Angaben, dann war das übergriffige und triebhafte Verhalten des Journalisten schon seit vielen Jahren bekannt. Nicht mal ein offenes Geheimnis. Allerdings kam es nie zu einer einzigen Anzeige, nie zu einer einzigen Beschwerde bei den dafür reichlich vorhandenen Institutionen. Aus unerfindlichen Gründen scheinen sechs Frauen beschlossen zu haben, gemeinsam und in feiger Anonymität erst heute über ihn herzufallen. Bislang mit dem üblichen, vernichtenden Erfolg.

Aber: dieses so verdammenswerte Verhalten des Journalisten haben über all die Jahre so sensible Redaktionen wie die vom «Magazin», von der WoZ, von der «Republik» nicht bemerkt? Stimmt es etwa nicht, dass mehr als einmal sein Verhalten recherchiert wurde, entsprechende Artikel aber abgewürgt, nicht publiziert wurden? Stimmt es etwa nicht, dass dieses Verhalten Bestandteil von Redaktionsklatsch war?

Und jetzt wollen all diese Charakterlumpen nichts gewusst haben, nichts gehört haben, nichts mitbekommen haben? Sind alle erschüttert, entrüstet, entsetzt, verurteilen entschieden, finden strenge, strafende Worte? Nachdem sie den Beschuldigten jahrelang als Star abfeierten, seine immer merkwürdiger werdenden Reportagen mit Jubelschreien begrüssten? Meinen sie ernsthaft, dass ihnen das noch jemand abnimmt?

Mit welchem moralischen Recht soll denn das «Magazin», die WoZ, die «Republik» jemals wieder einen Artikel über sexuell übergriffiges Verhalten am Arbeitsplatz schreiben? Traut sich einer dieser Charakterlumpen tatsächlich, einen weiteren Kommentar gegen Männerherrschaft, gegen Diskriminierung, für die Recht der Frau zu schreiben? Ohne dabei rot zu werden?

Das Allerletzte bei dieser ganzen Veranstaltung ist: natürlich werden sie all das tun. Es wird nach der ersten Schrecksekunde ein unerträgliches Gequatsche und Geschwurbel geben, eine Mischung aus ganz leiser Selbstkritik und ganz viel Eigenlob, dass man nun aber alles viel besser aufgestellt habe, das ein Weckruf war, so etwas nie mehr passieren könne. Vielleicht entschuldigen sich diese Charakterlumpen noch dafür, dass ein solches Sexmonster so lange völlig unerkannt sein Unwesen treiben konnte.

Aber nicht im Traum wird es ihnen einfallen, dass sie nur noch eins sind: lächerliche Hanswurste, in aller Erbärmlichkeit als Heuchler und Opportunisten ertappt. Eigentlich sollte nicht nur der Beschuldigte sich einen neuen Beruf suchen. Sondern sie alle auch. Das wäre endlich mal eine hygienische Reinigung des besudelten Journalismus.

Man darf ja noch träumen.

Menschenverachtend

Die Gutmenschen sind Bösmenschen.

«Kevin Spacey im freien Fall. Seit Jahren hat der Schauspieler junge Männer belästigt und genötigt.» Tamedia, November 2017.

«In London laufen polizeiliche Ermittlungen gegen Spacey, der sich einer Sprecherin zufolge in therapeutische Behandlung begeben hat.» Tamedia, Dezember 2017.

«Soeben hat Scotland Yard Ermittlungen gegen Kevin Spacey aufgenommen, der als künstlerischer Leiter des «Old Vic» einen anderen Mann sexuell angegriffen haben sollTamedia, November 2017.

«CNN hatte von acht aktuellen oder früheren Mitarbeitern am Set von «House of Cards» berichtet, die Spacey mit Blick auf sexuelle Annäherungen ein «räuberisches» Verhalten vorwerfen. Sie beschuldigten ihn unter anderem, ein giftiges Arbeitsklima erzeugt zu haben.» Tamedia, November 2017.

«Kevin Spacey hat sich für einen sexuellen Übergriff auf einen 14-Jährigen entschuldigt – und zur Ablenkung sein Coming-out bekannt gegeben.» Tamedia, Oktober 2017.

Vorsicht vor Beschädigungen, Respekt vor der Unschuldsvermutung? Klarer Hinweis darauf, dass es sich um unbewiesene, teilweise Jahrzehnte zurückliegende Anschuldigungen handelt, deren Motivation nicht zuletzt Ruhm- und Geldgier ist?

Ach was. Nun Freispruch auf ganzer Linie in London. Sämtliche Anschuldigungen in den USA hatten sich schon zuvor in Luft aufgelöst. Nein, nicht in Luft. Spacey, einer der begabtesten Schauspieler unserer Zeit, der in «House of Cards» die Rolle seines Lebens gefunden hatte, wurde geächtet, von Hollywood ausgespuckt, aus fertigen Filmen geschnitten, in der Erfolgsserie gefeuert. Er hat sieben Jahre seines Lebens verloren – und all sein Geld, das für Anwälte draufging.

Hört man da bei Tamedia und bei allen anderen Blätter, die die damalige Hetze befeuerten und willig mitmachten, mit dem moralischen Zeigefinger wackelten, Behauptungen als Tatsachen darstellten, hört man da ein leises Wort des Bedauerns, der Entschuldigung gar?

Schlimmer noch, hat man gelernt? Wie der Fall Rammstein beweist: null und nichts wurde gelernt. Dem «Blick» wurde eine Verfügung um die Ohren gehauen, einen Schmierenartikel zu löschen. Selbst die NZZ vergriff sich und schrieb nassforsch vom Sänger als «Täter». Das wurde dann immerhin schnell korrigiert, aber der Fleck bleibt.

Inzwischen gehen Lindemanns Anwälte weiterhin konsequent gegen Kolporteure, Schmierer und Hetzer vor. Dem «Spiegel» – inzwischen einschlägig für solche Unterleibsstorys bekannt – wurden diverse Aussagen verboten. Einer Videobloggerin, die auch die Welle reiten wollte, um bekannter zu werden, wurden diverse kolportierte Aussagen untersagt.

Aber gibt es Anzeichen von Lernfähigkeit? Bei den grossen Medienkonzernen in der Schweiz null. Noch viel weniger bei «Republik», WoZ und Konsorten. Mit einer lobenswerten Ausnahme – wie meist. richtig, natürlich die NZZ.

Claudia Schwartz nimmt sich die Berichterstattung nach dem Freispruch Spaceys vor. Und urteilt so scharf wie richtig:

«Auch am Dienstag hielten manche Medien nicht inne. Freispruch vor Gericht? Das gilt jedenfalls für Prominente wie Kevin Spacey offenbar nicht mehr, ist die Meinung einmal gemacht. «Kein üblicher Verdächtiger» titelte das deutsche Magazin «Stern» wenige Stunden nach Prozessschluss, um dann, fett hervorgehoben, nochmals die Anschuldigungen in voyeuristischen Details aufzuwärmen. Dass Spacey bereits im vergangenen Oktober in einem ersten Zivilprozess von dem Vorwurf freigesprochen worden ist, den damals vierzehnjährigen Schauspieler Anthony Rapp sexuell belästigt zu haben: Wen interessiert’s?»

Schwartz geht noch weiter und sieht Anlass, «sich die Frage zu stellen, wie eine Gesellschaft zugerichtet ist, in der manche die Vorverurteilung höher gewichten als ein gerichtliches Urteil. «Ich verlor meinen Job, ich verlor meinen Ruf, ich verlor alles in nur wenigen Tagen. Noch bevor eine einzige Frage gestellt wurde», sagte Spacey zum Auftakt des Strafprozesses.»

Dann kommt sie zur einzig richtigen Schlussfolgerung: «Die Cancel Culture stösst nicht nur historische Figuren vom Sockel und verbannt Bücher, sondern sie geht – Kevin Spacey ist ein mahnendes Beispiel dafür – ans Lebendige und zerstört in moralischer Überheblichkeit Menschen, Karrieren, Existenzen. Deshalb sollte man auch das Urteil in derzeit diskutierten Fällen wie Til Schweiger oder Till Lindemann den Gerichten überlassen

So gut auch eine Stimme der Vernunft tut: sie geht unter im wilden Gekreisch und Gehetze auf den sozialen Plattformen, wo die Mainstream-Medien aus billigen Gründen mitschwimmen, wo jeder Kurzdenker und Kleinredaktor sich zum moralischen Grossinquisitor aufschwingen kann, vor Entrüstung beben, vorverurteilen – um dann feige zu schweigen.

Das ist verantwortungslos, erbärmlich und ein weiterer der vielen Sargnägel für diese Art von Medien, die keinerlei Mehrwert mehr enthalten. Ausser, Erregungsbewirtschaftung und wohlfeile Vorverurteilungen, das Errichten von Schandmalen, an denen sich das Publikum gütlich tun kann, sei ein Mehrwert.

 

Denunziations-Maschinen

Soziale Medien werden zum Rache-Verstärker. Die Medien auch.

«Unter einer Denunziation versteht man das Erstatten einer (Straf-)Anzeige durch einen Denunzianten aus persönlichen, niedrigen Beweggründen, wie zum Beispiel das Erlangen eines persönlichen Vorteils. … Das Wort «denunzieren» hat noch eine weitere Wortbedeutung, nämlich „als negativ hinstellen, brandmarken, öffentlich verurteilen“.»

Die Definition des Begriffs aus Wikipedia ist einfach. Die Methode selbst ist abartig und widerwärtig. Dazu gibt es aus dem Jahre 1884 ein hübsches Gedicht, das das Wesen des Denunzianten auf den Punkt bringt:

«Verpestet ist ein ganzes Land,
Wo schleicht herum der Denunziant.
[…]
Der Menschheit Schandfleck wird genannt
Der niederträcht’ge Denunziant.»

Üblicherweise erfolgen Denunziationen anonym. Im Rahmen der «#metoo»-Bewegung hat sich aber ein neues Modell entwickelt. Der Denunziant steht mit seinem Namen hin, denunziert aber eine einzelne Person oder eine ganze Gruppe von nicht genannten Opfern. Herausragendes Beispiel ist dafür der «Protestbrief» von 78 erregten Tamedia-Mitarbeiterinnen, die über 60 angebliche Vorfälle als Beleg aufführten, dass im Konzern eine frauenfeindliche, diskriminierende, sexistische und demotivierende Stimmung herrsche.

Kleiner Schönheitsfehler: keine einzige dieser Denunziationen war verortbar. Es fehlten Umstände, Zusammenhänge, Zeitangaben. Daher konnte bis heute kein einziger Vorwurf verifiziert oder falsifiziert werden.

Eine Steigerung dazu stellt das dar, was gerade (und ausgerechnet) der linksradikalen deutschen Punkband «Feine Sahne Fischfilet» passiert. Sie muss sich damit auseinandersetzen, dass ein anonymer Blog anonyme und nicht einmal spezifizierte Vorwürfe angeblicher «sexualisierter Gewalt» mit angeblich 11 Opfern erhoben hat. Diese Denunziation tauchte im August 2022 im Internet auf und verfolgt die Band seither wie ein Gespenst.

Nicht nur für Patrizia Laeri sind solche Behauptungen sexueller Übergriffe ein wohlfeiles Transportmittel, um mal wieder in die Medien zu kommen. Solche Vorwürfe haben meistens drei Dinge gemein. Sie werden von einer Frau erhoben, sie liegen jenseits aller Verjährungsfristen in der Vergangenheit, sie wurden damals nicht aktenkundig gemacht, und sie richten sich zumindest öffentlich gegen unbekannt, gegen eine nicht genauer identifizierte Person. Damit wird jeglicher Klage oder Anzeige wegen Rufschädigung oder Ehrverletzung vorgebeugt.

Stellt sich in einer Untersuchung (die sich nach so vielen Jahren naturgemäss sehr schwierig gestaltet) heraus, dass sich der Vorwurf nicht erhärten lässt, zudem bei genauerer Betrachtung Widersprüche auftauchen, dann behauptet die Denunziantin, dass hier sicherlich schwerwiegende Fehler begangen wurden. Gerne deutet sie auch an, dass es sich um Männersolidarität handeln könnte.

Das Schweizer Farbfernsehen hatte es letzthin gleich mit zwei solcher Fälle zu tun. Einer betraf einen welschen TV-Starmoderator, der andere angeblich eine Führungskraft am Leutschenbach. Beide Denunziationen stellten sich als halt- und substanzlos heraus.

Die verschärfteste Version ist die öffentliche Hinrichtung mit Namensnennung in einem reichweitenstarken Titel. Das exerziert gerade eine gefeuerte Mitarbeiterin gegen ihren ehemaligen Chef und ihren Ex-Arbeitgeber durch. Beide hat sie öffentlich und mit Namensnennung denunziert, gegen den Arbeitgeber hat sie Klage eingereicht.

Besonders fatal ist hier noch, dass diese Denunziation im leserstarken «Spiegel» erschien, begleitet von einer fast zeitgleichen Veröffentlichung in der «Zeit» durch die offensichtlich mit der Denunziantin verbandelte Journalistin Salome Müller, die deren Behauptungen ungeprüft und im Indikativ übernahm. Zudem mit weiteren angeblichen anonymen «Zeugenaussagen» ausschmückte.

Hier zeigt eine genauere Überprüfung der konkret beschriebenen Vorwürfe, dass sie in ihrer grossen Mehrheit nicht haltbar sind, zum Teil aus der Lüge überführter Quelle stammen und von keinerlei namentlichen Zeugen bestätigt wurden.

Nicht einmal das mögliche und naheliegende Motiv der Urheberin – Rache, nachdem sie ihr Ziel nicht erreichte, den Posten des Angeschuldigten zu erobern und stattdessen gefeuert wurde – wurde vor Veröffentlichung zumindest überprüft.

Ob es sich um anonyme Anschuldigungen in den asozialen Medien oder um Behauptungen in den Mainstream-Medien handelt: immer entwickelt sich schnell ein ganzer Schwarm von Kolporteuren, die die Denunziation aufnehmen, ausschmücken, mit angeblichen (und natürlich auch anonymen) weiteren Zeugenaussagen unterfüttern.

In keinem dieser Fälle gelingt es jemals – unabhängig davon, ob die Vorwürfe erfunden und erlogen sind oder zumindest teilweise zutreffen –, den Geist wieder in die Flasche zu kriegen. Kann der Betroffene seine Anonymität wahren, hat er noch Schwein gehabt. In keinem einzigen Fall getraute sich ein so anonym Angerempelter, öffentlich hinzustehen und zu sagen: Ich soll der Täter gewesen sein, das ist aber erstunken und erlogen.

Obwohl oder gerade weil bei solchen Denunziationen die Beweisumkehr gilt. Nicht der Beschuldiger muss seine Behauptungen beweisen, der Beschuldigte muss seine Unschuld belegen können. Wie aber soll das ihm gelingen, da es sich meistens um Ereignisse handelt, die sich naturgemäss unter vier Augen, Ohren und zwei Körpern abspielten – sehr häufig vor vielen Jahren.

Nicht nur in der Schweiz gibt es erschreckende Beispiele für diese neue Denunziationskultur. Der deutsche Komiker Luke Mockridge wurde zu Unrecht der versuchten Vergewaltigung beschuldigt. Obwohl das Verfahren eingestellt wurde (eben typisch Männersolidarität), begleiten seine Tourneen seither Proteste, auch in der Schweiz, er soll gecancelt werden, von der Bühne verschwinden. Die Juso Zürich entblödeten sich nicht, gegen seinen Auftritt im Hallenstadion eine Petition zu starten.

Der US-Schauspieler Kevin Spacey verlor seine ihm auf den Leib geschneiderte Hauptrolle in «House of Cards»; bislang kam es zu keiner Verurteilung gegen ihn. Der schmutzige Scheidungskrieg zwischen Amber Heard und Johnny Depp endete trotz massiver Anschuldigungen gegen ihn mit seinem Sieg. Beschädigt blieben beide zurück. Dem 85-jährigen Morgan Freeman wurde vorgeworfen, vor vielen Jahren anzügliche Bemerkungen auf Filmsets gemacht zu haben. Schliesslich wurde Bob Dylan beschuldigt, vor fast 60 Jahren sexuell übergriffig geworden zu sein. Diese Klage machte ihn zum Rekordhalter, noch vor Dustin Hoffman, gegen den lagen die Vorwürfe lediglich rund 50 Jahre zurück.

Was all diesen Fällen gemeinsam ist: sie verhöhnen die Opfer wirklicher Belästigungen, Übergriffe, Vergewaltigungen. Vor den öffentlichen Gerichtshöfen der Moral werden gnadenlos und schnell gesellschaftliche Todesurteile ausgesprochen, Karrieren vernichtet, Menschen jahrelang wenn nicht lebenslänglich stigmatisiert.

Dass das Internet, die sozialen Plattformen dafür ungeahnte Möglichkeiten bieten, ist widerlich, aber wohl kaum vermeidbar. Dass sich auch sogenannte Qualitätsmedien daran beteiligen, allen voran und bedauerlicherweise der deutsche «Spiegel», ist abscheulich und wäre durchaus vermeidbar.

Dafür müssten sie sich nur an ein paar grundlegende Regeln des Handwerks erinnern. Motivlage des Anklägers. Faktencheck. Umfeldrecherche. Zeugenbefragung. Aufdecken von Widersprüchen. Und bei wackeliger Ausgangslage: Verzicht auf Publikation.

Aber seit der Unsitte der «Leaks» und «Papers», also das Arbeiten mit Hehlerware aus anonymen Quellen mit völlig undurchsichtigen Motiven, sind die Massstäbe eindeutig verrutscht. Nicht zum Wohle der Bezahlmedien …

Kläglich ist auch die Reaktion involvierter Medien auf Anfragen. Tamedia (wir wollen es bei diesem Begriff belassen) räumt lediglich ein: «Wir können bestätigen, dass eine Klage bei uns hängig gemacht wurde. Weitere Details dazu können wir nicht bekannt geben.» Also was genau Anuschka Roshani einklagte und wie sich Tamedia dagegen zu wehren gedenkt: Staatsgeheimnis. Auch die «Zeit», deren Mitarbeiterin Müller eine mehr als zwielichtige Rolle in der Affäre spielt, geruht nicht mehr, auf Anfragen zu reagieren. Ein Verhalten, das von Journalisten sonst gerne lauthals beklagt wird.

Besonders widerwärtig ist dabei, dass es auch rechtlich kaum Möglichkeiten gibt, sich gegen solche Denunziationen zur Wehr zu setzen. Was soll ein Gericht zu geschickt formulierten, viele Jahre zurückliegenden Vorwürfen sagen, die die Denunziantin damit begründet, dass es sich laut ihr so abgespielt habe oder sie zumindest eine Äusserung so empfunden habe?

Geradezu brüllend komisch ist eine Nebenwirkung dieser neuen Denunziationskultur. Viele Chefs entdecken hier den Vorteil des Grossraumbüros. Und sollten dennoch Gespräche zu heiklen Themen (ungenügende Arbeitsleistung, Kritik an einem Fehler, gar Kündigung) in vertraulichem Rahmen stattfinden, wird inzwischen immer ein Zeuge dazugerufen. Am besten weiblich und verlässlich. Damit die Kritisierte erst gar nicht auf die Idee kommt, mit einer Denunziation zurückzuschlagen.

Ausserdem getraut sich kein Mann, der noch bei Sinnen ist, in einen Lift einzusteigen, in dem sich eine einzige Frau befindet. Auch das Führen eines Tagebuchs drängt sich auf, mit wichtigen Eckdaten. So kann man dann beispielsweise den Vorwurf, es sei bei einer Jahre zurückliegenden Weihnachtsfeier zu anzüglichen Bemerkungen (oder gar Handlungen) gekommen, problemlos als Lüge entlarven, weil die Feier gar nicht stattfand – oder man gar nicht anwesend war …