Bernays verliert die Fassung

Kaum lobt man die NZZ …

Ueli Bernays: aus dem Journalisten ist ein Denunziant geworden. Denn der Feuilletonredaktor der NZZ, zuständig für «die Themen Pop, Jazz und Comics», titelt unverfroren:

«Till Lindemann und Rammstein: Aus dem Künstler ist ein Täter geworden».

Wird nun auch gleich die ganze Band in Sippenhaft genommen?

Im Text schmiert er dann weiter, als habe er die Vermutung in ZACKBUM gelesen: «Mittels Whatsapp-Gruppen bildet Makejeva – eine Art Maxime Ghislaine von Till Lindemann – ganze Groupie-Netzwerke, auf die sie immer wieder zurückgreifen kann.»

Ist denn inzwischen auch in der NZZ alles erlaubt? Jemanden zum Täter ohne strafrechtlich relevante Anklage, geschweige denn Strafuntersuchung, geschweige denn Verurteilung zu machen? Eine mögliche Helferin, die Groupies für die an den meisten Popkonzerten vorhandene «Row Zero» aussucht, mit Ghislaine Maxwell vergleichen, ohne deren Namen richtig schreiben zu können?

Aber dann hat doch noch das Korrektorat eingegriffen, vorher:

 

Nachher:

Auch beim Titel siegte lange nach Publikation ein wenig die Vernunft, vorher:

Nachher:

Nicht gerade souverän für ein Weltblatt ist, dass diese Korrekturen nicht kenntlich gemacht wurden …

Ist nun auch in der NZZ erlaubt, solche haltlosen Vermutungen und Unterstellungen publizieren zu dürfen: «Ob es sich dabei um einvernehmlichen Sex gehandelt hat, ist kaum zu eruieren. Jedenfalls gab es kaum ein klares Ja.» Kaum zu eruieren, kaum ein klares Ja? Woher weiss Bernays das, wieso darf er das publizieren?

Ist in der NZZ inzwischen auch erlaubt, dass sich jemand an der Definition von Kunst versucht und dabei ein bedenklich tiefes intellektuelles Niveau offenbart: «Kunst bleibt Kunst, solange sie sich auf Andeutung beschränkt und sich gegen die Banalität des Realen abgrenzt.» Die halbe Kunstgeschichte von Goya bis Salgado, von Büchner bis Brecht ist dann laut Bernays gar keine Kunst. Was für ein Stümper.

Ist es in der NZZ inzwischen auch erlaubt, dass sich ein Redaktor am Schluss seines Hassgesangs gegen Rammstein selber relativiert und einen Salto mortale unternimmt, was Sachlogik und Stringenz der Aussage betrifft: «Es ist durchaus zu befürchten, dass dann auch wieder strenge Moralisten auf den Plan treten, um die Libertinage in Rock und Pop zu beschränken. So könnten Lindemanns Verfehlungen dazu führen, dass sich die Grenzen des Sagbaren, Singbaren und Zeigbaren verengen. Die Freiheit der Kunst leidet unter ihren Verrätern.» Sagt der überstrenge Moralist Bernays, der journalistische Prinzipien verraten hat.

Das mag alles zu befürchten sein. Realen Anlass zur Furcht bieten aber solche Artikel, die mehrfach gegen die Grundregeln des Publizierens, des Anstands und auch gegen die Unschuldsvermutung und vorsichtigen Umgang mit Vorverurteilungen verstossen.

Auch die NZZ hat sich in der Affäre Roshani nicht gerade mit Ruhm und Ehre bekleckert. Zuerst hat sie kräftig Partei für die Anklägerin ergriffen, um dann die gesamten Medien in die Pfanne zu hauen, die das auch getan haben. Ohne jede Spur von Selbstkritik.

Nun zeigt Bernays, der einen berühmten Namen trägt, aber wohl nicht mit Edward Bernays verwandt ist, dass die NZZ weiterhin nichts gelernt hat. «Feine Sahne Fischfilet», Luke Mockridge, Finn CanonicaTill Schweiger, ein Drei-Sterne-Koch, nun Till Lindemann. Immer wieder wird eine neue männliche Sau durchs Dorf getrieben.

Die demagogische Methode könnte aus dem Buch «Propaganda» abgeschrieben sein, wenn die Autoren so gebildet wären, es zu kennen. Andeutungen, Konjunktive, anonyme Quellen, Rufmord, ungeprüfte und umüberprüfbare Behauptungen, völliges Fehlen der Untersuchung der Motive der Personen, die anschwärzen – was für ein blamables Bild bietet der Journalismus hier.

Der «Spiegel» musste schon mehrfach üble Verleumdungen zurücknehmen. Im aktuellen Fall wird nicht einmal ein sexueller Übergriff, eine strafbare Handlung behauptet. Dennoch reicht das für Schreibtischtäter wie Bernays, um von einem «Täter» Lindemann zu faseln. Er ist sowieso mit Vorverurteilungen und Urteilen schnell zur Hand. Das bewies er schon gegenüber Roger Waters. Der wurde von Bernays auch hingerichtet, mit einem rechthaberischen Hassgesang:

«Achtung, Roger Waters ist wieder unterwegs. … breitbeinig und zielbewusst in alle möglichen Fettnäpfe … Plattform für diesen Wüterich … sein aufgeblasener Idealismus und seine Besserwisserei lassen ihn oft als Ritter von hässlicher Gestalt erscheinen.»

Im Boulevard mit seinen üblichen Zuspitzungen («Schumacher: das erste Interview») mag das noch angehen. Aber dass auch die NZZ so niveaulos wird, ist erschütternd.

 

4 Kommentare
  1. Vergissmeinnicht
    Vergissmeinnicht sagte:

    In der Privatwirtschaft wäre ein solches strafbewehrtes Vorgehen mit einer fristlosen Kündigung quittiert worden. So wurde doch insbesondere der verleumderische Titel ganz bewusst gewählt um Klicks zu generieren.

    Das Internet vergisst ja bekanntlich nix, so ist der Titel, der Till sei ein Täter, immer noch abrufbar.

    Man darf gespannt sein ob der Betroffene gegen die NZZ klagen wird, was wohl mega teuer werden wird!

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  2. Manfred
    Manfred sagte:

    Die NZZ positioniert sich heute etwa da, wo der Tagi vor 10 Jahren war. Man lässt sich vom linken Mainstream vor sich her treiben, genau wie das die serbelnde Mutterpartei FDP auch tut. Das ist in der Tat «erschütternd».

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  3. Jean-Louis Frossard
    Jean-Louis Frossard sagte:

    Wie recht Sie haben, Herr Zeyer, das Verhalten der NZZ ist absolut erschütternd. Soll so eine erfolgreiche journalistische Expansion nach Deutschland aussehen? Dieser Feldzug stoppt wohl schon, bevor er richtig angefangen hat. Liebe NZZ, ihr merkt gar nicht, wie sehr ihr euch selber schadet.

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