Richard Herzinger hetzt
Manchmal gibt auch die NZZ wahren Kriegsgurgeln eine Plattform.
Natürlich verbietet sich der Kalauer Hetzinger, denn Namensscherze sind grenzwertig. Er liegt aber dennoch auf der Zunge, wenn man die Dithyrambe auf westliche Werte, im Duett mit Hassgesängen auf die «Diktaturen der Welt» liest, zu denen der langjährige Kolumnist Herzinger, der auch für eine ukrainisches Magazin seine Feder hergibt, in der NZZ anhebt. Denn nach den Achsen des angeblich Guten und des Bösen, wozu die USA zum Beispiel Kuba zählen, gibt es nun auch die «Achse der Zerstörer».
Hetzingers steile These: «Die Diktaturen aller Welt schliessen sich zusammen, um die regelbasierte globale Ordnung zu zertrümmern – noch hat der Westen in der Ukraine die Chance, den ganz grossen Krieg abzuwenden.»
Das ist so unsinnig und falsch, dass nicht mal das Gegenteil richtig wäre. Worin die «regelbasierte globale Ordnung» besteht, dazu kommen wir gleich. Zunächst aber rüstet Herzinger verbal gewaltig auf: Putins Besuch beim Diktatorzwerg Kim Jong Un habe «deutlich gemacht: Russland baut systematisch eine weltweite Kriegsfront gegen die westlichen Demokratien auf». Es handle sich um einen «demonstrativen Schulterschluss mit der wohl grauenvollsten Diktatur, die derzeit auf dem Globus existiert», mehr noch, «das putinistische Russland» signalisiere, «dass es bei der Auswahl seiner Verbündeten keinerlei Hemmschwellen mehr kennt».
So geht das weiter und weiter im aggressiven Gelaber. Aber machen wir hier einen kurzen Stopp und schauen uns die Widersprüche, Falschaussagen und fehlerhaften Interpretationen genauer an. Präsident Putin hat einen Diktator besucht, der von Chinas Gnaden existiert. Normale Machtpolitik, so wie auch der US-Präsident ohne zu zögern jeden Diktator besucht, der nur eine Voraussetzung mitbringen muss: er steht auf der Seite des Westens, zumindest gibt er das vor.
Wieso das der systematische Aufbau einer «Kriegsfront» gegen den Westen sein soll, das bleibt das dunkle Geheimnis von Herzinger. Potenzielle Kriegsfronten weltweit kann man wohl am besten an der Anzahl von Militärbasen messen. Die USA unterhalten rund 1000 solcher Militärstützpunkte ausserhalb ihres Territoriums. Russland – 21. China: 2. Das Militärbudget der USA ist grösser als das der nachfolgenden zehn Staaten zusammen. Also erzählt hier Herzinger völligen Unsinn.
Auf den stapelt er eine weitere, völlig unbewiesene Behauptung: «In Wahrheit rüstet sich Russland massiv für eine jahrelange Fortsetzung seines genozidalen Feldzugs gegen die ukrainische Nation.» Wenn man den kriegerischen Schwätzer beim Wort nehmen darf, will also Russland die ukrainische Bevölkerung vernichten. So wie das der Hitlerfaschismus im europäischen Teil der Sowjetunion tun wollte. Beleg dafür? Null.
Nachdem er so die Basis für weitere Aufschwünge ins behauptete Ungefähre gelegt hat, geht’s nun richtig los:
«Das Ziel des kriminellen Regimes in Moskau ist nicht weniger, als die gesamte auf universellen Werten und Normen gegründete internationale Ordnung zum Einsturz zu bringen und sie durch das Recht des Stärkeren zu ersetzen.»
Universelle Werte und Normen? Die da wären? Freiheit und Demokratie in der brutalen Diktatur in Saudi-Arabien? Der erfolgreiche Aufbau einer Zivilgesellschaft im Irak oder Libyen? Die traditionelle Unterstützung jeder blutrünstigen Diktatur in der Dritten Welt – vorausgesetzt, sie lässt transnationale Firmen, vor allem aus den USA, ungeniert wüten? Schon immer war es das universelle Werteprinzip der USA, das Präsident Roosevelt perfekt auf den Punkt brachte, als er über den grausigen nicaraguanischen Diktator sagte: «Somoza may be a son of a bitch, but he’s our son of a bitch.» Somoza mag ein Hurensohn sein, aber er ist unser Hurensohn.
Deshalb unterstützten ihn die USA bis zum bitteren Ende, deshalb führten sie einen schmutzigen Krieg gegen die Revolution, die ihn endlich stürzte. So wie die USA direkt oder indirekt – selbstverständlich nur zur Wahrung universeller Werte – Hunderte von Malen seit dem Zweiten Weltkrieg überall auf der Welt direkt militärisch oder versteckt mit Geheimdienstaktionen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder eingriffen. Müssen diese Fälle hier wirklich nochmal aufgezählt werden? Nein, Herzinger kennt sie sicher, ignoriert sie aber.
Für ihn, eine Unterstellung, ist Henry Kissinger sicher auch in erster Linie ein Friedensnobelpreisträger und grosser Staatsmann – und nicht ein Kriegsverbrecher, brutaler Machtpolitiker und opportunistischer Heuchler.
Wo Herzinger verbal hinschlägt, landet er eine Fehlschlag. Serbien, «das im Windschatten von Russlands Kriegskurs die Gelegenheit wittert, seine revanchistischen Ziele bezüglich Kosovos und Bosnien-Herzegowinas zu verwirklichen». Gutes Beispiel; die westliche Wertegemeinschaft versprach nach dem Jugoslawienkrieg die Unantastbarkeit der serbischen territorialen Integrität. Um dann – nicht zuletzt angeführt von der damaligen Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey – das abtrünnige Kosovo als unabhängigen Staat anzuerkennen. Die Wertegemeinschaft macht also bei diesem Mafia-Staat, dessen erster Präsident vor dem Gerichtshof für Menschenrechte wegen schwerer Verbrechen angeklagt ist, genau das Gleiche wie Russland im Fall der Ukraine. Aber wenn zwei das Gleiche tun …
Doch Russlands Ziele gingen noch viel weiter: «der historische Zeitpunkt für den Umsturz der bestehenden Weltordnung» sei « jetzt gekommen – wie das Ende der Epoche der liberalen Demokratie insgesamt». Beweis, Beleg? Behauptung.
Fehlt noch einer in diesem Panoptikum des Schreckens? Nach dem Iran kommt natürlich auch noch China dran. Auch da schlägt Herzinger beherzt (Pardon) zu: «Das totalitäre chinesische Regime unter Xi Jinping verbindet seinerseits das Festhalten an der marxistisch-leninistischen Staatsideologie mit einem extremen nationalistischen und kulturchauvinistischen Überlegenheitsanspruch, gemäss dem China gleichsam zivilisationsgeschichtlich zur Führung der gesamten Menschheit berufen ist.»
Marxistisch-leninistische Staatsideologie? Wenn das die chinesische Führung wüsste. Führung der gesamten Menschheit? Diesen Anspruch, im Gegensatz zu europäischen Staaten oder den USA, hat China in seiner mehrtausendjährigen Geschichte noch nie gehabt, im Gegenteil.
Aber das grausamste Schicksal in seinen realitätsfernen Alpträumen hat Herzinger den Ukrainern zugedacht: «Der Westen muss jetzt endlich alles daransetzen, dem von seinem übermächtig scheinenden Nachbarn überfallenen Land einen möglichst schnellen, umfassenden Sieg zu ermöglichen.»
Schneller und umfassender Sieg? Alles daran setzen? Also Einsatz der NATO, Bodentruppen, eventuell auch Atomwaffen?
Glücklicherweise hört kaum jemand mehr auf Herzinger, der deshalb mit seinen Kolumnen schon in die Ukraine ausweichen muss. Aber die NZZ gibt diesem Amok eine Plattform. Der als Solo-Rambo mit seinen Vernichtungsfantasien, seiner einäugigen Polemik durchaus eine Gefahr für diesen Planeten darstellt. Aber da kein Entscheidungsträger auf seine kriegslüsternen Plattitüden hört, ist auch diese Gefahr überschaubar.
Liberale Meinungsplattform hin oder her: kurz nachdenken, bevor man jeden hanebüchenen Wahnsinn veröffentlicht, das würde auch der NZZ gut anstehen.
nicht hetzen Herr Brunner
und Herrn Abt mit dem Wumms der Woche gleichsetzen.
Wenn Ihnen die Sicht der andern Seite mit durchaus bedenkenswerten Voten & Fakten nicht passen, dann bitte im Forum melden, was Herr Abt für falsche Informationen oder tendenziöse Sichtweisen verbreitet.
Was denn für Sie als guter Schweizer destabilisierend auf Ihr Weltbild einwirken könnte.
Ist immer gut, wenn eine Stimme aus der ‹Mitte› zur Vorsicht vor Propaganda mahnt.
Also, her mit facts.
..»das Ende der Epoche der liberalen Demokratie»…
Die Epoche der liberalen Nachkriegsdemokratien in Europa geht tatsächlich zu Ende, aber nicht verursacht durch Putin, sondern durch den «Wertewesten» selber.
Der Herzinger soll weiterträumen.
Die Realität ist ja wirklich kaum zum Aushalten!
«Die Achse der Zerstörer» – seit wann macht NZZ Boulevard?
Artikel:
«Liberale Meinungsplattform hin oder her: kurz nachdenken, bevor man jeden hanebüchenen Wahnsinn veröffentlicht, das würde auch der NZZ gut anstehen».
Wäre auch bei Propagandaartikeln von Felix Abt anhemessen.