«Wir müssen und wir werden Erfolg haben»
Sagt der VR-Präsident der NZZ über seine Strategie. Nur: welche hat er?
Es ist immer, nun ja, ein wenig heikel, wenn ein Oberchefredaktor seinen Oberboss interviewt. Auch wenn es nur sein halber ist, da Etienne Jornod und die NZZ zur Hälfte an CH Media beteiligt sind.
Also buchen wir die ersten Fragen unter Warmlaufen ab, oder allenfalls als Schleimspur, auf der Patrik Müller dann zu den wichtigen Fragen rutscht.
«Super-Entscheid», «die Entwicklung ist phänomenal», «ich geniesse hier jeden Tag, um unsere Strategie weiter mitzuschärfen und umzusetzen». Das ist alles wunderbar, und man kann nur hoffen, dass Jornod von Natur aus zu einem heiteren Gemüt neigt und dafür nicht irgendwelche Pillen einwerfen muss.
Die Strategie, einfach gesagt
Nach dieser Portion Optimismus wagen sich nun die Interviewer zur entscheidenden Frage vor: Wie sieht denn diese mitgeschärfte und umgesetzte Strategie aus, «in wenigen Worten»? Na, kein Problem für Jornod:
«Die NZZ muss so gut sein, dass man sie unbedingt braucht. Dass sie unverzichtbar ist.»
Das ist mal eine Strategie, von der wir alle uns eine geschärfte Scheibe abschneiden sollten. Wer hätte das vor Jornod gedacht, dass ein Produkt so gut sein sollte, dass man es unbedingt braucht. Hätte man das nur schon vorher gewusst, hätten sich viele Unternehmen Probleme oder gar den Bankrott ersparen können. Denn sie versuchten immer nur, Produkte herzustellen, die nicht so gut sein mussten, damit man sie unbedingt braucht.
Nachdem das mit der Strategie nun geklärt ist, was muss denn weiter umgesetzt werden? Auch dazu hat Jornod eine allgemein verständliche Antwort:
«Wir brauchen mehr Informationen darüber, was unsere Leser genau wollen.»
Sehr richtig, denn wenn man das nicht weiss, dann wird’s natürlich schwierig.
Wenn man das allerdings weiss, dann ist’s wie bei Frédy Girardet. Das ist nun ein so kühner Gedankengang von Jornod, dass wir etwas erklären müssen. Girardet war ein 3-Sterne-Koch in Crissier, der sein Lokal 1996 verkaufte. Zuvor verlangte er schon zu der «Uni-Zeit» von Jornot 200 oder 300 Franken für ein Menü. Das habe man damals als verrückt bezeichnet, erinnert sich Jornod an seine Studentenzeit. Vielleicht hätte er damals mal einen Abstecher zu Max Kehl machen sollen.
1800 Franken für ein Jahresabo? Kein Problem
Aber wie auch immer, was haben vergangene kulinarische Höchstleistungen mit der NZZ zu tun? Ganz einfach:
«Fünf Franken pro Tag liegen drin, um klüger zu sein.»
Nun müssen aber die Interviewer kurz den Taschenrechner gezückt haben und fragen deshalb, ob denn 1800 Franken für ein Jahresabo wirklich möglich sei. Da weicht Jornod gern ins Ungefähre aus und meint, dass eine Anpassung nach oben doch realistisch sei, bei «unserem Leistungspaket».
Spätestens hier hätte ich als Mitarbeiter der NZZ echt Schiss. Denn wenn mein für Strategie und Ausrichtung des Unternehmens verantwortlicher VR-Präsident einen solchen Stuss erzählt, wie soll es denn gut enden? Die NZZ hat tatsächlich mehr Abonnenten als zum Amtsantritt Jornods, wie der erfolgsverwöhnt vermeldet. Dass das allerdings im Wesentlichen auf Gewinne von Schnupper- oder Online-Abonnements zurückzuführen ist, während die NZZ schon heute Mühe hat, über 800 Franken für das Print-Abo zu bekommen, hier deshalb die Zahlen abnehmen, warum soll sich ein VR-Präsident von solchen Kleinigkeiten die gute Laune verderben lassen.
Es gibt nur einen alternativlosen Plan A
Richtig weiche Knie bekäme ich bei der Antwort auf die Frage, ob es auch einen Plan B gebe, wenn das mit den Abos nicht klappt:
«Es gibt keinen Plan B. Wir müssen und wir werden mit unserer Strategie Erfolg haben.»
Die letzten Male, als es keinen Plan B gab und der Plan «A wie alternativlos» Erfolg haben musste, klatschte die Swissair in den Boden, und die Credit Suisse überlebte den versuchten Umbau zur Allfinanzbank nur knapp.
Da Jornod das Präsidium der NZZ nicht ganz auslastet, hat er sich vor Kurzem noch ein Pharmaunternehmen namens OM Pharma gepostet, für 435 Millionen Franken. Wie würde der 67-Jährige also sein bisheriges Lebenswerk umschreiben?
«Angefangen als Drogist, haben wir aus einen Grosshändler eine Apothekenkette gross gemacht, danach eine Pharmafirma aufgebaut und schliesslich eine Zeitung weiterentwickelt. Jetzt folgt eine Biotechfirma.»
Weiterentwicklung ist ein interpretierbares Wort
Abgesehen davon, dass sich bei CH Media die Auflösung des Korrektorats schmerzlich bemerkbar macht: Der Fehlgriff mit dem ersten CEO Veit Dengler, der Flop in Österreich, die missglückte Inthronisierung von Markus Somm, der kühne Versuch, mit weniger Angebot höhere Preise zu verlangen, das kann man man nur begrenzt als «Weiterentwicklung» verkaufen.
Aber wie Philippe Bruggisser mit seiner gescheiterten «Hunter»-Strategie, wie Lukas Mühlemann mit seiner gescheiterten Allfinanzbank-Strategie – das Schlimmste, was Jornod passieren kann, ist ein nicht so ehrenhafter Abgang. Ob ihn allerdings die NZZ überleben wird, ist zu hoffen, aber nicht ganz sicher.
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