Kurz & knapp: die «Republik»

Lassen wir doch Zahlen statt Buchstaben sprechen.

Höhepunkte aus einer Woche «Republik»:

  • «Das wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus». 15’737 Anschläge
  • «Was diese Woche wichtig war». 18’225 A
  • «Bührle Connection, Teil 3» 53’749 A (kein Tippfehler)
  • «Powerpoints gegen den Terror». 29’228 A

Der letzte Text ist rezykliert aus «New Lines», wo er am 10. September 2021 erschien.

Damit gratulieren wir der angeblich «kompetentesten Medienmarke».

 

Mehr Sichtbarkeit für Körper mit Vagina!

Qualifikation durch Geschlecht: der neuste Gender-Unsinn.

Die Welt hat das eine oder andere Problem. Kriege, Hungersnöte, Unterdrückung, Ausbeutung, Diktaturen. Und erst noch der Klimawandel.

Frauen haben Probleme. Klitorisbeschneidung in vielen rückständigen Ländern der Welt. Brutale Unterdrückung in Indien und anderen patriarchalischen Gesellschaften, wo Frauen misshandelt, entstellt und mit weniger Wertschätzung als eine heilige Kuh behandelt werden.

Frauen halten in vielen Gesellschaften die Wirtschaft am Laufen, sind fast ausschliesslich die Empfänger von Mikrokrediten, weil sie – im Gegensatz zu den Männern – damit verantwortungsvoll umgehen können.

In Afghanistan und anderswo werden sie von fanatischen Islamisten ins Gefängnis der Burka, der Unselbständigkeit, der völligen Abhängigkeit vom Mann zurückgequält. Oder mittels perverser Auslegung des Korans dort gehalten. Sie werden als Sexsklaven missbraucht, als Gebärmaschinen, als billigste Arbeitskräfte ohne die geringsten Rechte.

Es gäbe also genug Themen und Kampffelder, auf denen man (und natürlich auch frau) sich für Frauen einsetzen könnte. Aber das würde in Anstrengung ausarten, wäre nicht so toll telegen und so billig zu erreichen – wie der Einsatz für mehr «Sichtbarkeit».

Die Verantwortlichen des «Edit-a-thons». Nein, Männer verstehen den Titel nicht.

Im öffentlichen Leben und in den Medien ist es nach vielen Kämpfen und Diskussionen einigermassen gelungen, dass sich ein Kriterium für die Berechtigung das Wort zu ergreifen, durchgesetzt hat: Qualifikation. Kompetenz.

Etwas zu sagen haben, das war mal ein Massstab

Es ist gut, wenn ein Arzt etwas zu medizinischen Fragen sagt. Ein Wissenschaftler zu wissenschaftlichen Themen. Ein Architekt zu architektonischen. Oder ein Betroffener zu ihn betreffenden Problemen. Ein katholischer Priester zu Verhütungsmethoden. Öhm, eher weniger.

Aber wir haben das Prinzip wohl verstanden. Qualifikation und Kompetenz ist nichts, was mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat. Kompetenz ist auch themenunabhängig. Nicht nur Schwule können etwas zur Homosexualität sagen. Nicht nur schwarze Frauen dürfen sich zu Problemen schwarzer Frauen äussern. Auch weisse, alte, heterosexuelle Männer haben das Recht, sich über den ganzen Genderzoo mit über 160 verschiedenen Orientierungen lustig zu machen.

Das ist eine fundamentale Errungenschaft der demokratischen und öffentlichen Debatte. Man muss nicht mehr Mann, Besitzbürger, weiss, adlig oder Würdenträger sein, um mitzudiskutieren. Wer solche Forderungen heute aufstellen würde, machte sich lächerlich. Echt jetzt?

Michael Ringier und Marc Walder als Frauenversteher.

Es gibt einen Rückfall in diese längst überwunden geglaubten Massstäbe. Sie, Pardon, er kommt als «Equal Voice» daher oder als «Edit-a-thon». Zum sechsten Mal fand am Mittwoch ein Zusammensein von Frauen bei Kaffee und Kuchen statt, wo Strick- und Kochrezepte ausgetauscht wurden.

Schade, ZACKBUM hätte so gerne mitgemacht. Obwohl wir keinen Körper mit Vagina zu bieten hätten.

Sturm auf Wikipedia

Nein, leider nicht. Die virtuell Anwesenden bemühten sich, neue Einträge für Wikipedia zu verfassen. Ausschliesslich über Frauen. Warum? Die Mitveranstalterin Susanne Wille schwurbelt auf «persoenlich.com»: «Gleichstellung beginnt auch mit Sichtbarkeit, mit Auffindbarkeit, mit einer Präsenz im Netz. Auch in der Kultur ist – wie überall – Gleichstellung wichtig. Es gibt noch immer zu wenige Dirigentinnen, Künstlerinnen, die medial sichtbar sind. Konkret will ich darum anlässlich des diesjährigen Edit-a-thons die Biografie einer Kulturschaffenden für Wikipedia verfassen.»

Veranstaltet wird die Sause von der Kulturchefin von SRF, die es eigentlich in der Hand hätte, dort für mehr «Sichtbarkeit» zu sorgen. Zusammen mit Katia Murmann und Muriel Staub. Natürlich unvermeidlich ist auch Patrizia Laeri mit an Bord. Obwohl alle diese Frauen – ausser Staub – schon einen Wikipedia-Eintrag haben. Bei Laeri zum Beispiel wird vermerkt:

«Von Juli bis August 2020 war sie Chefredaktorin bei CNNMoney Switzerland.»

Das fragt sich man und Mann, ob es wirklich eine gute Idee mit den Fraueneinträgen auf Wikipedia ist.

Die armen Schweine des Gebührensenders hingegen müssen sich zunehmend nicht nur mit Ausgewogenheit in jeder Beziehung, der Verwendung eines Knacklauts zur korrekten Aussprache von «Journalist:innen» und ähnlichem Unsinn herumschlagen, sondern nun auch noch damit:

«Die Redaktionen und Teams erfassen Daten täglich. Das Datenteam von SRF hat Datenblätter zur Verfügung gestellt, mit denen sich das Datensammeln besonders einfach und effizient gestalten lässt. Jede Redaktion bestimmt einen Datenverantwortlichen, der die entsprechenden Daten sammelt.»

Welche Daten? Die Daten über die Anzahl von Körpern mit Vagina, die als Expertinnen zu Gehör kamen, erklärt Wille. Einzige Qualifikation: eine aktive oder ehemalige Menstruierende zu sein.

Wer solche Kriterien aufstellt oder umsetzt, ist der schlimmste Sexist von allen.

It’s a man’s, man’s world, ladies and gentlemen and beyond.

 

 

Impfwoche! Spritz dir eins!

Wir leben im Paradies der pluralistischen Medien. Und glauben an den Weihnachtsmann.

Der Bund wirft ein paar Millionen Steuergelder auf, um mal richtig vorwärts zu machen mit dem Impfen. Impf dir eins, dann gibt’s Raclette. Nimm den Impfbus. Booster dir eins. Einen hübschen Teil der Millionen gibt der Staat für Medienkampagnen aus. Endlich mal wieder Inserate satt in den Tageszeitungen.

Fotos der grossartigen Webseite «Kim looking at things».

Das alles hat natürlich überhaupt keinen Einfluss auf die objektive, ausgewogene, alle Meinungen widerspiegelnde Berichterstattung. Niemals. Ehrenwort. Strikte Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung. Hand aufs Herz und treuer Blick nach oben. Publireportage? Paid Content? «In Zusammenarbeit mit»? «Diese Reisereportage wurde unterstützt von»? Diese Produkte hat unsere Beauty-Redaktorin für Sie ausgewählt, äh, wurden ihr gratis zugesteckt?

Nun ja, wir wollen da den Fünfer gerade sein lassen. Nicht nur der Coninx- oder Ringier- oder Wanner-Clan muss ja von was leben. Seine Angestellten auch. Aber wenn’s ernst wird, wenn es um Leben oder Tod geht, dann besinnen wir uns doch auf alle journalistischen Anstandsregeln, oder nicht?

Oder nicht.

Weil das Thema wirklich nervt, das Panoptikum der ausgewogenen Berichterstattung der drei grossen Medienhäuser plus NZZ im Dreisprung kurz vorgeführt. Achtung, nur für stärkere Nerven. Bei Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Der kann zwar auch nicht helfen.

Wir fangen irgendwo an, denn zwischen oben und unten ist bei dem Thema Corona schwer zu unterscheiden.

So ausgewogen berichtet der «Blick» übers Für und Wider der Impfung.

Testimonial eines reuigen Sünders, kommt immer gut.

Testimonial aus berufenem Mund, kommt auch gut.

 

Wir queren den Mediensumpf Richtung Tamedia.

Corona-Kreische Marc Brupbacher muss seinen Ruf verteidigen.

Impfmuffel und Trödelkantone. Gute Wortwahl ist alles.

Auch «20 Minuten» greift objektiv in die Debatte ein.

Wir haben diese Anglergummistiefel an und kommen daher trockenen Fusses zu CH Media.

Nehmt das, ihr trödelnden Impfstoff-Zulasser in der Schweiz.

Sachbeschädigung, dann der nächste Sturm aufs Bundeshaus?

«Beantworten Fragen» ist etwas euphemistisch formuliert. «Machen Ansagen» wäre wohl besser.

Nun noch der Aufschwung in die Höhe der intellektuellen Kühle, also zur NZZ.

Oh, auch hier wird mit Testimonials gearbeitet.

Gib uns das tägliche Grauen. Nimm das, du verstockter Impfgegner.

Endlich, der philosophische Diskurs in Widersprüchlichkeiten.

 

Zusammenfassung

Das ist eine durchaus repräsentative Auswahl aus der nordkoreanischen Meinungspresse. Pluralistisch, vielfältig, widersprüchlich, Für und Wider darstellend. Mit Platz für abweichende Meinungen. Damit könnte sogar Kim der Dickere leben.

Jean-Martin Büttner: grosses Kino

Selten genug, aber hier schreibt einer mit kalter Wut und Humor gegen die Woke-Unkultur.

Schon der Begriff ist typisch. «Woke» ist eine falsche Version von «woken», erwacht. Damit wird eine Geisteshaltung bezeichnet, die ein «waches» Bewusstsein für Rassismus oder soziale Ungerechtigkeiten ausdrückt.

Selten aus eigener Betroffenheit, meistens ist es Leiden an geliehenem oder geklautem Leiden. So wie in der Schweiz privilegierte Kids das Haupt senken und voll betroffen «black lives matter» grölen, weil es megakrass ist, wie in den USA mit den Schwarzen umgesprungen wird.

Zur Geisteshaltung «woke» gehört auch die Vergewaltigung der Sprache mit Gendersternchen, Binnen-I und anderen Folterinstrumenten. Oder die Abscheu vor Mohren in jeder Form. Aber vor allem gehört dazu ein inquisitorischer Fanatismus und eine abgrundtiefe Humorlosigkeit.

Die fünf gnadenlosen Komiker von «Monty Python».

Beste Voraussetzungen, damit Terry Gilliam in ihr Fadenkreuz gerät. Der Gründervater der absurden Komikertruppe «Monty Python» ist bis heute auf der Suche nach entlarvender Geschmacklosigkeit. Ausser vielleicht «Spitting Image» hat keine andere Satiresendung dermassen konsequent an allen Tabus gerüttelt wie «Monty Python’s Flying Circus». Humor, wie er nur in England möglich ist – und wie er heutzutage schmerzlich fehlt.

«Der grossartigste Stand-up-Comedian der Gegenwart»

Aber Gilliam gibt sich weiterhin Mühe und lobte kürzlich Dave Chappelles Show «The Closer»: «Für mich ist er der grossartigste Stand-up-Comedian der Gegenwart», meinte Gilliam über den Afroamerikaner, der ebenfalls alle Grenzen lustvoll überschreitet. Schon im Netflix-Trailer zur Show arbeitet Chappelle kunstvoll einen absurden Gag mit Morgan Freeman heraus, der offensichtlich auch über gesunden Humor verfügt.

Denn erst, wenn’s weh tut, ist’s echte Satire. Jean-Martin Büttner zitiert im «Tages-Anzeiger» zwei Beispiele: «Chappelle ist der Albtraum der LGBTQ-Gemeinschaft. Denn er sagt Sachen wie: «In diesem Land kannst du einen Schwarzen erschiessen, aber verletze ja nicht die Gefühle von Homosexuellen.» Oder: «Wenn die Sklaven damals Hotpants getragen und sich mit Babyöl eingerieben hätten, wären wir hundert Jahre früher frei gewesen.»»

Das brachte auch «Netflix» an die Grenzen, aber bislang liess der Streamingdienst die Show im Angebot – trotz Aufschrei der Getroffenen. In London hingegen wurde ein Theaterstück abgesetzt, bei dem Gilliam der Co-Regisseur war.

Das veranlasst Büttner zu einem Mutanfall, der ausdrückliches Lob verdient:

«In einer Zeit, in der die vor Wut und Sensibilität zitternde Woke-Generation die Humorlosigkeit zur einzigen vertretbaren Haltung erklärt, darf einer wie Terry Gilliam nur verteufelt und verbannt werden.»

Schon im Python-Film «The Life of Brian» brachte es Gilliam mit seinen Kampfgefährten fertig, so ziemlich alle Religionen gleichzeitig zu beleidigen. Ein Film, der heute, in unseren freieren und aufgeklärten Zeiten, weder gedreht noch gezeigt werden könnte, ohne zu riskieren, dass fundamentalistische Fanatiker gewalttätig werden.

Religiöse und geistige Fanatiker

Mindestens so schlimm sind aber die modernen Nachfahren der Spanischen Inquisition. Büttner nimmt einen Sketch von «Monty Python», um die Linie von den finsteren Zeiten damals zu heute zu ziehen:

«Dass jetzt der Meinungsterror von links alles Lustige verbietet, kommt einem wie die Fortsetzung dieser inquisitorischen Mentalität vor. Dabei bleibt ein Problem ungelöst: dass es niemals eine politisch korrekte Komik geben wird, weil die sich nämlich mit Geiz, Grössenwahn, Dummheit, Gier und Idiotie beschäftigt. Eine korrekte Komödie funktioniert so gut wie ein Impotenter in einem Harem. «Zeige mir eine Satire auf Franz von Assisi», sagte der Pythonist John Cleese einmal, «und ich zeige dir einen leeren Kinosaal.»»

ZACKBUM verneigt sich vor einer solchen Sternstunde der Denke an einem Ort, wo man ansonsten intelligente Schreibe wie Wasser in der Wüste suchen muss. Leider ist absehbar: damit handelt sich Büttner gewaltig Ärger ein. Denn auch Schweizer Woke-Aktivisten sind so gnaden- und humorlos wie ihre angelsächsischen Vorbilder.

Ihnen wird sonst kritiklos eine Plattform auf Tamedia geboten, wenn zum Beispiel der grausam unfähige «Kulturredaktor» Andreas Tobler einem solchen Hetzer gefügig Stichworte in einem «Interview» liefert. Dagegen wirkt Büttner wie ein Schluck klares und kühles Wasser in solcher Wüste. Aber wir fürchten um sein Schicksal. Nein, nicht das von Tobler. Einen solchen Lohnschreiber kann jede Redaktionsleitung gebrauchen.

Selbst Katzentexte übernimmt Tamedia von der «Süddeutschen». Den hier aber nicht.

Obduktion: Kill a terf!

Hä? Wir begeben uns in die Abgründe des Geschlechterkampfs. Wo Banausen wie Andreas Tobler sich lächerlich machen.

Der Tamedia-Kulturredaktor ist schon mehrfach unangenehm aufgefallen. Zuletzt als Konzernjournalist, der rüde gegen die Ernennung eines Konkurrenten zum Chefredaktor der NZZaS austeilt. Zuvor verbreitete er sich ausführlich über das richtige Gendern in den Gazetten. Das war lediglich lächerlich, nun wird es peinlich.

Denn in England tobte der Transgender-Mob gegen eine Professorin, die es wagt, darauf hinzuweisen, dass ein Wechsel des biologischen Geschlechts schlicht nicht möglich sei. Eigentlich eine unbestreitbare Tatsache. Aber man kann auch das zur Diskussion stellen.

Das wollen aber Transgender-Aktivisten auf keinen Fall. Einer ihrer Schlachtrufe lautet: «kill a terf!» Damit ist ein «trans exclusionary radical feminist» gemeint. Also jemand, der Transmenschen «ausschliesst», obwohl er Feminist sei. Ausschliessen ist eines der neuen Hasswörter von Fanatikern, die keinerlei Debatten über ihnen heilige Begriffe gestatten wollen.

Besser abschiessen als ausschliessen

Deren Forderung «Feuert Kathleen Stock. Andernfalls werdet ihr uns kennenlernen» hatte Erfolg. Die englische Philosophieprofessorin räumte nach massivem Mobbing ihre Position an der Uni Sussex. Im Vorfeld hatten mehr als 600 «Akademiker» in einem offenen Brief gegen die Verleihung eines Ordens an die Professorin protestiert.

Zu denen gehört auch der Philosoph und Sozialwissenschaftler Robin Celikates. Er lehrt an der Berliner Universität und bekommt von Tobler einen Gratis-Weisswasch-Auftritt bei Tamedia.

Schlecht vorbereiteter Journi trifft Hetzer

Ein besonders übles Stück Elendsjournalismus. Denn es ist mehr als offenkundig, dass Tobler nicht einmal den offenen Brief gelesen hat, geschweige denn, sich sonst vertieft auf dieses Interview vorbereitete. Es ging ihm lediglich um die banal-naheliegende Idee, einen Nachzug zu dieser Debatte zu liefern, nachdem die NZZ verdienstvollerweise auf das skandalöse Mobbing gegen die Professorin hingewiesen hatte.

Welchen Schund Celikates mitunterzeichnete, zeigt ein kurzer Auszug des «Offenen Briefs gegen Transphobie in der Philosophie»:

«Trans-Menschen sind in der Gesellschaft bereits massiv an den Rand gedrängt und sehen sich mit gut dokumentierter Diskriminierung konfrontiert, die von Regierungspolitik bis hin zu körperlicher Gewalt reicht. Ein Diskurs wie dieser, den Stock produziert und verstärkt, trägt zu diesen Schäden bei, dient dazu, den Zugang von Transmenschen zu lebensrettenden medizinischen Behandlungen einzuschränken, die Belästigung von geschlechtsunkonformen Menschen zu fördern und anderweitig den patriarchalen Status quo zu stärken.»

Wir lesen richtig, diese Verpeilten behaupten doch, Stock trage dazu bei, dass Transmenschen weniger lebensrettende medizinische Behandlungen bekämen.

Hätte sich Tobler ein wenig auf dieses Interview mit einem Hetzer vorbereitet, hätte er auch den ausführlichen Artikel in der FAZ zum Thema lesen können.

Dort wird klargestellt:

«Um sich das Stigma der „Transphobie“ einzufangen, reicht es, die gegengeschlechtliche Hormoneinnahme bei Vierzehnjährigen oder die angeblich „inklusiv“ gemeinte misogyne Bezeichnung „Menstruierende“ für Frauen abzulehnen. Wer einmal als „transphob“ gescholten wurde, muss mit Dauerattacken und immensen Reputationsschäden rechnen.»

Dass die erste Version dieses «Offenen Briefs» eine Falschanschuldigung gegen Stock enthielt, die dann mit einem «Erratum» korrigiert werden musste, hinderte viele Akademiker weltweit nicht daran, ihn zu unterzeichnen. Unter anderen eben diesen Celikates.

Unwidersprochen Unsinn blubbern

Der schimpft einerseits öffentlich über «Attacken gegen kritische Intellektuelle und Akademiker» – in der Türkei. Andererseits beteiligt er sich selber an einer Hetz- und Verleumdungskampagne, ohne den Inhalt dieses Protestschreibens zuvor kritisch angeschaut zu haben. Also genug Munition für ein konfliktives Gespräch.

Stattdessen kann Celikates unwidersprochen Unsinn blubbern, weil sein Gesprächspartner lausig vorbereitet ist. So rempelt der Philosoph Stock an, sie suggeriere, «die meisten Transpersonen würden sich einfach an einem Tag als Mann, am anderen Tag als Frau fühlen. Auf diese Weise über Transidentitäten zu sprechen, ist nicht nur wissenschaftlich unredlich. Es kann von den Betroffenen zu Recht auch als Geringschätzung ihrer Lebenswirklichkeit und ihrer Ansprüche auf gleiche Achtung verstanden werden.»

Blühender Unsinn. Dann verteidigt der Unterzeichner des Hetzschreibens den Inhalt als «sachliche Stellungnahme». Dann darf er ebenfalls unwidersprochen eine leicht zu durchschauende Pirouette der Unredlichkeit tanzen: «Die Kritik an Diskriminierung und Ausschluss von Minderheiten sei selbst diskriminierend und ausschliessend, Antirassismus sei Rassismus (gegen Weisse) und so weiter. Es ist leider auch ein verbreitetes ideologisches Verschleierungsmanöver, einen offenen Brief oder andere Formen der Kritik als Verletzung akademischer Freiheit oder – wie im Fall Stock – als Zwang zum Rücktritt zu denunzieren. Letztlich geht es bei solchen Verfälschungen immer wieder darum, Kritik an sozialen Herrschaftsverhältnissen zu delegitimieren und damit auch zu verunmöglichen.»

Billigste Demagogie, kritische Einwände einfach zu spiegeln und damit zu entwerten. Kann man nur machen, wenn der Gesprächspartner döst statt widerspricht.

Als Tobler sich dann doch etwas ermannt (Pardon) und fragt, ob ein Shitstorm denn ein «Element demokratischer Wissenschaftskultur» sei, darf der Schwafler Celikates replizieren: «Wo die Grenzen zwischen legitimem und illegitimem Protest genau verlaufen, ist umstritten und im konkreten Fall Stock auch von aus der Distanz nur schwer einzuschätzenden Details abhängig

Wie kann eine Flachzange jemanden in die Zange nehmen?

Wohlgemerkt, Tobler hatte die Chance, den Mitunterzeichner eines Verleumdungsschreibens in die Zange zu nehmen, das völlig unwissenschaftlich gegen die Verleihung eines Ordens an eine verdiente Wissenschaftlerin protestiert, deren jahrelanges Wirken damit geehrt wurde. In dem Brief sind nicht nur haltlose Unterstellungen enthalten, er musste auch nachträglich korrigiert werden. Zudem spielte er eine wichtige Rolle beim anschliessenden Mobbing gegen die Professorin, das am Schluss zu ihrem Rücktritt führte.

Statt diese Hetz-Unkultur aufs schärfste zu kritisieren – und dem Hetzer dabei im Gegensatz zu dessen eigener debattenfeindlichen Haltung Gelegenheit zur Verteidigung zu geben –, gibt ihm Tobler eine Plattform, um mit leichter Hand schlecht vorbereitete, daher völlig unkritische Fragen wegzuwischen.

Schon wieder ein Beitrag zur Frage, wieso man für solchen Schrott auch noch Geld ausgeben soll. Jeder Bäcker würde sich schämen, ein so beinhartes, angebranntes und zusammengefallenes Brötchen seiner Kundschaft anzubieten. Weil er wüsste, dass er damit Brötchenkäufer verliert. Die Printmedien verlieren auch – und zwar massenhaft – zahlende Leser. Nur kümmert sie das nicht gross; im Gegensatz zum Bäcker quengeln sie nach staatlicher Unterstützung und erklären sich als unverzichtbar für die Demokratie – statt bekömmlichere Brötchen zu backen.

Dagegen muss man ein klares Wort setzen: Flachzangen wie Tobler sind verzichtbar.

Saufen in der Migros?

Wer drei M sieht, könnte sich zuvor bei der Migros mit Hochprozentigem eingedeckt haben.

Welche Prinzipien des charismatischen Gründers der Migros sollen heute noch gelten? Auf einigen Gebieten hat das Migros-Management schon klare Tatsachen geschaffen.

Das «Gottlieb Duttweiler Institut» in Rüschlikon liegt zwar immer noch im idyllischen öffentlichen Park, den Dutti der Bevölkerung schenkte. Aber von seiner ursprünglichen Aufgabe, die Beförderung des Weltfriedens und gesellschaftskritische Untersuchungen, ist es meilenweit abgekommen.

Heute beschäftigt sich das Institut mit banalen Marketingfragen und vermietet seine Mitarbeiter sackteuer für Referate. Peinlich, aber auch Persönlichkeiten wie der Ex-Migros-Boss Pierre Arnold oder Hans A. Pestalozzi, der persönliche Sekretär von Dutti, sind längst ins Grab gesunken. Dass es mal eine «Tat» gab (wer hatte sie wiedererfunden? Genau, Roger Schawinski) oder einen «Migros Frühling», alles Schnee von gestern. Kulturprozent? Gähn.

«Trend-Updates», die Verluderung einer grossartigen Idee.

Nun hatte Dutti etwas gegen Rauschmittel, vor allem sah er die teilweise tragischen Auswirkungen übermässigen Alkoholgenusses auf die arbeitende Bevölkerung. Also legte er fest: in meinen Läden gibt es keinen Alkohol und keinen Tabak. Punkt. Oder doch?

Nichts ist unveränderlich, vor allem nicht Prinzipien

Die Delegierten des theoretisch als Genossenschaft organisierten Detailhändlers haben mit überwältigendem Mehr dafür gestimmt, dass man sich in Zukunft auch in der Migros mit Alkohol eindecken kann.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob Prinzipien des Gründers auch fast hundert Jahre später noch uneingeschränkt gelten sollten. Der Brauch, dass der Arbeiter am Freitag auf dem Heimweg einen guten Teil seines Wochenlohns versoff, ist doch eher ausgestorben.

Ausserdem verkauft die Migros seit der Einverleibung von Denner Hektoliter Alk. Zudem an seinen Tankstellen, damit der Autofahrer beschwingt in den nächsten Baum brettern kann.

Das Thema ist nun aber für die Medien eher heikel. Denn – neben den schönen Corona-Inseraten des Staats – ist die Werbung von Migros, Coop, Aldi und Lidl ziemlich existenziell für die Printorgane. Denn wer – ausser noch Automarken, aber die auch mit gebremstem Schaum seit Corona – inseriert denn noch grossflächig?

So wie man eher selten liest, dass der neue Dacia, Volvo oder Toyota ein richtiges Schrottauto sei, wird nun um diesen Entscheid herumgeeiert. Für und Wider, einerseits, andererseits, der Wille des Gründers, die modernen Zeiten, die anderen Gewohnheiten, wieso nicht, wieso schon.

Eiertänze auf dem Hochseil des Kommentars

Rund 350 Treffer gibt es schon in der Mediendatenbank für die Begriffe Migros plus Alkohol. Noch darf hier der Kommentator seines Amtes walten. Roman Schenkel von CH Media riskiert einen trockenen Titel:

«Mehr Profit, weniger Duttweiler».

Natürlich darf jeder «Werber», der nicht bei drei auf den Bäumen ist, zusammen mit jedem «Markenspezialisten» einen Schluck aus der Pulle nehmen. Thomas Wildberger zeigt sein Trinkniveau, indem er bekannt gibt, sollte Migros Alkohol verkaufen, werde er wohl am ehesten «beim Champagner» zugreifen. Obwohl er findet, dass damit die «DNA verwässert» würde. Man könnte da sogar von Panschen sprechen.

Bald in der Migros  zu haben?

Zu einem gepflegten Einerseits-Anderseits bekennt sich  Tamedia in einem «Leitartikel»: «Duttweiler würde sich im Grab umdrehen. Oder vielleicht auch nicht. Er hat selten getan, was andere von ihm erwarteten. Er rauchte, trank gerne Wein.» Allerdings erschliesst es sich nur für Armin Müller, was die persönlichen Gewohnheiten Duttis mit seinem Prinzip, kein Alk in meinen Läden, zu tun haben sollen.

Ziemlich elegant zieht sich die NZZ aus der Bredouille. Sie hat ein altes Tondokument ausgegraben, in dem Dutti selbst Zweifel daran äussert, ob das Alkoholverbot eine gute Idee bleibt, oder ob es dann nicht mal abgeschafft werden sollte. Das macht den Weg frei zum Kommentar: «Tatsächlich ist es an der Zeit, dass Wein und Bier in die Regale der Migros-Supermärkte kommen.»

Dutti gegen Dutti: alles ist möglich.

Es ist natürlich völlig entrüstet von der Hand zu weisen, dass sich irgend ein unabhängiges, nur nach objektiven Kriterien im besten Sinne für seine Leser zu Meinungen kommende Medienorgan davon beeindrucken liesse, dass Migros ziemlich Gas geben muss, wenn sie sich wirklich einen kräftigen Schluck aus der Pulle des Alkoholmarkts in der Schweiz abholen will.

Denn Coop und eine Unzahl von Weinhändlern haben das Gebiet schon vor der Gründung der Migros beackert, sich eine treue Kundschaft aufgebaut und werden natürlich Marktanteile nicht freiwillig hergeben.

Deshalb ist damit zu rechnen, dass der Verkauf von Champagner bei den bisherigen Anbietern deutlich steigt. Denn nicht nur Wildberger freut sich auf tolle Inseratekampagnen und Schlachten.

Würde er in der Migros rauchen und saufen?

Hilfe, mein Papagei onaniert: Drei mal drei

Wir versuchen es mit einem Sonntagsdreisprung. Anders lässt sich das nicht darstellen.

Drei Sonntagszeitungen, drei ausgewählte journalistische Papageienstücke. Wer dafür noch Geld ausgibt, ist selber schuld.

Erster Dreisprung: Die «SonntagsZeitung»

Wir beginnen mit dem Qualitätstitel aus dem Hause Tamedia. Aus dem ersten Bund haben wir die informativste Seite ausgewählt:

Guter Titel, knackiger Text, schön illustriert.

Oh, Pardon, ich werde gerade darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um ein Inserat handle. Na und? Alles andere kann man überblättern. Damit kommt man ohne Umwege zum zweiten Teil, dem «Fokus». Hier darf die «bekannte Psychiaterin Heidi Kastner» das Wort ergreifen und lange nicht mehr loslassen. Sie äussert sich zum durchaus spannenden Thema «Dummheit». Wahrlich eine Geissel der Menschheit. Was kann da aus berufenem Mund erklärt werden?

Wer ist Ihrer Meinung nach die dümmste Person der Weltgeschichte? «Da ist die Auswahl so gross, dass mir die Antwort schwerfällt. Aber Hitler wäre ein guter Kandidat.»

Echt jetzt; der Jahrhundertverbrecher Hitler war dumm wie Bohnenstroh? Eine kühne These. Dermassen disqualifiziert geht es im Sauseschritt zum eigentlichen Grund, wieso man der Fachkraft einen Auftritt schenkt. Richtig geraten? Natürlich, die Corona-Leugner kommen nun dran, zunächst mit ihrem dümmlichen Beharren auf Eigenverantwortung: «Ich schaue nur für mich selbst und nicht für die anderen. Das kann nur funktionieren, wenn ich als Eremit irgendwo völlig isoliert in einer Höhle lebe.»

Das ist zwar nicht unbedingt die Definition des Begriffs, aber was soll’s, noch ein Ausfallschritt, und wir sind am Ziel: «Aber sobald ich in einen grösseren sozialen Kontext eingebettet bin, ist dieses Unwort der Eigenverantwortung einfach ein völliger Blödsinn. Die Corona-Pandemie ist unglaublich ergiebig für das Thema Dummheit.»

Weil die SoZ der Intelligenz ihrer Leser auch nicht so traut, stochert sie nochmal nach:

Der Corona-Impfgegner ist also dumm? «Zu diesem Schluss muss man kommen. Es gibt Fakten und blöde Positionen, die die Fakten ignorieren. Die Dummheit hat aufgehört, sich zu schämen.»

Den letzten Satz könnte Interviewer und Interviewte durchaus auch mal auf sich selbst anwenden.

 

Markus Somm über ein Buch von Markus Somm. Mit Markus Somm.

Das sagen wir ohne Neid: Wer Kolumnist in der SoZ ist, geniesst gewisse Privilegien. Früher war es mal Brauch, dass ein Buch, gerade wenn es von einem Mitarbeiter stammt, fremdrezensiert wird. Um jeden Geruch der Parteilichkeit zu vermeiden. Aber wenn die Literaturchefin Nora Zukker heisst, geht das natürlich nicht. Also durfte Markus ein Buch von Somm vorstellen. Überraschungsfrei ist er zum Ergebnis gekommen, dass es sich um ein durchaus lesenswertes, interessantes und originelles Werk handelt.

Allerdings: um das zu behaupten, muss er die Existenz eines Standardwerks zu diesem Thema ausblenden: Joseph Jung hat mit «Das Laboratorium des Fortschritts» diese Frage bereits 2019 erschöpfend beantwortet. Mit einem 676 Seiten umfassenden Wälzer, erschienen bei NZZ Libro. Glänzend geschrieben, umfangreich illustriert, leserfreundlich in 5 voneinander unabhängig lesbare Kapitel aufgeteilt. Blöd gelaufen für den Historiker Somm. Aber was der SoZ-Leser nicht weiss, macht ihn nicht heiss. Oder sagen wir so: erzähl’s noch einmal, Somm.

Zweiter Dreisprung: der «Sonntagsblick»

Ganze sieben Seiten widmet der SoBli dem Thema, das seinen Lesern inzwischen aus allen Körperöffnungen hängt. Wie verzweifelt muss der Blattmacher sein, wenn er das zur Coverstory eines Boulevardblatts macht?

Die sogenannte Typolösung eines Bilderblatts.

Und was erzählt uns das Organ über Corona? Nein, wir nehmen hier noch Rücksicht auf unsere Leser. Bitte, gern geschehen.

Das gilt dann auch für die Seiten 12 bis 15:

Schmidt sprachlos: selten, aber kommt vor.

Wie schlimm es um die Corona-Krise bestellt ist, beweist indirekt auch der grosse Satiriker Harald Schmidt. Ausser, dass die Deutschen mit Maske besser aussähen, fällt selbst ihm kein lustiger Spruch mehr zu diesem Thema ein. Aber das ist ja nur die Einleitung zur letzten Seite des Interviews:

Auch hier: gute Illustration, knackiger Titel, informativ.

Ach nein, peinlich, schon wieder reingefallen, das ist ja ein Inserat. Also bezahlter Content, der nun überhaupt nichts mit dem unbezahlten, aber die gleiche Meinung vertretenden Content zu tun hat. Auf den sind natürlich die Redaktoren in aller staatlichen Unabhängigkeit selbst gekommen. Zufall auch, dass er mit der staatlichen Meinung übereinstimmt.

Das war noch kein Dreisprung, einer geht noch:

Partys, an denen Urs Rohner teilnimmt, sollte man meiden.

Hier gilt das Gleiche wie bei Somm über Somm: SoBli by Ringier findet «Interview by Ringier» fabulös.

Dritter Dreisprung: NZZaS

Während Ringier über Kunst redet, macht die alt-junge Sonntagstante Kunst:

Künstlerin und Werk: mal was Neues von der Falkenstrasse.

Wie sagte Karl Valentin so unsterblich wie richtig:

«Wenn’s einer kann, ist’s keine Kunst. Kann’s einer nicht, ist’s auch keine

Wir können uns schwer entscheiden, welche Aussage auf die NZZaS zutrifft.

Aber immerhin, der Inhalt bleibt von dieser Kunstaktion weitgehend unbeschädigt. Auch hier wird mutig Neuland betreten. Denn wann gönnt schon mal ein Organ dem Chef eines Konkurrenten den grossen Auftritt?

Davon träumt Frank A. Meyer sein Leben lang: grosses Interview mit Foto in der NZZaS.

Ach, und der Inhalt des Interviews mit Ringier-CEO Marc Walder? Wir wiederholen uns: das Befinden unserer Leser ist uns wichtig.

Schliesslich, wieso muss Kunst selbsterklärend sein, darf die Künstlerin erzählen, was sie uns mit ihrer Kunstaktion sagen will:

Diesen Forderungen können wir uns natürlich nur anschliessen, auch wenn wir uns keine Kunstaktion von Jenny Holzer leisten können. Aber wenn sie mal lustig ist: be our guest, we publish almost everything …

 

Au weia, au weiwei

Wie drei Qualitätsjournalisten eine Story versenken.

Eigentlich könnte es ein schönes Recherchierstück sein: «Warum die CS den China-Kritiker rauswarf». Die News ist zwar nicht brandneu, aber man will ja nicht zu viel vom heutigen Elendsjournalismus verlangen.

Es geht darum, dass dem weltberühmten chinesischen Künstler Ai Weiwei seine Konten bei der Credit Suisse gekündigt wurden. Vorwand: Die Bank führe keine Geschäftsbeziehungen mehr mit Vorbestraften. Es liegt auf der Hand, dass das ein Kotau vor dem chinesischen Regime und dem Riesenmarkt dort ist, wo man vor allem im Immobilienbereich Multimilliarden – in den Sand setzen kann.

Also ideal für die CS. Und ideal für ein sauberes Stück Hinrichtungsjournalismus. Gleich drei Tamedia-Cracks haben zusammen in die Tasten gehauen. Vielleicht liegt es daran, dass Linus Schöpfer, Simon Widmer und Jorgos Brouzos nur ein Jammerlappen von Artikel gelungen ist.

Der vielfältige Schweizer Print-Journalismus (Ausschnitt).

Zunächst der szenische Einstieg, wie er vom «Spiegel» seit gefühlten hundert Jahren zelebriert wird:

«Oktober 2021, ein Sonntagmorgen in Portugal. Chinas berühmtester Dissident sitzt in seiner Küche und schlürft Suppe. Die Kamera ist an, wir sprechen über Zoom mit Ai Weiwei.»

Informationsgehalt: null. Bedeutung: null. Jeder Chinakenner weiss, dass die dort ihre Suppe schlürfen. Morgens und abends und auch zwischendrin. Jeder weiss, dass die Kamera schon an sein muss, sonst geht da nix. Aber nun geht’s sicher mit dem Enthüllungsjournalismus los.

 

Künstler und Dissident: Ai Weiwei.

Moment, zunächst muss noch, das haben wir mal im Schulaufsatz gelernt, erklärt werden, was wir so tun und getan haben: «Im Folgenden erzählen wir die Geschichte hinter Ais Rauswurf. Dafür sichteten wir Mails und Transkripte von Sitzungen, führten Gespräche mit Ai Weiwei, Verantwortlichen der Credit Suisse und unabhängigen Bankexperten.»

Das muss einem natürlich gesagt werden; die drei Herren haben sich nicht einfach eine Story aus den Fingern gesaugt. Sie haben doch tatsächlich etwas recherchiert. Wahnsinn. Nun könnte der Leser, der es bis hierher durchgehalten hat, natürlich der Meinung sein: was interessieren mich die Kontoverbindungen eines Suppe schlürfenden Chinesen in Portugal?

Natürlich weist der Einzelfall ins Allgemeine hinaus

Aber auch dafür gibt es sofort eine Antwort: «Es ist eine Geschichte, die über den Streitfall «Credit Suisse gegen Ai Weiwei» hinausweist. Denn sie gibt Einblick in das Kalkül und die Ethik einer Schweizer Grossbank. Und sie zeigt, wie verblüffend rasch und zugleich radikal die Bank im Ernstfall ihre Verteidigungslinie anzupassen weiss.»

Ein Kunstwerk des Künstlers.

Normalerweise wird die Moral einer Geschicht’ erst am Schluss enthüllt, aber warum mal nicht gleich am Anfang? Wohl in der berechtigten Befürchtung, dass nicht allzu viele Leser bis zum Ende der 13’360 Anschläge umfassenden Gähnstory durchhalten. Als wären wir hier bei der «Republik».

Aber wir sind beim Qualitätsmedium Tamedia, das diese seitenfüllende Sauce in alle Kopfblätter in allen Winkeln der Schweiz ergiesst. Was macht man, wenn man schon ganz am Anfang die Recherche und die Moral und überhaupt alles verraten hat, inklusive Journalismus in langen Hosen? Genau, man macht eine «Rückblende». «Ai schreibt, die Credit Suisse habe das Konto seiner Stiftung aufgelöst. Begründet habe das die Bank mit einer neuen Geschäftsregel, die keine gerichtlich verurteilten Kunden mehr erlaube. Er sei aber weder angeklagt noch verurteilt worden. Das wahre Motiv müsse daher wirtschaftlicher Art sein.»

Das war am 6. September, am 11. September erschien dann ein Interview in den Tamedia-Blättern mit Ai Weiwei. Da sagt er nochmals, was er schon zuvor gesagt hat. Schnarch.

Künstler mit Kunstwerk, hier für Hornbach.

Die CS sagt das, was man als Bank halt so sagt. Bankkundengeheimnis, sagen nix zu allfälligen Kontoverbindungen. Aber nicht nur in den Medien sinkt das Niveau unaufhörlich ins Bodenlose. Wir lesen im Schulaufsatz: «Am Samstagmorgen erhalten wir einen Anruf, am Apparat ist ein Kommunikationsspezialist der CS. Man wolle ein neues Statement abgeben.»

Links künstlerisch verfremdet, rechts das Segellogo der CS.

Wunderbar dass wir das alles wissen; es war ein Anruf, und es war ein «Kommunikationsspezialist» am Hörrohr (der hoffentlich inzwischen seinen Job los ist). Denn der teilte mit, dass man die Kundenbeziehung «beendet» habe, weil der Künstler «gesetzlich erforderliche Informationen nicht lieferte». Das ist nun tatsächlich ein Knaller – an Blödheit.

Hier könnte man abbrechen, aber he, es sind drei Autoren …

Damit könnte man eigentlich die Story knackig beenden. Aber nein, wir erinnern uns: es wurden Unmengen von Material durchgeackert. Zur Verfügung gestellt vom «Team» Weiweis. Also vielleicht nicht ganz objektiv. Aber wie auch immer, warum in einem Satz etwas sagen, wenn man auch viele verwenden kann.

Der eine Satz: diese Unterlagen scheinen zu belegen, dass die CS nach Vorwänden suchte, um Weiwei rauszuschmeissen. Gefühlte 100’000 Buchstaben später kommt der Künstler zu einer geradezu konfuzianisch weisen Beurteilung: Die Bank sei «money-rich but truth-poor». Wobei das mit dem «money-rich» auch eher ein Gerücht ist.

Der Künstler als Kunstwerk.

Aber, Fakten auf den Tisch, haben nun die Chinesen auf die CS eingewirkt, den Dissidenten rauszuschmeissen? «Dafür gibt es keine Hinweise.» Aber das wäre ja eigentlich die Aufgabe einer echten Recherche gewesen.

Stattdessen endet der Artikel mit einem leisen Seufzer, «keine Hinweise». Das ist nun keine Kunst. Das ist auch keine Leistung. Das ist einfach jämmerlich. Das ist au weia, das ist au wei. Dabei wäre die einzig interessante News (leider verschenkt), dass die CS sich nicht entblödet, etwas zu einem Kunden zu sagen. Als ob man noch nie vom Bankkundengeheimnis gehört hätte.

Dafür könnte man die Blöd-Bank einklagen, aber dazu sind die Journis selber …

Oops, she did it again

Nora Zukker erträgt sich nur beschwipst. Der Leser braucht einen Vollrausch.

Wenn man mal einen Einstieg gefunden hat, soll man daran festhalten. Ob Cüpli auf einem Zürcher Friedhof, ob sich «zwei Beine in kurzer Hose» neben die Literaturchefin von Tamedia auf den Barhocker setzen: Wein, Weib und kein Gesang ist ihre Devise.

Daher beginnt auch Nora Zukkers jüngstes Werk so:

«Montagabend in einer Zürcher Bar. Wir zeigen Zertifikat und Ausweis und bestellen Wein

Eine nüchterne Beschreibung einer völlig überflüssigen Information. Denn eigentlich soll es um Lara Stoll gehen – und ihr erstes Buch «Hallo».

Sie sei die «Punkerin der Schweizer Poetry-Slam-Szene». Denn sie lässt offenbar längst vergangenen Theater-Unsinn wieder aufleben: «Erst hat sich das Publikum in SRF-Sendungen regelmässig erschrocken, wenn sie plötzlich schrie oder als Spermium auf dem Boden zuckte.»

Megakrasse Partys bei Stoll

Auch privat hat es Stoll echt megakrass, mit ihren «Frittierpartys»: ««Frittiere, was du findest, vorzugsweise in der Küche.» Gleichzeitig werden Haschkekse gebacken, die dann so krass einfahren, dass alle Gäste schnell nach Hause gehen und Stoll ihre Schuhe anzieht, in einen Club geht und erst zwei Tage später wieder nach Hause kommt.»

Saufen zieht sich auch hier wie ein Leitmotiv durch das Porträt: «Also, was spricht denn mit Mitte dreissig überhaupt noch für den 3.95-Franken-Wein aus dem Denner, wenn man genug Geld verdient? «Nichts, absolut gar nichts. Ich habe viel zu oft Kopfschmerzen, aber auch von teurem Wein», sagt Stoll.»

Kante geben, «leicht betrunken ein Hörbuch aufnehmen», das Leben im Rausch, aber keinesfalls berauschend. Nun gut, aber das Werk der Poetin? Wo bleibt das Werk? Das fällt Weinliebhaberin und Literaturhinrichterin Zukker gegen Schluss ihres infantilen Textes auch auf. Also zitiert sie eilfertig ein Werk, mit vollmundiger Ankündigung: «Sie setzt die Pointen gekonnt, und ihr Blick auf die Dinge ist zart.»

Wir sind gespannt – und dann das:

«Mir sind alli elai / bim Rüschte / sind elai / mitem Basilikum / Mir sind immer elai / mit üsne Molekül /». Es ginge noch weiter, aber es gibt Menschenrechte.

Zukker ist gnadenlos, sie hat noch einen Werkkasten dazugestellt, der den Leser weiter quält: «Lara Stoll beweist in ihrem ersten Buch Wortakrobatik vom Feinsten.»

Beispiel? Beispiel, ein «Liebesbrief» an den Duden:

«Ich bin mähnlich schlanger von dir. In mir wächst die Neue peutsche Rechtstreibung! Mund deskalb: Pist du doch seinfach ein verdampfter Nacho. Unser warmes Rind, es raucht doch seinen Kater.»

Flasche leer, wir haben fertig, geben uns die Kante, wollen gar nicht mehr aufwachen. Und nie mehr einen Text von Zukker lesen müssen. Hat denn im Heim des Qualitätsjournalismus niemand Mitgefühl mit der Literatur? Soll dem Leser wirklich ein Widerwillen gegen Bücher eingeflösst werden? Traut sich niemand, diese Schneise der Verwüstung namens Zukker aufzuhalten?

Wohl eher nicht. Sie ist eine Frau

«Absolut crazy»: Wo sie recht hat, hat sie recht.

Kanne leer

Das grosse Medienergiessen über eine leere Walliser Beiz. Gehört zum «service public».

Wenn die Newsschleudern besonders demütig erscheinen wollen, sprechen sie vom «öffentlichen Dienst», den sie verrichten. Eine nötige Serviceleistung wie die Müllabfuhr, der Strassenunterhalt oder der ÖV.

Damit auf der Welt immer nur so viel passiert, wie in einer gedruckten Ausgabe oder neuerdings auf der Webseite Platz hat, besteht der Dienst am Kunden auch aus der Auswahl und Gewichtung der Nachrichten. Da wird gnadenlos Wichtiges von Belanglosem getrennt, und je nach Bedeutung mehr oder weniger viel Platz eingeräumt.

Exemplarisch kann man das Funktionieren dieses gut geölten Räderwerks, dieses Wunderwerks am Beispiel «Walliserkanne» verfolgen. Das Stichwort bringt es auf satte 330 Treffer in der Mediendatenbank, wenn man die Falschschreibung «Walliser Kanne» ebenfalls berücksichtigt. Aber Korrektorat war gestern.

Nun könnte man meinen, dass diese weltbewegende Staatsaffäre mit der Schliessung des Lokals, der Verhaftung – und Freilassung – der Wirte ihr Ende gefunden hätte. Noch etwas Aufarbeitung – war der Polizeieinsatz verhältnismässig, spinnt die Walliser Staatsanwaltschaft, die einen Monat U-Haft beantragte –, und gut ist.

Abstimmungspropaganda auf die unfeine Art

Dem wäre vielleicht so, wenn nicht am 28. November über das Referendum zum verschärften Corona-Gesetz abgestimmt würde. Nachdem in dem Mainstream-Medien inzwischen leichte Panik herrscht, ob dieses Referendum doch nicht nur von Verpeilten, Verwirrten, Verantwortungslosen und Verschwörungstheoretikern unterstützt wird, muss jedes Beispiel für solches Verhalten breiter als eine sechsspurige Autobahn ausgefahren werden.

Aber natürlich nicht dem Blöd-«Blick».

Die Devise lautet: seht her, solche Spinner rebellieren gegen verantwortungsbewusste staatliche Vorschriften. Wer das Corona-Kontrollgesetz ablehnt, unterstützt solch verwerfliches Tun.

Nun ist aber die Walliserkanne eigentlich bis auf den Grund geleert. Das Lokal ist geschlossen, die Übeltäter laufen frei herum, wie kann man da noch letzte Tropfen heraussaugen?

Blöd-«Blick» hat’s gefilmt, aber nicht gecheckt.

Peinlich, aber einfach. Denn «Blick TV», der Qualitätssender aus dem Hause Ringier, war vor Ort und hat gefilmt. Geglotzt, aber eine lustige Inschrift nicht verstanden. Dafür haben wir doch die übrigen Qualitätsmedien. Genauer das «Megafon». Richtig, das anonyme Hetzorgan aus der Küche der Berner «Reitschule», das schon durch einschlägigen Kopf-ab-Humor bekannt wurde.

Die geheimen Abgründe hinter der «Walliserkanne»

Das «Kollektiv» entdeckte auf dem Video von «Blick TV» Schreckliches, was allen anderen entging.

Inzwischen erledigt schon das «Megafon» Basisrecherchen für die Qualitätsmedien.

Seht Ihr’s? Da steht doch «WWG1WGA». Nur dem oberflächlichen Blick des Betrachters entgeht der unheimliche Hintergrund. Das ist nämlich die Abkürzung für «Where we go one we go all». Und das wiederum ist ein Slogan der QAnon-Verschwörungswelt. Die wiederum ist das Werk von Spinnern, die vor allem in den USA Zuspruch fanden. Nachdem allerdings alle «Vorhersagen» Flops waren, absurde Behauptungen wie die, dass die demokratische Partei unter Beteiligung von Hillary Clinton ein Pädophilennetzwerk unterhalte, als völliger Schwachsinn verlacht wurden, trotz mehreren Ankündigungen Donald Trump doch nicht als neuer Präsident inauguriert wurde, hat der Blödsinn schwer an Wirkung verloren.

«Wo einer hingeht, gehen alle hin». QAnon-Geschwurbel mit geklautem Logo.

Selbst ein Irrwisch wie Steve Bannon behauptet inzwischen, QAnon sei in Wirklichkeit ein «Psyop» des FBI. Also eine psychologische Kriegsführungsoperation, um die Opposition gegen den amtierenden Präsidenten der USA zu diskreditieren.

Die Original-Flagge von Gadsden.

Also eine Verschwörungstheorie verschwört sich sozusagen gegen sich selbst. Gut geeignet, eine Glosse über die Verführbarkeit der Menschen und über Massenhysterie zu verfassen. Nichts ist, sagt sich Tamedia, das Heim der qualitativ hochstehenden Berichterstattung.

Vom «Megafon» kopiert, von der SDA abgeschrieben. Qualität aus dem Hause Tamedia.

Fast 8000 Anschläge verschwendet das Organ auf die Ausleuchtung der schrecklichen Hintergründe der «Corona-Verschwörer in Zermatt». Mit diesem Graffiti entlarven sich die Wirte nämlich als QAnon-Anhänger, mit Aussagen als Vertreter der Ideologie von «Reichsbürgern».

Es ist schlimm, es ist schlimmer

Aber es ist ja alles noch schlimmer: Laut «Megafon» sind die Wirte auch schon vor Corona aufgefallen. Dazu postete die Zeitung auf Twitter ein Screenshot eines Kommentars auf Tripadvisor. «Darin erwähnt ein Gast ein Handgemenge («Dies vor einem Kleinkind») und beschwert sich über das aggressive Verhalten des Inhabers. Offenbar kein Einzelfall.»

Ein geschlossenes Lokal kann im «Walliser Bote» Schlagzeilen machen.

Was lernt der schreckensbleiche Leser daraus? Wer gegen das verschärfte Corona-Gesetz ist, spinnt. Wer sich gegen sinnvolle staatliche Massnahmen wehrt, spinnt. Wer als verantwortlicher Staats- und Stimmbürger handelt, muss dem Referendum eine Abfuhr erteilen. Sonst greift das Verhalten von ein paar Verpeilten Walliser Granitgrinden wie eine Epidemie um sich in der Schweiz.

Auch CH Media berichtet lang und breit über Pipifax.

Denn dann bricht das Chaos aus, der Bürgerkrieg, müssen überall Betonblöcke vor Lokaleingänge gewuchtet werden, füllen sich die Gefängnisse mit renitenten Wirten, während sich die Beizen in Brutstätten des Killervirus verwandeln. Da ist’s dann nicht weit bis zum Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung.

Befeuert wird das nur von ein paar Querschlägern:

WeWo-Hubi will auch mitspielen im Gruselkabinett des Lachhaften.

Da kann man nur in leichter Abwandlung von Asterix sagen: Die spinnen, die Walliser. Und die Medien.