Weisswurst statt Züri Geschnetzeltes

Was bekommt man für Fr. 4.20 vom «Tages-Anzeiger» serviert?

Montag, 15. November 2021. 32 Seiten bietet der «Tages-Anzeiger» seinen Lesern, die sich am Kiosk dafür vom Gegenwert eines Café Creme trennen müssen.

Damit folgt das Qualitätsmedium dem etwas nach Realsozialismus riechenden Prinzip: Leistung, Wert und Preis haben keinerlei Zusammenhang. Weniger Leistung, gleicher Preis: na und?

Eigenleistung im Lokalen und etwas in der Innenpolitik. Und beim Kommentieren, klar. Aber sonst? Klimagipfel in Glasgow? Das erledigt Michael Bauchmüller von der «Süddeutschen». Etwas Feuilleton über «Gute reiche, böse Reiche»? Sebastian Herrmann, SZ, ist zur Stelle und füllt die Tagi-Seite. Rehash, was Donald Trump alles am 6. Januar dieses Jahres plante, um die Macht doch nicht abgeben zu müssen? Fabian Fellmann greift zum Griffel. Immerhin, ein Tagi-Gewächs.

Allerdings: bis vor Kurzem war er noch Bundeshausredaktor zu Bern; die USA-Korrespondentenstelle hat er erst vor wenigen Monaten angetreten. Da ist alles natürlich noch ganz neu und anders für ihn, da fängt er mit einem sicheren Wert an: Trump eins in die Fresse, das liest man doch immer wieder gerne.

Viele lässliche Sünden, aber auch schwere Vergehen

Das alles sind aber noch lässlich Sünden; wir kommen zum Höhe- und Tiefpunkt. Seite 25, man hat das Dünnblatt schon fast durch, bleibt man beim Aufmacher von «Kultur & Gesellschaft» hängen. Gut, es hätte schlimmer kommen können, aber Nora Zukker hat nichts geschrieben.

Weisswurst. Bayerisch. Schmackhaft. In Bayern. In der SZ.

Stattdessen Julia Rothaas. Richtig, Autorin der Süddeutschen. Die schreibt über Stephanie Huber. Deren Porträt schmückt auch fast eine halbe Seite, um die sich dann ein Text rankt. Hubers Mann starb unerwartet an einem Herzinfarkt. Seither muss sich Witwe Huber um zwei Kinder, eine Firma und ein Eigenheim kümmern. Bedauerlich, unser Beileid.

Das Schicksal einer Frau aus Deutschland. Teil der Tagi-Kultur.

Nur: Ihr Mann starb 2013. Im Schwäbischen. Daraufhin zieht sie anderswohin in Bayern. Baute sich dort ein neues Leben auf. Etwas sprunghaft und wirr von Rothaas beschrieben, die das Klavier der erfolgreich absolvierten Trauerarbeit in D-Moll und dann in G-Dur spielt. Ein Porträt eines Menschen und wie der mit einem Schicksalsschlag umgeht.

Was hat das mit der Schweizer Lebenswelt zu tun?

Was hat das allerdings mit der Lebenswelt, mit den Erfahrungen in der Schweiz zu tun? Gibt es hier keine solchen Fälle? Wäre der Leser des «Tages-Anzeiger» (und dem angeschlossenen runden Dutzend Kopfblätter) nicht empathischer, wenn sich die Story in einer ihm bekannten und vertrauten Umgebung abspielen würde?

Sicher, das Problem bei diesem Kopfblatt-Elend mit Zentralredaktion ist: dem Berner ist der Basler nicht gerade ans Herz gewachsen, und den Zürcher mag eh keiner ausserhalb von Zürich, den Thunern gehen alle diese Städte schwer am Allerwertesten vorbei. Aber eine solche Nahaufnahme müsste eine Eigenleistung eines Kultur- und Gesellschaftsteils sein, der diesen Namen verdient.

Das müsste allerdings Bestandteil einer Tageszeitung sein, die den Namen Qualitätsmedium verdiente. Diese Tageszeitung müsste einen erkennbaren Nutzwert bieten, eine Leistung, die Fr. 4.20 wenigstens ansatzweise entspricht.

Worin besteht der Gegenwert für Fr. 4.20?

Diese Eigenleistung müsste vor allem im überall gleichen Mantelteil erfolgen, der sowieso schon die unterschiedlichsten Regionen mit der gleichen Einheitssauce beliefert. Also dann wenn schon Züri Geschnetzltes. Aber keine Weisswürste. Wobei es eigentlich noch schlimmer ist. Es gibt nicht mal bayerische Spezialitäten. Sondern McDonald’s. Fast Food. Aber was da funktioniert – immer das Gleiche, dafür schnell und billig – funktioniert bei einer Tageszeitung überhaupt nicht.

Nicht mal dafür reicht’s bei Tamedia.

Wer solche Leere bietet, dafür noch Steuersubventionen bekommt und sich eine weitere Milliarde mischeln will, ist schon nassforsch. Deutlicher gesagt: unverschämt. Auf 32 Seiten wird das Totenglöcklein des authentischen und eigenständigen Journalismus geläutet. Alle hören das, nur die Totengräber selber nicht.

Die kommentieren und fabulieren und beurteilen weiterhin, als würde das noch wirklich interessieren. Bis sie dann die nächste Sparrunde ereilt und ein neuer Kindersoldat mit grossen Augen und ernsthafter Kindlichkeit der Welt, den Menschen und seinen Mitbürgern ungefragt Ratschläge erteilt. Und schon früh verbittert und vergreist, weil sich kein Schwein dafür mehr interessiert.

«Houptsach Houptstadt»

In Bern spriessen Medienprojekte. Langsam, dafür unstetig.

Tamedia hatte tabula rasa gemacht. «Berner Zeitung» und «Der Bund», zwei traditionelle Blätter, aber im gleichen Verlag? Der von einem Medienmanager geführt wird, der Qualität, Vertrauen und wichtige Kontrollfunktion in der Demokratie in jedes Mikrophon spricht, das man ihm hinhält.

In seiner täglichen Arbeit geht es Pietro Supino darum, die Tx Group so profitabel wie möglich aufzustellen. Seitdem die grossen Anzeiger für Stellen, Autos oder Immobilien ins Internet abgeschwirrt sind, ist da nicht mehr viel Profit zu machen.

Quersubvention ist nicht, sagt Supino, jeder für sich und der Coninx-Clan gegen alle. Also muss gespart werden, dass es quietscht. Also ist das dumme Geschwätz von gestern älter als die Tageszeitung von vorgestern. Also werden BZ und «Bund» keinesfalls zusammengelegt. Bis sie dann zusammengelegt wurden.

Es brauchte ziemlich genau ein Jahr, he, wir sind in Bern, bis sich ein neues, kleines Kollektiv entschloss, dagegen etwas zu unternehmen. Das Projekt «Hauptstadt» war geboren. Gab’s schon mal, bis es schnell ins Grab sank? Na und. Bern ist gar keine Hauptstadt? Na und. Was soll denn genau drin stehen, in der «Hauptstadt»?

Läuft. Oder läuft nicht.

«Die «Hauptstadt» berichtet über die Stadt und die Agglomeration Bern mit ihren 400’000 Einwohner*innen. Neben einem Newsletter, der den Leser*innen das Sortieren der lokalen Nachrichten erleichtert, sind Recherchen, Reportagen und Kolumnen die publizistischen Kernelemente.»

Nun ja, wirklich konkret ist das auch nicht, aber egal. Zuerst muss mal gespendet werden, denn ohne Geld geht nix. Also das Übliche, Crowdfunding, «werde Hauptstädter*in». Intelligent: wenn man die Latte ganz, ganz niedrig legt, dann hopst man problemlos drüber und kann «Triumph» krähen.

Ist jeder 400. Berner bereit, etwas zu zahlen?

Der «Markttest» bestand darin, dass satte 1000 «Einwohner*innen», also jeder 400., dazu bereit ist, 120 Franken Jahreabo zu löhnen. Für etwas, was es noch nicht gibt und von dem man auch nicht weiss, ob es das erste Jahr überlebt. Das wurde natürlich geschafft, nun fehlt noch eine knappe Woche, und die «Hauptstadt» kratzt an der Marke 3000. Mit Fernrohr oder unter der Lupe ist das schon was.

Die «Hauptstadt» will dabei Vorbildern nacheifern wie «Bajour» in Basel oder «tsüri.ch» in Zürich. Also einem gesponserten Verlierer und einem Blatt mit etwas merkwürdigem Geschäftsgebaren. Und natürlich steht immer das Wort «Republik» im Raum. Ein Insider-Magazin für seine Ingroup, mit ellenlangen Texten maximal leserunfreundlich, aber von Millionären unterhalten, obwohl es sich mit Abscheu über Millionäre wie Blocher in den Medien äussert. Aber es gibt eben solche und solche.

Was ist mit den anderen Berner Alternativmedien?

Das ist nun alles Geschmacksache, nicht wirklich Optimismus weckend. Eher schräg ist allerdings, dass es in Bern schon einige Jährchen nicht nur ein, sondern gleich zwei Alternativmedien gibt. Da wäre mal das «Megafon», wo sich die früheren Taliban der Reitschule zwar immer noch Geschmacklosigkeiten wie eine Kopf-ab-Karikatur leisten, auch gerne ab und an Fake-News verbreiten, aber es auch ab und an in die Mainstream-Medien schaffen, wenn ihnen etwas auffällt, was alle anderen übersehen und verschnarcht haben. So wie letzthin ein Slogan der Verschwörungssekte QAnon auf der «Walliserkanne». «Megafon» erscheint in der 472. Ausgabe.

Will nicht gefallen. Aber auffallen.

Dann gibt es seit 2012 das «Journal B». Das berichtet über Alltag, Politik und Kultur. Sozusagen als normales Ergänzungsangebot, mit Festangestellten, ohne Bezahlschranke. Das «Megafon» twittert gratis, will aber für seine Printausgabe Kohle. Die «Hauptstadt» will eine konsequente Bezahlschranke hochziehen.

Will gefallen. Und auffallen.

Bei «Journal B» finanziert ein Trägerverein die Existenz, der Solgan lautet: «Sagt, was Bern bewegt». Die «Hauptstadt» kurvt darum herum, aber im Nahkontakt: «Wissen, was läuft. Wissen, was nicht läuft.» Das «Megafon» betont seine Wurzeln: «Die Zeitschrift aus der Reitschule, Bern».

Gar nicht erst ignorieren, sagt sich die «Hauptstadt»

Wir kommen zum Wunder von Bern: Als Newcomer wäre es vielleicht geboten, dass sich die «Hauptstadt» im Marktumfeld positioniert. Die «TagesWoche» selig in Basel positionierte sich in erster Linie als Gegen-BaZ. Und ging damit fürchterlich baden. Die «Hauptstadt» definiert sich in erster Linie als Reaktion auf die Tamedia-Fusion. Aber wo sieht sie ihren Platz zwischen dem «Megafon» und «Journal B»?

Naheliegende Frage, erstaunliche Antwort: keine Antwort. Die beiden Berner Produkte werden mit keinem Wort erwähnt. «Bajour» ja, «Journal B» nein. Podiumsdiskussionen mit der Chefredaktorin von «bajour» ja, Debatten mit dem «Megafon-Kollektiv» oder einem Vertreter von «Journal B»? Nein.

Das wirkt dann schon, abgesehen von der wirklich mageren Resonanz von nicht einmal 3000 Abonnenten, leicht autistisch. Autismus beinhaltet zwar häufig Inselbegabungen. Aber gerade beim Thema Sozialkompetenz sind Autisten schwer gestört. Das ist nun wirklich kein gutes Zeichen für die «Hauptstadt». Vielleicht animiert sie dann mal das «Megafon» zu einer neuen Karikatur, wo jemandem das Haupt abgeschlagen wird

Quietschender Reifen

Kommentiert den Kommentator!

Jean-Martin Büttner kommentiert Christoph Mörgeli, weil der den Schweiz-Korrespondeten der FAZ kommentiert.

Das können wir nicht unkommentiert lassen. Wir bewundern Büttners Kurventechnik. Wäre er in der Formel 1 unterwegs, läge ein Podestplatz drin.

Zunächst kriegt Mörgeli, der «zum Journalisten umgebaute Politiker», eins in die Fresse. Empfindlich bei Kritik an ihm, aber gross im parteiischen Austeilen. Quietsch, Kurve, kann aber was, «hat mit seiner Kritik in vielem recht».

Quietsch, ist aber eine Mimose, wenn er selber angerempelt wird. Gerade kein Beispiel zur Hand, also quietsch, Niklaus Meienberg war auch so. Quietsch, Roger Schawinski war und ist so. Quietsch, gelte auch für «Woke-Sensible».

Damit hat Büttner auf wenigen Zeilen einen Satz Reifen verschlissen, und was er eigentlich sagen will, verschwindet im Qualm von rauchendem Gummi.

 

 

Quote ist Quatsch

Quote mindert Qualität und bewirkt das Gegenteil des Beabsichtigten.

Vor rund 9 Monaten landeten Tamedia-Mitarbeiterinnen den wohl grössten Scoop ihrer ganzen Karriere. Zwei zuvor durch keinerlei journalistische Leistungen aufgefallene Rädelsführerinnen liessen via Jolanda Spiess-Hegglin ein für internen Gebrauch bestimmtes Protestschreiben an die Öffentlichkeit durchsickern.

Perfekt getimt zum Tag der Frau erregte es gewaltig Aufsehen. 78 Mitarbeiterinnen hatten ein Schreiben unterzeichnet, das sich über demotivierende Zustände, Diskriminierung und Sexismus auf den Redaktionen beschwerte. Rund 60 anonymisierte Beispiele sollten das belegen.

Abgesehen davon, dass sie an Harmlosigkeit kaum zu überbieten waren und durch die völlige Anonymität nicht nachprüfbar, landete diese Aktion einen vollen Erfolg. Er beförderte die beiden Initiantinnen in den Fokus der Öffentlichkeit und verschaffte ihnen sogar einen Kurzauftritt in «10 vor 10».

Einknicken, entschuldigen, Besserung geloben

Mehr als das, die gesamte Tamedia-Führungsriege knickte widerstandslos ein. War betroffen, entschuldigte sich, sah ein Problem, kündigte strenge Untersuchung an, versprach Abhilfe. 9 Monate später ist die Untersuchung offensichtlich mangels Möglichkeit zur Verifizierung (welcher männliche Sexist soll was zu welchem weiblichen Opfer gesagt haben?) verröchelt.

Aber die Ansage des Mitglieds der Geschäftsleitung bleibt: 40 Prozent Frauenanteil auf allen Hierarchiestufen, das ist das Ziel. Marco Boselli, Co-Geschäftsführer von Tamedia, bekannte sich zur Quotenregelung.

So wird alles gut. Für Frauen …

Und schlug damit einen weiteren Sargnagel bei der Beerdigung des Qualitätsjournalismus ein. Denn Quote killt Qualität, das ist eine feststehende Tatsache. Genauso wenig, wie das Geschlecht ein Kriterium für Kompetenz oder öffentlichen Auftritt sein darf, sorgt Quote nur dafür, dass durch sie diskriminierte Mitarbeiter abwandern.

Die Fähigen gehen, die Unfähigen bleiben

Ausgerechnet die, die eigentlich Karriere machen wollen. Denn die einfach zu verstehende Wirkung ist: selbstverständlich sind auch bei Tamedia leitende Positionen überwiegend von Männern besetzt. Und da weder Big Boss Pietro Supino, noch Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, noch Geschäftsführer Marco Boselli, noch «Blick»-Chef Christian Dorer an eine Geschlechtsumwandlung denken dürften, bedeutet Quote, dass Körper mit Vagina ganz klar bessere Karten haben als Körper mit Pimmel.

Also gehen die Pimmel fremd; typisch Mann. Kurt W. Zimmermann zählt in der neusten «Weltwoche» ein paar Beispiele auf. Beat Schmid, vor nicht allzu langer Zeit von CH Media zu Tamedia gestossen, geht. Ein herausragender Wirtschaftsjournalist. Ebenso Markus Diem Meier. Oder Linus Schöpfer, womit das eh schon auf dem Sterbebett liegende Kulturressort unter Federführung von Nora Zukker oder Andreas Tobler noch die letzten Leser in die Flucht schlagen wird.

Denn Quote heisst: den Aufstieg in Männergremien kann man als Mann vergessen. Leistung, Kompetenz, die Bearbeitung von Themen, die 99 Prozent aller Leser entschieden mehr interessieren als «free bleeding» oder die neusten Entwicklungen im korrekten Gendern der Sprache – spielt keine Rolle mehr.

Was inzwischen alles die Leser belästigt …

Schlimmer noch, schon vor dieser Quotenregelung merkte man Tamedia immer deutlicher an, dass sich männliche Vorgesetzte kaum mehr trauten, weiblichen Sprachmüll dem Leser zu ersparen. Denn wer will schon gerne als demotivierender Sexist an den Pranger gestellt werden, dessen männliche Sicht die Qualitäten eines weiblichen Texts gar nicht erfassen kann.

Binäre Quoten sind der Gipfel der Diskriminierung. Wenn es nur um Vagina oder Penis geht, wo bleiben die Kurzsichtigen? Die Brillenträger? Die polygamen Schwulen? Die enthaltsamen Lesben? Die Veganer? Die Latzhosenträger? Die Fans von Gucci-Handtaschen? Und vor allem: die Non-Binären, die Transmenschen? Oder die trockenen Alkoholiker, die Zigarrenraucher, die Marathonläufer, die Biertrinker?

Von den dadurch möglichen Untergruppen ganz zu schweigen, wir erwähnen hier nur den glatzköpfigen, sowohl horizontal wie vertikal herausgeforderten Schwulen mit ex-veganem Hintergrund und der finsteren Absicht, sich umoperieren zu lassen. Wo ist dessen Quote, und wenn nicht, wieso lassen wir diese Diskriminierung zu?

Für Tamedia, für die Leser und für die Pimmelträger im Hause sind das schlechte Nachrichten. Aber es gibt auch eine gute. Drittklassige Redaktorinnen, unfähige Managerinnen, selbst strunzblöde Blondinen (ob echt oder gefärbt) haben Karrierechancen wie noch nie in ihrem Leben. Allerdings: nachhaltig Karriere machen kann man nur in einer Firma, die sich nicht im Sturzflug befindet.

Und erst noch stolz drauf. Cover des deutschen «Stern».

Sonst wird man höchstens zum Bestatter, zur Bestattungsgehilfin. Und das ist höchstens am TV lustig.

F*** den Faktencheck

Um es milde auszudrücken. Neuerlicher Tiefpunkt bei Tamedia.

Was früher vor der Publikation eines Artikels selbstverständlich war, wird heutzutage im Elendsjournalismus gross als Leistung heraustrompetet: der Faktencheck.

Das ist ungefähr so wie wenn der Reifenwechsler ein grosses Gewese daraus machen würde, dass er am Schluss der Montage der Winterpneu noch die Schrauben nachzieht. Eine Selbstverständlichkeit wird zur Sonderleistung aufgepumpt.

Das ist schon lachhaft genug. Dass der Oberfaktenchecker von Tamedia es nicht checkt, zieht die Schraube der Lächerlichkeit noch weiter an. Nun hat Yannick Wiget zusammen mit dem Gesetz-Befürworter Edgar Schuler ein Stück online gestellt, das zwar hinter der Bezahlschranke versteckt ist, aber dennoch keinen Pfifferling wert: «Argumente für und gegen das Covid-Gesetz im Faktencheck»

Leider steht das Wort ungeschützt im Raum; jeder (und jede) kann dran rumfingern, es missbrauchen, abwerten, Lügen strafen. Das tun sogenannte Qualitätsjournalisten am liebsten, während sie das hohe Lied vom Vertrauen in ihre Tätigkeit singen. Und die nächsten Fakechecks schon vorbereiten, die in aller Objektivität ergeben werden, dass man ihnen unbedingt eine Milliarde Steuergelder reinschieben muss.

Wes Inserat ich nehm, des Lied ich sing

Aber zunächst geht es um die Abstimmung am 28. November. Bis und mit Sonntagsausgaben haben die Mainstream-Medien einen grossen Schluck aus der Pulle «Impfwoche» genommen. Inserate satt, milde Berichterstattung über einen Flop, bei dem locker 100 Millionen Franken an Steuergeldern sinn- und zwecklos verröstet wurden. Dabei steht als letzter Höhepunkt der Aufruf von 13 Ex-Bundesräten an «ihr Volk» noch aus, sich gefälligst zu impfen.

Aber keiner zu klein, Faktenchecker zu sein. 17’218 gecheckte Anschläge lässt Tamedia über seine schrumpfende Leserschaft herabregnen. Man will denen schliesslich mal wieder zeigen, wofür sie Hunderte von Franken pro Jahr ausgeben. Für Qualitätsjournalismus natürlich. Objektiv, ausgewogen, analytisch, lehrreich, einordnend, klarstellend. Verlässlich, richtig, voll gecheckt halt.

Bevor wir uns ins finstere Elendsloch des modernen Schrumpfkopfjournalismus abseilen, müssen wir uns noch eine Stirnlampe montieren. Lassen wir einen Moment Semantik aufblitzen. Faktencheck heisst, Aussagen «anhand von nachprüfbaren, rationalen und objektiven Fakten» überprüfen. Da kann man Wikipedia folgen, auch wenn wir den Begriff Fakt mal so stehenlassen.

Nun legen die beiden Cracks Schuler und Wiget «sechs Behauptungen zur Vorlage auf den Prüfstand». Diese «Behauptungen» stammen zur Hälfte von Coronaskeptikern. Also Leugnern, also Vollirren. Daher sind es auch keine Aussagen mehr, sondern eben Behauptungen. Wie sieht denn nun dieser «Prüfstand» aus? Das hört sich doch nach Technik an, Wissenschaft, Profigerät.

Prüfstand auf dem Prüfstand: ist gar keiner

Leider kann sich auch dieses Wort nicht gegen Missbrauch wehren. Denn der «Prüfstand» ist gar keiner. Schon die Einleitung der «Prüfung» ist gaga: «Wir haben uns die wichtigsten Argumente der Befürworter und Gegner genauer angeschaut.»

In Wirklichkeit werden sechs Aussagen jeweils bestätigt oder bestritten. Hier kommt nun der Intelligenztest für den ZACKBUM-Leser: die Aussagen von wem werden bestritten, von wem bestätigt? Wir sind uns sicher, dass alle unsere Leser hier die volle Punktzahl holen.

Im Kurzdurchlauf: «Ungeimpfte werden diskriminiert.» Ach was, ein Staatsrechtler sagt dazu, das erscheine «weitgehend übertrieben». Es gibt zwar auch renommierte Staatsrechtler, die schwerste Bedenken gegen dieses Gesetz äussern. Aber davon wollen die sich doch keinen «Faktencheck» verderben lassen. Schliesslich zitieren die Oberfaktenverdreher denjenigen, der ihnen in den Kram passt.

«Zertifikate bieten eine Scheinsicherheit». Damit mache unter anderem die «Schriftstellerin Sibylle Berg Stimmung gegen die Gesetzesänderung». Wohlgemerkt, sie argumentiert nicht, sondern, typisch Frau, alles Stimmungssache. Aber spielt ja keine Rolle, auch das ist Quatsch: «Von einer Scheinsicherheit kann aber nicht die Rede sein.» Schliesslich, wie steht es mit Befürchtungen vor einer «totalen Überwachung»? Nimm das, du Schriftstellerin:

«Die Befürchtungen von Sibylle Berg sind bedenkenswert, aber übertrieben.»

Wie überstehen die drei «Argumente» der Befürworter den Fickifackicheck, die genauso brutal auf den Prüfstand gelegt werden? «Die Aussage des Bundesrats ist richtig.»

«Die Aussage von Bundespräsident Parmelin ist richtig

«Grundsätzlich stimmt also Bersets Aussage.»

Tatä, wir haben ein eindeutiges Resultat. 3 Aussagen der Gegner des verschärften Gesetzes: falsch, falsch und nochmal falsch. 3 der Befürworter: richtig, superrichtig, grundsätzlich richtig.

Wir hätten auch drei Fragen, die wir gerne auf den Prüfstand legen möchten:

Sagt mal, Ihr beiden Faktenchecker, schämt Ihr Euch denn gar nicht? Habt Ihr jede journalistische Ehre aus dem Leib geprügelt bekommen? Könnt Ihr Euch wirklich noch morgens im Spiegel anschauen, ohne tief zu erröten?

 

 

Fehlende Sternchen

Gendern, endlich konsequent. Wir haben ein paar Vorschläge.

Wir wissen spätestens seit Orwell: wenn schon, denn schon. Wenn der New Speak nicht vollständig umgesetzt wird, funktioniert er nicht.

Daher eine unvollständige Liste von noch nicht genügend gegenderten Wörtern:

  • Der Taliban. Die Taliban*Innen, die Taliban:in
  • Der Baum. Die Bäum!innen, die Bäum:erIn*
  • Der Penis. Die Penis:Innen, die Pen*is*
  • Der Atomkrieg. Die Atomkrieg+erInnen, die Atomkrieg!in
  • Der Sprachreiniger. Die Sprachreiniger!Innen**, die Putzfrau
  • Der Kopf. Die Köpf*Innen, die Geköpfte
  • Der Patriarch. Die Patriar*sch:Innen, die Mamapatriarchin
  • Der Blinde. Die Blind*!innen, die Geblendete
  • Der Schwule. Die Schwul!innen**, die Schwulstige
  • Das Gender. Die Gender!Innen, die Gender*Inin!*

Gendergegner: hier fehlt doch was Weibliches.

Nicht nur für Genderforscher, auch für feministische Linguistinnen gibt es noch Unmengen zu tun. Aber immerhin: es heisst die Tat und die Täterin.

Als Zwischenschritt empfehlen wir die «geschlechtsneutralen» Formulierungen.

Feuerwehrleute ist viel besser als Feuerwehrmänner. Assistenz statt Sekretärin. Selbstverständlich Reinigungskraft statt Putzfrau. Ganz wichtig auch: Fahrerlaubnis statt Führerschein!

Was ist Aufklärung?

In trüben Zeiten hilft klares Denken. Wie das von Immanuel Kant.

Am Sonntag kann man sich schon mal Zeit nehmen, sich an einer klaren Bergquelle der Erkenntnis zu laben. Das putzt die Gehirnwindungen durch und erhebt den Menschen ungemein.

Sollten die Klickraten nicht dadurch zusammenbrechen, könnten wir uns auch ohne Weiteres eine kleine Serie vorstellen.

Beginnen muss die mit dem wohl entscheidenden Versuch, die Grundlage unseres modernen Denkens in Europa und auf wenigen Inseln der Vernunft in der Welt zu definieren. Es geht um den Begriff Aufklärung. Um das, was auf Spanisch so schön «el siglo de la luz» heisst, das erleuchtete Zeitalter.

Als kühne Denker, herausragend die Enzyklopädisten um Denis Diderot, damit begannen, die Wirklichkeit an sich selbst zu messen. Keine meist religiös unterfütterten Setzungen mehr zu akzeptieren, sondern es mit etwas ganz Neuem, Subversivem zu probieren: dem eigenen Denken, dem Debattieren zwecks Erkenntnisgewinn. Mit der ersten Erkenntnis, dass nur so Fortschritt möglich ist.

Eine genial einfache Antwort auf eine schwierige Frage

Dennoch dauerte es bis in den Dezember 1784, also fünf Jahre vor der Französischen Revolution, dass ein deutscher Denker aus Königsberg die einfache Frage stellte: «Was ist Aufklärung?» Und sie in der «Berlinischen Monatsschrift» auf wenigen Seiten umfassend, gültig und bis heute beeindruckend beantwortete.

Eigentlich müsste man dieses Werk einfach wörtlich zitieren. Aber wir bieten es hier zum Nachlesen und auf ZACKBUM als Exzerpt.

Der Anfang ist ein geistiger Knaller auf der Höhe des Einstiegs in einen guten James-Bond-Streifen:

«Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.»

Diese Sätze sollte man sich heutzutage nichts nur sonntags immer wieder zu Gemüte führen. Sie sind auch in einigermassen gebildeten Kreisen, also unter Ausschluss der meisten aktuell tätigen Journalisten, bekannt. Etwas weniger bekannt ist die Fortsetzung:

«Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Theil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (naturaliter majorennes), dennoch gerne Zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein.»

In diesem Zustand, beklagt Kant 1784, befindet sich weiterhin der grösste Teil der Menschheit: «Ich habe nicht nöthig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen.»

Immanuel Kant (1791).

Statt sich am Gängelband führen zu lassen, könne das «Publikum» sogar leicht zur Selbstaufklärung gelangen: «Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stükken öffentlichen Gebrauch zu machen.»

Gedanken über den Probierstein für Gesetze

Kant räsoniert dann ausführlich über die Pflicht, vorhandene Regeln zu befolgen, und die Freiheit, sich darüber auch kritische Gedanken zu machen. Werden solche Regeln in Gesetze gegossen, gilt laut ihm dabei nur ein Kriterium:

«Der Probierstein alles dessen, was über ein Volk als Gesetz beschlossen werden kann, liegt in der Frage: ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz auferlegen könnte?»

Gegen Schluss stellt Kant die Frage: «Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.»

Aber umso mehr man «von der Vernunft öffentlich Gebrauch machen» könne, desto mehr entwickle sich die Geschichte zu einem aufgeklärten Zeitalter.

War der Mann optimistisch. Als er 1804 starb, hatte er noch miterlebt, wie die Französische Revolution, dieser erste neuzeitliche Versuch, sich von Despotie, Willkür und Unterdrückung zu befreien, in einem Blutrausch und in Terreur endete, um schliesslich in Napoleon ihr nicht beabsichtigtes Ende zu finden.

Inseln im Meer der anbrandenden Dummheit

Im Jahr 2021, also genau 237 Jahre nach dieser phänomenalen Definition des Begriffs Aufklärung, sind selbst diese kleinen Inseln der Vernunft, der rationalen und wissenschaftlichen Welterklärung ohne Tabus, gefährdet.

An sie branden die Wellen des Meeres der Dummheit. Öffentlich wird immer weniger von der Vernunft Gebrauch gemacht. Die veröffentlichte Meinung, zumindest in den nach wie vor dominierenden Massenmedien und vielfach noch staatlich dominierten elektronischen Medien, regrediert immer mehr in obrigkeitshöriges Nachplappern, wird zur genauen Vermessung von Tabuzonen missbraucht. Vermischt moralische Kriterien, die hier nichts zu suchen haben, mit dem alten Geschäft von Verifizieren oder Falsifizieren.

Darüber finden aber immer weniger Debatten statt, sondern Setzungen. Es prallt nicht mehr das Richtige als der Sieger über das Falsche in freier Diskussion aufeinander, sondern das sich selbst genügende Gute erhebt sich über das selbst definierte Böse. Wobei das Gute selbstverständlich auch richtig ist, das Böse falsch.

Immanuel Kant würde wohl verzweifelt den Kopf schütteln, würde er dieses modernen Rückfalls in eine selbstverschuldete Unmündigkeit gewahr. Aber er wusste halt, dass Faulheit und Feigheit die grössten Feinde der Aufklärung waren, sind und bleiben.

Kurz & knapp: Chefredak

Seit der von Kurt Tucholsky unsterblich gemachten Debatte, wie denn die Löcher in den Käse kommen, wird hier von Kindermund eine weitere schwer zu beantwortende Frage gestellt:

Liebe Kinder, egal, was Euch Märchentante Priska Amstutz erzählt hat; die Wahrheit ist: sie ist gar keine richtige Chefredaktorin. Sie ist eine auf Hierarchiestufe drei stehende Co-Chefredaktorin. Eigentlich ist bei ihrem Titel der Teil «Chefredak» überflüssig.

Spielt keine Rolex, was das lacostet

Alter Werberscherz. Neu belebt vom BAG.

Auf unsere Faktentchecker ist ja kein Verlass. Also haben wir ein paar Fragen zur abverheiten Tournee zwecks Mobilisierung der Jugend ans BAG gerichtet. Manchmal sind die Antworten so entlarvend, dass es keinen weiteren Kommentar braucht.

Daher alles im Original.

  1. Trifft es zu, dass diese ganze Veranstaltung rund 2,5 Millionen Franken kostet?

Die Informations- und Konzert-Tour ist Total mit ca. 2,5 Mio Franken budgetiert, das ist korrekt. Darin enthalten sind Planung, Infrastruktur/Technik, Personalkosten, Reisekosten, Produktion, Durchführung, Kommunikationsmassnahmen und Gagen für die gesamte Informations- und Konzert-Tour inkl. aller Aktivitäten.

  1.     Trifft es zu, dass die teilnehmenden Künstler jeweils eine Gage im sechsstelligen Bereich erhalten?

Die Künstlerinnen und Künstler werden branchenüblich honoriert.

  1.     Welche Beträge sind das; im Schnitt und individuell auf die Künstler aufgeschlüsselt?

Die Beträge kommunizieren wir nicht, um die Privatsphäre der Künstlerinnen und Künstler zu schützen.

  1.     Trifft es zu, dass die Künstler eine Stillschweigensklausel über ihr Honorar unterzeichnen mussten?

Zum Schutz der Privatsphären der Künstlerinnen und Künstler wurde gegenseitig vereinbart, sich zum Inhalt der Verträge nicht zu äussern.

  1.     Diese Tour wird von «Gadget Abc Entertainment Group» organisiert. Welches Honorar bekommt der Veranstalter?

Die Aufwände von «Gadget Abc Entertainment Group» werden zu marktüblichen Konditionen abgegolten.

  1.     Die gesamte Impfkampagne wird von der Werbeagentur Rod Kommunikation durchgeführt. Welches Honorar bekommt Rod für diese Impfwoche?

Rod Kommunikation ist als Generalunternehmerin beauftragt für die Bevölkerungsinformation im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Dies betrifft ebenfalls die Impfwoche. Über die Generalagentur wurden bisher Dutzende externe Subunternehmen für Drittleistungen beigezogen (Produktionsfirmen, Mediavermarkter, Kommunikationsdienstleister, etc.). Es wurde mit Rod Kommunikation ein Agenturhonorar von 9% vereinbart. Dieses Agenturhonorar wird auf die Kreation, Realisation, Produktion erhoben. Das Agenturhonorar auf Medialeistungen (Streuung) beträgt aktuell 6% und richtet sich nach der Gesamthöhe des Streubudgets. Es wird kein Honorar vergütet für Beratungsleistungen und Honorare von Subunternehmern, Marktforschungskosten und Spesen/Verbrauchsmaterialien. Das Agenturhonorar deckt den Beratungs-, Projektmanagement- und Administrationsaufwand der Agentur ab. Dies sind marktüblichen Ansätze von Kommunikationsagenturen.

  1.     Welches Honorar bekommt Rod bislang für die kommunikative Umsetzung aller BAG-Massnahmen?

Siehe oben.

  1.     Trifft es zu, dass die Konzerte zwar schnell ausverkauft waren, im Schnitt aber mindestens 20 Prozent der Besucher nicht erschienen?

Das ist richtig. Wir müssen leider davon ausgehen, dass viele Tickets bestellt wurden, ohne dass die Bestellenden die Absicht hatten, ein Konzert zu besuchen. Das ist schade, weil dadurch viele Konzert-Interessierte leider keine Möglichkeit hatten, die bisherigen Konzerte zu besuchen.

  1.     Trifft es zu, dass bei den bisherigen Konzerten jeweils nur Impfungen im unteren zweistelligen Bereich stattfanden? Gibt es dazu genaue Zahlen?

Das Verabreichen von möglichst vielen Impfungen am Rande der Konzerte ist nicht das Ziel der «Back on Tour» (vor Ort gab es jeweils zwischen 15 und 30 Impfungen). Die Informations- und Konzert-Tour ist innerhalb der Impfwoche vor allem eine Kommunikationsaktion. Die Konzerte dienen beispielhaft der Anschaulichkeit und erklären auf einfache Weise, wie stark Corona das öffentliche und kulturelle Leben noch immer einschränkt. Rund um die fünf Konzerte informieren medizinische Fachpersonen gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstler in unterschiedlichen Veranstaltungen und Aktionen, weshalb es wichtig ist, dass wir alle es gemeinsam so schnell wie möglich aus der Pandemie schaffen und zur Normalität zurückkehren sollten.

 

And the winner is: Rod Kommunikation. Alleine diese völlig abverreckte Impfwoche hat rund 100 Millionen gekostet. Davon 9 oder auch nur 6 Prozent «Agenturhonorar»: So viel Champagner kann man dort gar nicht saufen. Es wird aber wohl mit Hörschutz gearbeitet, beim ständigen Knallen der Korken.

Niederlagen sind Siege

Ob Sabotage, falsch angepackt oder einfach Versagen: Impfwoche schönschwätzen bei den Medien.

Wir können zuschauen, wie rund 100 Millionen Franken Steuergelder in den Abfluss gurgeln. So viel kostet die «Impfwoche». Gewinner sind eigentlich nicht in Sicht. Ausser der federführenden Werbeagentur, dem Konzertveranstalter und ein paar Künstlern, denen es egal ist, ob sie vor einer Handvoll Zuschauer spielen. Solange die Gage stimmt.

Echt bedenklich ist aber das Schönschreiben in den Medien. ZACKBUM-Redaktor René Zeyer verbrachte einige Jahre als Korrespondent auf Kuba. Inzwischen durch die Segnungen des Internets etwas aufgelockert, gab und gibt es dort legal ausschliesslich Staatsmedien.

Federführend ist die Parteizeitung «Granma». Die Grossmutter, benannt nach der Yacht, mit der Fidel Castro und eine handvolle Guerilleros landeten, um innert kürzester Zeit das Regime des Diktators Batista zu besiegen, kennt nur drei Arten von Nachrichten.

Das waren noch Zeiten.

Schlechte aus dem kapitalistischen Ausland, ganz schlechte aus den USA – und gute aus Kuba. Planübererfüllung, Erfolge, feste Absichten, revolutionärer Elan, Vertrauen in die Führung. Wenn etwas nicht ganz perfekt klappt: die Umstände, die USA, der Imperialismus, die Handelsblockade, Corona.

Man fragte sich Tag für Tag, wie das die vielköpfige Redaktion nur im Kopf aushält. Jeder dieser Schreiber lebte doch auch in der kubanischen Realität, die nun immer weniger mit ihrer schöngefärbten Darstellung auf geduldigem Zeitungspapier zu tun hatte. Man musste eine spezielle ideologische Verblendung oder reinen Opportunismus vermuten.

Kubanische Zustände in der Schweiz

Man hätte es aber nicht im Traum für möglich gehalten, ähnlichen Zuständen in der Schweiz zu begegnen. Konkret in der medialen Darstellung der «Impfwoche». Ohne Übertreibung ist jetzt schon absehbar: ein 100-Millionen-Flop. Keines der Ziele wurde erreicht, alle verfehlt. Die meisten Massnahmen entfalteten die Wirkung eines Knallfroschs, dem die Zündschnur feucht geworden war.

Die Konzerte, die Impfangebote, die Aufrufe, die ganze Kampagne: peinlich gescheitert. In der Realität. Aber nicht in den Medien.

Tapfer fabuliert eine «watson»-Reportage die Sache schön:

«Nein, es ist dieser in Stein gemeisselte Optimismus. Trotz allen Schwierigkeiten und Anfeindungen, trotz der schieren Aussichtslosigkeit des Unterfangens blicken auch hier alle voller Zuversicht nach vorne. Spritze für Spritze Richtung Ende der Pandemie. Und wenn es hilft, dann auch zwischen Billy-Regal und Köttbullar.»

Poetische Durchhalteparolen bei der Beschreibung von «Impf-Teams», die sehr, aber sehr viel Zeit haben, zusammen Kaffee zu trinken.

Aggressive Kampagne der USA gegen Friede und Stabilität auf Kuba …

SRF kümmert sich um die Erledigung von Widersprüchen. Dänemark, der gelobte Impfchampion in Europa, das Vorbild. 75 Prozent, davon könnte sich die Schweiz mehrere Scheiben abschneiden, da müssen wir auch hin. Und nun das: «Corona-Beschränkungen werden wieder eingeführt und es braucht ein Zertifikat für gewisse Aktivitäten.» Blöd aber auch, wie denn das? ««Ein Punkt bei den Corona-Impfungen ist, dass man das Virus unter Umständen trotzdem weitergeben kann», erklärt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.»

Ach was, und deshalb sollen sich in der Schweiz dank der Impfwoche möglichst viele impfen lassen? Nun, da helfen nur die ewig gleichen Horrorprognosen:

««Die Zahl der Ungeschützten und ihr Ansteckungsrisiko sind entscheidend.» Laut aktueller Schätzung des BAG seien etwa eine Million Erwachsene ungeschützt. «Das kann, wenn sich alle infizieren, noch einmal Tausende Menschen in die Spitäler bringen.»»

Gelenkiger als ein Parteiorgan im Wendehalsen 

Treffen die nicht ein, ist man inzwischen gelenkiger als ein Parteiorgan, wenn es mal wieder mit der Planerfüllung nicht geklappt hat. Besondere Aufmerksamkeit wurde Afrika zu teil. Einstellige Impfquoten, trümmeliges Gesundheitssystem, Massensterben mit Ansage. Und nun das:

«Das Wunder von Afrika. Alle erwarteten eine Katastrophe und sprachen von einem «zynischen Live-Experiment»: Doch der Kontinent kam bisher glimpflich durch die Pandemie. Eine Nachricht, die guttut.»

Die SoZ wird fromm und glaubt an Wunder. Dabei handelt es sich bloss um eine weitere, krachende Fehlprognose. Aber zurück in die Schweiz.

Auch CH Media bemüht sich, möglichst gute Miene zum peinlichen Schauspiel zu machen. Der Reporter muss zwar launig beschreiben, wie Kälte und gähnende Leere seine Reportage begleiten. Aber, als alter Profi weiss er, dass der Schluss hängen bleibt: «In Zürich ist etwas ausgebucht, zum ersten Mal auf dieser Reise. Im Verlauf des Tages kam es zu Szenen, wie man sie sich im ganzen Land erhofft hatte: lange Schlangen, und zwar vor dem Impfdorf im Zürcher Hauptbahnhof. Allerdings gehören die Wartenden nicht zum primären Zielpublikum. Der Grossteil will nicht die erste Impfung. Sondern den Booster. Am Abend leuchtet über dem Impfdorf eine Anzeige, «Booster-Impfungen ausgebucht».»

Da hilft nur nur noch Poesie …

Sonst hilft wohl nur noch beten: «Katholiken für die Impfung: “Chance, weiterhin Solidarität zu leben”», titelt kath.ch mit frommem Gottvertrauen. «zentralplus» sieht es etwas nüchterner: «Luzerner Impfwoche startet verhalten». Aber auch hier werden Erfolgsmeldungen zusammengekratzt: «Deutlich erfolgreicher verläuft die Kampagne des Impftrucks. Dieser war am Montag in Malters, wo sich 136 Personen haben impfen lassen.»

Richtig genial ist aber die Schlussfolgerung, zu die der Kommentator von Tamedia kommt:

«Wir sollten erst jene impfen, die wollen»

Bevor wir diese impfen, die nicht wollen. So blöd hätte nicht mal «Granma» kommentiert. Aber vielleicht sollte er sich bewerben.