Leiden am Sonntag

Tamedia hatten wir schon, SoBli halten wir nicht aus.

Also bleibt ja nur noch die NZZaS als Labsal für den gequälten Medienkritiker. Aber auch die gibt ihm Saures. Schon auf der Front:

Wer eine Begegnung von Friedrich Dürrenmatt (schon lange tot) mit Niklaus Meienberg (schon länger tot) in der Kronenhalle (lebt noch von vergangenem Ruhm) aus dem Jahr 1986 aufs Cover heben muss, ist noch nicht wirklich im Jahr 2023 angekommen.

Wer unter dem Titel «Russische Botschaft in Bern: Spannungen nehmen zu», dann über Beschwerden über angeblich rücksichtslosen Fahrstil russischer Diplomaten berichtet, hat ein Themenproblem.

Wer den Altbundesrat Ueli Maurer genüsslich zitiert, der bei einer Rede an seiner Partei «scharfe Kritik» geübt habe, ist schon im Wahlkampfmodus für seine FDP.

Wer schliesslich noch diesen Nonsens auf die Front hebt, sollte sich beraten lassen:

Da liegt der Kalauer nahe: Was ist das Beste an dieser Frontseite der NZZaS? Der Weissraum oben rechts.

Dass dann noch Patti Basler, Felix E. Müller und Nicole Althaus gemeinsam auf einer Seite das Wort ergreifen dürfen, komplettiert das Elend. Bei allen weiss man, was sie schreiben. Bei Althaus ist es entweder das Klimakterium oder Frauendiskriminierung: «Frauen dürfen zwar selbstbewusst auftreten, aber sie sollten nicht vergessen, das Protokoll zu übernehmen und regelmässig die Spülmaschine im Büro auszuräumen.» Protokoll übernehmen? Statt die Spülmaschine zu leeren, könnte Althaus doch mal einen Fortbildungskurs in Formulieren absolvieren.

ZACKBUM gesteht: hier gaben wir auf, so viel kann man uns gar nicht bezahlen. Letzten Trost suchten wir im «NZZam Sonntag Magazin»; das ist immer für den einen oder anderen Lacher gut. Und in der Tat, das Amüsement beginnt schon beim Cover:

Es ist eine der letzten ungelösten Fragen der Menschheit, auf die wir wohl nie eine Antwort finden werden. Aber wenn einem wirklich nichts einfällt, kann man sie ungeniert wieder mal stellen. Ein Vorwand findet sich in den Weiten des Weltalls immer: «Vielleicht wissen wir schon in zehn Jahren mehr.» Vielleicht auch nicht …

Zur Abteilung Sauglattismus gehört dann ein Interview mit Vera Mulyani, der «Architektin (für Projekte auf dem Mars!)». Nein, weiter konnten wir nicht lesen vor Lachen.

Auch die zehn üppig bebilderten Seiten mit einem aus der «New York Times» übernommenen Text zum ewigen Thema «Is there life on Mars?» (David Bowie) haben wir überblättert.

Dann liess sich Pauline Krätzig mit einer «Genusserie», die mit einer «kurzen kulinarischen Werkbiographie» über Friedrich Dürrenmatt beginnt, offensichtlich von Harald Schmidts kulinarischem Werk über Thomas Bernhard inspirieren. Gut kopiert ist immer noch besser als schlecht geschmiert, nicht wahr.

In der Abteilung «Bellevue» ist es sehr bedauerlich, dass man ein weiteres Mal dem ewig rezyklierten Spruch von Coco Chanel nicht Folge geleistet hat: «Es ist besonders schwer zu schweigen, wenn man nichts zu sagen hat.» Das gilt insbesondere für den Aufmacher; eine Winzausstellung über «neun junge Künstlerinnen», die sich auf Korsika ein abgelegenes Haus gemietet hätten. «Hier öffnen sie sich der gegenseitigen Betrachtung. Die dabei entstandenen intimen Momentaufnahmen ohne Konzept zeigt nun die Ausstellung …» Pardon, an dieser Stelle mussten wir zum Riechsalz greifen.

«Jackson Pollock mit Gemüse», ganz originell Jahrgangschampagner von «Moët & Chandon», Möbel aus Marmor (der Lounge Chair für schlappe 29’000 Dollar, plus «packing and shipping»), es ist für Spass und Tollerei gesorgt.

Dann noch eine top-originelle Modestrecke über die Verwendung von Goldfarbe, ein «Grilled-Cheese-Sandwich» für Menschen, die den Unterkiefer ausklappen können, ein aus unerfindlichen Gründen (oder wegen einer Gratisübernachtung) ins Magazin gerutschtes Designhotel in Stuttgart (wer will schon nach Stuttgart), geradezu ein Lichtblick ist der «Sponsored Content für Edelweiss» und schliesslich noch Benimmregeln für den «richtigen Umgang mit Störenfrieden».

Leider gibt es keine Ratschläge, wie man richtig mit einem solchen Nonsens-Inhalt eines Nonsens-Magazins umgehen könnte, das sich fürs neue Jahr offenbar vorgenommen hat, die letzten Reste einstiger Grösse wegzukrümeln.

Geld wert? CH Media

Teil drei der kleinen Serie: Als Beispiel der CH Media-Kopfblätter das «Badener Tagblatt».

Hier fing’s eigentlich an, und aus dem «Badener Tagblatt» ist dann ein Zeitungsimperium geworden, mitsamt Privat-Radio und -TV. Alles in der Hand des Wanner-Clans, der inzwischen auch die Mehrheit am Joint Venture mit der NZZ übernommen hat.

Beim «Badener Tagblatt» bekommt man für Fr. 3.50 an diesem Mittwoch 32 Seiten geliefert. Man zahlt also pro Seite rund 11 Rappen. Das ist bislang der Discount-Preis im Sektor Tageszeitungen im Print gegen Bezahlung.

Damit will das Tagblatt die Leser zum Kauf verführen:

Für Aargauer sicher interessant; im Kopfzeitungssystem achtet CH Media darauf, dass neben der Einheitssauce aus der Zentralredaktion in Aarau auch genügend Lokales auf die Front kommt.

Hauptstory und Kommentar beschäftigen sich mit dem kantonalen Budget, sauber. Dann das obligatorische «Bundesratskandidaten»-Schauen. Löblich, dass nicht «Kandidierende» verwendet wird.

Etwas unverständlich ist dann der vierte Titel: «Als gäbe es sie nicht: Keine Hilfe für Kinder mit Long Covid». Das mit der doppelten Verneinung ist auf Deutsch immer eine kitzlige Sache und sollte daher keinesfalls in der Provinz nicht verwendet werden. Oder so.

Auf Seite zwei kommt ein grosser Bericht über – schlaue ZACKBUM-Leser ahnen es – China. Riesenfoto mit ein paar Polizisten neben Polizeiauto, dazu der Knaller «Chinas Staatsapparat schlägt zurück». Das ist nun wirklich nichts Neues, aber immerhin von einem Mann aus Peking geschrieben. Allerdings schreibt Fabian Kretschmer als «Kindersoldat» aus Peking, wie ZACKBUM-Mitarbeiter Felix Abt schon höhnte.

Gleichzeitig für die NZZ, CH Media, die taz und wohl auch sonst alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Darunter erklärt der ausgewiesene China-Kenner Bruno KnellwolfNeues aus Forschung & Technik»): «Die Null-Covid-Strategie ist gescheitert».

Seite drei widmet sich, Überraschung, der «rasanten Aufholjagd» von Baume-Schneider im Rennen um einen Sitz im Bundesrat.

Da China schon auf Seite zwei verbraten wurde, der Iran gerade nichts Neues hergibt, muss halt nichts Neues aus dem Ukrainekrieg berichtet werden:

Autor ist Bojan Stula, bis vor Kurzem im Lokalressort der «BZ Basel» tätig. Seither hat er sicherlich in einem Schnellkurs Militärstrategie gelernt und ist fit für eine neue Aufgabe der Welterklärung. Ist ja auch was anderes als das Lokale in Baselland.

Dann Denksport, TV-Programm und «Zum Gedenken». Dazwischen war noch irgendwas mit Wirtschaft, aber das hat man so schnell vergessen, wie man die Seite umblättert.

Etwas lebendiger wird das Blatt ab Seite 15 («Leben & Wissen»): «Wie häufig haben Kinder Long Covid?» Antwort: kommt darauf an.

Passend darunter ein Rehash der sattsam bekannten Provokation der Modefirma Balenciaga mit komischen Teddys.

Auf Seite 16 dann allerdings wohl das Highlight der Ausgabe: ein Bericht der grossartigen Kulturjournalistin Daniele Muscionico über eine Fotoausstellung mit Thema Ukraine im Lausanner «Musée de l’Élysée».

Schliesslich das Nah-Lokale aus Baden, das Relativ-Lokale aus dem Aargau, dazu Lokales aus Baden-Wettingen, dem «Zurzibiet» und Brugg-Windisch.

Dann der Ratgeber, knackiger Titel: «Ein Hoch auf das Tief», daneben der Arzt über postnatale Depressionen, immer wieder gern genommen.

Unvermeidlich, der «Aargauer Sport», und dann drei Seiten Fussball-WM. Auch der Fensterplatz auf der letzten Seite wird einfach mit Fussball gefüllt.

Was soll man hier als Fazit sagen? Man erahnt, welche Koordinationsarbeit es bedeutet, die lange Latte von Kopfblättern von Basel über den Aargau, in der Innerschweiz und bis in die Ostschweiz, mit Einheitsbrei aus Aarau, aber auch mit Lokalem abzufüllen. Das ist in dieser Ausgabe – zumindest auf das «Badener Tagblatt» bezogen – durchaus gelungen.

Was CH Media in Ausland und Wirtschaft zu bieten hat, ist allerdings eher bescheiden. Kultur lebt von einer der besten Autorinnen, und da die wohl nicht täglich publiziert, dürfte das ein einsames Highlight gewesen sein.

Denksport, Leserbriefseite, Abdankungen und Todesanzeigen, TV-Programm, eine «Agenda», das Blatt atmet noch sehr den Geist des letzten Jahrtausends in seinen Gefässen. Ist es sein Geld wert?

Für den Badener, für den Aargauer durchaus. Allerdings nur dann, wenn sich der Träger von weissen Socken über die internationale Politik und Wirtschaft anderweitig informiert. Der Lokalteil atmet auch den Geist von früher ein und aus. Das ist aber in diesem Fall durchaus positiv, denn im Gegensatz zu Tamedia geht es hier nicht in erster Linie um die Befindlichkeit des Berichterstatters oder seine Meinung zu diesem und jenem. Sondern es wird einfach berichtet.

Das war ja mal eine der wichtigsten Aufgaben des Journalismus. Also sind Fr. 3.50 für im lokalen Einzugsbereich wohnende Leser durchaus akzeptabel investiertes Geld. Wenn auch 32 Seiten natürlich Magerkost ist – im Vergleich zum letzten Jahrtausend.

 

Ach, Credit Saudi

«Inside Paradeplatz» spricht Klartext, die anderen eiern.

Am Donnerstag wurde die lang erwartete «neue Strategie» der zweitgrössten Bank der Schweiz verkündet. Nur die «Weltwoche» löste das Problem der Berichterstattung souverän: nach wiederholten Lobhudelei-Interviews mit dem Versagerrat Urs Rohner verfällt sie in tiefes Schweigen.

Aber alle anderen Medien müssen ja wohl oder übel etwas zur üblen Lage sagen. Immerhin 12 Meldungen (inkl. auf Französisch) widmet der «Blick» dem Thema. Sein Wirtschaftsredaktor Christian Kolbe ist nicht amüsiert: «Die Schweiz im Namen schafft international Vertrauen – das darf die Credit Suisse nie vergessen!», kommentiert er. Gleichzeitig wirft er der Bank vor: «Um die tiefe Krise zu überwinden, hätte die Bank jedoch noch radikaler vorgehen müssen.» Was er allerdings mit diesen beiden Ratschlägen sagen will und wie man das anwenden könnte, da schweigt des Sängers Höflichkeit, bzw. endet dann doch das Fachwissen.

9 Meldungen ist das CS-Desaster der NZZ wert. Auch sie bleibt sich treu und kommentiert mit einem veritablen «einerseits – andererseits»: «Der Umbau ist riskant und wird Jahre dauern. Aber die Bank hat den richtigen ersten Schritt getan.» Mit einer solchen Aussage ist man eigentlich nie auf der falschen Seite. Muss die CS demnächst Staatshilfe verlangen, war’s halt zu riskant. Röchelt sie weiter vor sich hin, hat sie immerhin einen richtigen Schritt getan.

Keine sonderliche Bemerkung ist der alten Tante wert, dass mit der Saudi Bank nun ein weiterer übler Investor an Bord kommen wird, womit arabische Fonds dann mal 20 Prozent der CS halten werden. Natürlich stinkt Geld nicht, aber ob es umbedingt ein Investor sein muss, der auch vor der ruchlosen Ermordung von Dissidenten in einer eigenen Botschaft nicht zurückschreckt, in dessen Land trotz gegenteiligen Ankündigungen immer noch in der Geschlechterfrage mittelalterliche Zustände herrschen – und der seit Jahren in einen schmutzigen Krieg im Jemen verwickelt ist, in den er ohne Not hineinstolperte – nun ja.

Immerhin ist der NZZ ein nicht unwichtiges Detail nicht entgangen, im Zusammenhang mit dem Teilverkauf des Verbriefungsgeschäfts «an den Vermögensverwalter Pimco und an die Private-Equity-Firma Apollo Global Management. Die CS-Verwaltungsrätin Blythe Masters wirkt seit 2021 auch bei Apollo als Beraterin. Auch hier gilt: Alle Beteiligten müssen weiterhin Vorkehrungen treffen, dass die Interessen sauber getrennt bleiben».

Wie da allerdings eine saubere Trennung der Interessen funktionieren soll, verrät die NZZ nicht.

Sehr bedeckt hält sich hingegen Niklaus Vontobel von CH Media. Auch ihm ist der Einstieg eines weiteren unappetitlichen arabischen Diktators keine Zeile wert, dafür kommentiert er: «Ob die neue «radikale» Strategie nun unter den gegebenen Umständen das Beste ist für die Credit Suisse oder nicht, das vermögen Ausstehende nicht wirklich zu beurteilen.»

Super, dabei dachte der Leser immer, verstehen, analysieren und einordnen seien drei Dinge, für die er Geld bezahlt. Aber nicht für Sätze, die er selbst gratis auch von sich geben könnte.

Etwas mehr aus dem Fenster lehnt sich Holger Alich für Tamedia: «Der Plan der CS ist zu knapp kalkuliert». Was will er uns damit sagen? «Allein die Umsetzung des geplanten Umbaus der Bank wird für anhaltende Unruhe sorgen. Weitere Sorgen um die Kapitalausstattung kann sich die Bank vor diesem Hintergrund nicht erlauben. Der am Donnerstag vorgestellte Plan droht hier zu kurz zu springen.»

Ein Plan droht, zu kurz zu springen? Tja, wer solche Nonsens-Sätze von sich gibt, springt auch nicht gerade souverän über die Hürde der Verständlichkeit.

Es ist schon verblüffend, dass es immer wieder nur einen gibt, der die Sachlage knackig, richtig und auf den Punkt formuliert. Dabei hat der keine Wirtschaftsredaktion zur Seite und bietet seine Erkenntnisse sogar gratis an. Eigentlich sollten sich die übrigen Wirtschaftsjournis eins schämen, wenn sie einen solchen Titel und Lead bei «Inside Paradeplatz»* lesen:

«CS wird Credit Saudi. Öl-Scheichs übernehmen 10 Prozent der Escher-Bank, null Hemmung vor Brutalo-Herrscher vom Golf. 4 Mrd. Verlust, Kapital kracht, 9’000 Jobs weg.»

Genauso flott geht’s bei Lukas Hässig auch weiter:

«Die Credit Suisse verkauft heute ihre Seele. Nach 4 Milliarden Verlust im dritten Quartal verramscht sie 9,9 Prozent an die Saudi National Bank. Dort herrscht mit Mohammed bin Salman einer der brutalsten Weltleader, der nicht vor Mord an Kritikern zurückschreckt

Bis hin zum bitteren, aber logischen Fazit:

«Der Preis für die Cash-Infusion in extremis ist der Ausverkauf einer einst glorreichen Zürcher Paradeplatz-Bank 166 Jahre nach ihrer Gründung nach Arabien. What a shame.»

Der Schreiber des beliebtesten Kommentars auf IP bringt es nochmal glasklar auf den Punkt: «Bravo Herr Rohner, bravo Thiam, Dougan und all ihr Komplettversager. Millionen kassiert und die Bank zugrunde gerichtet.»

Gegenüber diesem Klartext ist alles Geschwurbel in den Mainstream-Medien wirklich kläglich. Was auch kein Wunder ist. Denn wo regeln wohl die grossen Medienkonzerne ihren Finanzhaushalt? Bei der Alternativen Bank? Beim Sparhafen? Bei der Hypothekarbank Lenzburg? Eben.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt gelegentlich für «Inside Paradeplatz».

SonntagsZeitung am Abgrund

Die aktuelle Ausgabe hat gute Chancen, als schlechteste aller Zeiten in die Geschichte einzugehen.

Es fängt schwach an, um dann stark nachzulassen:

Das sind die Schlagzeilen, auf die die Schweiz am Sonntag gewartet hat. Rösti ist der chancenreichste Kandidat für die Nachfolge von Ueli Maurer? Ein Primeur. Ein Brüller. Der Oberhammer. Damit war die SoZ sicherlich an vielen Orten ausverkauft.

Weil sich damit aber die nächsten zwei Seiten doch nicht restlos füllen lassen, werden dennoch die weiteren Kandidaten einem «Check» unterzogen. Ganze drei SVPler zieht das Blatt aus dem Hut, deren Wahlchancen: «mittel» bis «eher tief». Deren Eignung als Bundesrat: «genügend bis gut», «knapp genügend», «ungenügend». Aber schön, hatte es neben einem aussagelosen Riesenfoto auf der Seite noch Platz für diese wertvollen Informationen.

Dann eine Story über die Fraumünster-Posträuber (gähn) und ihre möglichen Verbindungen zur Mafia (doppelgähn). Eine Chance für Anwalt Valentin Landmann (nur noch gähn), etwas zur Verteidigung seines Mandanten zu sagen (schnarch).

Nachdem die NZZ den Publikumsschwund im Zürcher Schauspielhaus thematisierte und dafür ein zuschauerfeindliches Woke-Theater mit Verballhornungen von klassischen Theaterstücken verantwortlich machte, reicht die SoZ noch Mobbing-Vorwürfe nach. Abgeschrieben aus «Theater heute», wo ein Festangestellter über ein namentlich nicht genanntes Theater abblästert. Na ja.

Ein weiterer Höhepunkt als Tiefpunkt folgt auf Seite 15. Aufmacher: die Explosion auf der Verbindungsbrücke zur Krim. Mangels neuer Erkenntnisse ein Gähn-Stück. Aber nicht nur das. Der Autor Sebastian Gierke verdient sein Brot bei der «Süddeutschen Zeitung». SoZ-Eigenleistung: null. Daneben eine Meldung über das AKW in Saporischschja. Von der Agentur AFP. Eigenleistung null. Darunter eine Meldung über den Stillstand bei der Deutschen Bahn. Von der Agentur SDA. Eigenleistung null. Und dafür Geld verlangen?

«Endlich perfekt sehen auf nah und fern», verkündet ein redaktionell aufgemachter Artikel auf Seite 17. Nur: Das ist ein «Paid Post», ein «Commercial Publishing», zur Erlärung: «Commercial Publishing ist die Unit für Content Marketing». Für unsere reader, die des Englischen nicht so mächtig sind, you know: das ist ein bezahltes Inserat, das mit Hilfe von Tamedia möglichst ähnlich wie ein redaktioneller Artikel daherkommt.

Seite 17 beinhaltet eine echte Eigenleistung. Also die billigste Form des Journalismus: ein Interview. Mit «Christo Grotzev, Chefermittler von Bellincat». Nichts gegen dessen persönlichen Mut und seine investigativen Fähigkeiten. Aber kann er wirklich auch in die Zukunft schauen: «Wenn es so weitergeht, wird Putin innert eines Jahres stürzen». Wir merken mal den 9. Oktober 2023 vor …

Der Marianengraben im Pazifischen Ozean gilt mit knapp 12’000 Meter unter Meeresspiegel als tiefster Punkt der Erdoberfläche. Er wird neu konkurrenziert von Seite 20 der SoZ. «Keine Angst vor dem Älterwerden». Unter diesem Titel wird das Buch «Jetzt erst recht. Älterwerden für Anfängerinnen 2.0» rezensiert. Verfasserin ist die Tamedia-Redaktorin Silvia Aeschbacher. Lead: «Lebenshilfe. Sechs Jahre nach ihrem Bestseller «Älterwerden für Anfängerinnen» zeigt unsere Autorin in ihrem neuen Buch …»

Es ist inzwischen leider nicht unüblich, dass Bücher von Redaktoren im eigenen Blatt – überraschungsfrei wohlwollend – rezensiert werden. Hier allerdings wurde das in einer Art tiefergelegt, die den Marianengraben als seichte Pfütze erscheinen lässt. Denn die Rezensentin des Buchs von Aeschbacher ist – Aeschbacher selbst. Die schreibt dann über ihr Buch, also über sich selbst: «Ich selbst empfinde meinen Alltag nicht mehr wie früher ..

Sie schreibt aber nicht über Schamgrenzen, Peinlichkeiten, über Lächerlichkeit und den Versuch, jeden Anspruch auf ernsthafte Leserunterhaltung oder -belehrung aufzugeben. Da ihr selbst (und auch niemandem sonst in diesem Qualitätsmedium) auffällt, wie schräg, schreiend unkomisch als Leserverarschung das daherkommt, bleibt nur noch Fremdschämen. Redaktoren schreiben über sich selbst, ihren Bauchnabel, ihre Befindlichkeiten, ihre persönlichen Ergebnisse, ihre Haustiere, ihre Leseerlebnisse, ihre Filmeindrücke, ihre liebsten Kochrezepte und Lokale. Jetzt auch noch über ihre eigenen Bücher? Gut, wenn die Literaturchefin Nora Zukker heisst, ist das vielleicht besser so. Aber gut ist’s nicht.

Das alles ist so grottenschlecht, dass wir als kleinen Lichtblick «Die andere Sicht von Peter Schneider» zeigen müssen; immerhin lustig:

Als wäre das der SoZ auch unangenehm aufgefallen, will dieser Lichtblick von einem Gemäkel der sonst nicht schlechten Bettina Weber ergänzt: «Der Fluch der weissen Turnschuhe». Eher der Fluch: mir ist auch gar nichts eingefallen, aber ich bin dran. Nebendran führt Historiker Markus Somm seine historischen Kenntnisse spazieren, womit Schneider genügend eingenordet wäre.

ZACKBUM hat schon öfter bemängelt, dass einem auch inhaltlich immer dünnerem Textanteil immer grössere und meist aussagelose Fotos beigestellt werden. Aber das hier schlägt alles bislang Dagewesene:

Das Foto der Fairtrade-Chefin füllt Vierfünftel der Seite aus, daneben bleibt nur noch Platz für eine Textspalte. Wurde hier ein Artikel aufgeblasen, musste eine Doppelseite gefüllt werden? Jammert die SoZ nicht sonst über schrumpfende Umfänge? Ist auch das peinlich.

Schliesslich rezensiert im Gesellschaft-Bund Michèle Binswanger ihr eigenes Buch über die Zuger Spiess-Hegglin-Affäre. Wir erfahren endlich, was sich in der Captain’s Lounge wirklich abspielte, als die beiden Politiker in den dunklen Raum taumelten, um …

Nein, Scherz, sie rezensiert das neuste Buch von Richard David Precht. Der einstige Medienliebling wird in Deutschland in der Luft zerrissen, weil er zusammen mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer zunehmendes Blasendenken und Gesinnungsterror in den Mainstream-Medien kritisiert.

Immerhin mit der nötigen Distanz, die man hat, wenn man das Buch nicht selbst geschrieben hat …

Bis in kleine Details macht sich die SoZ lächerlich. So preist sie die «kniehohen Gummistiefel des dänischen It-Labels Ganni» an. Die Gummierten sorgten für trockene Füsse, allerdings auch für feuchte Augen, wenn man den Preis hört, den die SoZ wohlweislich verschweigt: 270 Franken für ein wenig Gummi. Will man’s aus Leder (und noch hässlicher), dann ist man mit 420 Franken dabei.

Wir wollen, wir müssen noch das TV-Programm lobend erwähnen. Ein Lichtblick in der SoZ von konzisem, genauem und informativem Journalismus.

 

Weltwochenbetrachtung

ZACKBUM legt mal wieder das Zentralorgan der guten Laune auf die Couch.

Es ist schon so: Wo Christoph Mörgeli hinschlägt, wächst so schnell kein Gras mehr. Diesmal erfreut er gleich am Anfang der aktuellen Ausgabe den Leser mit einer gnadenlosen Story: «Irène Kälins Weltreisen». Denn die grüne Nationalpräsidentin hält es nicht so mit dem Vermeiden unnötiger Flugmeilen. So reiste sie in die Ukraine. In den Niger nach Westafrika. Nach Slowenien. Nach Schweden und Finnland. Mit Mann und Kind zum Papst im Vatikan. Alles am liebsten im Bundesratsjet, das hohe Amt verpflichtet. Allerdings: «Genaue Zahlen über die Kosten einzelner Reisen werden nicht publiziert», zitiert Mörgeli genüsslich aus der Antwort des Büros der Nationalratspräsidentin auf eine parlamentarische Anfrage.

Dann kommen wir aber zu einer regelrechten Mogelpackung in Form der Titelgeschichte. «So schützen Sie Ihr Geld», das hört sich mal gut an. Allerdings folgen dann zwei Seiten Bankertalk mit heisser Luft, Wolkenschiebereien und windelweichen Aussagen. Wobei der «ehemalige Chefökonom der Bank Julius Bär» zunächst einmal mehr als eine Seite darauf verschwendet, alle dunklen Wolken am Horizont der Finanzwelt zu beschreiben.

Um dann nach einigem Geeier zur grossartigen Geldschutz-Aussage zu gelangen: «Bei steigender Inflation Aktien und Immobilien, allenfalls Gold … kaufen.» Es ist ziemlich peinlich, eine solche Ansammlung von Allgemeinplätzen, die jeder Bürogummi im Back-Office als Textbausteine aus dem Computer purzeln lassen kann, als Coverstory zu verkaufen. Aber wie meint Roger Köppel in seinem wie immer viel zu langen Interview mit Helmut Markwort (85): «Das Schwierigste ist die Titelstory. Was war da Ihr Konzept? – Das ist jede Woche die schwierigste, fürchterlichste Entscheidung.» Wie wahr.

Der absolute Tiefpunkt dieses Hefts wird aber mal wieder von Urs Gehriger erreicht: «In Florida geht die Sonne auf. Die USA erleben eine Völkerwanderung in den « Sunshine State». Hier ist Amerika noch, was es einmal war.» Das hat man halt davon, wenn er mal wieder in Palm Beach etwas Sonne tanken darf: «Ein paar Golfschläge vom «Breakers» entfernt hat der prominenteste Nachzügler auf Flaglers Spuren, Donald J. Trump, im Märchenschloss Mar-a-Lago sein Hauptquartier bezogen. Während sich der unermüdliche Ex-Präsident kaum in gewöhnliche Kategorien einordnen lässt, …»

Vielleicht wird ja der Gestaltungsdrang des unermüdlichen Ex-Präsidenten bald einmal von schwedischen Gardinen gebremst. Aber Gehriger ist nicht zu bremsen, wenn er mal ins Schwärmen gerät: «… Wohlstandstransfer von gigantischem Ausmass, … Das Narbengesicht Montana verpasste den Kubanern einen schlechten Ruf, der ihnen nicht gerecht wird. Die meisten sind rechtschaffen und steuern einen substanziellen Teil zum Erfolg Floridas bei …»

Die Wirklichkeit sieht ein wenig anders aus. Die Infrastruktur Floridas ist verrottet. Bei jedem kleineren Regenguss verwandeln sich die Strassen in Miami in kleine Flüsse. Die Qualität der meisten Hotels ist lausig. Miami Beach mit seinem Ocean Drive ist nur noch ein billiger Schatten seiner selbst. Das finanzielle Wunder Floridas besteht darin, dass hier die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen, in denen traditionell und bis heute die lateinamerikanischen Drogengelder gewaschen werden. Wobei die «rechtschaffenen» Kubaner weiterhin den lokalen Drogenhandel im Griff haben und ihn bislang gegen Angriffe russischer Mafiosi oder brasilianischer Banden verteidigen konnten. Downtown Miami ist wohl mit Abstand das schäbigste Stadtzentrum einer US-Grossstadt.

Der Verkehr kommt regelmässig zum Erliegen, und es ist keine Seltenheit, dass man vom Flughafen bis nach Miami Beach in der Rush Hour locker anderthalb bis zwei Stunden in der Kolonne verbringt. Immer in der Hoffnung, unterwegs nicht ausgeraubt zu werden. Aber von solchen Kleinigkeiten lässt sich ein Reporter doch nicht stören, der den Vollversager Trump mit Henry Flagler vergleicht. Besonderes Lob schüttet er auch über Floridas Gouverneur Ron deSantis aus. Dabei erwähnt er allerdings nicht, dass der gerade in gröbere Schwulitäten verwickelt ist, weil er als misslungenen PR-Stunt ein paar Dutzend Migranten per Flugzeug nach Martha’s Vineyard verfrachten liess, eine der US-Lieblings-Urlaubsinseln der Demokraten.

Immerhin ein gelungener Versuch, sich noch blöder anzustellen als sein grosses Vorbild Trump. Schafft das auch jemand in der «Weltwoche» im Nahvergleich mit Gehriger? Da kann es natürlich nur einen geben. Genau, den Mann, der angeblich «basierend auf wahren Gegebenheiten» schreibt. Wenn Tom Kummer titelt: «Federer im Final gegen die Ewigkeit», dann überfallen den Leser spontane Zweifel, ob es Roger Federer eigentlich überhaupt gibt. Oder die Ewigkeit. Oder einen Text über Federer. Oder Tom Kummer. Oder die Fähigkeit, die Schmerzgrenze der Leser nicht immer wieder auszutesten bei Roger Köppel.

Dass dann der in Peru seine Pension geniessende Alex Baur den unfähigsten Präsidenten Brasiliens (und das will in diesem Land etwas heissen) als einen «Pragmatiker» bezeichnet, dessen «Politik vernünftig» sei, ist dann nur noch eine Randnotiz. Dass Jair Bolsonaro bei der Bewältigung der Pandemie krachend versagt hat, von noch mehr Korruptionsskandalen umweht wird als seine Vorgänger, so schlecht regiert, dass sogar das abgehalfterte Schlachtross Lula da Silva gute Chancen hat, ihn bei den nächsten Wahlen zu besiegen, das blendet Baur altersmilde aus.

Ach, und dann auch noch David Klein, das Elend nimmt in dieser WeWo kein Ende. Schwedendemokraten, Gérald Darmanin, Giorgia Meloni, das ganze Panoptikum wird aufgefahren. Allerdings: Vielleicht liegt ein Fluch auf der WeWo, denn meistens schmieren von ihr hochgelobte Politiker (Trump, Putin) oder Firmen (UBS, CS) grausam ab, kaum konnten sie sich im Glanz eines wohlwollenden WeWo-Artikels sonnen.

 

Zugabe: bitte keine Zugabe

Wie macht man sich überflüssig? Kein Problem, genau so.

Zugegeben, es ist eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Früher einmal, ganz am Anfang, war das «NZZ am Sonntag Magazin» ein echter Lichtblick in der öden Magazin-Landschaft der Schweiz. Tolle Gefässe, gute Reportagen, man hätte sich sogar aufs Niveau des «Zeit Magazin» hinaufhangeln können.

Doch dann muss etwas passiert sein. Die Gefässe verschwanden, der Inhalt verflachte. Aber seit der Wiederauferstehung nach der Sommerpause ist’s ganz schlimm geworden. In der ersten Nummer gab es immerhin noch eine Hommage an Mani Matter.

Aber jetzt?

Es gab mal die kurzlebige Mode, sinnlos Geknipstes mit Unschärfe als das Grösste seit Cartier-Bresson zu verkaufen. Ist längst vorbei. Erlebt nun aber Wiederauferstehung im NZZ Magazin. So geht’s dann auch im viel zu langen und viel zu langweiligen Artikel weiter:

Kann jeder? Nein, es ist schlimmer: man muss sich Mühe geben, um solche Belanglosigkeiten zu knipsen.

Womit wir bereits bei unserer absoluten Lieblingsstrecke im Magazin wären, «Bellevue». Der Name täuscht allerdings schrecklich; nach der Solidaritätsadresse an eine ukrainische Modemacherin, die nicht viel kann, nun eine neue Geschmacklosigkeit:

Der Schwellkörper, den die Dame auf der Nase trägt, kostet schlappe 330 Franken. Das wird hoffentlich genügend Leserinnen abschrecken, worauf uns der Anblick in der Wirklichkeit erspart bleiben möge.

Zudem haben die Macher der Doppelseite einen unseligen Hang zu schrecklichen, wirklich abstossend hässlichen Schuhen. Ihre aktuelle Trouvaille:

Wer sich gefragt haben mag, ob es irgend eine Möglichkeit gibt, Crocs noch hässlicher zu machen, hier findet er die Antwort. Allerdings wird uns dieser Anblick garantiert erspart bleiben, was ja ein Segen ist:

Es bleibt aber das Geheimnis dieser Redaktion, was für einen Sinn es macht, ein ausverkauftes Produkt anzupreisen. Wohl keinen, genau daher wurde es auch getan …

Genauso alt (und überholt) wie die Unscharf-Knipsografie ist das Gefäss «Jetzt rede ich». Man lässt irgend einen, irgend wann mal bekannt Gewordenen seitenweise über sich selbst quatschen:

Brian? Da war doch mal was mit einem schweineteuren Sondersetting. Zerstörten Knastzellen. Jemand, der offenbar seine gewalttätigen Triebe nicht im Griff hat und an dem auch die Zürcher Justiz teilweise scheiterte. So weit, so gähn. Der darf sich nun über Seiten «erklären», verklären, rechtfertigen. Beschuldigen und jammern. Gähn.

Es ist wirklich ärgerlich, wie eine offensichtlich überforderte Redaktion ein eigentlich hübsches Gefäss zu Schanden schreibt. Das hat kein Niveau und kann nur als Hilferuf verstanden werden: erlöst uns endlich von der Aufgabe, jede Woche irgendwie ein paar Seiten zu füllen. Es ist zu hoffen, dass dieser Wunsch so schnell wie möglich erfüllt wird. Oder aber, man wechselt die Redaktion aus und macht wieder etwas Vernünftiges draus.

 

Glotzen statt lesen

Wir blättern das Sonntags-Bilderbuch auf.

Es ist die Bilderpest. Nicht nur, dass die Umfänge der Sonntagsblätter seit Langem unter Schwindsucht leiden. Längst vorbei die Zeiten, als die «SonntagsZeitung» sogar Inserate und Beilagen ablehnen musste, weil sie sonst nicht mehr durch den Schlitz der Ausgabebox gepasst hätte. Vorbei. Die Dicke und die Box.

Nun könnte man sich bemühen, den geschrumpften Platz mit mehr Inhalt zu füllen. Also mehr Buchstaben, mehr Denke, mehr Analyse, mehr Schreibstärke. Aber das alles, vor allem die Denke, ist rationiert in den Medienhäusern. Krankgeschrumpft. Nehmen wir zuerst den Trendsetter für alles, was schlechter wird im Journalismus.

Ein SoZ-Interview mit dem wiederauferstandenen deutschen Impfpapst Drosten. Hier sagt er nochmal, was er gerade auf allen Kanälen sagt. Wieso dazu ein halbseitengrosses Ganzkörperfoto gestellt werden muss, das ungefähr so aussagekräftig ist wie das Interview? Zwei Platzhalter, wo früher der Platz mit Inhalt gefüllt wurde.

Geht’s noch schlimmer? Immer. Die Pest ist auch das sogenannte Symbolfoto. Es gibt keine reale Abbildung zur Bebilderung, also greift man in den extra dafür von Bildagenturen aufgebauten Fundus. Schon wieder eine halbe Seite gefüllt, und der Inhalt des darunterstehenden Textes ist bereits im Titel und Lead vollständig und ausreichend wiedergegeben. Statt eine Seite zu verschwenden, hätte es auch eine Kurzmeldung getan.

Auch reale Fotos können zu einem Symbolbild degenerieren. Statt den üblichen Panzer und einen länglichen Artikel hätte die SoZ auch eine knackige Kurzmeldung draus machen können. Schon wieder eine Seite für Wichtigeres freigemacht. Aber wenn das halt fehlt …

Wir kehren zum reinen, völlig überflüssigen Symbolbild zurück, mitsamt einer Frage, die sonst der absoluten Newsflaute vorbehalten ist.

Zwar ausnahmsweise ein echter Mensch auf echtem Foto, aber wieder zusammen mit dem ausreichend erklärenden Titel und Lead getretener Quark, der bekanntlich nur breit wird, nicht stark (Goethe, kann man googeln).

Und als krönender Abschluss noch das faszinierende Foto, wie Kartoffelmilch in ein Glas gegossen wird, ein Prozess, dem man noch nie so gebannt und von nahe beiwohnen durfte. Plus der ernüchternde Text: in der Schweiz kann man höchstens das Bild anglotzen, den Inhalt gibt’s gar nicht.

Wir freuten uns schon, eine neue Kampfgenossin gewonnen zu haben:

Allerdings hatten wir schon nach der ersten Folge leichte Zweifel, ob das was wird. Nun sind wir sicher: wird nix. Immerhin, Badran schreibt über sich selbst: «Meinung ohne Wissen». Oh, Pardon, natürlich nicht, denn beim Wissen hapert es zwar, aber Rechthaberei ist ihre Lieblingsbeschäftigung. Beginnt mit der kühnen Behauptung, gute Medienleute und Politiker hätten gemeinsam: «Sie sind der Wahrhaftigkeit verpflichtet.» Was meint also die nicht gute Politikerin und Medienkritikerin? Sie vergleicht munter Pensionskassen mit der AHV. Kapitalbildungsverfahren gegen Umlageverfahren? Äpfel, Birnen? Ach, ist doch egal. Es ist auch nicht einfach, der doch etwas sprunghaften Badran zu folgen, die mit einer kleinen Medienschelte beginnt, sich dann in den Untiefen des BVG und der AHV verliert, da und dort wäffelt, um dann in die Zielgerade zu biegen: «Es ist unser Job, für möglichst viele Menschen möglichst hohe Renten zum günstigsten Preis zu schaffen.» Renten zum günstigen Preis? Discount-Renten? Hohe Rente, aber billig? Schon wieder eine Kolumne, die man nicht lesen muss.

Leider macht auch die NZZaS den Trend mit: halber Text zum ganzen Preis. Möglichst hohe Informationsdichte im günstigen Angebot? Leider nein:

Fünf Profile, eine älterwerdende Frau, eine kühne Behauptung. Schon ist die Front (fast) gefüllt. Und der Leser not amused.

Eigentlich sollte auch in der Sonntagspresse bekannt sein, dass ein Interview mit dem Dampfplauderer Balthasar Glättli reine Platzverschwendung ist. Genau wie das Riesenfoto, auf dem er aus seinem Fundus mal wieder den Gestus «ich fasse mir wichtig an die Brille» hervorzieht. Peinlich.

Auch die NZZaS frönt der neuen Mode: Grosses Ganzkörperfoto zu heisser Luft nebendran. Warum nicht dem abgehalfterten Sergio Ermotti Gelegenheit geben, seine Nachfolger mit Ratschlägen zu nerven.

Selbst in die Hallen der Kultur dringt fotografischer Sauglattismus. Sagt eine überlebensgrosse Wiedergabe des Klingelschilds von Gurlitt irgend etwas aus? Ausser: verdammt, wir brauchen hier noch ein Foto?

Aber, die NZZaS weiss dann doch da und dort zu versöhnen: Während in der SoZ Badran das Gefäss Medienkritik ähnlich malträtiert wie in der NZZaS Aline Wanner und der schreibende Pensionär, gibt dann immerhin ein kenntnisreicher Essay etwas Stoff:

Zwar ebenfalls so massiv wie überflüssig illustriert, aber daneben hat es Denkstoff.

Das Stichwort für die denkstofffreie Zone am Sonntag:

Das ist eine Schlagzeile, die an Einfalt, Dummheit und Belanglosigkeit, zudem bar jedes Informationswerts, entweder einem durch Inzucht völlig degenerierten Adligen – oder dem «SonntagsBlick» einfallen kann. Er walzt dann das Thema, um das auch die übrigen Sonntagsblätter sehr dankbar waren, auf sagenhaften 15 Seiten aus.

Darunter ist allerdings ein Kuriosum, über das noch lange schallend gelacht werden kann:

Wir haben hier etwas wahrhaft Historisches. Frank A. Meyer verzichtet auf sein Foto (wir erinnern uns mit Schaudern: ein viel jüngerer Meyer mit dunkler Brille vor dem Brandenburger Tor, das nur mühsam Haltung bewahrt angesichts seines fliederfarbenen Jackets, während die Säulen deshalb nicht brechen, weil sie das undefinierbar bunte Pochettli nicht sehen müssen).

Meyer verzichtet auf sein Foto, stattdessen hat er eine Kinderkrakelzeichnung einer Figur hineingestellt, die auf den Strich geht – oder im Begriff ist, über ihn zu stolpern. Sie ist gesichtslos, aber Hut und Handtasche scheinen darauf hinzuweisen, dass es sich wohl um die Queen handeln soll. Die würde es ob dieser Verballhornung wohl bei einem «oh, really?» bewenden lassen, denn sie hat eigentlich alles mit Fassung getragen. Allerdings ist sie noch nicht unter der Erde, da sollte man ihr vielleicht noch mit Respekt begegnen.

Wer hat denn diesen hingezitterten und nachkolorierten Klecks zu verantworten? Ah, da steht der Name der Künstlerin, Lilith Frey. Was, der Name ist Ihnen unbekannt? Das ist DIE Lilith Frey. Ehemalige Moderedaktorin bei der «Schweizer Illustrierte». Dann die erste, letzte und einzige «Feuilleton-Chefin». Beim Blatt für die gebildeten Stände und lesenden Lastwagenfahrer, beim «Blick». Vor allem aber war und ist sie die Lebensgefährtin von Frank A. Meyer.

Nein, lieber Leser, das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass diese, nun ja, diese Illustration das Porträt Meyers ersetzte. Hier zählt einzig der künstlerische Ausdruck, die malerische Bedeutung des Werks. Sagt da etwa jemand, die Körperproportionen stimmten dann auch nicht? Also bitte, der Arm des Jünglings mit der roten Weste von Cézanne ist auch viel zu lang, meckert doch auch keiner. Höchstens darüber, von wem und wo der ausgestellt ist. Aber das wäre wieder ein anderes Thema.

Wir halten aber abschliessend fest: was ist noch schlimmer als eine Meyer-Kolumne mit einem Meyer-Foto? Wir konnten uns nichts vorstellen. Bis zu diesem Sonntag.

Ein Starschwätzer

Thomas Piketty darf im «Magazin» Unsinn verzapfen.

Seit sein Kracher «Das Kapital im 21. Jahrhundert» –meistens ungelesen – auf jedem politisch korrekten Sofatisch lag, gilt der «Kapitalismuskritiker» als «Starökonom». Dabei konnte er die Thesen in seinem Machwerk nur hinwürgen, indem er, höflich formuliert, statistische Erhebungen sehr selektiv betrachtete und vor allem Ergebnisse wegliess, die seinen Thesen widersprachen.

Also die Anwendung der wissenschaftlichen Methode: was nicht passt, wird passend gemacht. Schnee von gestern, nun hat Piketty ein neues Buch geschrieben: «Eine kurze Geschichte der Gleichheit». Kurz ist gut, daher konnte es auch Christoph Lenz lesen. Der ist bei Tamedia «Reporter beim «Magazin» und Mitglied der Tamedia-Tagesleitung». Angeblich habe er «Geschichte und Volkswirtschaft studiert und daneben das journalistische Handwerk erlernt».

Angeblich deswegen, weil an all dem doch gelinde Zweifel gestattet sind. Denn in einem länglichen Interview zu diesem kurzen Buch lässt Lenz den «Wirtschaftswissenschafter» ungeniert einen Unsinn nach dem anderen verzapfen. auf «Republik»-verdächtigen 20’000 Anschlägen erspart ihm Lenz jegliche kritische Nachfrage, ausser zum Stichwortgeben.

Wir würden uns auf mehr Gleichheit hin bewegen, ist die neue, knackige These von Piketty. Rein ökonomisch gesehen ist das unsinnig, noch nie spreizte sich die Schere zwischen ganz reich und ganz arm dermassen weit auf, noch nie gab es einen dermassen grossen Abstand zwischen der Mittelschicht und der Oberschicht. Lenz liefert brav die Stichworte:

«Sie sprechen von den Revolutionen in Frankreich und den USA?» Gnädig nickt Piketty, weitet aber aus: «Nicht nur. … Aber ich denke auch an den Sklavenaufstand in Haiti im Jahr 1791. Dieser Moment markiert den Anfang vom Ende der kolonialen Gesellschaften.» Der bravuröse, aber fürchterlich gescheiterte Sklavenaufstand sei der Anfang vom Ende des Kolonialismus gewesen? Hanebüchen.

Aber Piketty kann noch mehr Bögen spannen: «Die Bewegung, die Ende des 18. Jahrhunderts ausgelöst wurde, ging im 19. Jahrhundert weiter mit der Abschaffung der Sklaverei, mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung, mit dem allgemeinen Stimmrecht für die Männer. Später kamen das Frauenstimmrecht, die Bürgerrechtsbewegung in den USA und der Wohlfahrtsstaat. Und heute sehen wir dieselbe Energie bei «Black Lives Matter» und bei #MeToo.» Es ist eine Beleidigung, diese beiden Randgruppenphänomene in eine Reihe mit den Kämpfen der Arbeiterbewegung oder der Bürgerrechtsbewegung in den USA zu stellen.

Aber das alles zeige eben, dass der Marsch zu mehr Gleichheit weitergehe, behauptet der Star. Da wagt Lenz mit einem Gegenbeispiel zu widersprechen: «Der US-Supreme-Court hat die Rechte der Frauen soeben massiv beschnitten.» Kein Problem für einen Starschwätzer, darum herumzurudern: «Das Urteil des Supreme Courts sollte uns vielleicht einfach daran erinnern, dass das, was wir heute in Europa und den USA Demokratie nennen, eine recht limitierte Form der Demokratie ist. Eine Demokratie, die wir verbessern müssen.»

Nun sind aber natürlich Lösungen gefragt, beispielsweise zum Thema Klimaerwärmung. Kein Problem, meint Piketty, et voilà: «Der einzige Weg ist eine Art von progressiver CO2-Steuer.» Lenz mopst etwas auf: wie solle der Staat denn wissen, wieviel CO2 der einzelne Bürger ausstosse? Kein Problem, meint Piketty: «Wissen Sie, technische Probleme können mit etwas gutem Willen immer gelöst werden.»

Also mehr Überwachung, runzelt Lenz die Stirne, und lässt sich wieder widerspruchslos einseifen: «Wir nutzen ja heute alle schon Bankkonten und Kreditkarten. Private Finanzinstitute wissen also längst, was wir konsumieren. Jede und jeder von uns hat also ein Vertrauen in dieses System aufgebaut, und wir glauben, dass wir den Banken und Kreditkartenfirmen unsere persönlichsten Daten anvertrauen können, ohne dass sie diese missbrauchen

Das glauben höchstens ein paar Naivlinge, genau wegen solchen Befürchtungen sind satte Mehrheiten in Europa – und in der Schweiz – gegen die völlige Abschaffung des Bargelds, das einen Schutz vor der völligen Kontrolle durch den Staat bietet. Und genau aus diesem Grund haben Blockchain-Währungen anhaltenden Zuspruch.

Piketty fordert in seinem neusten Werk auch die Auszahlung von 120’000 Euro an jeden Bürger, ein Geschenk zum 25. Geburtstag. Das bedingungslose Grundeinkommen sei in der Schweiz aber gerade abgelehnt worden, souffliert Lenz das nächste Stichwort: «Natürlich wollen die Reichen nicht teilen. Aber wenn wir die Frage so stellen, haben wir den falschen Fokus

Lenz bettelt um Aufklärung.

«Wir müssen in grösseren Massstäben denken. In globalen Massstäben.»

Das ist immer gut, global ist einfach für alles die Lösung.  Piketty weiss, dass er hier nun ein Titel-Quote liefern muss: «Und in globalen Massstäben betrachtet ist die Schweiz einfach ein Club von reichen Leuten.» Welcome to the Club. Aber auch die Schweiz könne nicht einfach weitermachen wie bisher: «Wir haben das schon gesehen beim Bankgeheimnis. Wenn plötzlich ein mächtiger Staat, zum Beispiel die USA, findet, es reicht, dann muss die Schweiz spuren

So kann man das auch beschreiben. Dass sich nämlich die USA einfach ein grösseres Stück von der Verwaltung von Vermögen abschneiden wollten, ob Schwarzgeld, krimineller Herkunft oder steuerehrlich: völlig egal. In den USA stehen bekanntlich die grössten Geldwaschmaschinen der Welt und die ausgedehntesten Steueroasen für Hinterzieher. Aber solche Zusammenhänge sind dem «Starökonom» wohl zu kompliziert – und Lenz nicht geläufig.

Da bietet ein eloquenter Schwätzer jede Menge Angriffsflächen und die einmalige Chance für einen Journalisten, statt einer Liebedienerei ein angriffiges, unterhaltsames Interview zu machen. Wo der Leser mit einem Schlagabtausch unterhalten würde, sogar angenehm belehrt. Stattdessen fährt Piketty fort, unter Ausblendung nicht passender Tatsachen knackige Thesen abzusondern.

Hand aufs Herz: erinnert sich noch jemand daran, was seine These im «Kapital im 21. Jahrhundert» war? Und wer schon die Hand dort hat: wer hat’s wirklich gelesen? Also. Aber von einem Journalisten, der doch tatsächlich Geld für seine Tätigkeit verlangt, könnte man zumindest erwarten, dass er im Gespräch gelegentlich aufblitzen lässt, dass man ihm nicht jeden Bären auf die Nase binden kann. Nun ja, bei Tamedia ist das allerdings eine überzogene Erwartungshaltung.

 

 

Die schreckliche Vorhersehbarkeit

Ein Magazin sollte ein bunter Strauss sein. Aber nicht getrocknet.

Die «Weltwoche» ist häufig einer der ganz wenigen Lichtblicke in der düsteren Schweizer Medienlandschaft. Wo in geholpertem Deutsch Gesinnungsjournalismus und Haltungsgewäffel geboten wird. Niemals darf der pädagogisch erhobene Zeigefinger fehlen, wird gefordert, kritisiert, gemahnt.

Nun hat aber auch die «Weltwoche» gelegentlich einen Schwächeanfall, und der zeigt sich aktuell ganz deutlich auf dem Cover:

Thilo Sarrazin, der grosse Soziologe und Erforscher der Wokeness, äussert sich zu Rastas und Ähnlichem. Wie dichtete schon Schiller im Wallenstein: «Spät kommt ihr, doch Ihr kommt.» Ein Thema noch später als Frank A. Meyer aufgreifen, das ist schon eine Leistung. Als nette Werbung ein Kapitel aus dem neusten Buch von Sarrazin abzudrucken und zur Titelstory zu machen, das ist nun eher peinlich. Vor allem, weil Sarrazin nur längst Bekanntes zur Debatte rezykliert.

Aber es wird schon ganz am Anfang ganz schlimm. Denn der wiedergeborene Christ Roger Köppel (nur echt mit Heiligenschein) raunt über den «Glauben, die Urkraft des Lebens».  Als wäre er ein kleiner Heidegger, fabuliert er vom «Weltgeheimnis», vom «Wunder der Existenz» und vom «Rätsel des Lebens». Er öffne sich dem «dankbaren Staunen», «Gemüt, Herz», schwurbel, schwurbel. «Das Christentum lehrt», und schliesslich die typisch köppelsche Apotheose: «Ohne Glaube keine Schweiz.» Das hat immerhin etwas Originelles, ist aber einfach eine Abwandlung der guten, alten «Willensnation».

Aber Himmels willen, als habe es Kant, «Die Kriminalgeschichte des Christentums», die unzähligen Abrechnungen mit dieser ältesten Verbrecherorganisation der Welt nicht gegeben, schwärmt Köppel mit zunehmendem Alter von theologischen Fragestellungen. Denen er sich mit dem kleinen Besteck eines Staunenden, aber nicht Wissenden nähert. Auch hier hätte die Existenz eines Herausgebers oder eines Verlegers gutgetan, der gesagt hätte: langweile damit Freunde und Familie, aber bitte nicht den Leser. Dem bliebe dann Gott sei Dank solche Frömmlerei erspart. Denn mit Glauben verhält es sich wie mit Rassismus. Er existiert, ist aber falsch.

Auch anschliessend erfüllt jeder Mitarbeiter sein Soll. Christoph Mörgeli hackt auf Bundesrat Berset herum. Die Post-Faschistin Giorgia Meloni wird als «Primadonna der Vernunft» hochgejubelt. Solche Vorschusslorbeeren sind erfahrungsgemäss bei der WeWo immer schnell verwelkt. «Neonazis in der ukrainischen Armee», «Einbruch der Geburtenzahlen», möglicherweise wegen der Corona-Impfung, «jetzt ist der Moment, um ein Auto mit voluminösem Verbrennermotor zu kaufen», eine «Würdigung» von Alexander Dugin durch den völlig unabhängigen Thomas Fasbender, der schon das Pech hatte, Putin als den «Missverstandenen» zu porträtieren, als der am Erscheinungstag der WeWo in die Ukraine einfiel.

Fehlt dem Leser noch etwas, um ermattet und gähnend abzuwinken? Klar doch: Angeblich «basierend auf wahren Gegebenheiten» fantasiert Tom Kummer über Nicolas Cage: «Vielleicht ist er der beste Schauspieler der Welt.» Vielleicht auch nicht, aber wer interessiert sich schon für ein Urteil des unter dem Münchhausen-Syndrom leidenden Kummer?

«Literatur und Kunst», endlich der rettende Lichtblick, aber geht auch vorbei. Aber dann kommt «Leben heute», Leute glotzen als wär’s die «Bunte», und schliesslich noch ein «indiskretes Interview» mit Lisa Eckhart, deren Kraft zur Provokation auch nicht unbegrenzt ist. Dass Nietzsche in allem Recht habe, ihre politische Einstellung «k. und k.» sei, «kaiserlich und kommunistisch», und dann noch der Brüller auf die Frage, wieso sie noch nicht Veganerin sei: «Ich würde sofort auf Fleisch verzichten, wenn Gemüse Schmerz empfände», das alles kitzelt den Gähnreflex unstatthaft.

So sieht das Ende der Provokations-Fahnenstange aus.

 

 

 

Erhabener Quatsch

Westentaschen-Philosophie im Qualitätskonzern Tamedia.

Der normale Tamedia-Journalist ist nur durchschnittlich peinlich. Gut, es gibt Ausnahmen wie Loser oder Tobler, aber auch sie kommen nicht über die Kategorie «schweres Fremdschämen» hinaus. Die Gazetten sind allerdings, mangels Eigenleistungen, und wirklich alles kann man auch nicht aus München übernehmen, von Kolumnitis befallen.

Also keiner zum klein, Kolumnist zu sein. Das gilt auch für keine. Das gilt besonders für die Westentaschen-Philosophin Barbara Bleisch. ZACKBUM ist sich sicher: hätte sie ein anderes Geschlecht, sie wäre schon längst entsorgt worden. Das hätte allerdings zur Voraussetzung, dass es noch ein Qualitätsmanagement und/oder einen minimalen Qualitätsanspruch gäbe.

Da es den nicht gibt, wird der zahlende Leser hiermit gequält:

Schon der Titel ruft: lies mich nicht. «Post-Ferien-Kater»? Abgesehen von der geholperten Form: kann man im Zeitalter der korrekten Genderei überhaupt noch Kater verwenden?

Aber gut, der Leser ist vorgewarnt, wer sich dennoch auf den Text einlässt, wird nicht enttäuscht: der Adrenalinspiegel steigt, man greift sich an den Kopf, man ist kurz belustigt, dann ernsthaft beleidigt. Und fühlt sich bemüssigt, Schmerzensgeld einzufordern. Jeder ist selber schuld, wenn er auch noch den ersten Satz übersteht: «Seit Montag hat uns die Scholle wieder.» Nein, sie meint damit nicht den Goldbutt, sondern ein Stück Erde. Als ob die Leser alle Bauern wären.

Dann lässt sich die Schande für den Begriff Philosoph darüber aus, dass alle Ratschläge, wie man am Arbeitsplatz Ferienstimmung bewahren könne, nichts nützen. Erkenntniswert bis hier: null. Unterhaltungswert: minus eins. Aber dann wird’s noch schlimmer, denn Bleisch erinnert sich auch in dieser Kolumne plötzlich daran, dass sie ja eigentlich als «Philosophin» schreiben sollte. Und die Hälfte des Platzes hat sie schon mit luftleeren Allgemeinplätzen gefüllt.

Nun aber, der Aufschwung: «In der Philosophie ist in diesem Zusammenhang von der Kategorie des «Erhabenen» die Rede.» Wow. Erhabenheit hat zwar null und nix mit einem «Post-Ferien-Kater» zu tun, aber nach einem Blick in Wikipedia unter das entsprechende Stichwort kann Bleisch mit Namen klimpern: «Erhabenheit hat, wie man beispielsweise bei Edmund Burke oder Immanuel Kant nachlesen kann ..

Denn worum geht’s? Erhabenheit habe «mit der Erfahrung überbordender Quantität zu tun: mit der unendlichen Weite des Ozeans, der überwältigenden Tiefe einer Schlucht, der gigantischen Grösse eines Dschungels, dem endlosen Sternenhimmel über uns». Ist doch praktisch, dass in Wikipedia die Entwicklung des Begriffs von der Antike bis Burke und dann ab Kant dargestellt wird. Leider hat Bleisch aber nicht weitergelesen, was Kant denn über den Ozean sagt:

«So kann der weite, durch Stürme empörte Ozean nicht erhaben genannt werden.»

Ups.

Dass sie dann Hegel, Schiller, Adorno und das Erhabene in der Musik aussen vor lässt – es sei ihr verdankt, denn mehr erträgt der philosophisch ein wenig gebildete Leser wirklich nicht.

Aber Bleisch hat ja im Holper-Titel noch Rezepte versprochen; wunderbar, dass sie noch ganz am Schluss sich daran erinnert. Da muss der Leser noch ein letztes Mal ganz stark sein, tief einatmen, Nase zuhalten und durch:

«Wer in den Ferien dem Gefühl des Erhabenen auf der Spur war, wird im Alltag die Ehrfurcht vermissen, die einen beim Anblick schneebedeckter Alpenketten, weiter Täler und endloser Ozeane erfüllt. Zurück im Büro helfen dann am ehesten ein Paar Kopfhörer und Beethovens Fünfte, gern brechend laut. Mit einem guten Beamer lässt sich abends ausserdem die Wohnung mit David Attenboroughs atemberaubenden BBC-Naturfilmen fluten. Beides reicht vielleicht nicht ganz an die Erhabenheit in wilder Natur, dürfte die Dimensionen aber zumindest kurzfristig wieder zurechtrücken und den Ferienkater vertreiben.»

Was ist eigentlich das Gegenteil von erhaben? Vielleicht lächerlich, erbärmlich, niedrig. Oder aber, wir haben ein neues Antonym entdeckt, um es mal hochstehend bis hochtrabend auszudrücken. Das Gegenteil von erhaben ist «Bleisch-Kolumne».