Weltwochenbetrachtung

ZACKBUM legt mal wieder das Zentralorgan der guten Laune auf die Couch.

Es ist schon so: Wo Christoph Mörgeli hinschlägt, wächst so schnell kein Gras mehr. Diesmal erfreut er gleich am Anfang der aktuellen Ausgabe den Leser mit einer gnadenlosen Story: «Irène Kälins Weltreisen». Denn die grüne Nationalpräsidentin hält es nicht so mit dem Vermeiden unnötiger Flugmeilen. So reiste sie in die Ukraine. In den Niger nach Westafrika. Nach Slowenien. Nach Schweden und Finnland. Mit Mann und Kind zum Papst im Vatikan. Alles am liebsten im Bundesratsjet, das hohe Amt verpflichtet. Allerdings: «Genaue Zahlen über die Kosten einzelner Reisen werden nicht publiziert», zitiert Mörgeli genüsslich aus der Antwort des Büros der Nationalratspräsidentin auf eine parlamentarische Anfrage.

Dann kommen wir aber zu einer regelrechten Mogelpackung in Form der Titelgeschichte. «So schützen Sie Ihr Geld», das hört sich mal gut an. Allerdings folgen dann zwei Seiten Bankertalk mit heisser Luft, Wolkenschiebereien und windelweichen Aussagen. Wobei der «ehemalige Chefökonom der Bank Julius Bär» zunächst einmal mehr als eine Seite darauf verschwendet, alle dunklen Wolken am Horizont der Finanzwelt zu beschreiben.

Um dann nach einigem Geeier zur grossartigen Geldschutz-Aussage zu gelangen: «Bei steigender Inflation Aktien und Immobilien, allenfalls Gold … kaufen.» Es ist ziemlich peinlich, eine solche Ansammlung von Allgemeinplätzen, die jeder Bürogummi im Back-Office als Textbausteine aus dem Computer purzeln lassen kann, als Coverstory zu verkaufen. Aber wie meint Roger Köppel in seinem wie immer viel zu langen Interview mit Helmut Markwort (85): «Das Schwierigste ist die Titelstory. Was war da Ihr Konzept? – Das ist jede Woche die schwierigste, fürchterlichste Entscheidung.» Wie wahr.

Der absolute Tiefpunkt dieses Hefts wird aber mal wieder von Urs Gehriger erreicht: «In Florida geht die Sonne auf. Die USA erleben eine Völkerwanderung in den « Sunshine State». Hier ist Amerika noch, was es einmal war.» Das hat man halt davon, wenn er mal wieder in Palm Beach etwas Sonne tanken darf: «Ein paar Golfschläge vom «Breakers» entfernt hat der prominenteste Nachzügler auf Flaglers Spuren, Donald J. Trump, im Märchenschloss Mar-a-Lago sein Hauptquartier bezogen. Während sich der unermüdliche Ex-Präsident kaum in gewöhnliche Kategorien einordnen lässt, …»

Vielleicht wird ja der Gestaltungsdrang des unermüdlichen Ex-Präsidenten bald einmal von schwedischen Gardinen gebremst. Aber Gehriger ist nicht zu bremsen, wenn er mal ins Schwärmen gerät: «… Wohlstandstransfer von gigantischem Ausmass, … Das Narbengesicht Montana verpasste den Kubanern einen schlechten Ruf, der ihnen nicht gerecht wird. Die meisten sind rechtschaffen und steuern einen substanziellen Teil zum Erfolg Floridas bei …»

Die Wirklichkeit sieht ein wenig anders aus. Die Infrastruktur Floridas ist verrottet. Bei jedem kleineren Regenguss verwandeln sich die Strassen in Miami in kleine Flüsse. Die Qualität der meisten Hotels ist lausig. Miami Beach mit seinem Ocean Drive ist nur noch ein billiger Schatten seiner selbst. Das finanzielle Wunder Floridas besteht darin, dass hier die grössten Geldwaschmaschinen der Welt stehen, in denen traditionell und bis heute die lateinamerikanischen Drogengelder gewaschen werden. Wobei die «rechtschaffenen» Kubaner weiterhin den lokalen Drogenhandel im Griff haben und ihn bislang gegen Angriffe russischer Mafiosi oder brasilianischer Banden verteidigen konnten. Downtown Miami ist wohl mit Abstand das schäbigste Stadtzentrum einer US-Grossstadt.

Der Verkehr kommt regelmässig zum Erliegen, und es ist keine Seltenheit, dass man vom Flughafen bis nach Miami Beach in der Rush Hour locker anderthalb bis zwei Stunden in der Kolonne verbringt. Immer in der Hoffnung, unterwegs nicht ausgeraubt zu werden. Aber von solchen Kleinigkeiten lässt sich ein Reporter doch nicht stören, der den Vollversager Trump mit Henry Flagler vergleicht. Besonderes Lob schüttet er auch über Floridas Gouverneur Ron deSantis aus. Dabei erwähnt er allerdings nicht, dass der gerade in gröbere Schwulitäten verwickelt ist, weil er als misslungenen PR-Stunt ein paar Dutzend Migranten per Flugzeug nach Martha’s Vineyard verfrachten liess, eine der US-Lieblings-Urlaubsinseln der Demokraten.

Immerhin ein gelungener Versuch, sich noch blöder anzustellen als sein grosses Vorbild Trump. Schafft das auch jemand in der «Weltwoche» im Nahvergleich mit Gehriger? Da kann es natürlich nur einen geben. Genau, den Mann, der angeblich «basierend auf wahren Gegebenheiten» schreibt. Wenn Tom Kummer titelt: «Federer im Final gegen die Ewigkeit», dann überfallen den Leser spontane Zweifel, ob es Roger Federer eigentlich überhaupt gibt. Oder die Ewigkeit. Oder einen Text über Federer. Oder Tom Kummer. Oder die Fähigkeit, die Schmerzgrenze der Leser nicht immer wieder auszutesten bei Roger Köppel.

Dass dann der in Peru seine Pension geniessende Alex Baur den unfähigsten Präsidenten Brasiliens (und das will in diesem Land etwas heissen) als einen «Pragmatiker» bezeichnet, dessen «Politik vernünftig» sei, ist dann nur noch eine Randnotiz. Dass Jair Bolsonaro bei der Bewältigung der Pandemie krachend versagt hat, von noch mehr Korruptionsskandalen umweht wird als seine Vorgänger, so schlecht regiert, dass sogar das abgehalfterte Schlachtross Lula da Silva gute Chancen hat, ihn bei den nächsten Wahlen zu besiegen, das blendet Baur altersmilde aus.

Ach, und dann auch noch David Klein, das Elend nimmt in dieser WeWo kein Ende. Schwedendemokraten, Gérald Darmanin, Giorgia Meloni, das ganze Panoptikum wird aufgefahren. Allerdings: Vielleicht liegt ein Fluch auf der WeWo, denn meistens schmieren von ihr hochgelobte Politiker (Trump, Putin) oder Firmen (UBS, CS) grausam ab, kaum konnten sie sich im Glanz eines wohlwollenden WeWo-Artikels sonnen.

 

9 Kommentare
  1. Joasei
    Joasei sagte:

    Ich denke nicht, dass Bolsonaro der unfähigste Präsident Brasiliens seit Langem ist. Seine Wirtschaftspolitik ist sogar herausragend. Trotz Pandemie hat er im lateinamerikanischen Land ein hohes Wirtschaftswachstum erzielt eine niedrige Inflation aufrechterhalten und hat die Sozialprogramme auch fortgeführt und sogar ausgebaut. Brasilien hat derzeit ein höheres Wirtschaftswachstum als China, indessen die anderen linksregierten Länder unter hoher Inflation leiden und ihre Wirtschaft schrumpft. Das Bild in unseren Medien von ihm ist verzerrt. Auch hat er Brasilien tatsächlich gut durch die Plandemie geführt und hat sich immer gegen wirtschaftsfeindliche und gesundheitlich unsinnige Massnahmen gewehrt. Auch zeigt die derzeitige Wahl, dass er die Demokratie respektiert.

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  2. Ernst Bächler
    Ernst Bächler sagte:

    Die Weltwoche hat sich tatsächlich etwas unschön ins aus manövriert. Hauptsache anders, Hauptsache dagegen funktioniert längerfristig eben nur so halb. Tolle Einordnung des Florida-Artikels, vielen Dank Herr Zeyer.
    Mörgeli‘s Artikel zu Kälin finde ich allerdings berechtigt, da wird wirklich übertrieben und das Präsidium schamlos für Eigenes missbraucht.
    Die Russland-Position sollte die Weltwoche langsam überdenken. Wenn dumm läuft muss sie jetzt nämlich im neuen Kalten Krieg nun 40 Jahre lang Russland und Putin gut finden… Weltwoche, auch Nebelspalter sind kein Teil so anders und erfrischend wie sich gerne sähen. Sie sind genauso Opfer des verkorksten Politbetriebs mit allerlei PR-Stäben, Social-Media-Manager und Irene-Kälin-Stunts…

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    • Rolf Karrer
      Rolf Karrer sagte:

      Gibt es da gar ein Abhängigkeitsverhältnis bei der ausmanövrierten Weltwoche?

      Interessant wie Roger Köppel die Frage Belarus immer ausklammert. Der Despot und Tyrann Alexander Lukaschenko hatte diese Wahl im August 2020 mit grösster Wahrscheinlichkeit massiv gefälscht.

      Kann man dies verargen, wenn die belarussischen Bevölkerung vorallem westlich sein möchte?

      Trotz riesiger Repression, steht die grosse Mehrheit der belarussischen Bevölkerung nicht auf der Seite Russlands im Krieg gegen die Ukraine. Solchen bedeutsamen Fragen geht Köppel nie nach. Warum wohl? Siehe meine erste Zeile.

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    • Oskar
      Oskar sagte:

      Die Weltwoche hat keine «Russland-Position». Sie sagt nur, dass es viele Grautöne gibt in dem Konflikt und nicht nur scharz und weiss. Sie will, dass der Krieg endet. Sie prangert die einseitige Propaganda im «Wertewesten» an und versucht zu berichten, was ist und nicht was sein soll. Unsere «Qualitätszeitungen» haben allesamt verlernt, zu recherchieren und über Ereignisse zu informieren. Sie verbreiten nur noch Meinung, Haltung und Gesinnung.

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  3. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Es wäre schlimm, wenn es die Weltwoche nicht gäbe. Gerade heute ist das Weltwoche-Daily von Roger Köppel absolut hervorragend. Das Gegenteil der hirnlosen Kriegshetze gegen Russland im einheitlichen Mainstream. Doch auch Zackbum leistet sehr gute Erkenntnisse, gerade wenn es um die Entlarvung des ständig sinkenden journalistischen Niveaus wie etwa beim Tages-Anzeiger geht. Es bleibt zu hoffen, dass es auch der Nebelspalter schaffen wird. Denn rot-grüne Woke-Linkspresse zur Volksverblödung haben wir wahrlich genug!

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    • , besser als Köppel
      , besser als Köppel sagte:

      Auch die WeWo ist Mainstream, aus der rechten Ecke. Die Kommentare von Köppel zu Putin, Russland, Ukraine bringen auch nicht weiter. Wie bei den Mainstreammedien. WeWo kann man lesen, aber ist nicht zwingend, die Bereicherung für den Konsumenten ist überschaubar.

      Auch Nebi und Somm kommen nicht vom Fleck. Somm hat jetzt auch ein «Daily», besser als Köppels tägliche «Ansprache an die Nation, faktenreicher. Somm ist cleverer, zusätzlich zu seiner «Vergesstmichnicht» Kolumne in der SoZ darf er noch beim TCS schreiben. Diversity auch wichtig wenn die Zukunft düster ist.

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