Die schreckliche Vorhersehbarkeit

Ein Magazin sollte ein bunter Strauss sein. Aber nicht getrocknet.

Die «Weltwoche» ist häufig einer der ganz wenigen Lichtblicke in der düsteren Schweizer Medienlandschaft. Wo in geholpertem Deutsch Gesinnungsjournalismus und Haltungsgewäffel geboten wird. Niemals darf der pädagogisch erhobene Zeigefinger fehlen, wird gefordert, kritisiert, gemahnt.

Nun hat aber auch die «Weltwoche» gelegentlich einen Schwächeanfall, und der zeigt sich aktuell ganz deutlich auf dem Cover:

Thilo Sarrazin, der grosse Soziologe und Erforscher der Wokeness, äussert sich zu Rastas und Ähnlichem. Wie dichtete schon Schiller im Wallenstein: «Spät kommt ihr, doch Ihr kommt.» Ein Thema noch später als Frank A. Meyer aufgreifen, das ist schon eine Leistung. Als nette Werbung ein Kapitel aus dem neusten Buch von Sarrazin abzudrucken und zur Titelstory zu machen, das ist nun eher peinlich. Vor allem, weil Sarrazin nur längst Bekanntes zur Debatte rezykliert.

Aber es wird schon ganz am Anfang ganz schlimm. Denn der wiedergeborene Christ Roger Köppel (nur echt mit Heiligenschein) raunt über den «Glauben, die Urkraft des Lebens».  Als wäre er ein kleiner Heidegger, fabuliert er vom «Weltgeheimnis», vom «Wunder der Existenz» und vom «Rätsel des Lebens». Er öffne sich dem «dankbaren Staunen», «Gemüt, Herz», schwurbel, schwurbel. «Das Christentum lehrt», und schliesslich die typisch köppelsche Apotheose: «Ohne Glaube keine Schweiz.» Das hat immerhin etwas Originelles, ist aber einfach eine Abwandlung der guten, alten «Willensnation».

Aber Himmels willen, als habe es Kant, «Die Kriminalgeschichte des Christentums», die unzähligen Abrechnungen mit dieser ältesten Verbrecherorganisation der Welt nicht gegeben, schwärmt Köppel mit zunehmendem Alter von theologischen Fragestellungen. Denen er sich mit dem kleinen Besteck eines Staunenden, aber nicht Wissenden nähert. Auch hier hätte die Existenz eines Herausgebers oder eines Verlegers gutgetan, der gesagt hätte: langweile damit Freunde und Familie, aber bitte nicht den Leser. Dem bliebe dann Gott sei Dank solche Frömmlerei erspart. Denn mit Glauben verhält es sich wie mit Rassismus. Er existiert, ist aber falsch.

Auch anschliessend erfüllt jeder Mitarbeiter sein Soll. Christoph Mörgeli hackt auf Bundesrat Berset herum. Die Post-Faschistin Giorgia Meloni wird als «Primadonna der Vernunft» hochgejubelt. Solche Vorschusslorbeeren sind erfahrungsgemäss bei der WeWo immer schnell verwelkt. «Neonazis in der ukrainischen Armee», «Einbruch der Geburtenzahlen», möglicherweise wegen der Corona-Impfung, «jetzt ist der Moment, um ein Auto mit voluminösem Verbrennermotor zu kaufen», eine «Würdigung» von Alexander Dugin durch den völlig unabhängigen Thomas Fasbender, der schon das Pech hatte, Putin als den «Missverstandenen» zu porträtieren, als der am Erscheinungstag der WeWo in die Ukraine einfiel.

Fehlt dem Leser noch etwas, um ermattet und gähnend abzuwinken? Klar doch: Angeblich «basierend auf wahren Gegebenheiten» fantasiert Tom Kummer über Nicolas Cage: «Vielleicht ist er der beste Schauspieler der Welt.» Vielleicht auch nicht, aber wer interessiert sich schon für ein Urteil des unter dem Münchhausen-Syndrom leidenden Kummer?

«Literatur und Kunst», endlich der rettende Lichtblick, aber geht auch vorbei. Aber dann kommt «Leben heute», Leute glotzen als wär’s die «Bunte», und schliesslich noch ein «indiskretes Interview» mit Lisa Eckhart, deren Kraft zur Provokation auch nicht unbegrenzt ist. Dass Nietzsche in allem Recht habe, ihre politische Einstellung «k. und k.» sei, «kaiserlich und kommunistisch», und dann noch der Brüller auf die Frage, wieso sie noch nicht Veganerin sei: «Ich würde sofort auf Fleisch verzichten, wenn Gemüse Schmerz empfände», das alles kitzelt den Gähnreflex unstatthaft.

So sieht das Ende der Provokations-Fahnenstange aus.

 

 

 

5 Kommentare
  1. Victor Brunnern,
    Victor Brunnern, sagte:

    Bei der WeWo stellt sich die gleiche Frage wie bei den übrigen Medien: soll ich mir das antun, soll ich dafür bezahlen? Ich hadere. Der Titel «Weltwoche» ist genauso Lüge wie der Tages-Anzeiger der sich «unabhängige Schweizer Tages-Zeitung». Etwas Welt ist in der WW zu spüren seit Alex Baur sich in Peru niedergelassen hat und über seine neue Heimat gute Berichte schreibt. Was beiden Ländern zu eigen ist die «institutionelle Korruption», ParlamentarierInnen die sich vom Volk wählen lassen und von
    Interessengruppen kaufen lassen. Dann wird noch bei genehmen JournalistenInnen zugekauft wie bei TAmedia. Zuweilen grotesk bei der WeWo die Kolumne von Peter Rothenbühler wenn er Zensuren verteilt. Diese Woche kommt Eveline Widmer-Schlumpf schlecht weg weil sie das «Schweizer Bankgeheimnis fahrlässig» aufgegeben hat. Der Journalist der Generation Abendrot hat altersbedingt einiges vergessen, das kriminelle Verhalten Schweizer Banken, die Vorgeschichte mit dem untauglichen FDP BR Merz, das AIA. Es sei ihm verziehen.

    Besser ist die WeWo beim Titelbild, immer ein Hingucker, knallig, gute Schlagzeilen. So etwas schafft der TA nie, im Gegenteil, peinliche Titelseite wird immer wieder getoppt. Heute Bild über 3 Spalten und Seitenhöhe von der Zürcher Regisseurin Viviane Andereggen, sie hat einer der schlechtesten «Tatort» aller Zeiten geliefert und jetzt Unterschlupf bei Netflix gefunden. Das reicht dem TA um eine grosse Story über die Frau zu machen. Der Brüller, damit das Bild auf Seitenhöhe aufgeblasen werden konnte musste Andereggen auf einen Beistelltisch steigen. Die Frau mit Schweizer Pass macht 4 Folgen über die Stasi. Ist das nicht «kulturelle Aneignung?». Nicht deutsch, in keiner Stasiakte, nie in Bautzen. Weber, Büttner, Loser, Binswanger müssen das klären.

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  2. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    In seinem Wort zum Werktag, auf neudeutsch «Weltwoche daily», bietet der offiziell stets gut gelaunte Roger Köppel seinen Zuschauern Informatives, Alternatives, Inspirierendes und Unterhaltsames – nicht von der Kanzel, sondern vom Redaktionssessel oder einem Hotelzimmer aus.

    Die beigemischte Frömmelei mag allerdings den einen oder die andere seiner mehr oder weniger gläubigen Zuschauer und Leser beunruhigen: Leidet der geschichtsvergessene Historiker Köppel etwa an Demenz? Ist die Gattin des vielbeschäftigten Mannes untreu geworden? Musste er die Weltwoche am ersten August nach fast 90 Jahren in Zürich an einen anderen Ort verlegen, um Miete und Steuern zu sparen, weil es seiner Firma schlecht geht? Fragen über Fragen: Nur zwei kennen die in jeder Hinsicht korrekte Antwort: Köppel himself und sein allwissender Gott. Schade, dass Gott keine Telefonnummer und keine E-Mail-Adresse hat; ich würde die Fragen gerne an ihn weiterleiten.

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  3. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Das ist eine etwas bösartige Beschreibung der Weltwoche. Für mich hingegen das beste und alternativlose Presseerzeugnisse der Schweiz mit unterschiedlichen Meinungen zum Zeitgeschehen. Im linken Einheitsbrei von Tagi und WoZ schlicht undenkbar. Was aber nerven kann, sind im Weltwoche Daily die zu häufigen theologischen Anwandlungen des Roger Köppel. Darüber hinaus verdient derselbe Köppel jedoch die grösste Anerkennung. Speziell in stark kontroversen Fragen wie Russland und Ukraine mit Mut und Herzblut klare Kante gegen das scheinheilige Geheul der Journis und Politiker des feigen Mainstreams zu zeigen! In solchen Momenten liebt man Roger Köppel.

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