Wumms: David Wiederkehr

Ein Moralapostel ist geboren worden.

Wussten Sie, dass es neben dem Klimawandel, den Temperaturprognosen von SRF Meteo, dem Tod von Prigoschin auch noch ein weiteres weltbewegendes Thema gibt? Nein? Ts, ts, noch nie etwas vom «Kuss-Skandal» gehört? Dem Stuss-Skandal? Nein, der hier:

Aber hallo, «frauenfeindliche Fratze», was ist denn hier passiert? Schreibt Wiederkehr etwa über die Kollegen der «Republik» oder der WoZ? Nein, es gab ja scheint’s eine Frauenfussball-WM. Da spielten Frauen Fussball. Und die Spanierinnen wurden Weltmeister. Äh, Weltmeisterinnen. Das musste gefeiert werden. Machen Männer so, Frauen auch. Fällt im Männerfussball ein Tor, bespringen sich anschliessend jede Menge Fussballer und grapschen sich überall an. Machen Frauen auch so. Furchtbar.

Aber es geschah noch Schlimmeres. Wir geben es in den zornbebenden Worten von Wiederkehr wieder: «Der Verbandschef küsst eine Weltmeisterin ungefragt auf den Mund.» Diesen Akt schieren Grauens kann man nur so wiedergeben:

Der Verbandschef (hinten), die völlig fassungslose Fussballerin vorne. Man beachte auch, wie er ihren Kopf wie in einem Schraubstock mit seinen Händen umfasst. Während sie in einer Geste der Hilflosigkeit die tätowierten Arme ausbreitet. ZACKBUM ist auch fassungslos. Siegesfeier, Jubel, Trubel, Glückshormone, aber das ist doch noch lange kein Grund für ein solch abscheuliches Verhalten.

Küssen. Ungefragt. Auf den Mund. Vielleicht noch mit Zunge? Igitt. Wiederkehr bebt: «Ekelhaft, abstossend, übergriffig – der Fehltritt von Luis Rubiales lässt sich durch nichts schönreden.» Dieser Lustmolch sei schon vorher unangenehm aufgefallen, weiss Wiederkehr: «Der Kuss auf den Mund von Hermoso ist der Gipfel einiger Unappetitlichkeiten, die sich Rubiales immer wieder leistet.»

Himmels willen, die Spanier, was sind denn das für Unappetitlichkeiten? «Zum Beispiel die Frage nach der Farbe ihrer Unterhosen, die er an eine ehemalige Mitarbeiterin richtete.» Gut, das tut man nicht, aber wir hoffen, dass sich die Mitarbeiterin inzwischen von dieser traumatischen Erfahrung erholt hat und ihm damals die Farbe ihrer Unterhosen nicht verriet.

Geht’s noch frauenfeindlicher? Jawohl, das kann dann nur ein Deutscher sein. Karl-Heinz Rummenigge rede doch «die Affäre mit der ihm eigenen Schnoddrigkeit klein: «Wenn man Weltmeister wird, ist man emotional. Und was er da gemacht hat, ist – sorry, mit Verlaub – absolut okay.»»

Da gerät Wiederkehr zum Schluss ausser sich: «Diese Interpretation ist – sorry, mit Verlaub – frauenfeindlicher Mist.» Aber immerhin hat der tapfere Journalist Rummenigges frauenfeindliche Fratze entlarvt. Man sei emotional, wenn man Weltmeister werde? Das ist doch noch lange kein Grund, eine Frau ungefragt, und so. Also das mindeste, was dieses Sexmonster hätte tun können, wäre wenigstens um Erlaubnis zu fragen. Und was ist nur aus dem guten, alten Wangenkuss geworden? Aber hätte er das gedurft? Ohne Erlaubnis?

Und wie ist’s denn eigentlich hiermit:

War diese Sittenlosigkeit der Anfang vom Ende des Sozialismus? Oder begann es erst hier:

Wurde da auch ungefragt geknutscht? Da gibt es noch so viele unbeantwortete Fragen; Wiederkehr, übernehmen Sie!

Heiss! Endlich!

Bislang war es nur bei SRF Meteo richtig heiss. Nun aber auch in der Schweiz.

Es war zum Mäusemelken. Eines der Lieblingsthemen der Weltverbesserer fand nur im südlichen Ausland statt. Die Hitze, der Klimawandel, die Erderwärmung, das Ende der Welt.

Die Schweiz dagegen war mal wieder die Insel der Seligen. Regen, Kälte, ein richtiges Scheisswetter. Da machte alles Unken keinen richtigen Spass mehr. Nachdem der Redaktor seinen Dienst an der Klimarettung vollbracht hatte, spannte er den Regenschirm auf und verzog sich ins Innere seiner Stammkneipe, um mit dem einen oder anderen Bierchen seien Frust runterzuspülen.

Selbst die Klimakleber kapitulierten vor dem Huddelwetter und stellten ihre Aktionen teilweise ein. Oder vielleicht waren sie auch, dem Beispiel ihres Sprechers folgend, in fernen Landen in den Ferien. Oder auf Kreuzfahrt.

Aber die Durststrecke ist zu Ende, Tamedia macht gleich ein Fass, bzw. eine Rubrik auf:

Es ist eine vergängliche Rubrik, denn in zehn Tagen ist der August schon Vergangenheit. Aber davon will man sich doch nicht die Panik verderben lassen.

Allerdings scheinen hier ein paar subversive Klimaleugner am Gerät zu sein. «Wie Sie trotz Affenhitze gut schlafen können», ein Ratgeber. Statt anklagend und aufrüttelnd dazu aufzufordern, schwitzend und schlaflos zu protestieren und zu demonstrieren. Und dann das: «Vom Jammeri zur Instant-Südländerin – das sind die Schweizer Hitzetypen». Ausgerechnet Philipp Zweifel und die offenbar lebend von ihrer klimaschädlichen Kreuzfahrt zurückgekehrte Aleksandra Hiltmann versuchen sich an einer lustigen Typologie.

Wobei man sich allerdings fragt, ob Hiltmann geklont ist oder in Wirklichkeit ein Chatbot. Denn hier ist sie «Redaktorin für das Ressort Social Media». Gestern war sie noch «Gesellschaftsredaktorin» des «Blick». Und morgen? Vielleicht tritt sie noch einen Drittjob bei der NZZ an, wer weiss.

Nicht von Hiltmann ist dieser Warnartikel im «Blick», ebenfalls mit hohem Nutzwert. Denn wo gekreischt werden kann, ist das Organ immer dabei:

Doppelt gemoppelt hält besser, sagt sich das Lieblingsblatt für anspruchsvoller Leser «watson»:

Richtig abstrakt wissenschaftlich wird es hingegen bei «20 Minuten», man macht sich Sorgen, ob der Blattmacher unter Hitzschlag leidet:

Achtung, der schwarze Pfeil deutet irgendwie auf die Nullgradgrenze. Oder so.

Natürlich darf auch surf.ch, Pardon, srf.ch,  im Umzug nicht fehlen:

Hin und hergerissen hingegen ist die NZZ. Auch sie ist der Hitze erlegen und macht die Rubrik «Alles zur Hitze» auf. Dort schwankt sie zwischen ordnungspolitischen Zwischenrufen und Sauglattismus:

Und CH Media? Auch die heizen dem Leser etwas ein, allerdings sehr lokal:

Aber das alles sind doch eher untaugliche Versuche, das Thema Rekordhitze wachzuküssen. Was hier fehlt, völlig klar, ist ein Eingreifen von Tamedia.

ZACKBUM hilft schon mal mit dem Wording zum Anpreisen (das ist viel billiger als Wirz): «Informationsvorsprung für Leader … neue und exklusive Artikel … relevante Infos … kompetente, relevante, hochwertige journalistische Inhalte … viel Nutzwert …»

Richtig geraten, was hier fehlt ist der «WetterMonitor» für läppische 200 Franken im Monat. Muss man denn alle guten Ideen selber haben?

Verkehrsunfall

Achtung, Luftsack. Der VerkehrsMonitor zündet den Airbag.

Der Airbag soll mit lautem Knall den Fahrzeuginsassen davor schützen, gegen harte Teile des Innenraums zu prallen. Bei der Anpreisung der neuen Luftnummer «VerkehrsMonitor» aus dem Hause Tamedia werden reihenweise solche Airbags ausgelöst.

Zur Idee, so etwas für 200 Franken monatlich an den Mann (und natürlich die Frau, alle Gender inkl.) zu bringen, hat sich ZACKBUM bereits geäussert. Die beim Berliner «Tagesspiegel» vom neuen Digital-Guru und Dampfplauderer Mathias Müller von Blumencron (63) entlehnte Idee wird gegen die Wand fahren, ist unsere Prognose.

Nun gibt aber die Agentur Wirz richtig Gas und zeigt mit den Ankündigungen auf Social Media und anderswo, wie man eine richtig teure Kampagne fährt. Indem man alle Füll- und Schaum- und Nonsenswörter des modernen Marketing aufeinanderstapelt. Das Ergebnis ist ungefähr das Gleiche, wie wenn einem ein Airbag ins Gesicht explodiert. Nur hat der meistens eine sinnvolle Funktion.

Reines Bullshit-Bingo mit Sprüchen, die nun wirklich keiner mehr hören will. Der Leser setzt ab hier die Lektüre auf eigene Gefahr fort:

«Informationsvorsprung für Leader … neue und exklusive Artikel … relevante Infos … kompetente, relevante, hochwertige journalistische Inhalte … viel Nutzwert … für Entscheidungsträger:innen … relevante und exklusive Hintergründe für Profis … Erfahrene Journalist:innen … relevante Beiträge für die Führungskräfte … neue Trends und best practice …»

ZACKBUM bleibt nur die relevante Wiederholung: nein, das haben wir nicht erfunden. Das steht alles so auf engstem Raum. Forderungen nach Schmerzensgeld sind entweder an die Agentur Wirz, an Pietro Supino oder an Müller von Blumencron zu richten. Auf Antworten sollte man nicht hoffen.

Afrika für Anfänger

Mohr war gestern. Heute sind wir weiter.

Das Problem mit Niger haben wir soweit im Griff. Zurechnungsfähige Beherrscher der deutschen Sprache sagen Niger zu Niger. Das muss man betonen, weil das zum Beispiel SRF entschieden anders sieht. Da müssen sich die Sprecher der «Tagesschau» (spricht man Tagesschau) neben allen anderen Zungenverrenkern an «Nischee», bzw. «Nischeer» abmühen.

Warum? Darum. Beziehungsweise aus drei Missverständnissen heraus. Das lateinische Wort für schwarz – niger – ist nicht zu verwechseln mit dem abwertenden Ausdruck Nigger. Das Wort Nigger wurde in den USA längst von den Schwarzen, Pardon, den PoC, den Person of Colour, zurückerobert. Dahinter steht drittens der fundamentale Irrtum, dass man mit Sprachreinigung die Welt besser machen könne. Haben schon die Nazis in Deutschland probiert, hat auch nicht geklappt.

Obwohl man dort immer noch «Kraftstoff» sagt.

Aber wer mit Niger Probleme hat, wie löst er das dann beim Nachbarstaat Nigeria? Da gab es schliesslich mal die Royal Niger Company, pfui Teufel. 1914 grenzte dann die Kronkolonie, das britische Protektorat Nigeria an das deutsche Kamerun. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde unter den Siegermächten Kamerun aufgeteilt.

Diverse Putschs später ist Nigeria heute die Federal Republic of Nigeria. Das spricht man auf Englisch Naidschiiria aus. Dann hätten wir noch die Amtssprache Hausa (Najeriya), Igbo (Naijiria) und Yoruba (Nàìjíríà). Nun ist Nigeria – genau wie Niger – eine Ableitung des lateinischen niger, mit dem der zentrale Fluss bezeichnet wurde, der in seiner ursprünglichen Aussprache «ghir n-igheren» Fluss der Flüsse» auf Tuareg) für europäische Zungen etwas schwierig auszusprechen war.

Wenn also Niger als Nischee ausgesprochen werden muss, weil das die Amtssprache ist, wird die Sache bei Nigeria komplizierter. Englisch? Amtssprache, aber natürlich postkolonialistisch. Hausa, Igbo oder Yoruba? Schon, aber welche Version? Alle drei, um niemanden zu diskriminieren? Schwierige Sache für Sprachgutmenschen. Abgesehen davon, dass die meisten nicht einmal wissen, wie die Hauptstadt von Nigeria heisst (nein, nicht Lagos).

Man könnte nun noch beliebig viele weitere afrikanische Beispiele nehmen.

Aber es gibt ein viel näheres, viel heikleres Problem. Ein echtes Problem. Aus der eigentlich harmlosen Welt des Sports. Gut, als was non-binäre oder Transmenschen antreten dürfen, das ist auch ein ungelöstes Problem. Und wer für die Frauenfussball-WM fante, hat damit mindestens 160 weitere Gender diskriminiert.

Aber darum geht es hier nicht. Es geht um unsere Fussball-Nationalmannschaft (männlich, obwohl die Mannschaft – welch lustiger Widerspruch für Idioten, die Genus mit Geschlecht verwechseln). Wie heisst denn die? Richtig, die heisst Nati. So geht’s ja noch, aber wie wird das ausgesprochen?

Empfindliche Menschen müssen nun ganz tapfer sein. Wahrscheinlich haben das auch schon viele so ausgesprochen, die niemals das Wort Mohrenkopf in den Mund nehmen würden (und das schmackhafte Gebäck von Dubler erst recht nicht).

Also, wir halten uns die Nase zu, machen mit beiden Händen abwehrende Bewegungen, versprechen, anschliessend eine Initiative für die Entfernung des Wortes «Mohr» von einer Hausfassade zu unterschreiben, nehmen allen Mut zusammen und sagen:

Unsere Natzi. Gesprochen Nazi. Wie Nazi. Einzig mit kurzem a statt langem. Das versteht man in der Schweiz, das versteht man in Deutschland und Österreich miss.

Es ist ungeheuerlich, dass man sich im Schweizer Farbfernsehen zwar Gedanken über die korrekte Aussprache von afrikanischen Elendsstaaten macht, aber dieses gravierende Problem nicht adressiert. Und kein Zuschauer hat sich bislang unwohl gefühlt, niemand an das Dritte Reich erinnert, keiner braune Zeiten assoziiert. So gefühllos sind Sprachreiniger dann wieder.

Neid hat viele Töne

Mario Stäuble mag die SVP nicht.

Das ist zusammengefasst die Botschaft einer angeblichen «Glosse zum SVP-Wahlkampf». Ob Stäuble wohl weiss, was eine Glosse ist? Wenn ja, vermag er es gut zu verbergen. Der degradierte ehemalige Co-Chefredaktor Lokales vom «Tages-Anzeiger» musste sich zum Wahlkampfvideo der SVP äussern.

Wie in jedem Wahlkampf zeigen da die SVPler, angeführt von DJ Tommy, alias Thomas Matter, dass die Partei neben Verkniffenem und Schmallippigem auch zu selbstironischer Lockerheit in der Lage ist.

Wenn Bundespräsident Berset an der Street Parade in pinker Federboa teilnimmt und eine Bierdose an den Hut kriegt, dann ist das Tamedia keine böse Zeile wert. Wenn aber die ganze Mannschaft der SVP wie aus dem Feindbild von Stäuble ausgeschnitten zu einer Musik performt, die an «We are Family» erinnert, dann muss das Stäuble natürlich scheisse finden.

Gesteigert wird das nur durch die Dumpfpostille «watson»: «Damit du es nicht anhören musst: Das neue SVP-Tanzvideo in 13 Gifs.» Gesteigert wird das nur durch den angeblichen Humoristen «Karpi». Der wandte sich auf Twitter an den Komponisten Nile Rodgers mit der Behauptung, die SVP habe ihn doch sicher um Erlaubnis gefragt, «We are Family» verwenden zu dürfen. Dummerweise hat Rodgers noch nicht geantwortet.

Stäuble beginnt mit Einzelkritik: «Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher bewegt ihre Arme hin und her wie zwei Scheibenwischer.» Aber damit ist der satirische Muskel von Stäuble noch nicht erschlafft, er kann noch nachlegen: «Die Inszenierung sieht nach einer frühen Probe für die nächste Abendunterhaltung der Männerriege aus». Ist zwar Gefasel, hört sich aber irgendwie abwertend an, also hat’s Stäuble stehenlassen.

Er ist sich schmerzlich bewusst, dass das noch keine Glosse ist, nur Geholze. Also versucht er es auf einer abstrakteren Ebene. Der Clip sei ein Beispiel für die Entpolitisierung der Politik: «Weil man bei einem Segment des Publikums mit inhaltlichen Botschaften nicht mehr durchdringt, versucht man, gute Stimmung zu schaffen.»

Das ist geradezu unverschämt von der SVP. Aber Stäuble wird immer noch nicht den nagenden Verdacht los, dass er es der SVP noch nicht richtig gegeben hat. Also legt er nach: «Das Video lässt sich aber auch anders lesen: Keine andere Partei ist schambefreiter im Vortragen ihrer eigenen Botschaften.»

Das gälte für für «die harten Parolen wie «Ausländer raus!», für Beleidigungen an die Adresse der Freisinnigen – «das gilt aber auch für Matters Gute-Laune-Befehl». Befehl?

Den wenigen Lesern, die sich durch dieses Gestammel bis hierher gekämpft haben, gibt Stäuble dann noch ein letztes Rätsel mit auf den Weg: «Dass man dabei auch mal Minderheiten verunglimpft oder im Wahlsong einen Holperreim platziert? Gehört dazu. … Und ist der Ruf erst ruiniert, politisiert es sich ganz ungeniert.»

Das hingegen ist eine verblüffende Selbsterkenntnis. Oder auf Stäube übersetzt: ist der Journalist erst degradiert, lebt sich’s ungeniert.

Denn was uns Stäuble mit dieser angeblichen Glosse sagen will, was genau ihm an diesem Clip nicht passt (ausser, dass er von der SVP) ist, das bleibt sein süsses Geheimnis.

Wie schreibt er so  richtig: «Man fragt sich: Was ist noch geiler als geil? Noch steiler als steil? Das Ausfüllen der Wahlunterlagen? Antworten gibt es keine.»

Man wird den Verdacht nicht los, dass Stäuble meint, der Begriff Glosse sei die deutsche Übersetzung von Lippgloss. Oder komme von glotzen. Mit satirischem Sprachwitz hat das auf jeden Fall nichts zu tun.

Wumms: Kurt W. Zimmermann

Der Altstar der Medienkritik im Hoch.

Das nennt man einen Volltreffer. In seiner Medienkolumne in der «Weltwoche» veröffentlichte Kurt W. Zimmermann Tabellen, mit denen er auf zwei Probleme hinweisen konnte. Das erste: SRF Meteo veröffentlicht regelmässig Prognosen, die bis zu acht Grad oberhalb der tatsächlich gemessenen Temperaturen liegen. Wobei alle Fehler ausschliesslich Ausreisser nach oben sind, niemals prognostiziert SRF Meteo zu niedrige Temperaturen.

Um dem Argument von Vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, dass es halt schwierig sei mit Prognosen, vor allem, wenn sie die Zukunft beträfen, stellte Zimmi den Fehlprognosen die Vorhersagen von zwei Konkurrenten gegenüber. Den kleinen Anbieter Kachelmannwwetter und die internationale Benchmark Weather Channel. Und siehe da: die lagen viel näher im Streubereich der Wirklichkeit. Entweder Volltreffer oder so ein, maximal zwei Grad daneben. Nach oben oder nach unten natürlich.

Zunächst unterschätzte SRF Meteo das Problem sträflich. «Weltwoche», SVP, typisch, absurd, Wahlkampfgedöns. Denn Zimmi hatte auch insinuiert, dass es vielleicht der klimabesorgten SRF-Crew durchaus zu pass käme, wenn die Temperaturen immer viel zu hoch angekündigt werden.

Nachdem Oberwetterfrosch Thomas Bucheli das als Unterstellung und als «absurd vehement» zurückgewiesen hatte, meinte er offenbar, damit sei’s abgetischt. Als merkwürdige Erklärung führte er an, dass halt ein saukomplizierter Algorithmus, der die Prognosen berechne, bei Hitzewellen zum «Überschiessen» neige.

Anschliessend machte sich der «Tages-Anzeiger» lächerlich, indem er ausführlich die furchtbar schwierige und komplizierte Herstellung von Temperaturprognosen nachzeichnete und erklärte, dass jegliche Kritik an Fehlprognosen nur von Laien geäussert würde, die halt nicht drauskämen.

Zuvor hatte Bucheli endlich den Ernst der Lage erkannt und sich zu bester Sendezeit bei seinem Publikum zerknirscht für die Fehlprognosen entschuldigt. Ohne von seiner dünnen Verteidigungslinie abzuweichen, dass das halt wahnsinnig schwierig sei, man an einer Verbesserung arbeite, aber das dauere halt.

Sowohl Bucheli wie der «Tages-Anzeiger» schielten am grossen Elefanten vorbei, der hier im Wetterraum steht. Wenn das so wäre, wieso schaffen es dann die beiden Konkurrenten problemlos, viel genauere Vorhersagen zu liefern? Und wieso übernimmt SRF Meteo dann nicht einfach von denen die Prognosen? Problem gelöst.

Aber nicht mit Bucheli. Deshalb hat Zimmi in der «Weltwoche» nachgelegt. Mit einem «grossen Wetterquiz». Das ist echt lustig. Zimmi nahm die Prognosen von SRF Meteo vom nächsten Tag, verglich sie mit den dann tatsächlich gemessenen Temperaturen und hatte die «WeWo»-Leser eingeladen, auch Prognosen abzugeben.

Die Resultate sind ernüchternd, aber immerhin eine neuerliche kalte Dusche für die wohlbestückte und -bezahlte Wetter-Crew des Schweizer Farbfernsehens, das auch hier zeigt, dass es viel Geld für zu wenig Leistung verbrät:

Der Hammer ist diesmal Montpellier. Bucheli & Co. sagten schweisstreibende 38 Grad voraus. Die gemittelten Prognose der WeWo-Leser lag mit 32 Grad auch noch zu hoch. Denn es waren gemessene 28 Grad. Damit stellte SRF Meteo einen neuen Sommerrekord auf. 10 Grad daneben!

Zimmi hat noch weiter ausgewertet. Bei diesen fünf Destinationen sagte SRF Meteo zusammen 28 Grad zu hohe Temperaturen voraus. Dagegen lagen die Leser mit insgesamt 6 Grad Abweichung nach oben durchaus kompetent im Rennen.

Daher kommt Zimmi zu einer logischen Schlussfolgerung, bzw.:

«Unser Angebot deshalb: Die Weltwoche übernimmt den Wetterbericht von SRF gemeinsam mit ihren Lesern. Wir machen das zur Hälfte der Millionen, die für das fünfzehnköpfige Team von «SRF Meteo» plus Produktionskosten anfallen. Das TV-Wetter wird damit nicht nur deutlich billiger, sondern auch deutlich besser.»

Das wäre tatsächlich ein sinnvoller Beitrag, die Halbierungsinitiative schon im Vorfeld umzusetzen. Besser und billiger, was will man mehr?

Hirnlos

Wacken und Mass-voll: viele Gemeinsamkeiten.

Das Heavy-Metal-Festival in Deutschland ist mal wieder im Schlamm versunken. Dennoch haben die Teilnehmer Spass, obwohl ihre Anzahl beschränkt wurde. Viele Gemeinsamkeiten mit «Mass-voll» und ihrem Chefprovokateur Nicolas Rimoldi.

Auch bei diesem Haufen kam es schon zu einem wahren Exodus von Mitgliedern und führenden Figuren, im Dezember 2021. Seine Daseinsberechtigung sieht der Präsident, der sich gerne im Che-Guevara-Jesus-Look präsentiert, in der hirnlosen Provokation.

Das Thema Covid hat er inzwischen zu Tode geritten und sich eine dritte Klatsche an der Urne eingefangen. Damals keifte er: «Die Schweiz ist auf dem Weg in eine dystopische Hölle. Die freie Schweiz ist am Sterben. Wir sind die letzte Chance, um den weltweiten ‹grossen Reset› zu verhindern.» Wenn das so wäre, müsste man wirklich das Ende der Welt herbeiwünschen. Aber das ist glücklicherweise nur dummes Gequatsche.

Im verzweifelten Bemühen, in den Schlagzeilen zu bleiben, ist ihm jede Hirnlosigkeit recht; so zum Beispiel die Forderung, dass man auch in der Schweiz verdeckt Waffen tragen dürfe. Aber selbst auf diesem Gebiet gehen ihm langsam die Ideen aus.

Also begab er sich nach Wien, um dort an einer Demonstration teilzunehmen, die unter anderem von den sogenannten Identitären veranstalten worden war. Grundthema ist ein angeblicher Masterplan, die (weisse) europäische Gesellschaft durch Masseneinwanderung «auszutauschen». So kann man ein tatsächliches Problem desavouieren.

Eigentlich sollte Rimoldi mit der Bachelorette der Politik ein Traumpaar bilden. Die entblödet sich nicht, in Pristina ein Wahlplakat für ihre Kandidatur in den Nationalrat (Schweiz) aufzuhängen und die Abschaffung der Schweizer Neutralität zu fordern. Alles Erregungsbewirtschaftung, mit der sie es in den «Blick» schafft, aber sicher nicht zu einem Erfolg an der Wahlurne.

Auch Rimoldi überlegte sich, dass ein Selfie aus Wien vielleicht doch nicht genug Aufmerksamkeit erregen könnte. Also machte er einen Zwischenstopp in Braunau am Inn. Und behauptete dann tatsächlich, es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass das die Geburtsstadt von Adolf Hitler sei.

Wie hirnlos ist das denn? Offenbar nicht hirnlos genug für einige Kantonalparteien der SVP, die mit diesem Irrwisch tatsächlich Listenverbindungen eingehen wollen. Dabei gilt für ihn wie für die Bachelorette das, was man im TV als Publikumsgift bezeichnet. Nur ist das in der Glotze manchmal ungerecht; auch begabte Menschen treiben das Publikum dazu, sofort die Fernbedienung zu betätigen, tauchen sie auf dem Bildschirm auf.

Bei diesen zwei ist es aber wohlverdient, dass man sie eigentlich nur dem schärfsten politischen Gegner an den Hals wünschen kann. Während die Bachelorette ihr Werk bei den Grünliberalen und der «Operation Libero» verrichtet, schlägt Rimoldi eine Schneise der Zerstörung in rechtskonservativen Kreisen.

Da sieht man mal wieder, dass sowohl links wie rechts einige Politiker einen ganz kleinen Löffel dabei hatten, als Gott Hirn vom Himmel regnen liess.

Alle Wetter!

Tamedia erklärt die Lage – der Leser sorgt sich.

Der schwere Sturm über La Chaux-de-Fonds hat es in sich. Er forderte ein Todesopfer und verursachte happige Gebäudeschäden, dazu umgestürzte Bäumen und andere Verwüstungen.

Die Gelegenheit, endlich einmal die Überlegenheit einer Qualitätszeitung auszuspielen. Oder so. Die Autorenzeile unter dem ersten Artikel lautet «SDA/aru/mst». Das bedeutet, dass zwei Nasen die SDA-Tickermeldung veredelt haben. Augenzeugenberichte vor Ort, der Tamedia-Korrespondent im Jura? Welcher Korrespondent?

Aber glücklicherweise gibt es die sozialen Medien und Plattformen, wo jede Menge Videos und Fotos hochgeladen werden, die man zu einem «Tamedia Video» umtopfen kann. Dabei dachte ZACKBUM, das Teil heisse nun endgültig «Tages-Anzeiger». Aber das wäre ein anderes Thema.

Hier wird etwas Schadenbilanz gezogen, das obligate Mitgefühl des Bundespräsidenten erwähnt, und dann «eingeordnet». Allerdings: «Es ist noch unklar, wie dies meteorologisch einzuordnen ist.» Downburst oder Tornado oder beides oder keines von beidem?

Auf jeden Fall sei es ein «extremes Windereignis». Das hat was, bei Spitzengeschwindigkeiten von angeblich über 200 km/h. Immerhin wurde der «Journalist Laurent Duvanel, der selber in La Chaux-de-Fonds wohnt», aufgetrieben, besser als nix.

Aber dann lebt Tamedia noch richtig auf, es folgt der Beratungsteil. Ein «Gewitter- und Unwetterforscher» erklärt, dass man nicht nur das Wetterradar auf dem Handy betrachten solle, «sondern auch den Himmel aufmerksam beobachten». Dabei – merke auf – kann man die Gefährlichkeit sauber einschätzen. «Wenn eine Gewitterwolke dunkel und bedrohlich wirkt, dann birgt sie auch Gefahrenpotenzial.» Das muss einem ja mal gesagt werden. Bei grünlich sollte man auch aufpassen, das sei ein «Anzeichen für einen sehr intensiven Niederschlag oder sogar Hagel». Leider: «oft – aber nicht immer

Aber selbst solche Extremwetterberichterstattung hält Tamedia nicht davon ab, genderkorrekt die Sprache zu malträtieren: So hätten «Autofahrende» den Trümmern eines Lastwagendachs nicht ausweichen können. Es gab dann aber keine Verletzende.

Während es hier aber noch gesittet zugeht, tobt in der Kommentarspalte der Klimaretter unter den Lesern.

«Klimawandel/Klimakollaps … Sollten wir aufhören, uns über Klimaaktivist:innen lustig zu machen … sofortiger Stopp aller Ferienflüge, keine fossilen Flüge mehr bis Ende Jahr. Ein Aus für die Fleischwirtschaft … Ich bin wutentbrannt …»

Plus die ganze Leier, ob das noch Wetter oder schon Klima sei. Normal oder Vorbote des Untergangs. Einer kündigt sogar an, seinen geplanten Surf-Urlaub in Portugal zu canceln. Hoffentlich erwischt ihn dann niemand am Flughafen.

Das kommt halt davon, wenn man den Lesern keine Faktenbasis, keine Einordnung, keine Bandbreite von verschiedenen wissenschaftlichen Meinungen bietet. Das kann man mit Fug und Recht als Volksverdummung bezeichnen.

Wir können allerdings froh sein, dass Unwetter und Blitze nicht mehr als Erscheinungsformen eines zürnenden Gottes «gelesen» werden. Bislang.

Aneignung der Aneignung

Es gibt noch so viel zu denunzieren.

Das Ausgrenzen hat sich eingebürgert. Dabei wird angeeignet, was nicht niet- und nagelfest ist. Weisse tragen Rasta-Locken. Das ist pfui, sehr pfui.

Das hingegen ist Carola Rackete. Eine Lichtgestalt für alle Menschenfreunde und Befürworter offener Grenzen. Ein Held. Sogar eine Heldin. Nur: sie trägt Rasta. Und ist weiss. Ist halt kompliziert.

Es soll angeblich über 160 verschiedene Gender geben. Da hat’s der heutige Jugendliche nicht leicht, die zu ihm passende Orientierung zu finden. Aber schön, dass ein Gang aufs Einwohnermeldeamt genügt, und schon kann man mit einem neuen Geschlecht herumspazieren. Diskriminierend ist allerdings, dass die Wahlmöglichkeiten sehr beschränkt sind.

Allerdings: wenn ein Mann eine Frau sein will, ist das nicht auch übergriffig? Eine nicht nur kulturelle Aneignung? Dann wäre ja Cis gut, Trans schlecht. Dabei sollte es doch umgekehrt sein. Es ist kompliziert.

Selbstverständlich reichen gegenwärtige Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Unterdrückungen nicht aus, um das Leidensbedürfnis verwöhnter weisser Kids zu befriedigen. Es gibt ja noch eine ganze Latte, einen Kübelwagen voll historischer Schuld. Alleine die Sklaverei bietet ein unerschöpfliches Reservoir für schuldbeladenes, niedergedrücktes Wehklagen. Auf die Knie und «Black lives matter» grölen.

Aber zählen dann weisse Leben nicht? Und sind Neger, pfuibäh, sind Schwarze, würg, sind Persons of Colour, nun ja, sind so gelesene Menschen (endlich, so stimmt’s) denn alle gleich? Schon rein farblich? Oder unterscheidet sich ein Schwarzer aus Afrika von einem in den USA? Und wie steht es mit den Asiaten? Zählen deren Leben auch weniger? Es ist kompliziert.

Der Modeausdruck der Stunde lautet: Ich fühle mich unwohl. Hört man diesen Satz, sollte man sofort diese Gesellschaft verlassen. Alles andere wäre von Übel.

Dann gibt es Frauen, die sich tatsächlich als Frauen lesen lassen. Einfach so. Ihnen eröffnen sich ganz neue, ungenannte Karrieremöglichkeiten. Beförderung nicht mehr nach Kompetenz, sondern nach Genital. Wer hätte gedacht, dass das Tragen eines Pimmels von Nachteil sein kann? Noch so kampffeministisches Geschrei, die konsequente Anwendung des Gender-Sterns, die kräftige Kritik an patriarchalen Strukturen und an Männerherrschaft – nutzt nix. Das Einzige, was hülfe, wäre umoperieren. Aber wäre das nicht wieder eine Aneignung? Es ist kompliziert.

Zum ganzen Elend kommt noch hinzu, dass die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Diskriminiert, exkludiert, ignoriert. Was ein weiterer Skandal ist. Denn wer kümmert sich inzwischen noch um die Rechte der sogenannten Normalen? Wer kämpft für den heterosexuellen Mann mit Hang zu Familienleben und Biertrinken? Gibt es neben der diskriminierten Minderheit nicht sachlogisch auch eine diskriminierte Mehrheit? Die doch auch ihre Rechte hat?

Nehmen wir nur den Kampfplatz Redaktion. Hier der konservativ gekleidete Mann, der niemals auf die Idee käme, die Fingernägel zu lackieren. Nicht, weil er das als übergriffig empfände. Sondern schlichtweg peinlich. Er ist heterosexuell, leicht übergewichtig, höflich, betritt vor der Begleiterin das Lokal, hält ihr beim Abgang die Türe auf, vergisst nicht, ihr den Stuhl zurechtzurücken und deutet mindestens ein Aufstehen an, wenn sie mal wieder das Näschen pudern muss. Er ist pünktlich, zuverlässig, besucht fleissig Weiterbildungskurse, hat Bestnoten in den jährlichen Assessments, sagt immer Verständliches, wenn er gefragt wird, wo er sich in fünf Jahren sehe.

Dort die Frau. Sie ist sich nicht sicher, ob sie sich als non-binär definieren soll. Sie verweigert sich dem männlichen Schönheitsideal und der Körperpflege. Sie kümmert sich um die Gratis-Abgabe von Tampons und Binden, besteht auf Schonung während ihrer Tage, bricht auch schnell in Tränen aus, wenn männlicherseits ein schwachsinniger Themenvorschlag von ihr kritisiert wird. Sie entdeckt allerorten sprachlichen Sexismus und verfasst längliche kritische Schreiben dazu. Das schränkt ihre eigentliche Tätigkeit, das Verfassen von Artikeln, natürlich ein. Schafft sie es dennoch einmal, ist sie tödlich beleidigt, wenn ihre Schilderung des feministischen Kampfkollektivs «Zusammen Monden» als Schulaufsatzgekritzel ohne Relevanz kritisiert – und dennoch veröffentlicht wird.

Aber eigentlich weiss sie: das spielt alles keine Rolle. Auch nicht, dass sie wochenlang keine Zeile absondert, weil sie gerade im Kampf um die Errichtung eines «Safe Space» auf der Redaktion engagiert ist. Ihr Kampfruf «hier ist kein sicherer Ort für Frauen» erschallt durchs Grossraumbüro. Sie ist siegessicher, nachdem sie die Installation einer genderneutralen Toilette durchgesetzt hat und damit drohte, dass das erst der Anfang sei.

Geht es um die Beförderung auf die nächste Hierarchiestufe, ist völlig klar, wer gewinnt.

Das ist ein neues, weites Feld der Diskriminierung. Die Diskriminierung des Normalen. Die Diskriminierung der Kompetenz. Der Vernunft. Des gesunden Menschenverstands. Hier gilt es, sich neu zu engagieren. Klimakleben war gestern, heute ist Kampf fürs Überleben des Normalen. Mit allen Mitteln. Auch mit den Waffen einer Frau. Oder der Körperkraft des Mannes.