Sieg oder Niederlage?

Diese beiden Zustände sollte man unterscheiden können.

Der Krimkrieg von 1853 bis 1856 hat durchaus Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine. Russland war beteiligt, das Osmanische Reich, dann auch Frankreich und Grossbritannien. Die europäische Öffentlichkeit war zwar mit leichter zeitlicher Verzögerung durchaus umfassend über die Kriegshandlungen informiert. Der Krieg wurde übrigens nach Verhandlungen mit dem Frieden von Paris beendet.

Es gab damals keine modernen Übermittlungsmethoden von News, die Reportage-Fotografie steckte noch in den Kinderschuhen. Es gab keine Möglichkeiten, einen Kriegsverlauf aus unabhängigen Quellen zu verifizieren – wie das heute mit Satellitenaufnahmen problemlos möglich ist. Möglich wäre.

Denn Hand aufs Herz: ohne die unzähligen sich widersprechenden Medienmeldungen zu zitieren: wie steht es denn aktuell um die grosse Offensive der Ukraine? Sind die Russen demotiviert, gab es entscheidende Durchbrüche, stehen die russischen Truppen am Rand einer Niederlage, hat die Ukraine bedeutende Geländegewinne gemacht, steht die Eroberung der Krim nahe bevor?

Oder musste die ukrainische Armee, ungenügend ausgerüstet und mit zweitklassigem westlichen Material versehen, einen hohen Blutzoll entrichten, stehen die Erfolge in keinem Verhältnis zu den Verlusten und dem Aufwand? Verröchelt die Offensive in den Verteidigungslinien und Minenfeldern der Russen, erweisen sich beispielsweise deutsche Leopard-Panzer als leichtes Ziel, zudem viel zu kompliziert in der Bedienung und in der Ukraine nicht reparierbar?

Völlig unabhängig von der politischen Position des Betrachters muss sich jeder eine Frage stellen. Dass sowohl in der Ukraine wie auch in Russland eine strikte Medienzensur herrschen, offizielle Sprachregelungen befolgt werden müssen, der mündige (oder auch der unmündige) Staatsbürger kaum Chancen hat, sich ein mehr oder minder der Wirklichkeit entsprechendes Bild über die Kampfhandlungen zu machen – geschenkt.

Aber wie steht es mit uns, im angeblich freien Westen, wo eine Unzahl von unabhängigen Newsquellen uns mit allen nötigen Informationen versorgen, unzensiert, nur an einer möglichst realistischen Abbildung der Wirklichkeit interessiert?

Dass es auch westliche Propagandalügen gibt, belegt der Artikel von Felix Abt. Aber wer behauptet, Russland und seine Alliierten lügen propagandistisch, während wir beispielsweise in der Schweiz uns eine eigene Meinung aufgrund umfangreicher Berichterstattung machen könnten – der liegt kreuzfalsch.

Mit der heutigen Technologie müsste es doch problemlos möglich sein, die Entwicklung der ukrainischen Offensive korrekt abzubilden, darzustellen, aufzuzeigen.

Vielleicht gibt es ZACKBUM-Leser, die über solche Informationen verfügen. Wir aber nicht, und das ist ein Skandal. Seitdem es «embedded journalists» gibt, eine niedliche (eingebettet) Umschreibung dafür, dass sie nur zu sehen kriegen, was sie im Eigeninteresse der sie einbettenden Armee sehen sollen, ist auch die Kriegsberichterstattung auf den Hund gekommen.

Denn der Kriegsreporter, der auf eigene Faust loszieht, ohne dass jemand Versicherungen und die nötigen Sicherheitsmassnahmen (das geht schwer ins  Geld) bezahlt, ist selbstmörderisch unterwegs. Aber er könnte sowieso nur einen geografisch beschränkten Ausschnitt der Kampfhandlungen beschreiben. Einer modernen Redaktion hingegen sollte es eigentlich möglich sein, mittels Intelligence, Satelliten, mittels allen Quellen moderner Analyse, dem Leser ein glaubhaftes Bild der Kriegslage zu vermitteln.

Einfache Frage: wieso tut das dann kein Schweizer Medienorgan?

8 Kommentare
  1. Niklaus Fehr
    Niklaus Fehr sagte:

    Das gehört zur psychologischen Kriegsführung, dass man nicht weiss was wirklich läuft. Zudem wird die Berichterstattung von Wunschdenken geprägt. Eine Art Verdrängung. Das ist auch gut so. Wüssten immer alle die ganze Wahrheit wäre das viel zu gefährlich.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Wie sollten die, wenn sie überhaupt wollten – weil nicht dürfen – uns was über die Realität der geschlachteten Ukraine berichten?
    Wenn die gleichen Medien nicht einmal imstande sind (wollen, dürfen), uns ein bisschen Wahrheit vor unseren Haustüren zu berichten?
    Über Anzahl Demo-Teilnehmer von noch nicht verblödeten (Entschuldigung, nachrichtendienstlich noch nicht ‹informierten›)?
    Über infiziert nicht kranke, oder kranke Gesunde?
    Über die Lügen, direkt ins Gesicht der Bürger, unserer Regierung?
    Über das, was Journalisten, Lehrer, Krankenschwestern, Polizistinnen, Angestellte nicht mehr sagen dürfen, wenn sie nicht gefeuert werden wollen?
    Aus geschwärzten Verträgen?
    Wenn Kriegs-Hetzer und Profiteure immer noch nicht ins Gefängnis versenkt werden?
    Männer einer Frau (die gefallen will…..) sicher nicht mehr nachpfeifen dürfen…..?

    Ich kann nicht pfeifen, aber ich sehe diese Pfeifen rund herum, die mitmachen und die Märchen der Mächtigen weiterhin glauben (sogar verteidigen), obwohl wir auf die Zeiten zu rasen, wo jeder Zweifel und erst recht jede Kritik an den Schweinereien dieser Mächtigen im Keime erstickt, verboten, zensiert und die Quellen ausradiert und schon prophylaktisch eliminiert werden.

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  3. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Gute Frage. Ich vermute mal zwei Dinge: 1. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. 2. Weil das Know-How für eine Kriegsberichterstattung nicht mehr vorhanden ist.

    Im Rückblick sind sämtliche «Durchbrüche» der Ukrainer während der «Sommeroffensive» erfunden. Es gab nie auch nur ansatzweise einen bedrohlichen Durchbruch, wo die Ukrainische Armee Brückenköpfe erstellen konnte, um die Offensive weiter ins Hinterland der feindlichen Linien zu bringen. Im Gegenteil, die Russen haben sich im Osten der Front an zwei Dutzend Stellen in die Ukrainische Front «eingebettet» und Brückenköpfe geschaffen. Sobald der Boden hart wird, könnte es für die Ukraine endültig zu Ende gehen, aber der Krieg und das Sterben von tausenden junger Menschen wären dann zumindest vorbei.

    Quellen: Seymour Hersh, Douglas McGregor, Rob Bauer (oberster Natomilitär im BBC-Interwiev), The Duran etc.

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  4. H.v.Atzigen
    H.v.Atzigen sagte:

    Wenn nach 4 Monaten gross angekündigter ukrainischer Grossoffensive, täglich nicht mehr als von einem meterweisen vorrücken berichtet wird, dann sollte auch naiven dämmern, das etwas nicht stimmt und nicht stimmen kann.
    Mein aktueller Haupt TV Nachrichtenkanal, Welt.
    SRF war mal, lange her, in dieser Sparte deutlich besser aufgestellt.

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