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Die NZZ als Spionageroman

John Le Carré hätte etwas Geniales daraus gemacht. Die NZZ macht etwas Banales.

Zwei grosse Analytiker und Chefstrategen haben sich zusammengetan. Lukas Mäder und Kriegsgurgel Georg Häsler, dem langsam der Sand in seinem Sandkasten ausgeht, beugen sich gemeinsam über den russischen Scoop, ein vertrauliches Geplauder hochrangiger deutscher Offiziere veröffentlicht zu haben.

Das ist in erster Linie peinlich für Deutschland und propagandistisch ein hübscher Blattschuss für den Kreml. Der Inhalt des abgehörten Gesprächs ist nicht wirklich weltbewegend, zeigt aber, dass nicht nur Häsler zum Sändelen neigt.

Aber hier muss die NZZ einen ordnungspolitischen Zwischenruf absetzen, mit dem sie sich mal wieder bis auf die Knochen blamiert. Sie tut das im Gestus des grossen Durchblicks:

«Abgehörte deutsche Offiziere: wie Russland gezielt versucht, Deutschland zu schwächen und den Westen zu spalten»

Damit ist eigentlich schon der Inhalt der dünnen Sauce, die dann aus den Spalten tropft, ausreichend zusammengefasst. Aber wer mal ein Ei legt, muss natürlich kräftig gackern und mit den Flügeln schlagen. In der Hoffnung, dass nicht der russische Bär vorbeischaut.

Was da im Gespräch der Militärköpfe gequatscht wurde? Wie die deutsche Bundeswehr so bescheuert sein kann, das über eine offene Leitung zu machen? Nebensächlich, in Wirklichkeit geht’s hierum: «Der Fall ist ein Musterbeispiel für eine Operation der psychologischen Kriegsführung.»

Zum letzten Mal geriet die NZZ wohl so in Wallungen, als sie befürchtete, dass die GSoA vielleicht eine Fünfte Kolonne, ein roter Trupp von Diversanten sei.

Nun aber zuerst das «big picture»: «Russland führt regelmässig solche Beeinflussungsoperationen durch, auch «active measures» oder in Kombination mit Cyberangriffen Hack-and-Leak genannt. Dabei werden Informationen, die durch verdeckte Operationen erbeutet wurden, publik gemacht.»

Beeinflussungsoperation, wunderbarer Begriff. Aber dann bemüssigen sich die beiden Spionagehelden doch noch, den Inhalt des Gequatsches wiederzugeben: «Die beteiligten Offiziere reden ohne klare Traktanden, Zielsetzung und Struktur über mögliche Varianten, wie der Taurus-Marschflugkörper doch an die Ukraine geliefert werden könnte. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, ist der grosse Zampano mit den träfen Sprüchen. Im Hintergrund dürfte ein Hauptmann versucht haben, ein formal korrektes Protokoll zu erstellen

Da müssen die beiden Militärbesserwisser nun mal ganz streng mit diesen deutschen Dämel-Plauderis werden: «Die Offiziere halten sich in ihrem Gespräch schlicht nicht an die simple Faustregel, die jeder Rekrut in der allgemeinen Grundausbildung lernt: Angaben über Truppen, Orte, Zeiten, Zahlen und Absichten sind zu unterlassen – zumal bei ungesicherten Verbindungen.»

Zehn Tage scharfer Arrest, abtreten. Aber vorher werden noch die Schulterklappen abgerissen, so erträumen sich das Mäder und Häsler. Aber wie auch immer, was wollen denn die russischen Propagandakünstler? Klare Sache: «Am Ende geht es dem Kreml darum, die Geschlossenheit der Verbündeten in der Unterstützung der Ukraine aufzusprengen. Ganz bewusst wird ein Keil zwischen Berlin, Paris und London getrieben.»

Ähm, indem ein nicht vom Kreml erfundenes Geblödel deutscher Offiziere veröffentlicht wird? Ha, erste Wirkungstreffer sind jedenfalls zu verzeichnen. Bundeskanzler Scholz sei geschwächt, schlimmer noch: «Diese Darstellung wird in Deutschland wiederum von der AfD und der Linkspartei übernommen. Sie sprechen von der «Vorbereitung eines Angriffskriegs» durch die Regierung, welcher das deutsche Grundgesetz ausdrücklich verbietet.»

Aber der Russe, der fiese, finstere Geselle, ist eben hinterlistig: «Russland hat erkannt, dass Deutschland das schwächste Glied in der Reihe der europäischen Verbündeten ist. Bundeskanzler Scholz agiert ängstlich und verhalten.»

Ängstlich und verhalten? Indem er als einziger führender Politiker noch alle Tassen im Schrank hat und nicht möchte, dass Deutschland zweimal in einem Jahrhundert militärisch in die Ukraine einfällt? Umso mehr das Kartenhaus Selenskyjs zusammenfällt, damit dem Immobilienimperium Benkos nicht unähnlich, desto hysterischer werden die verbalen Amokläufe von Kriegsgurgeln, die noch vor Kurzem trompeteten, dass der Krieg für die Ukraine durchaus zu gewinnen sei.

Aber stattdessen wird nun an einer neuen Dolchstosslegende gearbeitet: «Hinzu kommen rhetorische Differenzen unter den Nato-Partnern. Diese könnten zusammen mit der politischen Konstellation in Deutschland dazu führen, dass die russischen Beeinflussungsoperationen am Schluss Erfolg haben.»

Vielleicht sollte man nicht ganz vergessen, dass Russland dieses bescheuerte Gequatsche deutscher Kommissköpfe nicht erfunden hat.

Nun müssen aber Durchblicker Mäder und Häsler noch ein ernstes Wort mit den Deutschen reden. Zunächst ein lobendes für den deutschen Verteidigungsminister: «Umso wichtiger war das Machtwort des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius, er werde seine besten Offiziere nicht für Putin opfern – obwohl diese Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten hatten: ein Zeichen der Resilienz gegen die russische Beeinflussung.»

Wie bescheuert kann man denn sein? Deutsche Offiziere plaudern über offene Leitungen darüber, wie man die russische Brücke zur Krim mit deutschen Marschflugkörpern zerstören könnte, ohne dass eine deutsche Beteiligung nachweisbar sei, und der Minister soll solche Vollpfeifen nicht degradieren? Als Zeichen der Resilienz?

Dann kommen wir schon zur Zielgerade:

«Bei Beeinflussungsoperationen ist die Gesellschaft besonders gefordert, weil die Akteure und die Absichten oft verschwommen sind. Eine Stärke ist dabei, besonnen auf solche Veröffentlichungen zu reagieren. Denn der innenpolitische Skandal in Deutschland ist die eigentliche Waffe des Gegners.»

Wie bitte? Deutsche Offiziere quatschen, was sie nicht mal unter vier Ohren sagen sollten. Russland feiert damit einen Propagandaerfolg erster Klasse. In der immerhin noch freien öffentlichen Auseinandersetzung in Deutschland führt das zu Gebrüll. Und stattdessen sollte man «besonnen» darauf reagieren? Also erst gar nicht ignorieren, was deutsche Offiziere brabbeln?

Wissen die beiden kalten Krieger, denen es wohl das Hirn vereist hat, was sie da labern? Und hat nun auch in der NZZ die Qualitätskontrolle bereits Osterferien?

Neues aus Absurdistan

Putin ist eigentlich ganz anders. Er kommt nur so selten dazu.

So könnte man eine gute Zeile von Udo Lindenberg anwenden, wenn man das neuste Friedensgedöns in der «Weltwoche» liest. Da behauptet doch Wolfgang Koydl: «Dokumente belegen: Russland wollte keinen Krieg, sondern Frieden und Stabilität in Europa. Doch der Westen lehnte ab.»

Schon fatal, dass also der kriegslüsterne Westen den friedensliebenden Präsidenten Putin sozusagen dazu zwang, die Ukraine zu überfallen. Pardon, zu entnazifizieren. Nein, eine zeitlich begrenzte Spezialoperation durchzuführen.

Seine kühne Behauptung stützt Koydl auf «Dokumente» die schon lange bekannt sind. Sie wurden im Dezember 2021 den USA und der NATO vorgelegt. Darin waren russische Vorschläge für zwei Verträge enthalten.

Sie umfassten Forderungen wie: «Alle Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertrags-Organisation verpflichten sich, von jeder weiteren Erweiterung der Nato abzusehen, einschliesslich der Ukraine und anderer Staaten.»

Oder: «Die Vertragsparteien verzichten auf die Stationierung von Kernwaffen ausserhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete und bringen solche Waffen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags bereits ausserhalb ihres Hoheitsgebiets stationiert sind, in ihr nationales Hoheitsgebiet zurück. Die Vertragsparteien beseitigen alle bestehenden Infrastrukturen für die Stationierung von Kernwaffen in ihren nationalen Hoheitsgebieten.»

Der NATO sollte es also verboten werden, weitere Beitrittsgesuche wie beispielsweise von nordischen Staaten entgegenzunehmen. Die USA sollten einseitig alle ihre Atomwaffen aus Europa abziehen und beide Seiten sollten sie einmotten. Zur Freude der übrigen Atommächte wie China, Indien, Frankreich, England oder Israel.

Das sind Forderungen, die nicht wirklich als ernsthaftes Verhandlungsangebot betrachtet werden können. Sie sind so absurd, wie wenn Selenskyj heute einen bedingungslosen Abzug aller russischen Truppen und die Einsetzung eines Kriegsverbrechtertribunals ausschliesslich zur Aburteilung russischer Straftaten verlangt – als Voraussetzung für Verhandlungen.

Das als «Beleg» aufzuhübschen, dass Russland keinen Krieg, sondern «Frieden und Stabilität» gewollt hätte, ist ungefähr so glaubwürdig wie Präsident Putin, der noch kurz vor Beginn der Invasion behauptete, dass Truppenzusammenzüge an der ukrainischen Grenze lediglich für Manöver vorgenommen würden.

Selbst unterstellt, Russland habe das gewollt. Selbst unterstellt, es gab Provokationen in der Ukraine, selbst unterstellt, es gab zumindest mündliche Zusicherungen nach der Wiedervereinigung Deutschlands, dass es keine NATO-Osterweiterung geben werde: das alles ändert nichts an dem Fakt, dass Putin unter Bruch internationaler Verträge und der versprochenen Unantastbarkeit des ukrainischen Staatsterritoriums zuerst die Krim annektierte und schliesslich militärisch in die Ukraine einfiel.

In der gescheiterten Absicht, durch eine schnelle Eroberung der Hauptstadt und der Sicherstellung von Versorgungslinien diese Spezialoperation in wenigen Tagen zu beenden. Selten ist ein Invasionsplan kläglicher gescheitert, und die USA sind Meister in gescheiterten Invasionsplänen.

In der Geschichte will offiziell nie jemand einen Krieg. Es wird ausschliesslich verteidigt, zurückgeschossen, allenfalls auf eine Provokation reagiert. Natürlich wird auch immer auf Hilferufe reagiert, werden Massenvernichtungswaffen gesucht, muss ein grausamer Diktator, ein faschistisches Regime beseitigt werden.

Selbstverständlich haben die USA bei ihren unzähligen Militärinterventionen seit dem Zweiten Weltkrieg immer nur Freiheit und Demokratie verteidigt. So wie die UdSSR und später Russland andere hehre Werte in Ungarn, der Tschechoslowakei, Afghanistan, Georgien und schliesslich in der Ukraine.

Das ist das übliche Propagandagedöns. Wir wollten Frieden. Wir kamen in Frieden, aber natürlich bewaffnet, um den Frieden zu verteidigen.

Dabei geht es hier ausschliesslich um imperiale Politik. Um Grossmächte zu bändigen, gibt es nur Verträge und die Hoffnung auf ihre Einhaltung. Die Ukraine hatte so einen Vertrag, sein Bruch macht Russland zum Paria unter den Staaten und Putin zu einem noch grösseren Lügner als Trump.

Das ist so lachhaft und durchschaubar, dass man sich mal wieder wundert, wieso die «Weltwoche» ihre Spalten für eine solch billige, durchschaubare Propaganda hergibt.

Ach, und Roger Köppel verkündet ungefragt, warum er Trump wählen würde. Weil er auf einen notorischen Lügner, einen Betrüger, einen grossmäuligen Narzissten und Versager, einen gescheiterten Geschäftsmann und überführten Kriminellen steht? Wir wollen es gar nicht wissen. ZACKBUM ist nur froh, dass weder Köppel noch wir in den USA wählen dürfen. Denn die Wahl zwischen dem kleineren Biden und dem grösseren Trump, zwischen einem senilen Greis und einem Amok-Greis, ist wirklich nicht einfach.

Entgleisungen

Wie ein Tod das Hässliche zum Vorschein bringt.

Natürlich ist das elende Sterben von Alexei Nawalny ein Ereignis, das niemanden unberührt lässt. Natürlich ist das Sterben von Nawalny eine ausgezeichnete Gelegenheit für Propagandagedöns. Natürlich ist das Sterben ein Anlass, Primitives, Hässliches, Unausgegorenes, Vorurteile und unverdauten Gedankenbrei auszuspeien.

Das Bedürfnis nach Erkenntnisgewinn, Debatte, Auseinandersetzung mit dem Ziel, andere von der Richtigkeit der eigenen Meinung zu überzeugen, ist ungefähr so hoch wie die Temperaturen im Straflager Polarwolf.

Putinisten, Putin-Versteher, Putinknechte auf der einen Seite, Dummköpfe, die auf westliche Propaganda hereinfallen, Lakaien der USA, der EU, Gläubige der Lügenmedien  auf der anderen Seite. Dummköpfe natürlich hüben und drüben. Das Internet erweist sich mal wieder als Klowand, auf der jeder meist anonym herumkritzeln darf. Als Triebabfuhr, als Bedürfnisanstalt für das Absondern des Hässlichen im Menschen.

Früher regelte der Mensch solche Meinungsverschiedenheiten mit der Keule oder den Fäusten. Heutzutage ist man immerhin so zivilisiert, dass man verbale Keulen schwingt und beim Andersdenkenden dennoch am liebsten die Zähne rausfliegen sähe.

Selbstverständlich ist der Tod Nawalnys Anlass für eine Propagandaschlacht. Es wird ins Feld geführt, dass man sich doch fragen müsse, wer daraus Nutzen ziehe. Wie absurd es doch sei, Putin dafür verantwortlich zu machen, da die Tragödie doch nur seinen Gegnern nütze. Ausserdem sei Nowotny ungefähr so sehr demokratischer Oppositioneller gewesen wie die Ukraine ein demokratischer, freiheitlicher Staat sei.

Dann wird angeführt, wie es denn mit Julian Assange stünde, den rechtsfreien Zuständen auf der US-Militärbasis im kubanischen Guantánamo, mit den US-Folterknästen im Irak, mit der üblen Sitte, dass die USA Terrorismusverdächtige nach Polen oder Ägypten auslagern, wo sie dann kräftig gefoltert werden können. Es werden sogar Vergleiche zwischen dem US-Gefängnissystem und stalinistischem Gulag gezogen.

Selbstverständlich ist es richtig, dass beispielsweise der Tod von Assange ein gefundenes Fressen für alle Kritiker des Westens wäre. Selbstverständlich sind die Hinweise auf die zahlreichen schwarzen Flecke auf der vermeintlich blütenweissen Weste des Westens, der behauptet, tiefsten Respekt vor den Menschenrechten zu haben, korrekt.

Ebenso die Hinweise auf nicht so schöne Aussagen und Verhaltensweisen von Nawalty. De mortuis nil nisi bene, das gilt eigentlich nie, in solchen Fällen sowieso nicht.

Unverständlich ist aber, wie all diese Japser, Beisser, Kräher und Krakeeler meinen können, ihre Eruptionen brächten irgend jemanden zum Nachdenken, zum Überdenken seiner eigenen Position. Hier zeigt sich mal wieder, dass Kommunikation, so sinnvoll, hilfreich, unverzichtbar sie auch ist, ihre dunkle Seite hat. Sozusagen eine hässliche, verkrüppelte, übelriechende Schwester mit Fäulnis im Mund, die nur Gift und Galle speit.

Zu welchem Behuf? Um auszudrücken, dass alle anderen, zumindest alle, die nicht gleicher Meinung sind, Kretins seien, Vollidioten, entmündigt werden müssten, zumindest die Schnauze halten sollten? Oder gar als Schandfleck von der Erde getilgt?

Man liest dieses Gewäffel und muss wieder einmal ernüchtert feststellen, dass ein bedenklich hoher Prozentsatz der Menschheit so hohl in der Birne ist, dass die wenigen Hirnzellen sich im Vorbeiflug melancholisch zuwinken. Und dabei handelt es sich nur um die Minderheit, die überhaupt in der Lage ist, einigermassen verständlich ein paar Buchstaben aneinanderzureihen.

Das ist natürlich auch mit dem Holzhammer argumentiert. Aber ZACKBUM verteidigt sich damit, dass wir ja schliesslich hier auch eine Plattform gratis zur Verfügung stellen, wo sich der Mob austoben darf. Natürlich in den Grenzen des Spielfelds und nach unseren Spielregeln, aber wir sind bekanntlich liberal.

Wir können es uns auch leisten, das eigene Publikum zu beschimpfen, denn die Einschaltquote ist uns völlig wurst. Wir sind klare Anhänger des guten Satzes: lieber alleine als in schlechter Gesellschaft. Wir sind auch Befürworter davon, dass sich jeder öffentlich zum Deppen machen kann und darf. Wir fragen uns manchmal, was es wohl für Auswirkungen hätte, wenn nicht wenige, sondern alle Kommentatoren das unter ihrem richtigen Namen tun müssten. Denn anonym macht auch Feiglinge mutig.

Ach, was ZACKBUM zum Tod von Nawalny zu sagen hat? Eigentlich nicht viel. Da ist ein Mensch zu Tode geschunden worden. Einer mehr der viel zu vielen, die natürlich nicht nur in russischen Straflagern leiden und darben. Man kann ihn als mutig oder tollkühn oder übergeschnappt bezeichnen, dass er sich freiwillig wieder in die Fänge des russischen Unrechtsstaats begab.

Aber hier ist ein tapferer Mensch gestorben, der sich offenbar nicht brechen liess, was zu respektieren ist.

Und Präsident Putin, das Schicksal des Autokraten, der vielleicht nicht an allem schuld, aber für alles verantwortlich ist, steht mal wieder als der Versager und Trottel da, der er halt ist. Denn er hätte es natürlich in der Hand gehabt, die Lebensumstände von Nawalny so zu gestalten, dass er triumphierend hätte sagen können: seht her, wie ihr mit Dissidenten wie Assange umspringt. Bei uns geniessen auch Oppositionelle wie Nawalny eine fürsorgliche, menschenwürdige Betreuung.

Aber dazu ist Putin halt, das könnte auch die «Weltwoche» mal einsehen, zu blöd. Er arbeitet lieber mit Killerkommandos, die im In- und Ausland unliebsame Gegner ausschalten. Die erst dadurch eine Bedeutung bekommen, die sie vorher nicht hatten.

Und bevor die Japser aufheulen: ja, auch Friedensnobelpreisträger Obama zeichnete in seiner Amtszeit wöchentlich eine Kill List ab; die Erlaubnis, im Ausland auch US-Bürger umzubringen, denen man vorwirft, Terroristen zu sein. Dass es bei den Drohnenangriffen Kollateralschäden gibt, nun ja, shit happens. Und ja, auch der Mossad beschäftigt Mordkommandos, die weltweit Menschen abmurksen, denen man vorwirft, Terroristen zu sein. Ebenfalls mit Kollateralschäden.

Denn auch das Gute muss halt mal böse werden, sonst wird es dem Bösen nicht Herr, nicht wahr.

Und ja, der umzimperliche Umgang mit echten oder eingebildeten Feinden der Herrschenden wird fast überall auf der Welt praktiziert, meistens kräht kein Hahn danach. Aber so sind halt die Spielregeln, wenn jemand wie Nawalny stirbt, gibt es ein Riesenhallo. Das weiss Putin natürlich, aber es ist ihm scheissegal. Auch deswegen ist er ein unfähiger Versager, zuallererst aber wegen des militärischen, wirtschaftlichen, politischen und internationalen Desasters in der Ukraine. Das Netteste, was man da über ihn sagen kann: er ist dem Westen in die sperrangelweit offene, deutlich sichtbare Falle getappt wie ein Anfänger. In der jüngeren Geschichte Russlands seit 1917 hatte das Land nie einen dermassen unfähigen Herrscher; Putin schlägt selbst Jelzin, und das will etwas heissen.

Ukraine am Ende

Ein paar simple Tatsachen über Kriegsführung.

Man kann einen militärischen Zwerg wie die Ukraine mit genügend Militärhilfe zu einem Scheinriesen aufpumpen. Man kann einen ehemaligen Komiker zum Präsidenten aufblasen, der nach seinem gekauften Wahlsieg eine Weile blendend die Rolle als tapferer Kriegsherr spielt.

Man kann Mal für Mal die drohende Niederlage der russischen Invasoren behaupten, von einer Gegenoffensive faseln und einen «Friedensplan» ernsthaft vorstellen, der von Russland niemals akzeptiert würde. Schon alleine, weil er eine Aburteilung russischer Kriegsverbrecher fordert, das aber bei der Ukraine unterlässt. Man kann auch versuchen, in der Schweiz eine Friedenskonferenz einzuberufen, die Russland zu Recht als Farce bezeichnet. Nicht zuletzt deswegen, weil die Schweiz durch das Mittragen der sinnlosen Sanktionen ihre Neutralität aufgegeben hat.

Man kann daran vorbeisehen, dass Präsidentschaftskandidat Donald Trump schon jetzt verhindert, dass die USA ihre Militärhilfe fortsetzen. Man kann daran vorbeisehen, dass die EU nur einen kleinen Teil der versprochenen Waffenhilfe geleistet hat. Man kann darüber hinwegsehen, dass Präsident Selenskyj in der Ukraine eine Autokratie errichtet hat – ohne Opposition, ohne freie Presse, dafür anhaltend hochkorrupt –, die sich immer weniger von der Autokratie in Russland unterscheidet.

Man kann einem Präsidentendarsteller in martialischer Uniform und sorgfältig gestutztem Kriegsbart zujubeln, obwohl der sein Interesse, an der Macht zu bleiben, über die Interessen seines Landes und des Militärs stellt. Denn es gibt ja keinen Grund, einen erfolgreichen Armeechef wie Waleri Saluschni abzusetzen – ausser, dass dessen Zustimmungswerte haushoch über denjenigen des Präsidenten liegen.

Man kann ständig über den ungebrochenen Kampfeswillen, ja eine Reheroisierung in der Ukraine faslen und den Zustand der russische Streitkräfte als desaströs und nahe an der völlige Niederlage beschreiben.

Man kann darüber hinwegsehen, dass Selenskyj von US-PR-Agenturen beraten und von Mitspielern im Showgeschäft gelenkt wird. Sein Stabschef Andri Jermak war zuvor als Wirtschaftsanwalt und Filmproduzent tätig. Nichts davon befähigt ihn, wie den Präsidenten auch, ein Land im Krieg verantwortungsvoll zu führen.

Man kann darüber hinwegsehen, dass die Ukraine längst den Zeitpunkt verpasst hat, mit Russland einen für beide Seiten akzeptablen Frieden auszuhandeln. Nach fast zwei Jahren Krieg zeigt sich, dass die russische Kriegsindustrie auf vollen Touren läuft, die Sanktionen nur marginale Wirkung zeigen und die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen sprudeln wie nie.

Währenddessen vermeidet die Ukraine nur deswegen den Staatsbankrott, weil immer noch von der EU Mulitmilliarden für das Funktionieren des Staates hineingepumpt werden.

Oder in banalen Zahlen: 831’000 Soldaten gegen 200’000. 4182 Flugzeuge gegen 312. 12’600 Kampfpanzer gegen 1900. Selbstfahrende und geschleppte Artillerie 10’000 gegen 1’800.

Man kann über das Interview herziehen, dass Präsident Putin dem US-Journalisten Tucker Carlson gab, über die Grösse des Tischs oder die Farbe von Carlsons Krawatte perseverieren. Und den Inhalt mit ein paar übellaunigen Nebensätzen abtischen.

All das kann man tun.

Man kann auch behaupten, dass in der Ukraine so ziemlich alle westlichen Werte verteidigt würden, obwohl sie dort nicht existieren. Man kann alte Feindbilder von slawischen Horden, entmenschten russischen Kämpfern, brutalen asiatischen Kriegern wieder aufwärmen. Man kann behaupten, Deutschland müsse sich ernsthaft auf einen russischen Angriff gefasst machen. Obwohl in den letzten Jahrhunderten Russland zweimal von Deutschland und einmal von Frankreich überfallen wurde und selbst niemals Westeuropa überfiel.

All das kann man tun.

Man kann auch jeden Abweichler von dieser Generallinie als Putin-Versteher, Diktatorenfreund, Befürworter von militärischen Überfällen, gar als Landesverräter, Demokratiefeind, nützlichen Idioten, wehrunwilligen Lakaien Moskaus, Opfer feindlicher Propaganda, Defätisten, Diversanten und Befürworter von Diktatur und Unrechtsstaaten denunzieren.

All das kann man tun.

Man kann auch einseitige Kriegspropaganda betreiben wie in den schlimmsten Zeiten der beiden vergangenen Weltkriege, wo die eigene Seite heroisch, blütenweiss, tapfer, menschlich, unerschrocken und siegeswillig dargestellt wird. Die feindliche Seite als verschlagen, dunkelschwarz, feige, unmenschlich, verzagt und wankelmütig.

All das kann man tun.

Man kann aber nicht behaupten, dass damit ein wirklichkeitsnahes Bild der Situation in der Ukraine hergestellt würde. Man kann nicht behaupten, dass so die sogenannten deutschsprachigen Qualitätsmedien auch nur im Ansatz ihrer Aufgabe nachkommen, ihre Konsumenten mit Einordnungen, Analysen und realitätsnahen Beschreibungen zu versorgen, auf dass sich die eine eigene Meinung bilden könnten.

Unabhängig davon, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht: eine weitere dramatische Niederlage haben die Massenmedien bereits erlitten. Allerdings nicht durch feindliche Einwirkung, sondern selbstverschuldet.

Frau Birrer hat eine Idee

Das ist keine gute Idee.

Raphaela Birrer ist die Oberchefredaktorin von Tamedia. Das heisst, sie beschallt den Tagi und eine Unzahl weiterer Kopfblätter, die das meiste von der Zentralreddaktion in Zürich übernehmen. Ob’s in Basel oder Bern passt, ist doch egal.

Aber item, wenn die Oberchefredaktorin einen Kommentar schreibt, dann sollte das etwas bedeuten. Richtig bedeutungsvoll wird es, wenn sie nicht einfach ein gepflegtes Einerseits-Andererseits absondert. Ausgesprochen bedeutungsvoll wird es, wenn  sie einem Bundesrat über den Mund fährt: «Rösti muss der SRG zuerst Grenzen setzen – und dann sparen».

Medienminister Albert Rösti hat den Gegenvorschlag des Bundesrats zur 200-Franken-Initiative vorgestellt. Die nennt Birrer schon mal falsch «Halbierungs-Inititaive». Für sie sind offenbar 200 Franken die Hälfte von 335. Na ja, sie muss ja nicht rechnen können.

Sie muss auch nicht neutral zur 200-Franken-Initiative stehen: «Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass Rösti diese viel zu weitreichende Initiative mit einem Gegenkonzept bekämpfen will.» Es ist auch erlaubt, einem Bundesrat zu zeigen, wo Birrer den Most holt: «Falsch ist hingegen sein Vorgehen. Rösti will zuerst die Gebühren senken und dann (nach der Volksabstimmung zur Halbierungsinitiative) im Jahr 2029 die Konzession erneuern. Dabei müsste es genau umgekehrt ablaufen.»

Birrer muss auch nichts von Logik verstehen. Nur: muss sie das alles so öffentlich zeigen? Sie fordert also den Bundesrat auf, zuerst die Konzession zu erneuern, bzw. zuerst die Aufgaben der SRG neu zu definieren. Das ist eine Superidee, weil man ja nicht weiss, ob die Initiative angenommen wird oder nicht. Dann wäre also der Auftrag neu formuliert, aber wenn sie angenommen würde, könnte dann doch etwas das Geld dafür fehlen. Oder Rösti geht von seinen 300 Franken aus und verteilt entsprechend die Ressourcen bei der SRG. Und am Schluss wird die Initiative und der Gegenvorschlag abgelehnt, alles bleibt beim Alten.

Versuchen wir, Birrer ganz langsam und vorsichtig an ihren groben Denkfehler heranzuführen. Dabei hilft sicher ein ihr näherliegendes Beispiel. Tamedia spart bekanntlich ein paar Milliönchen ein. Laut Birrer müsste man das aber so machen: zuerst müsste geklärt werden, was denn die inhaltliche Mission von Tamedia ist, «dann das Budget daran angepasst werden», wie sie das bei der SRG fordert.

Da würde sich Pietro Supino aber schlapplachen und einige hässliche Sachen über einen so unsinnigen Vorschlag sagen.

Er würde vor allem sagen: wenn ich noch nicht weiss, wie viel Geld ich in Zukunft kriege, wie soll ich dann vorher Inhalte definieren? Ist doch bescheuert. Und damit hätte er sogar einmal Recht.

Aber nach dem Denkfehler kommt noch die Peinlichkeit. Denn der Rüffel an Rösti (der Mann ist halt in der falschen Partei) kommt nun noch Propaganda in eigener Sache. Denn wie auch immer und mit wie viel Geld auch immer, auf einem Gebiet sieht Birrer strengen Handlungs- und Sparbedarf:

«Mit ihren Websites und Apps erreicht sie (die SRG, Red.) heute fünfmal so viele Nutzer wie noch 2016. Damit konkurrenziert sie direkt die privaten Medien, zu denen auch diese Redaktion gehört.»

Da sieht Birrer ganz uneigennützig dringlichen Handlungsbedarf: «Damit diese Wettbewerbsverzerrung beseitigt wird, muss die Onlinetätigkeit der SRG in der Konzession griffig eingeschränkt werden.»

Griffig? Einfach so, dass die Teppichetage der Medienkonzerne, in erster Linie die von Tamedia, «Tages-Anzeiger», Tx oder wie der Laden gerade heisst, weiterschnarchen kann. Welche kühne Forderung Birrers am Schluss: «Ein griffiges inhaltliches Gegenkonzept zur Halbierungsinitiative – das sollte dem Bundesrat das öffentliche Radio und Fernsehen wert sein.»

Das ist eine sowohl unsinnige, wie wohlfeile wie voreingenommene Forderung. Sie hätte ehrlicher schreiben können, Rösti solle gefälligst das Online-Angebot von SRG zusammenstutzen, weil das ihren Konzern kujoniert.

Richtig mutig allerdings – aber eben, Mut kann die Stelle kosten – wäre es gewesen, wenn Birrer geschrieben hätte: ein griffiges Gegenkonzept zum ständigen Stellenabbau und der Skelettierung des inhaltlichen Angebots – das sollte dem Coninx-Clan und seinem Statthalter Tamedia wert sein.

Das wäre mal eine Ansage. Aber eben, Zivilcourage ist bei Tamedia Mangelware. Birrer jammert ganz allgemein über «den starken Spardruck» der Medien, den «der gerade heute kommunizierte Stellenabbau bei CH Media verdeutlicht». Aha. Aber hat man deutliche oder undeutliche Worte von Birrer zum Stellenabbau bei Tamedia gehört? Von der üppig ausgestatteten Chefredaktion? Von Kerstin Hasse, die doch sonst mit Forderungen nicht hinter dem Berg hält?

Wie tief soll das alles noch sinken? Eine Chefredaktorin, die öffentlich Denkfehler vorführt und unverhüllt Propaganda in eigener Sache macht. Aber – mitsamt ihrer wohlbezahlten Chefredaktion – kein kritisches Wort zum Sparkurs im eigenen Haus äusssert. Führung durch Vorbild. So sieht dann auch der übrige Inhalt von Tamedia aus.

 

Sieg oder Niederlage?

Diese beiden Zustände sollte man unterscheiden können.

Der Krimkrieg von 1853 bis 1856 hat durchaus Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine. Russland war beteiligt, das Osmanische Reich, dann auch Frankreich und Grossbritannien. Die europäische Öffentlichkeit war zwar mit leichter zeitlicher Verzögerung durchaus umfassend über die Kriegshandlungen informiert. Der Krieg wurde übrigens nach Verhandlungen mit dem Frieden von Paris beendet.

Es gab damals keine modernen Übermittlungsmethoden von News, die Reportage-Fotografie steckte noch in den Kinderschuhen. Es gab keine Möglichkeiten, einen Kriegsverlauf aus unabhängigen Quellen zu verifizieren – wie das heute mit Satellitenaufnahmen problemlos möglich ist. Möglich wäre.

Denn Hand aufs Herz: ohne die unzähligen sich widersprechenden Medienmeldungen zu zitieren: wie steht es denn aktuell um die grosse Offensive der Ukraine? Sind die Russen demotiviert, gab es entscheidende Durchbrüche, stehen die russischen Truppen am Rand einer Niederlage, hat die Ukraine bedeutende Geländegewinne gemacht, steht die Eroberung der Krim nahe bevor?

Oder musste die ukrainische Armee, ungenügend ausgerüstet und mit zweitklassigem westlichen Material versehen, einen hohen Blutzoll entrichten, stehen die Erfolge in keinem Verhältnis zu den Verlusten und dem Aufwand? Verröchelt die Offensive in den Verteidigungslinien und Minenfeldern der Russen, erweisen sich beispielsweise deutsche Leopard-Panzer als leichtes Ziel, zudem viel zu kompliziert in der Bedienung und in der Ukraine nicht reparierbar?

Völlig unabhängig von der politischen Position des Betrachters muss sich jeder eine Frage stellen. Dass sowohl in der Ukraine wie auch in Russland eine strikte Medienzensur herrschen, offizielle Sprachregelungen befolgt werden müssen, der mündige (oder auch der unmündige) Staatsbürger kaum Chancen hat, sich ein mehr oder minder der Wirklichkeit entsprechendes Bild über die Kampfhandlungen zu machen – geschenkt.

Aber wie steht es mit uns, im angeblich freien Westen, wo eine Unzahl von unabhängigen Newsquellen uns mit allen nötigen Informationen versorgen, unzensiert, nur an einer möglichst realistischen Abbildung der Wirklichkeit interessiert?

Dass es auch westliche Propagandalügen gibt, belegt der Artikel von Felix Abt. Aber wer behauptet, Russland und seine Alliierten lügen propagandistisch, während wir beispielsweise in der Schweiz uns eine eigene Meinung aufgrund umfangreicher Berichterstattung machen könnten – der liegt kreuzfalsch.

Mit der heutigen Technologie müsste es doch problemlos möglich sein, die Entwicklung der ukrainischen Offensive korrekt abzubilden, darzustellen, aufzuzeigen.

Vielleicht gibt es ZACKBUM-Leser, die über solche Informationen verfügen. Wir aber nicht, und das ist ein Skandal. Seitdem es «embedded journalists» gibt, eine niedliche (eingebettet) Umschreibung dafür, dass sie nur zu sehen kriegen, was sie im Eigeninteresse der sie einbettenden Armee sehen sollen, ist auch die Kriegsberichterstattung auf den Hund gekommen.

Denn der Kriegsreporter, der auf eigene Faust loszieht, ohne dass jemand Versicherungen und die nötigen Sicherheitsmassnahmen (das geht schwer ins  Geld) bezahlt, ist selbstmörderisch unterwegs. Aber er könnte sowieso nur einen geografisch beschränkten Ausschnitt der Kampfhandlungen beschreiben. Einer modernen Redaktion hingegen sollte es eigentlich möglich sein, mittels Intelligence, Satelliten, mittels allen Quellen moderner Analyse, dem Leser ein glaubhaftes Bild der Kriegslage zu vermitteln.

Einfache Frage: wieso tut das dann kein Schweizer Medienorgan?

Flatliner

Das bedeutet: nicht messbare Hirnaktivität. Schlimm für einen «Kognitionspsychologen».

Professor Christian Stöcker ist «Spiegel»-Kolumnist. Die Studenten der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, wo er leert, sind zu bedauern. Denn von Lehren kann keine Rede sein.

In seiner jüngsten Kolumne beklagt er: «So schafften es Putins Lügen bis in den Bundestag». Denn: «Russland investiert Hunderte Millionen Dollar, um Politik zu beeinflussen – auch in Europa, auch in Deutschland

Mit Kognition bezeichnet man die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen. Von wo hat der Professor denn seine Informationen aufgenommen? Aus unabhängiger und vertrauenswürdiger Quelle: «Mindestens 300 Millionen US-Dollar hat Russland seit 2014 in anderen Ländern »investiert«, Hunderte weitere Millionen seien geplant, meldete unter anderem die «New York Times»unter Berufung auf US-Geheimdiensterkenntnisse.»

Würde einer seiner Studenten das als Basis für eine Seminararbeit nehmen, der Professor würde ihn hoffentlich aus dem Hörsaal jagen. Eine Sekundärquelle, die sich auf angebliche, anonyme «Geheimdiensterkenntnisse» bezieht. Das ist schon mal ziemlich flatlining. Oder an Lächerlichkeit schwer zu überbieten.

Dann macht Stöcker auf unbeeindruckt: «Mich persönlich hat diese Meldung kein bisschen überrascht, im Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass die 300 Millionen nur ein kleiner Teil des Geldes sind, das Wladimir Putins Regime seit vielen Jahren und an vielen Stellen investiert, um westliche Demokratien und andere Länder zu destabilisieren.»

Es gibt interessante kognitive Studien, wieso der Mensch Informationen viel lieber und unkritischer aufnimmt, die seiner vorgefassten Meinung entsprechen – als ihr widersprechende. Auch wenn die ihm genehmen Informationen offenkundig falsch, unbelegt, dünn oder absurd sind. So ist der Mensch halt, so ist auch ein «Kognitionspsychologe».

Nun kann man natürlich mit Sicherheit davon ausgehen, dass Russland Geld einsetzt zur Landschaftspflege, wie das in Deutschland hiess, als der Flick-Konzern das halbe politische Personal auf seiner Payroll hatte. Sich mit Geld positive Nachrichten zu erkaufen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Gerüchte, Verschwörungstheorien und Lügen in die Welt zu setzen, das gegnerische Lager zu verwirren, das gehört zur Staatspolitik, seit es Grossmächte gibt.

Die CIA ist darin der unbestrittene Meister, was – im Gegensatz zu diesen «Geheimdiensterkenntnissen» schon x mal dokumentiert und aufgearbeitet wurde, Hier ist ein schöner Überblick. Es hat doch gewisse Vorteile, dass es im Westen eine einigermassen freie Presse gibt, bei allen Einschränkungen.

Beschränkt ist hingegen, wer sein Augenmerk so voreingenommen und mit Tunnelblick auf die subversiven Tätigkeiten Russlands richtet. Und dabei nicht einmal die Massenvernichtungswaffen-Lüge erwähnt, der wohl grösste Propaganda-Stunt der letzten Jahrzehnte. Eine brandschwarze Lüge, die die USA verbreiteten, um ihren völkerrechtswidrigen Einmarsch in den Irak zu rechtfertigen.

Aber zurück zu Russland. Und der kognitiven Dissonanz bei Stöcker: «Die US-Regierung vermutete schon 2015, dass Putin außerdem Jobbik in Ungarn und die Lega Nord in Italien finanziell unterstützte, aber auch Italiens Fünf-Sterne-Bewegung, Griechenlands Syriza und, das wurde damals aber als Vermutung der USA formuliert, eventuell auch die Linke in Deutschland.»

Also die US-Regierung vermutet, was im Fall der Linken in Deutschland nochmal als Vermutung formuliert wird, also sozusagen eine doppelte Mutmassung. Damit will sich Stöcker vor potenziellem Ärger bewahren, denn solche Behauptungen sind einwandfrei rufschädigend für eine legale politische Partei. Die Bezeichnung Dummschwätzer könnte man auch übel nehmen, aber die hat er sich hier redlich verdient.

Nun macht Stöcker das, was auch der «Republik» in der Schweiz lieb ist: namentliche denunzieren: «Jürgen Elsässer, früher Links- nun schon lange Rechtsextremist und Chefredakteur des »gesichert extremistischen« Magazins »Compact«; Leute, die mit Verschwörungscontent Geld verdienen wie Ken Jebsen und Heiko Schrang. Und auch Eva Hermann wird erwähnt

Solche Rüpeleien sind immer dann besonders toll, wenn man den Angerempelten keine Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Nachdem er so einige ihm missliebige Gestalten verleumdet hat, widmet er sich einem russischen Propaganda-Thema: «Russland hat in den vergangenen Jahren diversen seiner Nachbarstaaten US-finanzierte Biowaffenlabore angedichtet, zum Beispiel Kasachstan, Georgien, Aserbaidschan und eben der Ukraine

Es ist richtig, dass die Existenz dieser «Biowaffenlabore» ungefähr so schlüssig nachgewiesen ist wie der Besitz von biologischen Massenvernichtungswaffen von weiland Saddam Hussein. Nun kämpft sich Stöcker aber einen Schritt weiter: «Anfang März behauptet dann auch »Fox News«-Propagandist Tucker Carlson in seiner Show, in der Ukraine gebe es geheime US-Biowaffenlabore. Carlson bezeichnet das Dementi des eigenen Außenministeriums als »Lüge«

Nun kommt Stöcker zum Höhepunkt, der Passage, in der sein Kolumnen-Titel gestützt wird: «Am 25. März 2022 hat es die alte Geschichte dann im neuen Gewand auch in den Bundestag geschafft: Am Pult des deutschen Parlaments steht an diesem Tag Steffen Kotré von der AfD und sagt: »Wir müssen auch über die Biowaffenlabore in der Ukraine reden, die gegen Russland gerichtet sind.«»

Kotré ist nun tatsächlich nicht das hellste Licht auf der Torte der AfD. Aber dass ein Abgeordneter im Bundestag Unsinn verzapft ist nun ein Phänomen, das sich nicht unbedingt auf die AfD beschränkt. Aber Stöcker schwant dahinter ganz Übles:

«Wir haben es – und zwar mit absoluter Sicherheit nicht nur bei der »Biolabs«-Verschwörungserzählung – mit einer konzertierten, gründlich geplanten und koordinierten Aktion zu tun. Unterstützt zum Teil durch freiwillige Hilfe aus der Szene der Verschwörungsfans und derer, die mit Verschwörungscontent Geld verdienen

Da ist wieder die Sprache des Kalten Kriegs, wo Kalte Krieger im Westen ständig Angst davor hatten, dass die Roten, die Moskau-Hörigen unsere freie Meinungsäusserung dazu missbrauchen, mit koordinierten Aktionen den Westen zu destabilisieren. In der Schweiz erreichte die Hysterie mit der Fichierung von Zehntausenden von Staatsbürgern ihren Höhepunkt. Angesichts dieser Paranoia des «Koginitionspsychologen» ist zu befürchten, dass er auch Akten über Kollegen und Studenten angelegt hat, die er als Teilnehmer an dieser «koordinierten Aktion» vermutet. «Freiwillig» als nützlicher Idiot oder eiskalt planend.

Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer:

«Hoffentlich ist die eingangs zitierte Veröffentlichung des US-Außenministeriums der Einstieg in eine international konzertierte Aktion, die Putins Propagandisten in der Öffentlichkeit, den sozialen Medien und der Politik endlich auf den Präsentierteller stellt. »Die Vereinigten Staaten werden offizielle Kanäle nutzen, um die betroffenen Länder mit als geheim eingestuften Informationen über russische Operationen zu informieren, die auf ihre politische Sphäre zielen«, heißt es in dem eingangs zitierten Dokument. Es wird höchste Zeit. Wir haben Putins Propagandisten viel zu lange gewähren lassen.»

Es ist ein alter Scherz, aber hier leider wieder angebracht. Die meisten beratenden Psychologen brauchen selbst psychologische Beratung. Wenn jemand dann ausgerechnet auf dem Feld der Kognition forscht und lehrt, dabei einen solchen dissonanten Diskurs führt, wird’s aschgrau. Dass der «Spiegel» diesen Stuss veröffentlicht, verwundert hingegen nicht.

Stimme der Vernunft

Die NZZ läuft zu alten Formen auf.

Wenn man den Artikel von Benedict Neff liest, der wohlgemerkt unter der Rubrik «Meinung & Debatte» erscheint, nimmt man beruhigt zur Kenntnis, dass noch nicht alle Journalisten den Verstand verloren haben.

Das Urteil muss so harsch ausfallen, weil sich die meisten Medien einer Aufgabe versagen, die eigentlich die Grundlage ihrer Existenzberechtigung ist. Nämlich die möglichst realitätsnahe Beschreibung von Ereignissen. Was dazu dienen sollte, dass sich der Konsument eine eigene Meinung bilden kann.

Natürlich gibt es dabei nicht die einzig korrekte, gar objektive Darstellung. Organe wie die «Pravda» waren und sind eine Karikatur der Behauptung, die «Wahrheit» zu verbreiten und nichts als die Wahrheit. Stattdessen wird gefiltert, gelogen, eingefärbt, ausgelassen, umgebogen, zurechtgeschrieben. Keinesfalls, damit sich der Leser eine eigene Meinung bilden kann. Sondern damit er die vorgegebene Meinung annimmt, übernimmt, nachplappert.

Nun haben all diese Versuche einen Haken: früher oder später siegt das Faktische über die Fiktion. Wer behauptete, der Sozialismus eile auf allen Gebieten von Sieg zu Sieg, musste konsterniert zur Kenntnis nehmen, dass er gerade zusammengebrochen war und als Wirtschaftsmodell nie taugte.

Wer behauptet, die ukrainische Armee eile von Sieg zu Sieg, die russische hingegen sei am Rande der Niederlage, zeichnet ebenfalls ein Zerrbild der Realität.

«Irgendwann wurden Satellitenbilder eines 64 Kilometer langen russischen Militärkonvois vor Kiew verbreitet. Das Unheil schien im Anzug. Die Kolonne kam in der ukrainischen Hauptstadt aber nie an. Stattdessen waren die Zeitungen bald voll mit Bildern von russischem Militärschrott. Panzern, zusammengeschossen, ausgebrannt oder einfach stehengelassen auf ukrainischen Strassen.»

Es verfestigte sich das Zerrbild einer möglichen militärischen Blamage Russlands, konstatiert Neff. Dagegen traten zwei renommierte Experten an:

«Ende Mai meldeten sich die zwei führenden Kriegserklärer der deutschen Medien zu Wort: Herfried Münkler und Carlo Masala. «Die Ukraine steht im Begriff, den Krieg zu verlieren», sagte Münkler in der «Welt». «Es läuft für Putin. Von daher gibt es keinen Anreiz, sich in Verhandlungen hineinzubegeben», so meldete Masala fast zeitgleich. Die beiden Voten schienen wie aus dem Nichts zu kommen. Eben noch, mussten sich manche Medienkonsumenten gedacht haben, lief der Krieg doch für die Ukrainer. Die Amerikaner verkündeten, die Ukraine könne den Krieg gewinnen. Ebenso äusserte sich der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.»

Nun könnte man meinen, dass das doch Ausdruck der Überlegenheit einer freien Presse sei, Beweis für die Meinungspluralität. Dagegen hält Neff:

«Wer nüchtern auf die Kriegslage zu blicken versucht, macht sich unter Umständen schon verdächtig. Als würde er damit die westlichen Werte oder den ukrainischen Abwehrwillen verraten.»

Abweichende Meinungen zu unterdrücken, das war und ist das Prinzip autoritär geführter Staaten wie Russland. Abweichende Meinungen zu tolerieren, ihnen aber keine Beachtung zu schenken, das ist das überlegene Prinzip westlicher Medien.

In die gleiche Liga fallen die repetitiven Berichte über den Gesundheitszustand des Kreml-Herrschers. Putin ist krank. Krebs, multiple Sklerose, Schilddrüse, Verlust des Augenlichts. Beweise, Belege? Experten für Körpersprache, verborgene Quellen aus dem Innern des Machtzirkels, Aussagen von angeblich Putin behandelnden Ärzten, die aber natürlich anonym bleiben müssen.

Und die Kriegsziele? Kann die Ukraine siegen? Wird Russland verlieren? Sind die ukrainischen Forderungen nach einem vollständigen Rückzug als Vorbedingung für Verhandlungen realistisch? «Dass dieser Krieg ohne Gebietsabtretung an Russland enden könnte, ist schwer vorstellbar. So wenig man sich dieses Szenario wünscht», bilanziert Neff nüchtern.

Das ist seine Meinung, und die kann so falsch sein wie das Geraune der Kriegsgurgeln und Ukraine-Versteher. Dass auch Neff eine einsame Position vertritt, dass die NZZ das einzige gewichtige Organ  in der deutschsprachigen Medienlandschaft ist, das solch differenzierte Meinungen zulässt, das auch die angeblich freiheitliche und westliche Demokratie in der Ukraine in Frage stellt, auf Zensur, Korruption, autokratische Tendenzen hinweist, gereicht ihr zur Ehre.

Macht die Schande der anderen Publikationsorgane deutlich.

Hanslis Interview mit Vitali

Auch ein Oberchefredaktor ist nicht in jedem Thema sattelfest.

2012 bestritt Vitali Klitschko seine letzten Kampf als Profiboxer. Er schlug 87 Prozent seiner Gegner k.o., eine beeindruckende Bilanz. 2014 wurde er zum Bürgermeister von Kiew gewählt.

Im Widerstand rund um Euromaiden ging Klitschko ein Bündnis mit der rechtsextremen Swoboda-Partei und Julija Tymoschenko ein. Nach anfänglichen scharfen Auseinandersetzungen mit Präsident Selenskyj ist Klitschkow heute ein wortmächtiger Botschafter ukrainischer Anliegen.

Noch 2019 vermeldeten die Medien: «Kaum hat seine Partei die vorgezogene Parlamentswahl am 21. Juli gewonnen, greift Präsident Wolodymyr Selenskyj gleich einen der bekanntesten Ukrainer weltweit an. Das Präsidentenbüro hat die Regierung gebeten, den Bürgermeister von Kiew und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko als Chef der Stadtverwaltung zu entlassen.» Vergeben und vergessen.

Natürlich waren die Klitschko-Brüder am WEF anwesend, wo es dem Oberchefredaktor Arthur Rutishauser von Tamedia gelang, ein Interview zu ergattern. Das sind Prestigesachen, wo Chefredaktoren ihren Titel in die Waagschale werfen, um an eine begehrte Person heranzukommen.

Das Problem ist dann allerdings, dass sie relativ unbeleckt von Vorkenntnissen oder Hintergrundwissen durchs Interview stolpern und dem anderen eigentlich Carte blanche geben, seine Kernaussagen einmal mehr zu wiederholen.

Nach einer Liebeserklärung an die Schweiz und höflichem Dank für Flüchtlingsaufnahme und humanitäre Hilfe, kommt Klitschko ohne Umwege zur Sache:

«Aber jetzt stoppen Sie bitte die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Jeder Dollar, jeder Franken und Euro, der nach Russland geht, ist Blutgeld. Dieses Geld nützt Putin nicht zum Wohle seiner Bevölkerung oder für die Weiterentwicklung der Wirtschaft, sondern für Waffen. Es klebt ukrainisches Blut an jedem Franken, den Sie dank dem Handel mit Russland verdienen.»

Also muss man es sich so vorstellen, dass Gasverteiler in der Schweiz metaphorisch gesehen ukrainisches Blut mitverfeuern.

Darauf erwidert Rutishauser lahm, dass die Schweiz aber neutral sein wolle und müsse und sich aus dem Krieg heraushalte.

Das bringt ihm gleich die nächste linke Gerade von Klitschko ein: «Sie müssen sich entscheiden, Schwarz oder Weiss? Unterstützt die Schweiz den Frieden und die Freiheit, oder ist sie auf der Seite des Aggressors, nämlich Russlands?»

Vielleicht versuche die Schweiz tatsächlich gerade, halb schwanger zu sein, zappelt Rutishauser dann in den Seilen, spuckt den Mundschutz aus und fragt, ob die Schweiz denn wirklich anfangen solle, «russische Medien zu zensurieren».

Linker Jab, rechte Schlaghand: «Ja, denn so, wie das jetzt läuft, haben Sie den Krieg im Inneren der Schweiz. Ich sah mir heute Morgen im Hotel die Website von «Russia Today» an. Die erklären, Mariupol sei durch die Ukrainer zerstört worden. Stoppen Sie diese Propaganda!»

Bereits schwer angezählt meint Rutishauser: «Die glaubt hier doch sowieso niemand.»

Um unter einem Schlaghagel zusammenzubrechen: «Unterschätzen Sie die Macht der Medien nicht, unterschätzen Sie die Propaganda nicht. Die Propaganda ist eine grosse Macht. Sogar mächtiger als Waffen. Das sage ich Ihnen als jemand, der in der Sowjetunion gross geworden ist.»

Schon ausgezählt taumelt Rutishauser in seine Ecke und murmelt noch: «Kann die Schweiz irgendetwas tun, um den Krieg zu stoppen?»

Klitschko hat schon beide Arme hochgerissen, um seinen Interviewsieg durch technischen K.o. zu feiern. Aber diese Gelegenheit lässt er sich natürlich nicht entgehen:

«Ja, ich sage es nochmals, es gibt zwei Dinge, die Sie tun können: Stoppt erstens die russische Propaganda und hört zweitens auf, mit den Russen zu handeln.»

Es ist sicherlich einschüchternd, einem 2,01 Meter grossen ehemaligen Boxweltmeister gegenüberzusitzen. Aber Fragen zu stellen und nicht nachzuhaken, als habe Rutishauser zu viele Kopftreffer abbekommen, darauf zu verzichten, sich solche Einmischungen in unsere Presse- und Handelsfreiheit zu verbitten, das hätte der Oberchefredaktor besser das Handtuch in den Ring werfen sollen. Also das Interview im Archiv seiner unveröffentlichten Werke versenken.

 

Schweizer Jugend versteht Putin

Kann weisses Papier schreckensbleich werden? Der Tagi probiert’s aus.

Nun bemühen sich die Medien seit Wochen, den Kreml-Herrscher als Amok, Wahnsinnigen, Kriegsverbrecher, Diktator, Verderber seines Landes, Zerstörer der Ukraine zu brandmarken. Wieder und wieder. Und nun das.

«Neue Auswertungen der repräsentativen Tamedia-Umfrage von Ende März zeigen nämlich, dass nahezu jeder Dritte in der Alterskategorie der 18- bis 34-Jährigen den Krieg zwar verurteilt, trotzdem aber «Verständnis für die Motive Putins hat».»

Die heutige Jugend, das ist ja schrecklich. Woran liegt das nur? Dafür hat die Allzweckwaffe der Welterklärung natürlich eine Antwort. Nein, Schwurbler Kovic hat mal Pause, hier muss der «Politologe» Michael Hermann ran. Durch seine Kolumne im Tamedia-Reich kann man bei ihm sicher sein, dass er das sagt, was Tamedia hören möchte: «Jugendliche hingegen informieren sich vor allem in den sozialen Medien. So sind sie vielen unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt – eben auch den Lügen der gut funktionierenden russischen Propaganda.»

Dass Hermanns Propaganda im Sinne seiner staatlichen Auftraggeber auch prima funktioniert – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Zwei Opfer dieser Propaganda hat Tagi-Redaktor Dominik Balmer aufgespürt. Der eine sagt deshalb Dummheiten wie: «Die Nato bezeichnet er als «imperial» und den Interessen der USA dienend. Das Militärbündnis habe Russland mit seiner ständigen Expansion «provoziert». Es hätte nach dem Zerfall der Sowjetunion aufgelöst werden müssen. Insofern könne er Russlands Reaktion «verstehen, wenn auch nicht gutheissen»

Der zweite Putin-Versteher ist, das musste ja so kommen, natürlich Mitglied der SVP. Der sagt: ««Ich verurteile den Krieg, das ist nie eine Lösung.» Die Schuld liege aber nicht nur bei den Russen. «Beide, die Nato und Russland, sind schuld.»»

Auch hier zeigt sich, was im Kopf passiert, wenn man sich in sozialen Medien informiert und sich sogar «bei den in der EU blockierten russischen Propagandasendern RT DE (früher Russia Today) und Sputnik informiert. Bei Medien also, die nachweislich Falschinformationen verbreiten.»

Auch die Umfrageleiterin ist erschüttert: für sie «können die sozialen Medien eine «extreme Gefahr für die freie Meinungsbildung und damit die Demokratie» sein, zumindest solange nicht klar sei, wie verlässlich Informationen auf diesen Plattformen seien».

Glücklicherweise, atmet Tamedia auf, «sind ältere Menschen gemäss Hermann grundsätzlich besser informiert – und daher in ihrem Urteil weniger wankelmütig. In fast allen Umfragen zum Russland-Krieg ist der Anteil der «Weiss nicht»- Antworten bei den Jungen hoch. Ein Indiz für ihre Unentschlossenheit.»

Also können wir wenigstens auf die Alten bauen, die sind für strikte Sanktionen und eindeutig gegen Putin. Ob sie allerdings seine Motive oder überhaupt die Situation verstehen, das ist dann schon die Frage.

Aber immerhin plappern sie nicht solchen Unsinn wie der SVP-Jüngling: «Es ist sehr wichtig, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und zwar gerade dann, wenn alle Medien einer Meinung sind wie jetzt im Krieg in der Ukraine.»

Wo kämen wir da hin, wenn jeder versuchen würde, sich eine eigene Meinung zu bilden. Oder sich nicht nur in den Mainstream-Medien zu informieren. Der wäre dann eventuell sogar für die bewaffnete Neutralität und zweifelte an der willfährigen Übernahme aller EU-Sanktionen. Dabei ist es doch viel besser, ein Putin-Nichtversteher zu sein. Denn wer etwas (oder jemanden) nicht versteht, dem kann man leicht erklären, wie er es verstehen sollte. Und das ist ja die vornehmste Aufgabe der Auslandberichterstattung von Tamedia. Dass die zudem noch aus dem Ausland kommt, je nun, für ein paar hundert Franken Abokosten kann man doch nicht erwarten, dass Tamedia sich noch eine eigene Auslandredaktion leistet.

Oh, das tut der Konzern? Aber gut, es braucht ja jemanden, der das ß in ein anständiges ss verwandelt, parken und grillen sagt man auch nicht in der Schweiz, und für Fans der EU ist es doch völlig egal, ob der Leser Artikel serviert bekommt, die aus EU-Perspektive geschrieben sind. Das einfach zu schlucken, das ist doch viel besser als zum Putin-Versteher zu werden.

Es ist halt schon so, diese Erfahrung muss jede Generation machen: die heutige Jugend ist nicht mehr so, wie die Alten früher mal waren. Alles wird schlimmer, wo soll das nur enden?