Die NZZ als Spionageroman

John Le Carré hätte etwas Geniales daraus gemacht. Die NZZ macht etwas Banales.

Zwei grosse Analytiker und Chefstrategen haben sich zusammengetan. Lukas Mäder und Kriegsgurgel Georg Häsler, dem langsam der Sand in seinem Sandkasten ausgeht, beugen sich gemeinsam über den russischen Scoop, ein vertrauliches Geplauder hochrangiger deutscher Offiziere veröffentlicht zu haben.

Das ist in erster Linie peinlich für Deutschland und propagandistisch ein hübscher Blattschuss für den Kreml. Der Inhalt des abgehörten Gesprächs ist nicht wirklich weltbewegend, zeigt aber, dass nicht nur Häsler zum Sändelen neigt.

Aber hier muss die NZZ einen ordnungspolitischen Zwischenruf absetzen, mit dem sie sich mal wieder bis auf die Knochen blamiert. Sie tut das im Gestus des grossen Durchblicks:

«Abgehörte deutsche Offiziere: wie Russland gezielt versucht, Deutschland zu schwächen und den Westen zu spalten»

Damit ist eigentlich schon der Inhalt der dünnen Sauce, die dann aus den Spalten tropft, ausreichend zusammengefasst. Aber wer mal ein Ei legt, muss natürlich kräftig gackern und mit den Flügeln schlagen. In der Hoffnung, dass nicht der russische Bär vorbeischaut.

Was da im Gespräch der Militärköpfe gequatscht wurde? Wie die deutsche Bundeswehr so bescheuert sein kann, das über eine offene Leitung zu machen? Nebensächlich, in Wirklichkeit geht’s hierum: «Der Fall ist ein Musterbeispiel für eine Operation der psychologischen Kriegsführung.»

Zum letzten Mal geriet die NZZ wohl so in Wallungen, als sie befürchtete, dass die GSoA vielleicht eine Fünfte Kolonne, ein roter Trupp von Diversanten sei.

Nun aber zuerst das «big picture»: «Russland führt regelmässig solche Beeinflussungsoperationen durch, auch «active measures» oder in Kombination mit Cyberangriffen Hack-and-Leak genannt. Dabei werden Informationen, die durch verdeckte Operationen erbeutet wurden, publik gemacht.»

Beeinflussungsoperation, wunderbarer Begriff. Aber dann bemüssigen sich die beiden Spionagehelden doch noch, den Inhalt des Gequatsches wiederzugeben: «Die beteiligten Offiziere reden ohne klare Traktanden, Zielsetzung und Struktur über mögliche Varianten, wie der Taurus-Marschflugkörper doch an die Ukraine geliefert werden könnte. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, ist der grosse Zampano mit den träfen Sprüchen. Im Hintergrund dürfte ein Hauptmann versucht haben, ein formal korrektes Protokoll zu erstellen

Da müssen die beiden Militärbesserwisser nun mal ganz streng mit diesen deutschen Dämel-Plauderis werden: «Die Offiziere halten sich in ihrem Gespräch schlicht nicht an die simple Faustregel, die jeder Rekrut in der allgemeinen Grundausbildung lernt: Angaben über Truppen, Orte, Zeiten, Zahlen und Absichten sind zu unterlassen – zumal bei ungesicherten Verbindungen.»

Zehn Tage scharfer Arrest, abtreten. Aber vorher werden noch die Schulterklappen abgerissen, so erträumen sich das Mäder und Häsler. Aber wie auch immer, was wollen denn die russischen Propagandakünstler? Klare Sache: «Am Ende geht es dem Kreml darum, die Geschlossenheit der Verbündeten in der Unterstützung der Ukraine aufzusprengen. Ganz bewusst wird ein Keil zwischen Berlin, Paris und London getrieben.»

Ähm, indem ein nicht vom Kreml erfundenes Geblödel deutscher Offiziere veröffentlicht wird? Ha, erste Wirkungstreffer sind jedenfalls zu verzeichnen. Bundeskanzler Scholz sei geschwächt, schlimmer noch: «Diese Darstellung wird in Deutschland wiederum von der AfD und der Linkspartei übernommen. Sie sprechen von der «Vorbereitung eines Angriffskriegs» durch die Regierung, welcher das deutsche Grundgesetz ausdrücklich verbietet.»

Aber der Russe, der fiese, finstere Geselle, ist eben hinterlistig: «Russland hat erkannt, dass Deutschland das schwächste Glied in der Reihe der europäischen Verbündeten ist. Bundeskanzler Scholz agiert ängstlich und verhalten.»

Ängstlich und verhalten? Indem er als einziger führender Politiker noch alle Tassen im Schrank hat und nicht möchte, dass Deutschland zweimal in einem Jahrhundert militärisch in die Ukraine einfällt? Umso mehr das Kartenhaus Selenskyjs zusammenfällt, damit dem Immobilienimperium Benkos nicht unähnlich, desto hysterischer werden die verbalen Amokläufe von Kriegsgurgeln, die noch vor Kurzem trompeteten, dass der Krieg für die Ukraine durchaus zu gewinnen sei.

Aber stattdessen wird nun an einer neuen Dolchstosslegende gearbeitet: «Hinzu kommen rhetorische Differenzen unter den Nato-Partnern. Diese könnten zusammen mit der politischen Konstellation in Deutschland dazu führen, dass die russischen Beeinflussungsoperationen am Schluss Erfolg haben.»

Vielleicht sollte man nicht ganz vergessen, dass Russland dieses bescheuerte Gequatsche deutscher Kommissköpfe nicht erfunden hat.

Nun müssen aber Durchblicker Mäder und Häsler noch ein ernstes Wort mit den Deutschen reden. Zunächst ein lobendes für den deutschen Verteidigungsminister: «Umso wichtiger war das Machtwort des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius, er werde seine besten Offiziere nicht für Putin opfern – obwohl diese Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten hatten: ein Zeichen der Resilienz gegen die russische Beeinflussung.»

Wie bescheuert kann man denn sein? Deutsche Offiziere plaudern über offene Leitungen darüber, wie man die russische Brücke zur Krim mit deutschen Marschflugkörpern zerstören könnte, ohne dass eine deutsche Beteiligung nachweisbar sei, und der Minister soll solche Vollpfeifen nicht degradieren? Als Zeichen der Resilienz?

Dann kommen wir schon zur Zielgerade:

«Bei Beeinflussungsoperationen ist die Gesellschaft besonders gefordert, weil die Akteure und die Absichten oft verschwommen sind. Eine Stärke ist dabei, besonnen auf solche Veröffentlichungen zu reagieren. Denn der innenpolitische Skandal in Deutschland ist die eigentliche Waffe des Gegners.»

Wie bitte? Deutsche Offiziere quatschen, was sie nicht mal unter vier Ohren sagen sollten. Russland feiert damit einen Propagandaerfolg erster Klasse. In der immerhin noch freien öffentlichen Auseinandersetzung in Deutschland führt das zu Gebrüll. Und stattdessen sollte man «besonnen» darauf reagieren? Also erst gar nicht ignorieren, was deutsche Offiziere brabbeln?

Wissen die beiden kalten Krieger, denen es wohl das Hirn vereist hat, was sie da labern? Und hat nun auch in der NZZ die Qualitätskontrolle bereits Osterferien?

7 Kommentare
  1. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Wir vergessen bei der Diskussion um Angriffe auf die Kirmbrücke komplett, dass diese eigentlich obsolet ist. Russland verfügt zwischenzeitlich über einen Landkorridor. Und es sieht nicht danach aus, als ob es diesen in absehbarer Zeit wieder verlieren würde.

    Darum finde ich das geleakte Gespräch, um mögliche Angriffe mittels Taurus auf die Brücke zu besprechen, vom Thema her schon eine Zeitverschwendung. Die Frage ist vielmehr, was sollte das Gespräch und wieso wurde es geleakt? Die Herren «Offiziere» sind safe, der einzige der herumfuchtelt und gegen die Realität rudert ist Pistolius. Sein Auftritt war der eigentliche Scoop. Ein Schelm wer böses denkt. Ciao Pistolius.

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  2. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Meine «andere Sicht», die sich deutlich von der der NZZ und des restlichen Mainstreams unterscheidet:

    «Ablenkung und Omertà sind zur Standardreaktion der Eliten in Deutschland und anderen westlichen ‹demokratischen› Ländern geworden, um ihre Debakel zu vertuschen. Das jüngste bemerkenswerte Beispiel ist dieses:
    Die Enthüllung des Plans der Bundeswehr, die Versorgung und den Transport von zwei Millionen Krimbewohnern abzuschneiden, empörte die deutsche politische Klasse und die Medien, nicht aber der schreckliche Terrorakt gegen eine für unschuldige Bürger lebenswichtige Brücke selbst.»

    Mehr hier: https://felixabt.substack.com/p/distraction-and-omerta-have-become

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Ok, Abt, Ihr Problem mit „Deutschland und anderen westlichen ‚demokratischen‘ Ländern“ scheint zu sein, dass diese Länder trotz allem halt immer noch demokratisch sind. Das bedeutet: Sie können dort ihre Potentaten abwählen. Das kann man in Russland und diesem anderen ostostostasiatischen halben shithole state nicht.
      Na kommen Sie, scheuern Sie einem Musikologen einen rein! Sie finden bestimmt Eine, die es Ihnen sofort nachtut.

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      • Ruedi Rudolf
        Ruedi Rudolf sagte:

        Wie war das dann im ach so Demokratischen Bunte-Land mit Merkel? – Die das Land zusammen mit der EU an die Wand gefahren hat.

        Mit unkontrollierter Massen-Einwanderung, Staats-Vermögenstransfer in die ganze Welt, Schulden Umbenennung in Staatliches Sondervermögen, Atomkraftwerke abschalten, den netten Russischen Energielieferanten verärgern mit Lebensraum Osterweiterung. Dann noch der Nette Onkel aus den USA, der D und EU wichtigste Gasleitungen in die Luft jagt – und man das einfach so hinnimmt – ist wie wenn man jemandem die Aorta durchschneidet.

        Wollten oder konnten sie denn Sesselkleber Merkel nicht abwählen? – Und die aktuelle Deutsche Bunte-Regierung ist an Doofheit gemessen auf Platz 1 – noch vor der Schweiz – die in den Abgrund hinterher hösselet. Regierungen von Verantwortungslosen Kindsköpfen und Kriegshetzer, die das ganze Volk durchimpfen wollen. Die Schweiz hat abgelaufene Impfstoffe im Wert von über einer 1 Milliarde Franken weggeworfen.

        Im Gegensatz dazu ist Herr Putin Goldstandard, sein Land steigt auf, während andere erschreckend schnell absteigen, was aber bei solchen Idioten in denn Demokratischen Wertewesten Regierungen, keine Überraschung ist.

        Könnte bald der Tag kommen, das sich viele wünschten zu Russland zu gehören, nur um noch bezahlbare Energie zum heizen zu haben – Dummdoofe Scheindemokratie hat keinen Heizwert.

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  3. H.v.Atzigen
    H.v.Atzigen sagte:

    Die abgehörte Debatte der Deutschen Stabsoffiziere ist nun wirklich nicht viel mehr als eine Posse, vor allem aus militärischer Sicht. Die Brücke wurde bekanntlich schon 2. mal angegriffen und kurzzeitig ausgeschaltet.Zum nachhaltigen ausschalten der Brücke das kann sich jeder etwas Kompetente ausrechnen braucht es diese debattierten 10-20 Sprengköpfe.
    Mal kurz das ganze aus Militärstrategischer Sicht!?
    Innzwischen kontrollieren die Russen die Landbrücke inklusive die davor unterbrochene Wasserversorgung der Krim. Daraus ergibt sich militärstrategisch ist die Brück von 2-3.rangiger Bedeutung. ———LOGO mit einem derartigen Angriff könnte man dem Putin kräftig ans Bein pinkeln.——- Eine andere Sache ist eine, nicht debattierte Gegenreaktion der Russen. Innzwischen kann man auf Google Map jede Stadt der Welt, aus verschiedenen Perspektiven virtuell besuchen.Sollten die Russen nach einem solchen Angriff so richtig sauer Reagieren.Und im Gegenzug in Kiew die 5 Brücken mit entsprechenden Waffen,über die, die die Russen zweifelsfrei verfügen angreifen. Was dann? ? ? Das kann jeder selber auf Google Mapp ansehen, dann bleibt noch eine in rund100 Km im Norden, im Süden ist mehrere 100 Km tote Hose.Ob solches die oberschlauen Politiker und Schwachmatemiiitärstrategen auch eingerechnet haben? Der Schaden für die ukrainische Wirtschaft wäre verheerend‚ zigmal grösser als die Ausschaltung der Krimbrücke.So Brücken sind Zivile infrastruktur, jedoch auch Militärlogistisch bedeutsam und sind mit wenige zivilen Direktopfern um etwa 04.00 Uhr zweifelsfrei nachhaltig sehr wirkungsvoll ausschaltbar.Das wurde mit den Donaubrücken in Belgrad vorexerziert.So liebe Profi und Hobby Militärstrstegen schaltet mal die grauen Zellen an! LG.

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  4. Ivo Irgendeiner
    Ivo Irgendeiner sagte:

    >»Der Inhalt des abgehörten Gesprächs ist nicht wirklich weltbewegend»

    Das sehe ich ganz anders als Autor Zeyer: Schon der Tonfall dieser Generäle lässt Schlimmstes erahnen und die Erläuterungen, wie man mit Taurus den bösen Putin bestrafen könnte, sind durchaus realistisch gedacht.

    Wenn dann dem Kanzler beim nächsten Besuch in USA die Leviten gelesen werden wird auch er umschwenken, und schon passiert das undenkbar Gefährliche 🙁

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  5. Raphael Stein
    Raphael Stein sagte:

    Völlig egal was Russland will. Die Bundeswehr ist mal wieder nicht zu toppen. Und das politisches Personal in der BRD, es graut mir und seit Jahren.
    Deshalb wohl übt sich die NZZ mit der Fliegenklatsche Bären zu erwischen. Man will den Nachbarn nicht verärgern und auf Linie bleiben. Man kann sich im Atlantikclub ja nicht durch Meinung blamieren.

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