Schlagwortarchiv für: Georg Häsler

Die NZZ als Spionageroman

John Le Carré hätte etwas Geniales daraus gemacht. Die NZZ macht etwas Banales.

Zwei grosse Analytiker und Chefstrategen haben sich zusammengetan. Lukas Mäder und Kriegsgurgel Georg Häsler, dem langsam der Sand in seinem Sandkasten ausgeht, beugen sich gemeinsam über den russischen Scoop, ein vertrauliches Geplauder hochrangiger deutscher Offiziere veröffentlicht zu haben.

Das ist in erster Linie peinlich für Deutschland und propagandistisch ein hübscher Blattschuss für den Kreml. Der Inhalt des abgehörten Gesprächs ist nicht wirklich weltbewegend, zeigt aber, dass nicht nur Häsler zum Sändelen neigt.

Aber hier muss die NZZ einen ordnungspolitischen Zwischenruf absetzen, mit dem sie sich mal wieder bis auf die Knochen blamiert. Sie tut das im Gestus des grossen Durchblicks:

«Abgehörte deutsche Offiziere: wie Russland gezielt versucht, Deutschland zu schwächen und den Westen zu spalten»

Damit ist eigentlich schon der Inhalt der dünnen Sauce, die dann aus den Spalten tropft, ausreichend zusammengefasst. Aber wer mal ein Ei legt, muss natürlich kräftig gackern und mit den Flügeln schlagen. In der Hoffnung, dass nicht der russische Bär vorbeischaut.

Was da im Gespräch der Militärköpfe gequatscht wurde? Wie die deutsche Bundeswehr so bescheuert sein kann, das über eine offene Leitung zu machen? Nebensächlich, in Wirklichkeit geht’s hierum: «Der Fall ist ein Musterbeispiel für eine Operation der psychologischen Kriegsführung.»

Zum letzten Mal geriet die NZZ wohl so in Wallungen, als sie befürchtete, dass die GSoA vielleicht eine Fünfte Kolonne, ein roter Trupp von Diversanten sei.

Nun aber zuerst das «big picture»: «Russland führt regelmässig solche Beeinflussungsoperationen durch, auch «active measures» oder in Kombination mit Cyberangriffen Hack-and-Leak genannt. Dabei werden Informationen, die durch verdeckte Operationen erbeutet wurden, publik gemacht.»

Beeinflussungsoperation, wunderbarer Begriff. Aber dann bemüssigen sich die beiden Spionagehelden doch noch, den Inhalt des Gequatsches wiederzugeben: «Die beteiligten Offiziere reden ohne klare Traktanden, Zielsetzung und Struktur über mögliche Varianten, wie der Taurus-Marschflugkörper doch an die Ukraine geliefert werden könnte. Der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, ist der grosse Zampano mit den träfen Sprüchen. Im Hintergrund dürfte ein Hauptmann versucht haben, ein formal korrektes Protokoll zu erstellen

Da müssen die beiden Militärbesserwisser nun mal ganz streng mit diesen deutschen Dämel-Plauderis werden: «Die Offiziere halten sich in ihrem Gespräch schlicht nicht an die simple Faustregel, die jeder Rekrut in der allgemeinen Grundausbildung lernt: Angaben über Truppen, Orte, Zeiten, Zahlen und Absichten sind zu unterlassen – zumal bei ungesicherten Verbindungen.»

Zehn Tage scharfer Arrest, abtreten. Aber vorher werden noch die Schulterklappen abgerissen, so erträumen sich das Mäder und Häsler. Aber wie auch immer, was wollen denn die russischen Propagandakünstler? Klare Sache: «Am Ende geht es dem Kreml darum, die Geschlossenheit der Verbündeten in der Unterstützung der Ukraine aufzusprengen. Ganz bewusst wird ein Keil zwischen Berlin, Paris und London getrieben.»

Ähm, indem ein nicht vom Kreml erfundenes Geblödel deutscher Offiziere veröffentlicht wird? Ha, erste Wirkungstreffer sind jedenfalls zu verzeichnen. Bundeskanzler Scholz sei geschwächt, schlimmer noch: «Diese Darstellung wird in Deutschland wiederum von der AfD und der Linkspartei übernommen. Sie sprechen von der «Vorbereitung eines Angriffskriegs» durch die Regierung, welcher das deutsche Grundgesetz ausdrücklich verbietet.»

Aber der Russe, der fiese, finstere Geselle, ist eben hinterlistig: «Russland hat erkannt, dass Deutschland das schwächste Glied in der Reihe der europäischen Verbündeten ist. Bundeskanzler Scholz agiert ängstlich und verhalten.»

Ängstlich und verhalten? Indem er als einziger führender Politiker noch alle Tassen im Schrank hat und nicht möchte, dass Deutschland zweimal in einem Jahrhundert militärisch in die Ukraine einfällt? Umso mehr das Kartenhaus Selenskyjs zusammenfällt, damit dem Immobilienimperium Benkos nicht unähnlich, desto hysterischer werden die verbalen Amokläufe von Kriegsgurgeln, die noch vor Kurzem trompeteten, dass der Krieg für die Ukraine durchaus zu gewinnen sei.

Aber stattdessen wird nun an einer neuen Dolchstosslegende gearbeitet: «Hinzu kommen rhetorische Differenzen unter den Nato-Partnern. Diese könnten zusammen mit der politischen Konstellation in Deutschland dazu führen, dass die russischen Beeinflussungsoperationen am Schluss Erfolg haben.»

Vielleicht sollte man nicht ganz vergessen, dass Russland dieses bescheuerte Gequatsche deutscher Kommissköpfe nicht erfunden hat.

Nun müssen aber Durchblicker Mäder und Häsler noch ein ernstes Wort mit den Deutschen reden. Zunächst ein lobendes für den deutschen Verteidigungsminister: «Umso wichtiger war das Machtwort des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius, er werde seine besten Offiziere nicht für Putin opfern – obwohl diese Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten hatten: ein Zeichen der Resilienz gegen die russische Beeinflussung.»

Wie bescheuert kann man denn sein? Deutsche Offiziere plaudern über offene Leitungen darüber, wie man die russische Brücke zur Krim mit deutschen Marschflugkörpern zerstören könnte, ohne dass eine deutsche Beteiligung nachweisbar sei, und der Minister soll solche Vollpfeifen nicht degradieren? Als Zeichen der Resilienz?

Dann kommen wir schon zur Zielgerade:

«Bei Beeinflussungsoperationen ist die Gesellschaft besonders gefordert, weil die Akteure und die Absichten oft verschwommen sind. Eine Stärke ist dabei, besonnen auf solche Veröffentlichungen zu reagieren. Denn der innenpolitische Skandal in Deutschland ist die eigentliche Waffe des Gegners.»

Wie bitte? Deutsche Offiziere quatschen, was sie nicht mal unter vier Ohren sagen sollten. Russland feiert damit einen Propagandaerfolg erster Klasse. In der immerhin noch freien öffentlichen Auseinandersetzung in Deutschland führt das zu Gebrüll. Und stattdessen sollte man «besonnen» darauf reagieren? Also erst gar nicht ignorieren, was deutsche Offiziere brabbeln?

Wissen die beiden kalten Krieger, denen es wohl das Hirn vereist hat, was sie da labern? Und hat nun auch in der NZZ die Qualitätskontrolle bereits Osterferien?

Journalismus schafft sich ab

Das kann kein Geschäftsmodell mehr sein.

Journalisten opinieren, räsonieren, analysieren, schätzen ein, meinen, fordern, wissen es besser. Das ist zwar manchmal mühsam, aber erlaubt.

Journalisten spielen sich als als Genderpäpstinnen wie Andreas Tobler, als Konzernbüttel wie Philipp Loser, als Kriegsgurgeln wie Georg Häsler, als Panikkreischen wie Marc Brupbacher oder als Stimme der Gutmenschen wie Reza Rafi auf. Das ist manchmal unerträglich, aber Ausschuss wird überall produziert.

Journalisten kreieren Narrative und Framings. Sie bestehen darauf, dass Donald Trumps Konkurrenten durchaus noch intakte Chancen hätten, genügend Delegiertenstimmen zu sammeln, um Kandidat der Republikaner in den Präsidentschaftswahlen zu werden. Damit wiederholen sie ihre Fehler bei den vorletzten Wahlen: am Schluss erklären zu müssen, wieso sie krachend danebenlagen. Journalisten sind nicht sehr lernfähig. Das ist extrem dumm. Dummheit existiert überall und ist bekanntlich lernbar.

Aber es gibt einen heiligen Gral im Journalismus, an dem man sich nur dann vergreift, wenn man sich abschaffen will. Es handelt sich um ein Einverständnis zwischen Journalist und Leser, das nicht mutwillig oder fahrlässig missbraucht werden darf.

Die einstmals auflagemässig grösste Zeitung der Welt hat dieses Prinzip sogar zu ihrem Titel gemacht. «Prawda», Wahrheit. Sie hatte versprochen, ihren Lesern nur die Wahrheit zu erzählen. Lenin und Trotzki kamen unabhängig voneinander auf die Idee, eine solche Zeitung zu publizieren. Ihr Herausgeber war der spätere langjährige Aussenminister der Sowjetunion Molotow. Er agierte im Hintergrund, offiziell gab es rund 40 Herausgeber, die von der zaristischen Zensur regelmässig verhaftet und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurden. Sie waren sogenannte Sitzredakteure, dazu bereit, für anderen Strafen abzusitzen, die sie sich mit dem Verbreiten der Wahrheit einhandelten.

In ihren besten Zeiten hatte sie eine Auflage von über 10 Millionen Exemplaren. Allerdings verbreitete sie immer weniger die Wahrheit, immer mehr Lügen. Damit entkernte sie sich.

Nun kann man zu Recht fragen, was denn eigentlich die Wahrheit ist und wer zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden darf und die Autorität dafür hat. Niemand und jeder. Niemand ist im Besitz einer objektiven, einzig wahrhaftigen Wahrheit. Jeder glaubt an seine Wahrheiten, viele wollen wissen, dass sie die Wahrheit kennen.

Also ist alles relativ, alles erlaubt? Nein, eben nicht.

Denn es gibt eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen Berichterstatter und Konsument. Der Konsument bezahlt normalerweise dafür (sei es entweder mit Geld oder seiner Aufmerksamkeit oder seinen Daten), dass er sich darauf verlassen kann, dass ihm in Berichten über Gegenden oder Ereignisse, die er nicht kennt, kein Bären aufgebunden wird.

Wird diese Geschäftsgrundlage aufgehoben, ist der Journalismus am Ende. Sein Tod tritt nicht sofort, aber auf Raten ein. Deshalb beschäftigten viele Redaktionen früher Mitarbeiter, die sich der sogenannten Dokumentation widmeten. Also alle Fakten und Tatsachenbehauptungen checkten, die in einem Artikel vorkamen. Sie taten das zum Schutz des Redaktors vor Irrtümern und zum Schutz des Konsumenten vor Falschinformationen.

Sie sind als eine der ersten Abteilungen den Sparmassnahmen zum Opfer gefallen. In der Schweiz existieren sie nicht mehr. Gelegentlich werden mit grossem Brimborium Journalisten beauftragt, einen sogenannten Faktencheck durchzuführen. Das ist aber nicht mehr das gleiche.

Im deutschen Sprachraum leistet sich der «Spiegel» noch die grösste Dokumentarabteilung. Darauf ist er besonders stolz und wird nicht müde, die vielen Stationen aufzuzählen, die ein Manuskript durchlaufen muss, bis es publiziert wird. Der Grossfälscher Class Relotius sprengte diese Reputation in die Luft. Ihm gelang es jahrelang unentdeckt, frei erfundene Reportagen zu publizieren, bei denen sogar nachprüfbare Angaben wie Distanzen oder örtliche Beschaffenheiten erschwindelt waren, um dem Spin der Story zu dienen. Nicht einmal das fiel den Faktencheckern des «Spiegel» auf.

Sie waren, mitsamt allen anderen Kontrollinstanzen, voreingenommen. Sie hatten das Interesse verloren, zu schreiben, was ist. Sie wollten beschreiben, wie es sein sollte. Wie es ihrer Meinung nach zu sein hatte. Sie machten den alten erkenntnistheoretischen Zirkelschluss: wenn ich mit einer vorgefassten Meinung an die Wirklichkeit herangehe, finde ich in der Wirklichkeit das, was ich zuvor hineingetragen habe. Oder noch schlimmer: wenn ich es nicht finde, erfinde ich es.

Das ist keine lässliche Sünde, sondern eine Todsünde. Dafür gibt es leider im Schweizer Journalismus immer mehr kleine und grosse Beispiele. Eine Aufzählung wäre endlos, aber es sind zwei Tendenzen zu erkennen. Am häufigsten betroffen davon ist Tamedia. Dort hat eine wahrhaftige Verluderung der Sitten stattgefunden.

Die Leser belehren und mit absurdem Genderwahn quälen zu wollen, das ist verkaufsschädigend, aber noch nicht tödlich. Den Lesern keine Reportagen, sondern die Wiedergabe vorgefasster Meinungen zu servieren, das ist dumm, aber noch nicht tödlich.

Sich immer wieder dabei ertappen zu lassen, dass die vorgefassten Meinungen so stark sind, dass die Wirklichkeit, wenn sie nicht passt, passend gemacht wird, das ist tödlich. Wenn ein Präsident eine Meinung vertritt, die dem Berichterstatter nicht passt, dann ist es dennoch seine Pflicht, sie dem Leser wiederzugeben. Denn dafür bezahlt er, weil er selbst weder am WEF anwesend ist, noch Zeit oder Lust hat, die ganze Rede im Wortlaut anzuhören.

Wenn aber schon im ersten und auch im letzten Satz des Berichts die Wirklichkeit, höflich ausgedrückt, umgebogen wird, dann fühlt sich der Leser zu recht verarscht, wenn er das entdeckt. Und glücklicherweise gibt es in der Schweiz noch so etwas wie eine Pressefreiheit, wo solche Verbiegungen aufgedeckt und denunziert werden können. Das unterscheidet die Schweiz von Russland und der Ukraine.

Berichterstattung, wenn sie etwas wert ist, sollte dazu dienen, dem Käufer und Konsumenten dabei zu helfen, die grosse, weite Welt und auch seine nähere Umgebung besser zu verstehen. Oder zu begreifen, dass vieles, was sich abspielt, komplex, widersprüchlich, unübersichtlich, nicht fassbar ist. Die beiden aktuellen Beispiele dafür sind der Ukrainekrieg oder der Krieg im Gazastreifen. Noch nie verfügten wir über dermassen viele Informationsquellen, noch nie waren wir so ungenügend informiert.

Daraus entstehen Verschwörungstheorien, das sei Absicht, Manipulation, Bevormundung, von finsteren Mächten orchestriert, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinn zu beeinflussen. Aber die Wahrheit ist hier viel banaler. Natürlich gibt es Heerscharen von Spin Doctors, die sich diesen Versuchen widmen. Natürlich wird Selenskyj – im Gegensatz zu Putin – hochkarätig und sorgfältig beraten, wie er öffentlich aufzutreten hat. Vom gedrechselten Inhalt seiner Reden bis zu seiner Kleidung, seinem Gesichtsausdruck.

Aber das wäre durchschaubar, wenn man sich die Mühe machte. Wenn sich der 100. Todestag eines Welterschütterers wie Lenin jährt, um das zweite aktuelle Beispiel zu nehmen, dann wäre eine Würdigung, eine Auseinandersetzung auf Niveau mit seinen Taten geboten, vor allem in einem Intelligenz-Blatt wie der NZZ. Wenn stattdessen übelwollend die Krankheitsgeschichte seiner letzten Jahre ausgebreitet wird, ist das zwar kein Verstoss gegen das Wahrheitsgebot, aber so jämmerlich, dass der Leser sich auch fragt, wieso er dafür einen Haufen Geld zahlt.

Fazit: Journalismus, der die Übereinkunft mit seinen Konsumenten einseitig aufkündigt, schafft sich damit ab. Das ist nicht den Umständen geschuldet. Sondern selbstverschuldet. In der Schweiz steht Tamedia am nächsten vor diesem Abgrund, gefolgt vom «Blick».

Kriegs-Kreische

Der Mann kann sich noch steigern. Leider.

Auch die NZZ ist weitgehend beratungsresistent. Sonst würde sie es ihrem obersten Oberst und Sandkastenstrategen nicht mehr durchgehen lassen, dass er immer finsterer zukünftige Kriege vorhersagt, die Unke.

Neben der dringend nötigen Neuauflage des Zivilverteidigungsbüchleins, was gehört denn sonst zur «ernsthaften» Vorbereitung der Schweiz? Diesmal ist Georg Häsler um die Zukunft der Schweizer Rüstungsindustrie besorgt. Denn: «Ihr Überleben ist spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ernsthaft infrage gestellt. Die Kunden mussten feststellen, dass die Schweiz kein zuverlässiger Partner mehr ist.»

«Kein zuverlässiger Partner», weil sich der Rechtsstaat Schweiz – im Gegensatz zu Deutschland und anderen Staaten – an seine eigenen Exportgesetze hält? Da wird Häsler in seinem Furor auch noch zum militanten Gegner des letzten Walls gegen Willkür und Barbarei. Unglaublich, für die NZZ.

Plus Wehrwille, plus Rüstungsindustrie.

Denn, so urteilt Scharfrichter Häsler: «Die Zeitenwende kommt allmählich auch im Bundesrat an. Das weltfremde KMG (Kriegsmaterialgesetz, Red.) hat den Realitätstest nicht bestanden – im GegenteilHier verhaspelt sich Häsler in seinem Sturmangriff sogar. Denn wenn das KMG «im Gegenteil nicht bestanden» hätte, dann hätte es doch bestanden. Aber Kriegsgurgel und Logik, das sind Todfeinde.

Dabei geht es ihm um Fundamentales: «Es geht um die Bereitschaft, die Demokratie auch wirklich zu schützenKlare Sache: Wer nicht mit Häsler übereinstimmt, schützt nicht die Demokratie – oder im Gegenteil oder so. Er ist vielmehr ein Defätist, ein Diversant oder wie die schönen Ausdrücke heissen, die Häsler sich nicht in den Mund zu nehmen getraut.

Dabei geht es hier um alles, wie Constantin Seibt sabbern würde. In der Version Häsler:

«Die Landesverteidigung ist in letzter Konsequenz eine Frage von Leben und Tod; nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, ihren Militärdienst zu leisten.»

Ja, so ist das mit den letzten Fragen, zu denen man bei der Landesverteidigung in einem kühnen Vorstoss dringt und drängt und zwängt. Denn die Lage ist nicht nur ernst, sondern fast hoffnungslos: «Wie gesagt: Pessimistische Analysen innerhalb der Nato rechnen mit einer Eskalation bereits in drei Jahren. Die Schweiz muss sich ernsthaft auf einen grösseren Krieg in Europa vorbereiten.» Himmels willen, wo soll denn dieser grössere Krieg herkommen? Blöde Frage: «Am Ende des Jahrzehnts könnte Russland auch einen Nato-Staat angreifen», behaupte der deutsche Verteidigungsminister.  Ohne sich der Ironie bewusst zu sein, dass das letzte Mal Deutschland Russland angegriffen hat. «Pessimistischere Szenarien rechnen mit drei Jahren, bis sich der Ukraine-Krieg ausweitet», raunt Häsler hinterher.

Die Schweizer Rüstungsindustrie wird’s freuen, dass sie hier einen strammen Verbündeten hat. Ob der Grossstratege Häsler allerdings ernsthaft davon ausgeht, dass ein aufgerüsteter Schweizer Wehrwille, die Beantwortung der Frage «von Leben und Tod», den russischen Bären davon abhalten würde, die NATO anzugreifen? Vielleicht ist es seiner Aufmerksamkeit entgangen, dass die NATO unter dem atomaren Schutzschirm der USA steht und mit Frankreich und Grossbritannien zwei weitere Atommächte als Mitglieder hat.

Natürlich ist es möglich, dass Präsident Putin suizidal veranlagt ist. Aber wahrscheinlich ist das nicht. Ernsthafter sollte allerdings die Frage beantwortet werden, wie lange die NZZ sich mit solchen Kommentaren noch lächerlich machen will.

Wenn die NZZ rot sieht,

dann brennen immer noch die Sicherungen durch.

Lucien Scherrer neigt dazu, die Splitter in den Augen der anderen, aber den Balken im eigenen, bzw. in seinem Blatt, nicht zu sehen. Aber gut, welcher Journalist lässt sich schon gerne an sein dummes Geschwätz von gestern erinnern.

Scherrer will sich ganz allgemein als Medienkritiker etablieren, und diesmal hat er sich ein eher fernes Blatt vorgenommen. Fern ist immer gut; da muss man weniger mit Gegendarstellungen und Vorkenntnissen der Leser rechnen.

Seinen Unmut hat diesmal die «Berliner Zeitung» erregt. Die hat nun eine schillernde Geschichte und einen ebenso schillernden Verleger. Holger Friedrich hat das Blatt nach x-fachem Besitzerwechsel im September 2019 gekauft. Er selbst ist ein Selfmade-Millionär mit kurviger Vergangenheit und kantigen Meinungen.

Darüber kann sich jeder sein eigenes Bild machen, wenn’s beliebt. Solche Differenzierungen sind Scherrer hingegen wurst. Er behauptet kühn:

«Im angeblichen Bemühen, unvoreingenommen zu berichten, machen sie sich zu nützlichen Idioten von Diktaturen.»

Also sei Friedrich ein nützlicher Idiot von Diktaturen, genauer von denen in Russland und China. Steile These. Sie ist ungefähr so absurd, wie wenn man die NZZ als nützlichen Idioten der US-Militärpolitik bezeichnen würde, nur weil ihr oberster Oberst, der kälteste aller kalten Krieger Georg Häsler, ständig staubtrockenen Unsinn aus dem militärischen Sandkasten auf seinem Kommandopult in der Redaktion schaufelt.

Nun hat Scherrers besonderen Unmut erweckt, dass Friedrich an einer Marxismus-Konferenz in Peking teilgenommen hat. So wie ständig Redaktoren der NZZ (und von anderen Blättern) an Konferenzen von liberalen, politischen, transatlantischen Think Tanks und Organisationen teilnehmen. Was erlaubt und nicht allzu selten interessant ist. Dass die NZZ keinen Korrespondenten an diese Konferenz in Peking entsandte, sei ihr nachgesehen.

Ob sie es sich allerdings nicht verbitten würde, wenn ihr Korrespondent (da gibt es auch Beispiele von NZZ-Herrenreitern) so charakterisiert würde? «Er (Friedrich, Red.) ist Millionär und fährt Ferrari, pflegt aber eine offene Bewunderung für Sarah Wagenknecht und den letzten DDR-Staatschef Egon Krenz.»

Der ehemalige Feuilletonchef der «Zeit» Fritz J. Raddatz war kein Millionär, fuhr aber Porsche und wurde ebenfalls in der DDR sozialisiert, was ihn für diese Position nicht disqualifizierte.

Nun kommt Scherrer kurz zu einer vergifteten Lobeshymne: «Seine Zeitung will Friedrich als Debattenblatt positionieren, sie soll auch Meinungen abbilden, die der «Mainstream» ignoriert. Eigentlich ist das ein interessantes Konzept.» Immerhin, aber: Er «will vermitteln, unterzeichnet «Friedensmanifeste» und betätigt sich als eine Art Diplomat, der an Botschaftsempfängen und Konferenzen teilnimmt. Deshalb erscheint er als Akteur in seiner eigenen Zeitung, oder er schreibt gleich selber über seine Erlebnisse.»

Friedrich hat, wie fast eine Million andere (auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer), das Friedensmanifest von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht unterzeichnet, was wohl sein gutes Recht ist. Ebenso wie die Teilnahme an Empfängen und Konferenzen.

Dann nimmt Scherrer den Knüppel hervor: «Auch wenn Friedrich Sympathien für Despoten wie Wladimir Putin abstreitet, publiziert seine Zeitung immer wieder Beiträge, in denen es mehr um Verdrehungen und Schönfärberei geht als um andere Sichtweisen.» Nun ja, in dieses Zerrbild Scherrers passt zum Beispiel dieser Artikel nicht: «Wladimir Putins Jahreskonferenz war eine sterbenslangweilige Märchenstunde». Aber auch Scherrer frönt dem dummen Prinzip: never let the truth spoil a good story.

Es geht noch schlimmer: «Im Fall China wird die Vermischung von Journalismus und Propaganda noch deutlicher. An der Konferenz der «modernen Marxisten» in Peking war Holger Friedrich als Gast vor Ort, laut einer Fussnote unter seinem Artikel in der «Berliner Zeitung» hielt er auch ein Referat.»

Um beurteilen zu können, wie Friedrich über diese Konferenz berichtet, müsste man seinen Artikel lesen können:

Der steht allerdings hinter der Bezahlschranke, wodurch Scherrer annimmt, dass keiner der Leser seiner Philippika überprüfen kann, ob seine billige Polemik etwas mit dem Inhalt zu tun hat oder nicht. Ihnen sei versichert: nicht.

Friedrich referiert sachlich und unaufgeregt über die Themen: «Die chinesische Administration hatte zu dieser außergewöhnlichen Konferenz geladen. Das Vorhaben bestand darin, über Stand und Ausblick sozialistischer Konzepte zu diskutieren. Veranstaltet und organisiert wurde die Tagung vom Institut für Marxistische Studien, dem Thinktank der Kommunistischen Partei Chinas. Vom 28. bis 30. November fanden sich in Peking 80 Vertreter aus 34 Ländern ein

Scherrer könnte nun vielleicht eine Zusammenfassung liefern, worüber dort debattiert wurde. Stattdessen bemängelt er lieber, worüber nicht gesprochen wurde: «Dass China Länder wie Taiwan und die Philippinen bedroht, war offenbar kein Thema, zumindest ist bei Holger Friedrich nichts darüber zu lesen.» Zudem fehlte eine kritische Würdigung des Uiguren-Konflikts.

Aber irgendwie verspürt Scherrer, dass er sich mit seiner Schmierendarstellung auf rutschigem Eis bewegt und ruft die Kollegen aus Deutschland zu Hilfe: «Der Beitrag hat in deutschen Medien für Häme gesorgt. Die «Frankfurter Allgemeine» ätzte über «Journalismus, wie er in China praktiziert wird» – und warf Friedrich vor, mit dem Regime zu sympathisieren. Ob dieser (Friedrich, Red.) bloss naiv ist oder ob er sich aus politischer Überzeugung instrumentalisieren lässt, bleibt offen. Sein an Parteizeitungen wie die «Peking Rundschau» erinnernder Bericht passt jedenfalls zu jenem «antiimperialistischen» Weltbild, das der ehemalige DDR-Bürger Friedrich wiederholt offenbart hat

Ehemaliger DDR-Bürger? Soll ihm mit diesem üblen Tritt in die Vergangenheit unterstellt werden, Friedrich trage immer noch die Wurzeln seiner sozialistischen Sozialisierung mit sich? Sei sozusagen geographisch kontaminiert? Und belegt eine Polemik der FAZ irgendwie die Richtigkeit der Polemik von Scherrer? «Die haben auch gesagt», wie tief kann einer sinken.

Nachdem sich Scherrer so übel wie oberflächlich an Friedrich abgearbeitet hat, kann er sich am Schluss einen Schlenker in die Nähe nicht verkneifen. Nach Friedrich muss natürlich noch der zweite Verleger hinhalten, dessen Haltung Scherrer überhaupt nicht passt. So werde «berechtigte Kritik an westlicher Machtpolitik» als Vorwand genommen, «um diktatorische Regime zu verteidigen. Zu sehen ist das im Magazin «Weltwoche», das wiederholt Putins Verbrechen relativiert und «Journalismus» im Sinne der KP Chinas betrieben hat. Ähnlich wie Holger Friedrich versucht der Verleger Roger Köppel solche Beiträge zu rechtfertigen, indem er betont, man müsse auch «andere Sichtweisen» zulassen».

Versucht zu rechtfertigen? Wieso versucht? Scherrer selbst hingegen hat das nicht nötig. Er antwortet erst mal gar nicht auf Anfragen von ZACKBUM, womit er natürlich seine überlegen-liberale Haltung zum Ausdruck bringt.

Die NZZ bleibt weiterhin ein Leuchtturm im deutschsprachigen Journalismus. Allerdings häufen sich doch die blinden Flecken auf der Linse. Qualitätskontrolle, Ausgewogenheit, der Versuch, auch abweichenden Meinungen oder Positionen wenigstens gerecht zu werden, andere Meinungen zuzulassen und kritisch zu würdigen – das ist Scherrers Sache nicht.

Die «Berliner Zeitung» hingegen hat eine Einrichtung, die auch der NZZ zur Ehre gereichen würde:

Der NZZ kann man hingegen nicht vorwerfen, dass sie deutlich abweichende Meinungen zu Wort kommen lassen würde. ZACKBUM kann dafür aus eigener Erfahrung Beispiele liefern.

Einbetoniert in Vorurteile und die unfehlbare eigene Meinung dummschwätzen, verbale Gesteinsbrocken aus der Schiessscharte des reinen Gesinnungsjournalismus werfen – was das mit intelligenter Wirklichkeitsbeschreibung zu tun haben soll? ZACKBUM muss sich wiederholen: NZZ, quo vadis?

Häsler sändelet

Der kälteste (und einfältigste) aller kalten Krieger.

Wenn der Oberst und oberste NZZ-Sicherheitpolitiker Georg Häsler seinen Schreibtisch mit dem Kommandopult eines militärischen Oberkommandos verwechselt, hat der Leser zwei Möglichkeiten. Er lacht sich scheckig – oder ärgert sich schwarz.

ZACKBUM versuchte es bereits mit Ironie: Die NZZ hat schon bessere Samstag-Kommentare gehabt. Dieser hier hisst die weisse Flagge vor Logik oder Verständlichkeit. Dass so jemand als Oberst die Schweiz verteidigen soll, das stimmt nicht gerade optimistisch für die Wehrkraft.

Darüber macht sich allerdings auch Häsler Sorgen: «Die Mittel fürs Militär haben jetzt höchste Priorität». Gut, vielleicht sind das tatsächlich sinnvollere Ausgaben als für Bankenrettungen. Ob allerdings die Schweizer Verteidigungsministerin ihrer Aufgabe gewachsen ist, das wäre dann eine andere Frage. Vielleicht sollte man sie durch Häsler ersetzen (vielleicht ist das auch sein geheimer Wunschtraum).

Aber eigentlich hat er mal wieder Alpträume. Das ist bedauerlich, wieso aber die NZZ-Leser auch darunter leiden müssen? Denn Häsler schaut in die Zukunft, und dabei hat er wohl das ikonische Lied von Leonard Cohen gehört: «I’ve seen the future, baby, and it’s murder».

In der Version von Unke Häsler: «Europa 2030: Im schlimmsten Fall verschmelzen die Konflikte zu einem grossen Krieg». Schon vorher ist allerdings ein schlimmer Fall eingetreten: Häsler bekommt über 10’000 A Platz, um Nitro und Glyzerin zusammenzurühren und dann warnend zu sagen: das ist aber explosiv, bevor es wumm macht.

Oder in seinen banalen Worten: «Es ist Krieg in Europa, aber kaum jemand schaut noch hin. Das ist für die weitere Entwicklung gefährlich.» Die ukrainische Offensive sei zusammengebrochen, analysiert der grosse Sandkasten-Stratege, weil der Westen zu wenig und zu spät Material geliefert habe. Was offenbar – ausser Häsler – keinem der Beteiligten rechtzeitig auffiel. Das ist halt das Schicksal von Sandkastenkriegern: sie wüssten kriegsentscheidende Verbesserungen der Strategie – aber keiner hört auf sie.

Vor allem dann nicht, wenn sie ihren Sandkasten auf die ganze Welt ausweiten. Ukraine in der oberen, rechten Ecke. Dann in der Mitte der Nahe Osten. Rechts unten der Iran, der «ist als machtpolitischer Akteur in die Offensive gegangen». Wieso sagt das niemand dem US-Präsidenten oder der israelischen Regierung?

Man muss eben das Auge für das Wesentliche haben, dann sieht man wie Häsler ganz entscheidende Dinge. Wie was? Wie das: «Im östlichen Mittelmeer standen diesen Oktober für kurze Zeit gleich zwei amerikanische Flugzeugträger nebeneinander.» Zwei. Nebeneinander. Im Stillstand. Wahnsinn. Was sagt uns das? Hm, eigentlich nix.

Aber Wasser ist ein wichtiges Stichwort, selbst im Sandkasten: «Räumlich betrachtet, sind gleich drei Meere – die Ostsee, das Schwarze Meer und das östliche Mittelmeer – Schauplatz einer verschärften Konkurrenz zwischen der Nato, Russland und Iran.» Von den Aspekten des Umweltschutzes ist dabei noch gar keine Rede.

Und was passiert bei uns? Das Übliche, das Traurige, das Schreckliche: «Im Westen zersetzt die Innenpolitik die gemeinsame Widerstandskraft.» Wehrkraftzersetzung wagt Häsler nicht zu schreiben, weil zu angebräunt. Aber meinen tut er genau das.

Dann leidet Häsler darunter, woran alle Zukunftsspäher kranken: «Ob es der ukrainischen Armee gelingen kann, vor dem Frühling die Initiative mit einem militärischen Coup wieder zurückzuerlangen, ist schwer zu beurteilen.» Das ist eben das Blöde an der Zukunft: sie ist so verdammt schwer zu beurteilen, im Gegensatz zur Vergangenheit.

Und was machen die USA? Tja: «Zusätzlich zur militärischen Machtdemonstration legt Washington das ganze diplomatische Gewicht in die Waagschale und versucht auszugleichen.» Ob das gut oder schlecht sei, dazu masst sich Häsler für einmal kein Urteil an. Seltene Bescheidenheit, denn das ist ja nur die Einleitung zu einem Sturmangriff auf die Zukunft: «Die Szenarien, wie sich die Lage unmittelbar entwickeln könnte, müssen laufend geschärft werden. Die folgenden Möglichkeiten sind auf das europäische Umfeld und einen Zeithorizont von zehn Jahren begrenzt».

Immerhin, er beschränkt sich weise, beginnt aber mit einem Schreckensszenario und einem Fremdwort: «Amalgamierung der regionalen Kriege und Konflikte zu einem grossen Krieg autoritärer Kräfte unter der Führung von Russland gegen die Nato.»

Mindestens so schrecklich: «Russland gewinnt: Muss die Ukraine auch nur temporär auf die besetzten Gebiete verzichten, hat sich in Europa die militärische Gewaltanwendung als machtpolitisches Mittel wieder durchgesetzt.»

Am wenigsten schrecklich: «Die Ukraine gewinnt: Das beste Szenario würde die Resilienz der westlichen Welt gegenüber der autoritären Konkurrenz insgesamt stärken.» Resilienz! Leider verzichtet Weltstratege Häsler darauf, etwas militärisch Banales zu tun: was hiesse denn «Ukraine gewinnt» konkret? Rückeroberung aller Gebiete? Inklusive Krim? Da bleibt das Orakel leider dunkel.

Aber dunkle Prognosen sind natürlich immer verfühererischer als helle. Nach kurzem Geeier geht Häsler in die Vollen:

«Im schlechtesten Fall gerät die Lage eruptiv ausser Kontrolle. Eine Eskalation zu einem Grosskrieg, bei dem gleich an mehreren Fronten immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Aggressoren und dem Westen stattfinden, ist denkbar, falls eine der Ereignisketten nicht mehr kontrolliert werden kann. Der Auslöser könnte auch an einer dritten Front stattfinden, etwa durch eine Unabhängigkeitserklärung der serbischen Entität Bosniens oder einen Sabotageakt an einer kritischen Infrastruktur, der eine Strommangellage in Europa verursachen würde.»

Da müssten wir uns warm anziehen; schlimmer noch: «Die europäischen Streitkräfte wären ohne die USA für dieses düsterste Szenario nicht bereit.» Aber schön, dass die USA doch in der NATO sind und damit einen Bestandteil der europäischen Streitkräfte unter einem gemeinsamen Oberkommando bilden.

Nun öffnet Häsler zum Schluss das Kampffeld nochmal ganz weit und schweift in die ferne: «Gerade mit Blick auf die Herausforderungen im Pazifik und die wachsende Konkurrenz mit China sollten auch die Europäer mithelfen, die Konflikte in ihrem Umfeld zu klären.»

Wie das? «Der Einsatz muss erhöht werden, damit ein grosser Krieg verhindert werden kann.» Den Einsatz erhöhen? Sitzt Häsler nun plötzlich nicht mehr vor dem Sandkasten, sondern vor dem Roulettetisch? Alles nur eine Frage des Einsatzes, und «faites vos jeux»?

Es ist alles ja nur eine Spielerei, mit militärischen Ausdrücken garniertes Geplauder über eine Zukunft, die so sein könnte. Oder ganz anders. Oder wie auch immer. Schwarz gewinnt. Oder Rot. Oder Zero. Die Kugel rollt, und niemand kann sie aufhalten. Was für ein gequirlter Nonsens, den die NZZ hier ihren Lesern serviert.

Häsler kocht Süppchen

Wozu die Hamas alles missbraucht werden kann.

Der NZZ-Sandkastenmilitärstratege Georg Häsler ist eine echte Kriegsgurgel. Seine Beiträge sind konsequent unter jedem intellektuellen Niveau und eine Schande für die NZZ. Da beklagt er schon mal Defätisten und schwankende Gestalten statt zackiges Salutieren und Stechschritt. Eine schlappe Schweiz.

Nun irrlichtert er schon wieder, diesmal unter dem irren Titel «Die Ukraine kann Europa sicherer machen». Weniger militärisch-strategisch bewanderte Menschen könnten denken, dass die Ukraine die grösste Kriegsgefahr für Europa seit dem Hitlerfaschismus darstellt.

Zunächst einmal lässt Häsler Militärjargon auf den Leser regnen, um unter Beweis zu stellen, dass er da wohlgerüstet ist: «Mit ihren «carrier strike groups» sind die USA heute noch in der Lage, ihre militärische Kraft nach dem Konzept der «force projection» sofort und weltweit einzusetzen.»

Nun wird es aber intellektuell anspruchsvoller, und da ist dann nix mehr mit einem «Konzept der «Force Protection»» bei Häsler: «Für die Ukraine könnte deshalb das Zögern und Zaudern der Nato-Staaten am Gipfel von Vilnius im vergangenen Sommer fatale Folgen haben.» Ach ja, neben dem Nahen Osten gibt es doch noch die Ukraine.

Die solle nun doch endlich in die NATO eintreten, fordert Häsler, indem er ein «Warsaw Security Forum» zitiert. Aber leider: «Washington und Berlin hätten sich «in die Geiselhaft einer Eskalationsangst» begeben.» «Eskalationsangst», was für ein putziger Begriff, um eine gewisse Vorsicht gegenüber einem drohenden atomaren Schlagabtausch zu denunzieren.

Aber das sieht Kriegsgurgel Häsler ganz anders: «Eine verbindliche Nato-Zusage wäre ein starkes Zeichen der Einigkeit.» Vielleicht wäre eine verbindliche NATO-Zusage für die Ukraine auch der Start für einen Dritten Weltkrieg, aber das ist sicherlich nur Ausdruck einer «Eskalationsangst». Wobei: die NATO-Doktrin ist ja, dass ein Angriff auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle betrachtet wird und auch atomar beantwortet werden kann. Aber was interessieren Häsler solche Peanuts.

Andersrum wird ein Schuh draus, behauptet Häsler: «Kann es sich Europa überhaupt leisten, die kriegserfahrenste Armee nicht in die Nato aufzunehmen?» Die Frage stellen, heisst sie beantworten, nach der Logik eines geistigen Brandstifters.

Nun fehlt ihm nur noch die Verbindung zwischen dem Ukrainekrieg und den brutalen Attacken der Hamas auf Israel. Mit wenig Kopfkratzen und noch weniger Hirnschmalz kriegt Hasler das hin:

«Der Kampf gegen die freie Welt wird mit einem konventionellen Krieg in der Ukraine, aber auch mit Terror oder Sabotageakten geführt. Die unterschiedlichen Angriffe, ob koordiniert oder auch als Amalgam verschiedener Konflikte und Konfliktformen, erfordern mehrdimensionale Konzepte, aber auch mehr militärische Kraft

Et voilà. Fehlt noch etwas in dieser Irrwisch-Logik? Klar, der krönende Abschluss, sozusagen die Narrenkappe auf dem Haupt: «Die Nato und der Westen überhaupt sind schlicht auf die Kampferfahrung der ukrainischen Armee angewiesen

Damit dann die kampferfahrene ukrainische Armee der Nato, dem Westen und auch Israel im Kampf gegen die Hamas und andere fundamentalistische Wahnsinnige beisteht? Nun, geistige Verwirrung muss nicht nur religiös verursacht sein. Zu viel Sandkasten im Hirnkasten hat auch verheerende Auswirkungen.

Kalter Krieger Häsler

Oberst und NZZ-Sicherheitspolitiker. Üble Mischung.

Wenn Georg Häsler in die Tasten greift, hört es sich an wie ein Echo aus alten Zeiten, als das Schweizer Bürgertum ernsthaft trompetete: lieber tot als rot.

Heute wirft Häsler «der Schweiz» vor, «für den schlimmsten Fall, einen schleichenden Sieg Russlands und die Fragmentierung Europas, weder mental noch militärisch vorbereitet» zu sein. Schlimmer noch: «Zudem taumelt der Bundesrat in eine Krise mit den USA

Defätisten und schwankende Gestalten statt zackiges Salutieren und Stechschritt. Schlappe Schweiz. Dabei sei die Lage besorgniserregend. «Russland reizt den Graubereich zu einer direkten Konfrontation mit der Nato weiter aus …». Dagegen hierzulande: «Es ist dies die radikale Reduktion einer verwöhnten Gesellschaft auf sich selbst, ein trotziger Blick ins Landesinnere, um ja keine Position einnehmen zu müssen …»

Dann verschwindet Häsler in einer Fantasiewelt: «Das Ende des Kalten Kriegs brachte sogar eine kurze Zeit des Vertrauens in eine regelbasierte Ordnung.» In Wirklichkeit brachte das Ende Allmachtsfantasien vom Ende der Geschichte und einer ewigwährenden imperialistischen US-Herrschaft.

Aber heute? Während die «Drohung des Kreml mit der Atom-Keule» wirke, fehle «den westlichen Regierungen die Kraft zur Konsequenz». Um mit der gleichen Waffen zurückzukeulen? Als strahlender Sieger vom Platz gehen, in einer Welt als atomarer Trümmerhaufen?

Dann wird’s sehr merkwürdig:

«Die Schweiz unterscheidet militärisch nicht zwischen dem Angreifer, der das Gewaltverbot der Uno-Charta gebrochen hat, und der ukrainischen Armee, die von ihrem Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht.»

Und wie sollte sie das tun? Das beantwortet der Oberst nicht, dafür unkt er: «Was diese aussen- und sicherheitspolitische Fessel bringen soll, ausser Punkte bei den internen Predigern der reinen Lehre des Neutralitätsrechts, bleibt das Geheimnis der Landesregierung. Unterstützt sie damit gar den Aggressor? Selbst die besten Freunde werden den Verdacht nicht los, die Schweiz wolle mit autoritären Regimen im Geschäft bleiben – auch mit dem Kreml. Unter dieser Affiche taumelt der Bundesrat wohl gerade in eine ernsthafte Krise mit den USA.»

Wie schaffen das die taumelnden Bundesräte? «Washington kann nicht nachvollziehen, weshalb die Schweiz der G-7-Task-Force nicht beitritt, die nach versteckten Geldern russischer Oligarchen sucht.» Washington kann nie nachvollziehen, wieso sich ein souveräner Rechtsstaat lieber an seine eigenen Gesetze hält als an rechtsimperialistische Vorgaben der grössten Militärmacht der Welt, die so ihre eigenen rechtsstaatlichen Probleme hat, nicht nur mit ihrem letzten Präsidenten.

Aber immerhin, die Schweiz darf 36 Kampfjets von den USA kaufen, «zu einem bemerkenswert tiefen Gesamtpreis von sechs Milliarden Franken. Die Plattform ist ein wesentlicher Bestandteil der westlichen Überlegenheit gegenüber der russischen Technologie». Ein Klacks gegen die rund 800 russischen Kampfjets, den insgesamt 1570 Kampfflugzeugen. Ein klitzekleiner Klacks gegen die 2757 Kampfflieger der USA.

Wie im kalten Krieg meint der Oberst, konventionelle Streitkräfte, Flugzeuge, Tanks, Artillerie, seien entscheidend für einen Kleinstaat wie die Schweiz. Von Cyberkrieg, virtuellen Angriffen auf AKW oder Staudämme, von modernen Formen der Kriegsführung scheint er wenig Ahnung zu haben.

Was rät er denn am Ende seiner 9000 Anschläge der Schweiz? «Wegschauen hilft nichts. Die überlieferte Skepsis der Schweiz gegenüber den Grossmächten ist eine Aufforderung, den Kampf gegen die autoritäre Versuchung nach Kräften zu unterstützen.»

Hier wird er wieder sehr, sehr dunkel. Wer will denn wegschauen? Eigentlich niemand. Was soll an der Skepsis gegen Grossmächte «überliefert» sein? Die ist brandaktuell. Sie sei eine Aufforderung, den Kampf gegen was zu unterstützen? Was ist eine «autoritäre Versuchung»? Russland? Die Ukraine? Oder existiert sie in der Schweiz? Das ist nun sackschwach für einen Militärstrategen. Denn schon Clausewitz wusste:

«So wird (…) der politische Zweck als das ursprüngliche Motiv des Krieges das Mass sein, sowohl für das Ziel, welches durch den kriegerischen Akt erreicht werden muss, als für die Anstrengungen, die erforderlich sind.»

Aber wer seinem Geschwurbel den Titel gibt «Dieser Krieg verschwindet nicht», der hat’s schon ganz am Anfang versemmelt. Die NZZ hat schon bessere Samstag-Kommentare gehabt. Dieser hier hisst die weisse Flagge vor Logik oder Verständlichkeit. Dass so jemand als Oberst die Schweiz verteidigen soll, das stimmt nicht gerade optimistisch für die Wehrkraft.

 

Gesetzesbrecher

Journalisten kennen nix, wenn es um Waffenlieferungen geht.

Das Kriegsmaterialgesetz der Schweiz lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Jeder Laie versteht den Artikel 22a, «Bewilligungskriterien für Auslandgeschäfte».

Die werden nicht bewilligt, «wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen Bewaffnete Konflikt verwickelt ist».

Um das scheunentorgrosse Schlupfloch von erlaubten Lieferungen an Staaten zu schliessen, die das Kriegsmaterial dann flugs weiterverkaufen, gibt es zudem die Pflicht der «Nichtwiederausfuhr-Erklärung». Auch das versteht jeder Laie.

Das verstehen aber viele Politiker und auch Journalisten nicht. In geradezu nordkoreanischem Dreiklang meinen die grossen meinungsbildenden Konzerne Tamedia, CH Media und NZZ, dass der Export von 25 Leopard 2 nach Deutschland schon voll in Ordnung sei. Maja Briner ist seit fast 5 Jahren Bundeshausredaktorin in Teilzeit bei CH Media. Sie ist Militärexpertin und Rechtsspezialistin. Oder nein, sie hat einen BA in Medien- und Kommunikationswissenschaft. Also kommuniziert sie: «Die Schweiz aber steht abseits. … Nun kommt endlich etwas Bewegung in die verhockte Debatte … dass sie auf eingemotteten deutschen Panzern hockt, die sie nicht braucht, während andere sie dringend benötigen: Das ist in dieser Situation kaum zu rechtfertigen.» Dieser Verkauf sei «ein erstes Zeichen von gutem Willen».

Dass Mario Stäuble von vielem wenig versteht, ist bekannt. Nun outet er sich auch noch als Nicht-Gesetzesversteher bei Tamedia: «Der Bundesrat will alte Kampfpanzer nach Deutschland zurückgeben, um die Ukraine zu unterstützen. Das ist pragmatisch und richtig … er verletzt weder das Neutralitätsrecht noch verursacht er grosse Kosten … das Narrativ eines Staates, der Mühe damit hat, sich auf die neue europäische Sicherheitslage einzustellen, wird abgeschwächt».

Georg Häsler ist Philologe und Oberst der Schweizer Armee. Mit dieser Autorität ausgestattet, verkündet er in der NZZ, dass gegen diesen Entscheid nichts einzuwenden sei «– im Gegenteil. Die Schweiz als westliches Land hat ein Interesse daran, dass die ukrainische Armee die Besatzungstruppen zurückschlagen und im besten Fall vertreiben kann. Auch aus militärischer Sicht ist die Rückgabe von 25 von 96 stillgelegten Leopard 2A4 knapp vertretbar».

Aber immerhin, es ist dann doch die NZZ, fügt er hinzu: «Zuerst reagiert Bern mit grossen Worten, dann wahlweise taub oder gekränkt – und knickt dann schliesslich ein.»

Die Beschreibung ist nicht schlecht. Sie beinhaltet aber unausgesprochen, dass in der Schweiz Gesetze, die aus irgend einem Grund nicht genehm sind, nicht mehr auf dem vorgeschriebenen Weg geändert – sondern schlichtweg umgangen werden. Wie das Deutschland und diverse andere europäische Staaten auch tun.

Blasen wir die Nebel des Krieges von diesem Thema. Und kehren wir zu den einfachen Worten des Gesetzes zurück. Waffenlieferungen an die Ukraine sind verboten. Verboten heisst hier verboten, wie in verboten. Waffenlieferungen an nicht kriegführende Staaten sind erlaubt, wenn sie nicht in Kriegsgebiete weiterexportiert werden. Das ist verboten. Verboten wie in verboten.

Nun kommt eine Schlaumeierei. Wie ist es denn dann, wenn die Schweiz an Deutschland Panzer liefert, damit Deutschland Panzer an die Ukraine liefern kann? Machen wir einen kleinen Multiple Choice Test: Das ist

a) erlaubt
b) verboten
c) eine Schlaumeierei
d) eine verdammte Schlaumeierei

Natürlich ist die Antwort b) richtig. Erlaubt ist es auf keinen Fall, und Schlaumeiereien sind in Gesetzen eigentlich nicht vorgesehen. Die betreiben normalerweise Winkeladvokaten, die nach Auslegungen, Auswegen und Umwegen suchen, um trotz klarem Wortlaut eines Gesetzes einen Verstoss wegzuschummeln. So à la Bill Clinton: «Ich hatte keinen Sex mit dieser Frau.» Nein, das war nicht gelogen, in den Südstaaten gilt Oralverkehr nicht als Sex, ätsch.

Zu den vielen Gebieten, auf denen die Medien versagen, gesellt sich nun noch ein ziemlich wichtiges. Sie behaupten unverzichtbar zu sein, weil sie die Vierte Gewalt seien, eine Kontrollfunktion wahrnähmen, vor allem staatliches Handeln kritisch unter die Lupe nähmen. Wie schon während der Pandemie …

Das obrigkeitshörige, manchmal geradezu kriecherische Verhalten der Mainstreammedien gegenüber der Regierungspolitik bei Corona war bereits hochbedenklich. Nun wiederholen aber die Medien beim Ukrainekrieg ungehemmt den gleichen Fehler. Statt kritisch zu begleiten, Fragen nach Gesetzestreue zu stellen, sich Gedanken zu machen, was die Aufgabe der Neutralität bewirken könnte – lobhudeln sie fragwürdige Regierungsentscheidungen, rufen sogar nach mehr und direkteren Waffenlieferungen an die Ukraine.

Mit dem absurden Argument, dass das den «Druck des Auslands» auf die Schweiz nehme, sie damit zu den «guten» Staaten gehöre, nicht länger «abseits stehe», «berechtigten Forderungen» nachgebe. Welch ein Niedergang.

Politiker sind flexibel, das ist bekannt. Der gleiche Bundesrat Berset, der in Berlin noch tapfer verkündete, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze halte, sich zuvor sogar gegen einen «Kriegsrausch» aussprach, gehört nun plötzlich zu den Befürwortern dieses Gesetzesbruchs.

Wenn aber der vermeintliche Wächter des Staates, die Vierte Gewalt, klarem Rechtsbruch applaudiert, sogar noch mehr fordert, dann kann er die Behauptung dieser Funktion auch gleich selbst beerdigen. Denn das Publikum glaubt auch hier kein Wort mehr.