Häsler spielt Krieg
Der Sandkastengeneral läuft zu Höchstformen auf.
Im genialen Film «Dr. Seltsam, oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben» von Stanley Kubrick aus dem Jahre 1964 gibt es eine Szene, wie die Kriegsgurgel General Jack Turgidson dem US-Präsidenten vorträgt. Da die Atomwaffen tragenden Bomber nun schon mal losgeschickt seien, solle man alles hinterherwerfen, was die USA haben.
Dann lägen die eigenen Verluste bei «akzeptablen 20 Millionen Toten». Der Präsident ist entsetzt.
Dieses Entsetzen befällt den Leser, wenn er die Jubelschreie des Wiedergängers dieses Generals liest. Georg Häsler ist zwar nur Oberst, trägt aber den Marschallstab im Tornister. Er kriegt sich nicht ein vor Bewunderung über dieses «durchkomponierte Manöver der israelischen Luftwaffe».
«Top Gun» ist ein Dreck dagegen, was die Israelis hier geleistet hätten. Es sei ein «klassisches Angriffspaket», Häsler lässt ohne Rücksicht auf «Feind hört mit» Fachwissen auf den Leser niederregnen:
«Die Angriffswellen der israelischen Luftwaffen folgen offensichtlich dem Muster der «fünf Warden-Kreise», einer Theorie für strategische Luftangriffe, die der amerikanische Oberst John Warden im Vorfeld des ersten Golfkriegs zur Befreiung Kuwaits entwickelt hatte.»
Wow. Dass diese Befreiung samt Fake News («Babys aus Brutkästen gerissen») zur Massenvernichtungswaffenlüge führte, das wiederum zur Verwandlung Iraks in einen failed state, das übersteigt den Horizont des Militärkopfs.
«Kraft», «Zeit», «Für jede einzelne Welle wird ein operatives Paket zusammengestellt», «striker package», «Unabhängig von der iranischen Reaktion scheint Israel nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens eine erfolgreiche «joint domain operation» gelungen zu sein». Häsler kriegt sich gar nicht mehr ein. Höchstwahrscheinlich hat er den Artikel im Kampfanzug geschrieben, mit dem er auch schon mal an Pressekonferenzen auftaucht.
Er hat allerdings das gleiche Problem wie sein Filmvorbild. Militärköpfe sind völlig unfähig, die politischen Implikationen und Auswirkungen eines völkerrechtswidrigen Terrorangriffs zu begreifen.
Abgesehen davon, dass der Iran bereits zurückgeschlagen hat und nun der Gegenschlag Israels folgen wird: wenn die Ayatollen in Teheran noch einen Stupf brauchten, so schnell wie möglich eigene Atomwaffen zu bauen, dann haben sie ihn bekommen.
Was Israel als bisher einzige Atommacht im Nahen Osten unter allen Umständen verhindern will. Begleitet von einem US-Präsidenten, der nicht mal auf die Reihe kriegt, ob er nun von diesem rechtswidrigen Vorgehen der israelischen Regierung gewusst habe oder damit einverstanden sei. Inzwischen hat er wieder zu seinen üblichen Superlativen zurückgefunden und nennt ihn «ausgezeichnet». Obwohl damit sein «Deal» mit dem Iran in die Luft gesprengt wurde.
Dass beim völkerrechtswidrig handelnden israelischen Ministerpräsidenten die Angst davor, ohne die schützende Immunität seines Amtes wegen Korruption in den Knast zu wandern, eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, was kümmert das einen Westentaschengeneral, der mit leuchtenden Augen Militärgebabbel von sich gibt.
In Kubricks Film wird der Vorschlag von General Turgidson, genial verkörpert durch George C. Scott, zurückgewiesen. Am Schluss kommt dann doch der Weltuntergang. Aber der General hat auch dafür einen Vorschlag. Die Besten und Stärksten, also auch er, müssten sich halt in Bunkern verkriechen und abwarten, bis sich der atomare Staub gelegt habe.
Als Oberst im Generalstab hat Häsler auch ein sicheres Plätzchen. Von wo aus er dann, leider ohne NZZ, weiterhin seinen abstrusen Kriegsfantasien nachleben kann.