Frau Birrer hat eine Idee

Das ist keine gute Idee.

Raphaela Birrer ist die Oberchefredaktorin von Tamedia. Das heisst, sie beschallt den Tagi und eine Unzahl weiterer Kopfblätter, die das meiste von der Zentralreddaktion in Zürich übernehmen. Ob’s in Basel oder Bern passt, ist doch egal.

Aber item, wenn die Oberchefredaktorin einen Kommentar schreibt, dann sollte das etwas bedeuten. Richtig bedeutungsvoll wird es, wenn sie nicht einfach ein gepflegtes Einerseits-Andererseits absondert. Ausgesprochen bedeutungsvoll wird es, wenn  sie einem Bundesrat über den Mund fährt: «Rösti muss der SRG zuerst Grenzen setzen – und dann sparen».

Medienminister Albert Rösti hat den Gegenvorschlag des Bundesrats zur 200-Franken-Initiative vorgestellt. Die nennt Birrer schon mal falsch «Halbierungs-Inititaive». Für sie sind offenbar 200 Franken die Hälfte von 335. Na ja, sie muss ja nicht rechnen können.

Sie muss auch nicht neutral zur 200-Franken-Initiative stehen: «Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass Rösti diese viel zu weitreichende Initiative mit einem Gegenkonzept bekämpfen will.» Es ist auch erlaubt, einem Bundesrat zu zeigen, wo Birrer den Most holt: «Falsch ist hingegen sein Vorgehen. Rösti will zuerst die Gebühren senken und dann (nach der Volksabstimmung zur Halbierungsinitiative) im Jahr 2029 die Konzession erneuern. Dabei müsste es genau umgekehrt ablaufen.»

Birrer muss auch nichts von Logik verstehen. Nur: muss sie das alles so öffentlich zeigen? Sie fordert also den Bundesrat auf, zuerst die Konzession zu erneuern, bzw. zuerst die Aufgaben der SRG neu zu definieren. Das ist eine Superidee, weil man ja nicht weiss, ob die Initiative angenommen wird oder nicht. Dann wäre also der Auftrag neu formuliert, aber wenn sie angenommen würde, könnte dann doch etwas das Geld dafür fehlen. Oder Rösti geht von seinen 300 Franken aus und verteilt entsprechend die Ressourcen bei der SRG. Und am Schluss wird die Initiative und der Gegenvorschlag abgelehnt, alles bleibt beim Alten.

Versuchen wir, Birrer ganz langsam und vorsichtig an ihren groben Denkfehler heranzuführen. Dabei hilft sicher ein ihr näherliegendes Beispiel. Tamedia spart bekanntlich ein paar Milliönchen ein. Laut Birrer müsste man das aber so machen: zuerst müsste geklärt werden, was denn die inhaltliche Mission von Tamedia ist, «dann das Budget daran angepasst werden», wie sie das bei der SRG fordert.

Da würde sich Pietro Supino aber schlapplachen und einige hässliche Sachen über einen so unsinnigen Vorschlag sagen.

Er würde vor allem sagen: wenn ich noch nicht weiss, wie viel Geld ich in Zukunft kriege, wie soll ich dann vorher Inhalte definieren? Ist doch bescheuert. Und damit hätte er sogar einmal Recht.

Aber nach dem Denkfehler kommt noch die Peinlichkeit. Denn der Rüffel an Rösti (der Mann ist halt in der falschen Partei) kommt nun noch Propaganda in eigener Sache. Denn wie auch immer und mit wie viel Geld auch immer, auf einem Gebiet sieht Birrer strengen Handlungs- und Sparbedarf:

«Mit ihren Websites und Apps erreicht sie (die SRG, Red.) heute fünfmal so viele Nutzer wie noch 2016. Damit konkurrenziert sie direkt die privaten Medien, zu denen auch diese Redaktion gehört.»

Da sieht Birrer ganz uneigennützig dringlichen Handlungsbedarf: «Damit diese Wettbewerbsverzerrung beseitigt wird, muss die Onlinetätigkeit der SRG in der Konzession griffig eingeschränkt werden.»

Griffig? Einfach so, dass die Teppichetage der Medienkonzerne, in erster Linie die von Tamedia, «Tages-Anzeiger», Tx oder wie der Laden gerade heisst, weiterschnarchen kann. Welche kühne Forderung Birrers am Schluss: «Ein griffiges inhaltliches Gegenkonzept zur Halbierungsinitiative – das sollte dem Bundesrat das öffentliche Radio und Fernsehen wert sein.»

Das ist eine sowohl unsinnige, wie wohlfeile wie voreingenommene Forderung. Sie hätte ehrlicher schreiben können, Rösti solle gefälligst das Online-Angebot von SRG zusammenstutzen, weil das ihren Konzern kujoniert.

Richtig mutig allerdings – aber eben, Mut kann die Stelle kosten – wäre es gewesen, wenn Birrer geschrieben hätte: ein griffiges Gegenkonzept zum ständigen Stellenabbau und der Skelettierung des inhaltlichen Angebots – das sollte dem Coninx-Clan und seinem Statthalter Tamedia wert sein.

Das wäre mal eine Ansage. Aber eben, Zivilcourage ist bei Tamedia Mangelware. Birrer jammert ganz allgemein über «den starken Spardruck» der Medien, den «der gerade heute kommunizierte Stellenabbau bei CH Media verdeutlicht». Aha. Aber hat man deutliche oder undeutliche Worte von Birrer zum Stellenabbau bei Tamedia gehört? Von der üppig ausgestatteten Chefredaktion? Von Kerstin Hasse, die doch sonst mit Forderungen nicht hinter dem Berg hält?

Wie tief soll das alles noch sinken? Eine Chefredaktorin, die öffentlich Denkfehler vorführt und unverhüllt Propaganda in eigener Sache macht. Aber – mitsamt ihrer wohlbezahlten Chefredaktion – kein kritisches Wort zum Sparkurs im eigenen Haus äusssert. Führung durch Vorbild. So sieht dann auch der übrige Inhalt von Tamedia aus.

 

6 Kommentare
  1. Karl Warth
    Karl Warth sagte:

    Birrer ist besser als ihr Ruf. In ihrer Funktion tut sie das möglichste, langsam Aktzeptanz für das absehbare Abstimmungsergebnis zu schaffen. Im Forum und in der Redaktion keift es schon gewaltig gegen diese Initiative, wird wiedereimal die Demokratie bedroht gesehen, SRG und -F ganz rosa und unbefleckt gesehen, der diffuse „service public“ mit ganz viel gutem und edlem aufgeladen. Ein gigantisches Rückzugsgefecht, wie es links heute das Lebensgefühl zu sein scheint. Da ist Birrer zwischen den Zeilen schon weiter und ich frage mich manchmal, wie sie es als Kindergärtnerin in diesem Kindergarten aushält.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Wie lange begleiten und kommentieren wir diese sich selbst abschaffenden (üblen) Karikaturen von Medien noch?
    Andrea Fopp (das ist die, die scheint’s 2024 irgendwo im Qualitätsmedien-Elend eine neue Stelle antreten soll) schreibt heute im Batsch-newsletter: ‹Wir waren beim Journalismus und wie er dabei hilft, die Welt zu verstehen. Nehmen wir den Anschlag auf Israel am 7.Oktober, bei dem Terroristen der Hamas über 1400 Menschen ermordet haben. Das Ganze überfordert mich emotional und intellektuell.›

    Für einmal wenigstens punktuell ehrlich, aber danach lügt sie sich selber (und uns) grad wieder faustdick auf vielen Zeilen ihr schräg verwoulkelt oder verwackeltes Weltbild voll.
    Braucht es noch weitere Argumente, dass wir das Fernrohr aufmachen müssten, wo es noch Menschen oder Journalisten gibt, die nicht emotional, intellektuell oder nur schon von der Redlichkeit her nicht überfordert wären?
    Uns die Welt nicht aus den Perspektiven&Interessen ihrer Yacht-, Schloss-, Edelkarossen-Besitzer oder Erb-Reichen erklären.
    Als bezahlte, ge- und verkaufte Dummies, die sich an die knapper werdenden Klappstühle klammern.
    Wie heisst das Spiel so schön zeitgemäss, Reise nach Jerusalem.
    Nach Wikimädia: Spiel ‹das einen einzigen Gewinner ermittelt’…………..

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  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Kritische Worte im eigenen Haus? Birrer wird sich hüten so etwas zu tun, lieber auf Profil und Kante verzichten dafür sicher auf der Payroll des TA. Ihre Untergebenen ticken gleich.

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  4. Ruedi Rudolf
    Ruedi Rudolf sagte:

    Es waren noch nie die Journalistischen Leistungen, welche die Tageszeitungen Rentabel machten. Es waren die Einnahmen aus Anzeigen, Inseraten und Werbung, die denn Zeitungs-Verlegern das wirklich große Geld einbrachten, und diese so richtig Reich machten. Wichtige Einnahmequellen wurden aus denn Zeitungen herausgenommen, mit denen der nicht Gewinnbringende Journalismus Querfinanziert wurde.

    Vieles wie Immobilien, Fahrzeuge, Stellenmarkt, wurde auch auf eigene Internetplattformen ausgelagert. Gratiszeitungen und das Internet mit vielen Gratis Nachrichten-Webseiten, welche Online auch schneller, aktueller sind, geben denn Althergebrachten Tages-Zeitungs-Häuser den Rest. Für das Mediale Überangebot, auch Radio und Fernsehen ist zu wenig Nachfrage vorhanden, um es Kostendeckend zu finanzieren. Es bleibt die Querfinanzierung, oder den Zeitungs-Laden dicht zu machen. Das mit in den Steuertopf greifen, Staatliche Unterstützung durch Steuerzahler, hat ja bekanntermaßen auch nicht funktioniert. Was passiert mit Zwangsgebühren, kann man ja sehr gut beim aufgeblähten, überdotierten ÄsÄrÄf sehen, eine Staatliche Geldverbrennung TV/Radio VerAnstaltUng.

    Es ist natürlich sehr schwierig das einzusehen, dass das Traditionelle Tageszeitungs-Geschäftsmodel im Papier Format, das über mehrere Jahrhunderte so gut funktionierte, so lange und soviel Geld eingebracht hat, im Internet Zeitalter – halt nicht mehr funktionieren kann.

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    • Mathias Wyss
      Mathias Wyss sagte:

      Zu Ihrem ersten Abschnitt: Ohne Leser gibts bzw. gabs aber keine Werbung und nicht einmal Todesanzeigen. Je mehr Leser, umso höhere Werbeerträge.

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