Schlagwortarchiv für: Raphaela Birrer

Multitasking

Woher Tamedia seine Meinung übernimmt.

Es ist ein anhaltender Skandal, dass einer der wenigen überlebenden Medienkonzerne der Schweiz seine Meinung aus München übernimmt und sie seinen zahlenden Schweizer Lesern als Eigenleistung präsentiert. Man kann hier sogar von einem Etikettenschwindel sprechen.

Denn Clara Lipkowski wird dem Tamedia-Leser serviert als «Redaktorin im Ressort International mit Schwerpunkt Ukraine und Russland».  Die Wahrheit ist, dass sie nach einem Volontariat «freie Mitarbeiterin» der «Süddeutschen Zeitung» ist, «seit August 2020 Korrespondentin für Franken». All das qualifiziert sie ungemein, neben Artikeln über das Wachsen Nürnbergs, über «Warum es an Bayerns Flughäfen zu Reiseausfällen kommt» oder «Eltern tun alles, um einen Kita-Platz zu finden» einen Kommentar über die russischen Wahlen abzusondern.

Ein Kommentar, den die SZ selbst (bislang) nicht für veröffentlichungswürdig hält. Anscheinend funktioniert dort noch eine gewisse Qualitätskontrolle. Aber bei Tamedia mausert er sich zum «Leitartikel». Das Wort bedeutete früher mal was.

Aus ihrer sicheren Schreibstube rechnet Lipkowski mit Präsident Putin ab: «Seine Macht kennt kaum Grenzen. Er räumt aus dem Weg, wer ihm gefährlich wird. Alexei Nawalny musste deshalb sterben. Putin steuert die Medien, er personifiziert die Alternativlosigkeit, neben ihm gibt es keinen Platz.»

Die Wahlen in Russland seien eine Farce, erklärt sie überraschungsfrei. Dann aber wagt sie einen Blick in  die Zukunft: «Wie kann Russland zurückfinden zu einer russischen Demokratie?» Zurückfinden, Demokratie? Wann gab’s denn das? Unter den Zaren? Unter Lenin? Unter Stalin? Unter Gorbatschow? Unter Jelzin? Hat die Dame neben Kenntnissen über Franken auch nur den Hauch einer Ahnung von Russland?

Aber auf jeden Fall weiss sie, was in Russland geschehen sollte:

«Die Eliten sind es, die Putin die Gefolgschaft verwehren müssten. Sicherheitskräfte, auch die Putin unterstellte Nationalgarde, müssten Befehle ignorieren, die Waffen niederlegen. Staatsbedienstete dem Staat den Dienst verweigern. Kremltreue Konzernchefs Putin den Rücken kehren. Erst so kann das System von innen beginnen zu bröckeln.»

Fränkisches Wolkenkuckucksheim. Aber sie schwebt noch höher in Illusionswolken: wie soll der Westen mit den Wahlen umgehen? «Ein Weg wäre es, sie und damit Putin als Präsident nicht anzuerkennen. So wie es der Westen 2020 im Fall von Alexander Lukaschenko getan hat.»

Das empfiehlt sie allen Ernstes EU-Politikern; für zwei hat sie noch einen weiteren Ratschlag zur Hand: «Wirkung hätte dieser Schritt wohl nur, wenn der Westen geeint agiert. Wenn Leute wie der französische Präsident Emmanuel Macron und der deutsche Kanzler Olaf Scholz aufhören würden, sich in öffentlich ausgetragenen Streitereien um europäische Bodentruppen oder Marschflugkörper in der Ukraine zu zerreiben.»

Sagen wir so: In der SZ existieren offenbar noch Spurenelemente einer Qualitätskontrolle, wo man sogar einer Autorin (!) zu sagen wagt: schreib lieber etwas über Franken, davon verstehst du vielleicht was.

Aber Tamedia weiss weder, wo Franken liegt, noch, was man dem Leser nicht zumuten sollte. Statt ständig Rochaden in der Teppichetage vorzunehmen. Mathias Müller, vulgo von Blumencron, beendet seine Tätigkeit als «publizistischer Leiter». Woran man das merkt? Gute Frage. An seiner Stelle rauscht nun Simon Bärtschi an seiner Chefin Raphaela Birrer vorbei. Zuvor war er ihr Untergebener als Chef «Berner Zeitung» und «Bund». Dort erwies er sich als gehorsamer Terminator, als Tamedia das heilige Versprechen brach, dass niemals nie «BZ» und «Bund» verschmolzen würden. Und nun ist er als neuer «publizistischer Leiter» Birrers Vorgesetzter.

Sein gröbstes Problem dabei: er ist (soweit ZACKBUM bekannt) ein Pimmelträger. Und keine Quotenfrau. Wo bleibt da der versprochene Anteil von mindestens 40 Prozent Frauen (trans, hybrid, fluid, queer, notbinär, Pardon, nonbinär ist leider nicht berücksichtigt)? ZACKBUM will sich keinesfalls in den Intimbereich Bärtschis einmischen. Aber das offizielle Macho-Foto mit männlich-bestimmtem Blick und Dreitagebart, muss das sein? Da erwarten wir wenigstens etwas weibliche Sanftheit. Sonst gibt’s dann mal wieder ein Protestschreiben …

zVg Tamedia

Weltfrauentag und die Folgen

Vor drei Jahren protestierten 78 erregte Tamedia-Frauen.

Die Vorwürfe waren happig. Diskriminierung, Sexismus, anzügliche Sprüche, demotivierende Arbeitsatmosphäre. Überhaupt würden Frauen nicht ernstgenommen, der Redaktionsalltag sei ein Spiessrutenlaufen, vorbei an glotzenden, anzüglichen Männern. Furchtbar.

Dass Frauen auch fies sein können, bewiesen die beiden Initiantinnen des Protestschreibens. Sie flunkerten, dass der Brief für den internen Gebrauch sei und an Geschäftsleitung sowie Chefredaktion ginge. Dann händigten sie ihn hinterrücks der einschlägig bekannten Jolanda Spiess-Hegglin aus, die ihr übliches Geschrei anstimmte. Die meisten Unterzeichnerinnen waren nicht gefragt worden; Weiber halt, wen interessiert schon deren Meinung.

Garniert war das Schreiben mit über 60 angeblichen Vorfällen zwecks Illustration. Kleiner Schönheitsfehler: es fehlten jegliche Angaben, die eine Überprüfung ermöglichen könnten. Also eine reine Luftnummer. Dennoch zeigte sich Chefredaktion und Geschäftsleitung tief zerknirscht, ohne den Wahrheitsgehalt der Behauptungen auch nur analysiert zu haben.

Die zwei Initiantinnen holten sich ihre 15 Minuten Ruhm ab, die Mitunterzeichnerinnen schwiegen verkniffen auf jegliche Anfrage. Resultat: Raphaela Birrer hat Arthur Rutishauser als Oberchefredaktor abgelöst, eine Kerstin Hasse ist unsichtbares Mitglied der Chefredaktion.

Weiteres Resultat: kein männlicher Entscheidungsträger traut sich noch, einer Schreiberin zu sagen, dass ihr Text geholperter Schwachsinn ist. Weiteres Resultat: viele Pimmelträger verliessen Tamedia, da sie keinerlei Aufstiegschancen – ohne Geschlechtsumwandlung – mehr sahen.

Letztes Resultat: die angestrengte Untersuchung konnte keinen einzigen Fall verifizieren. Keinen. Nebenbei war die extra für diesen Zweck geschaffene interne Ombudsstelle kein einziges Mal kontaktiert worden. Niemals. Es ging also ausschliesslich um Effekthascherei, damit nicht nur die Initiantinnen trotz sackschwacher Performance eine ganze Weile unkündbar bleiben konnten.

All das merkt man den Organen von Tamedia bis heute schmerzlich an. Gendersprache, inkludierende Turnübungen, seitenlange Anleitungen, wie man die deutsche Sprache mit Sternchen und anderem Unfug vergewaltigen kann.

Den Mohrenkopf dabei nie vergessen.

Dieses Gekeife ist erbärmlich. Warum? Weil es ein Frauenproblem auf der Welt gibt, dem sich diese Frauenbewegung mit aller Energie und Kraft widmen sollte. Aber sprachliches Gehampel und Gestöhne und Gejammer hat einen Vorteil: es ist wohlfeil, strengt nicht an und verlangt keinerlei Einsatz.

Das Frauenproblem heisst Klitorisbeschneidung. Darunter versteht man die teilweise oder vollständige Entfernung, Verstümmelung der äusseren weiblichen Genitalien. Meistens ohne Betäubung, mit untauglichen Werkzeugen und unter bestialischen Schmerzen der minderjährigen Opfer. Die meisten der fürs Leben geschädigten Frauen sind zwischen 0 und 15 Jahre alt. Der Eingriff, oft auch noch ergänzt durch das Zunähen der Vagina, ist nicht rückgängig zu machen.

Weltweit leben geschätzt 200 Millionen Frauen, die dieser Tortur unterzogen wurden. Jährlich kommen 3 Millionen dazu, Tendenz steigend. Sie ist in Afrika verbreitet, in einigen Ländern Asiens sowie im Nahen Osten. Insbesondere Länder wie Somalia, Eritrea, Sudan, Ägypten, Guinea, Sierra Leone, Mali und Djibouti weisen hohe Beschneidungsraten auf.

Das ist kein Phänomen in weit entfernten, dunklen Gebieten der Welt. Auch in der Schweiz geht man von über 25’000 betroffenen oder gefährdeten Mädchen aus. In Somalia sind 98 Prozent aller Frauen beschnitten, in Äthiopien 74 Prozent.

Das ist das mit Abstand widerlichste, kriminellste und unmenschlichste Verbrechen gegen die körperliche Integrität, gegen die Sexualität einer Frau. Damit soll sichergestellt werden, dass sie beim Geschlechtsakt keine Lust empfindet und daher ihrem oft zwangsverheirateten Mann treu bleibt.

Es als kulturelle Eigenart zu verniedlichen, die man nicht eurozentristisch verurteilen, sondern respektieren sollte, ist neben der Befürwortung einer Burka wohl das Absurdeste, was kampffeministischen Kreisen eingefallen ist.

Es gibt nichts auf der Welt, was im Thema Frauenunterdrückung verabscheuungswürdiger ist. Und was tut die Frauenbewegung am Weltfrauentag dagegen? Nichts. Ausser vielleicht ein paar Lippenbekenntnisse absondern. Und sich dann wichtigeren Themen wie Genderlehrstühlen oder dem Kampf gegen die Männersprache zu widmen.

Das kann man (also Mann und Frau) doch nicht ernst nehmen.Genauso wenig wie Karriere nicht durch Kompetenz, sondern durch Geschlecht.Das sind dekadente Pervertierungen. Das hat den Charme des der später geköpften französischen Königin Marie-Antoinette unterstellten Satzes, als man ihr mitteilte, dass das Volk hungere, weil es kein Brot gebe: Dann sollen sie doch Kuchen essen.

 

Slalom auf engstem Raum

Der Tagi verschlankt. Da muss man engere Kurven fahren.

Dabei quietscht es dann gehörig, und den einen oder anderen trägt es aus der Kurve. Medial eher einmalig ist das Abarbeiten mit Kommentaren an der 13. Rente.

Das ist ein Trauerspiel in bislang vier Akten. Eine klassische griechische Tragödie hat aber fünf, auf die Katharsis warten wir also noch.

Aber Vorhang auf.

Erster Akt: Am 20. Februar griff Oberchefredaktorin Raphaela Birrer in die Tasten und haute einen Leitartikel ihren Lesern in die Fresse: «Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus». Das war so massiv gegen das eigene Publikum getextet, dass es weit über 1000 Kommentare absetzte; wie viele weitere nicht publiziert wurden, kann man sich vorstellen.

Also kroch Birrer gegen Ende des ersten Akts halbwegs zu Kreuze, indem sie der verblüfften Leserschaft erklärte, wie denn so ein Leitartikel vor einer Abstimmung zustande komme. Das sei häufig nachgefragt worden. Nein, am häufigsten hatte sich der Leser über den forschen Ton von Birrer erregt, aber eben, Slalomfahren ist auch eine Kunst. Der erste Vorhang fällt, während das Publikum amüsiert gluckst.

Zweiter Akt: Wie der Deus ex machina tritt Arthur Rutishauser auf und schleudert in der «SonntagsZeitung» Blitze: «Wir sind auf dem Weg zur Gerontokratie, also jener Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen.» Wie ein zürnender Zeus weist er die Erdenmenschen zurecht: «Alle sehen den Staat als Milchkuh, die endlich auch für sie etwas abwerfen soll.» Obwohl beim Schreiben seines Editorials das Ergebnis noch gar nicht feststand. Aber Rutishauser hat halt mit Zeus gemeinsam, dass er in die Zukunft sehen kann. Und was er da sah, erfüllte ihn überhaupt nicht mit Freude.

Der zweite Vorhang fällt, das Publikum schweigt betroffen und harrt gespannt der Fortsetzung.

Neuerlicher Auftritt Birrer, diesmal bereits halbwegs geläutert, obwohl es noch gar nicht Zeit dafür ist. «Dieses Ja ist eine Sensation», begeistert sie sich plötzlich, als hätte sie nicht kurz zuvor vor solch kurzsichtigem Populismus streng gewarnt. Aber was geht Birrer im dritten Akt die Birrer im ersten an? Eben. Diesmal gewinnt sie das Publikum mit grosser Empathie, geradezu mit einer Arie in Anteilnahme: «Ausbau des Sozialstaats … und noch nie haben die Medien so intensiv berichtet … Viele Seniorinnen und Senioren plagen Existenzängste … Die Bedeutung dieses historischen Abstimmungssonntags kann gar nicht überschätzt werden …»

Offener Szenenapplaus, das Publikum zückt die Taschentücher und schnieft hörbar. Schon fällt wieder der Vorhang, lautstark werden Nasen geputzt, Brillengläser auch, und die eine oder andere Träne wird abgewischt. Man schaut sich im Publikum an und nickt sich anerkennend zu. Grosses Kino, das hier geboten wird.

Vierter Akt: Schon wieder wird neues Personal in die Schlacht geworfen, als retardierendes Element tritt Fabian Renz auf, Leiter «Ressort Analyse und Meinungen» und schon mehrfach verhaltensauffällig geworden. Der barmt nun auf offener Bühne: «Bitte das Rentenproblem jetzt ernst nehmen.» Leichte Unruhe im Publikum, denn wer hätte das bislang denn nicht ernst genommen?

Doch, so ernst wie Renz tut das niemand, er deklamiert: «Vielleicht spüren einfach immer mehr Rentnerinnen und Rentner, wie ihnen Inflation und Prämienschock das Geld wegfressen. Vielleicht packt immer mehr Erwerbstätige der Schrecken, wenn sie von ihrer Pensionskasse eine Rentenprognose erhalten.» Da nickt das Publikum bedächtig, schaut sich ins Gesicht und wiederholt: «Vielleicht, vielleicht, vielleicht».

Renz liest nun die Leviten, ruft zur Ordnung, klärt auf: «FDP, Mitte und SVP müssen den Missstand endlich anerkennen und anpacken. Alle Ideen sind ergebnisoffen zu prüfen – auch eine Gewichtsverschiebung von der zweiten zur ersten Säule darf nicht mit einem Denkverbot belegt sein.»

Ergebnisoffen, jubiliert das Publikum, Misstand anerkennen, murmelt es anerkennend, keine Denkverbote, das geht von Mund zu Mund.

Renz verbeugt sich erschöpft, in den fallenden Vorhang hinein brandet Applaus auf.

Fünfter Akt: Das wäre Sophocles nie passiert, aber während das Stück schon aufgeführt wird, ist der noch nicht geschrieben. Peinlich, aber wahr. Dabei werden die Slalomstangen nun ganz eng gesteckt, denn während noch bis vor Kurzem drei Bünde zur Abhandlung zur Verfügung standen, sind es nurmehr zwei.

Wie ein Menetekel an der Wand hängt ein letzter Satz von Renz in der Luft: «Beschränkt sich Tamedia hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und einbrechende Werbeeinnahmen …»

Hoppla, da scheint ein Übersetzungsfehler aus dem Altgriechischen vorzuliegen. Renz sagte natürlich: «Beschränken sich die Parteien hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und Eigenverantwortung ..

 

Kreide gefressen

Tamedia kommentiert die 13. Rente doppelt.

Natürlich läuft hier ZACKBUM wieder Gefahr, als sexistisch, exkludierend, diskriminierend und schlichtweg frauenfeindlich beschimpft zu werden. Das tragen wir mannhaft.

Denn es gibt den Kommentar der Oberchefredaktorin Raphaela Birrerkurzsichtiger Populismus») von Tamedia, die nun ganze Schachteln Kreide gefressen hat: «Dieses Ja ist eine Sensation». Und eine Vorauskommentar in der aktuellen «SonntagsZeitung» vom ehemaligen Oberchefredaktor Arthur Rutishauser «Alle wollen mehr Geld».

Eigentlich muss man da weder gross kommentieren, noch werten. Zu offensichtlich sind die Unterschiede.

Birrer hat zugegebenermassen das Problem, dass sie nach einer ungeschickten Beschimpfung mindestens der Hälfte ihrer Leserschaft zuerst zurückkrebsen musste und nun wie auf Eiern schreibt, damit die auch schon wieder Hunderte von Kommentaren nicht allesamt vernichtend ausfallen.

Also tut sie so, als wäre da nix gewesen und übt sich in staatstragenden Floskeln: «Der Grosserfolg der Gewerkschaften setzt ein Fanal für die weiteren Urnengänge … es ist ein historisches Verdikt … Ausbau des Sozialstaats … und noch nie haben die Medien so intensiv berichtet … Viele Seniorinnen und Senioren plagen Existenzängste … Economiesuisse und der Arbeitgeberverband sind mit ihrem hölzernen, emotionslosen und letztlich austauschbaren Kampagnenstil zum wiederholten Mal gescheitert … Die Bedeutung dieses historischen Abstimmungssonntags kann gar nicht überschätzt werden … Die grosse Umverteilungsdebatte ist nicht vorbei – sie fängt gerade erst an.»

Also halt das, was man so murmelt, wenn man kurz zuvor alle, die ein Ja einlegen wollen, als Opfer eines kurzsichtigen Populismus beschimpft hat. In der Fortsetzungsreihe «ist das peinlich» ein würdiger Nachfolger der vorherigen Kommentare.

Ganz anders Rutishauser. Der zieht vom Leder, als hätte er keine Oberchefredaktorin über sich: «Ob Rentner, Bäuerinnen oder Militärs. Alle sehen den Staat als Milchkuh, die endlich auch für sie etwas abwerfen soll … Wir sind auf dem Weg zur Gerontokratie, also jener Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen. Während andere mit Joe Biden und Donald Trump greise Präsidenten haben, ist bei uns das Stimmvolk das Problem … Es scheint, als hätten wir nur noch die Wahl zwischen Gerontokratie, Bauernstaat oder Militärregierung. Da ist mir ehrlich gesagt die Gerontokratie noch fast am liebsten.»

Das ist mal eine klare Position. Ob man damit einverstanden ist oder nicht: mit Statistiken unterfüttert, klar hergeleitet, eine kantige Meinung, wie es sich für einen Chefredaktor gehört, der es nicht allen recht machen will oder bei Gegenwind einknickt.

Hoffentlich ist das nicht der erste Schritt zur Frühpensionierung von Rutishauser. Sein Trostpflaster: dann bekäme er die 13. AHV-Rente schneller. Aber was soll denn nun Oberboss Pietro Supino mit der von ihm eingesetzten Koryphäe der nächsten Generation anstellen? Die ist als Frau ziemlich unkaputtbar, wovon auch das Mitglied ohne Glied der Chefredaktion profitiert.

Aber was da alles kaputt gemacht wird …

Birrerweich

Man soll keine Namensscherze machen. Aber …

Wenn Tamedia-Oberchefredaktorin Raphaela Birrer zum Leitartikel greift, gehen ihre Untergebenen in Deckung.

«13. AHV-Rente: Es braucht ein Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus», donnerte Birrer am 19. Februar vor der Abstimmung. Mit durchaus richtigen Argumenten erläuterte sie die Position der Redaktion, die eine Ablehnung empfiehlt. Der Leitartikel provozierte über 1000 Kommentare; sehr viele davon waren nicht gerade schmeichelhaft.

Ein Müsterchen: «Weil Ihnen wirklich schlagende Argumente fehlen, unterstellen Sie den Befürwortern der 13. AHV-Rente Populismus, Egoismus und Kurzsichtigkeit. Es ist sehr bedenklich, wenn solche Äußerungen von der ganzen Tamedia-Redaktion getragen werden

Das rüttelte dann offenbar die Chefredaktorin gehörig durch und sie beeilte sich, zu erklären und zu besänftigen: «Wie unsere Redaktion vor Abstimmungen zu ihrer Position kommt». Das hat allerdings den erregten Leser nicht wirklich interessiert, obwohl Birrer behauptet: «Unter anderem stellte sich die Frage, wie wir zu unserer Positionierung kommen. Hier lesen Sie, wie

Dann wiederholt sie langfädig Langweiliges und Altbekanntes:

«Die Positionierung der Redaktion kommt vor jeder Abstimmung und zu jeder Vorlage jeweils im sogenannten Leitartikel zum Ausdruck. Der Leitartikel ist ein Meinungsstück. Er zeigt die Argumentation der schreibenden Person (im Fall der 13. AHV-Rente: der Chefredaktorin) und basiert auf dem vorgängig definierten Positionsbezug der Redaktion. In diesem Prozess hat die Chefredaktorin ein Vetorecht. Davon hat sie aber bei der 13. AHV-Rente nicht Gebrauch gemacht, weil ihre Meinung deckungsgleich mit jener der per Stimmabgabe demokratisch ermittelten Mehrheit der Redaktion ist.»

Gälte es hier, einen Schulaufsatz zu bewerten, womit dieses Erklärstück durchaus Ähnlichkeiten hat, würde die Bemerkung lauten: «Thema verfehlt.»

Besonders köstlich ist auch der Schluss. Das sei eine «im Schweizer Journalismus übliche Vorgehensweise». Denn schliesslich, nicht wir, die anderen auch: «So empfehlen etwa auch die NZZ oder sämtliche Medien des CH-Media-Verlags («St. Galler Tagblatt», «Aargauer Zeitung», «Luzerner Zeitung» usw.) Abstimmungsvorlagen zur Annahme oder zur Ablehnung.»

Ätsch, machen doch alle, eigentlich, also reg dich wieder ab, Tamedia-Leser. Nur hat der sich gar nicht über dieses Prozedere aufgeregt und will Tamedia oder seiner Oberchefredaktorin auch nicht untersagen, bei einer Abstimmung Stellung zu beziehen. Die lautet angesichts der binären Ausgangslage halt ja oder nein (oder allenfalls Enthaltung).

Was den Leser zum Kochen brachte, war der Keulentitel, den Birrer in ihrem Rechtfertigungsstück wohlweislich nicht mal erwähnt. Daher nochmal in aller Hässlichkeit: «Es braucht ein Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus». Dadurch fühlten sich nun zahlreiche Leser auf den Schlips getreten (ja, gilt auch für Frauen, Quere, Nonbinäre, Hybride und insbesondere Kim).

Auch mit diesem nachgeschobenen Stück sammelt Birrer nicht bei allen Kommentatoren Punkte: «In dieser Frage hat Frau Birrer oder der Tagi Kampagnenjournalismus betrieben. … Die Stellungnahme war absolut verantwortungslos von der Tagi-Redaktion. … Es ist offensichtlich nicht ganz so einfach, einen anständigen Journalismus zu praktizieren.»

Natürlich gibt es auch vereinzelt Lob für diese klare Haltung. Was hier aber mal wieder schmerzlich an den Tag tritt: irgendwie nimmt in der Chefetage bei Tamedia die Dünnhäutigkeit zu. Arthur Rutishauser holzt gegen «Roger Köppel, der letzte Freund Putins», Birrer beschimpft die Befürworter einer 13. AHV-Rente (darunter wohl mindestens die Hälfte der Tagi-Leser) als kurzsichtige Populisten, Pietro Supino entsetzt sich coram publico über einen Artikel, der von allen anderen Instanzen, inkl. Recherchedesk, als korrekt und tadellos gesehen wird – und sorgt für seine «Depublizierung» also Löschung. Obwohl nicht mal die Direktbetroffenen eine Gegendarstellung oder Löschung verlangt hatten. Irgendwas ist da faul im Staate Coninx.

Während im Fall des gespülten Artikels wieder viel die Rede von Qualitätsmassstäben ist, scheinen die für die Oberchefredaktorin nicht zu gelten. Aber immerhin, sie meldet sich gelegentlich (wenn auch viel seltener als alle ihre Kollegen) zu Wort. Die zweite Quotenfrau in der Chefredaktion bleibt völlig unsichtbar, abgesehen von Ferien-, Ess- oder Lift-Selfies.

Die wenigen noch verbliebenen Qualitätsjournalisten erleben einen Leidensweg bis zur nächsten Sparrunde, der ihnen die Entlassung wohl als Erlösung erscheinen lässt. Und wie meist kümmert sich Supino um irgend einen Pipifax, während sein gravierendes Problem, eine Oberchefredaktorin, die birreweiche Kommentare schreibt, seiner Aufmerksamkeit entgeht.

Die SZ kriecht zu Kreuze

Nicht mal Haltung bewahren geht.

In der Affäre um die mit Plagiatsvorwürfen konfrontierte stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Förderl-Schmid (zurzeit aus dem «Tagesgeschäft» abgezogen) gibt es schon wieder eine neue Wendung.

Nachdem das Magazin «Medieninsider» diese Vorwürfe erhoben hatte, die Chefredaktor Wolfgang Krach von der «Süddeutschen Zeitung» als «Kampagne» zurückwies, veröffentlichte «Medieninsider» auch den Inhalt dieser Redaktionskonferenz. Anlass für die Chefredaktion, alle Mitarbeiter zu bespitzeln um herauszufinden, wer das durchgestochen haben könnte. Aber auch das gelangte an die Öffentlichkeit.

Chefredaktor Krach rechtfertigte diese Bespitzelung damit, dass die SZ ihr Redaktionsgeheimnis schützen müsse, das sei schliesslich das Herzstück und es könne nicht sein, dass Inhalte durchsickerten. Als Sahnehäubchen musste er dann eingestehen, dass der Lauschangriff leider kein Resultat gezeitigt hatte. Die ganze Zeit über blieb die aus der Schweiz importierte Quotenfrau und Co-Chefredaktorin Judith Wittwer stumm wie ein Fisch.

Leider folgte ihre Kollegin und Quotenfrau Raphaela Birrer diesem Vorbild nicht. Die Oberchefredaktiorin von Tamedia, Pardon, von «Tages-Anzeiger» (oder heisst das Ding nun wieder Tamedia?) keifte gegen die angebliche «Hetzjagd» gegen Föderl-Schmid los.

Sie sieht halt den Splitter im Auge von anderen, den Balken im eigenen nicht.

Nun hat die Groteske noch eine weitere Wendung genommen: «Die Verletzung des Redaktionsgeheimnisses ist für uns nicht hinnehmbar. Trotzdem war es nicht verhältnismäßig, mithilfe technischer Mittel nach demjenigen zu suchen, der diese Informationen nach außen weitergegeben hat.»

Was auf der Hand liegt, sieht nun auch der Chefredaktor ein: «wir haben zu wenig im Blick gehabt, dass uns als investigativem Medium vorgeworfen werden kann, mit zweierlei Maß zu messen: dass wir einerseits von Leaks journalistisch profitieren, aber andererseits versuchen, das Leck zu finden, wenn wir selbst Opfer eines solchen Angriffs geworden sind.»

Das kann man als Ausdruck des Bedauerns verstehen; Krach hat bereits Übung in Entschuldigungen (Jens Söring, Igor Levit, Hubert Aidinger, etc.). Während aber Birrer gegen einen angeblichen Hetz-Mob zu Felde zog, ist der Qualitätszeitung Tamedia (Pardon, «Tages-Anzeiger» oder wie das Ding immer heisst, vielleicht mal Müller von Blumencron fragen, den grossen Digitalstrategen) diese neue Volte der Kollegen von der SZ-Chefredaktion keine Zeile wert.

Ist das alles vielleicht peinlich.

Raphaela Birrer, die Letzte

Es bleibt noch etwas nachzutragen.

Die Tamedia-Oberchefredaktorin ist offensichtlich als Quotenfrau in diese Postion gerutscht. Denn Kompetenz und Qualifikation können es, gleich wie bei der nach München exportierten Judith Wittwer, sicher nicht gewesen sein.

Wer daran noch Zweifel hatte: die wurden mit ihrem Kommentar-Durchfall «Hetzjagd auf eine Journalistin» ausgeräumt, eine Philippika gegen die angeblich ungerechte Kritik an der stellvertretenden Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid vom Schwesterblatt «Süddeutsche Zeitung».

Deren möglicher Suizidversuch sei «das Resultat einer Treibjagd durch den Online-Mob», weiss Birrer. Sie klopft sich selbst auf die Schulter, dass Tamedia ein ihr zugesandtes Gutachten des Plagiatsjägers Stefan Weber über die Dissertation einer SVP-Nationalrätin nicht veröffentlicht habe. Als aber die Kollegen von der SZ breit und hämisch über einen Plagiatsverdacht bei der Dissertation der AfD-Politikerin Alice Weidel berichteten (was sich dann als Humbug erwies), schwieg Birrer vornehm.

Auch die missglückte SZ-Hetzjagd auf den bayerischen Politiker Hubert Aiwanger von den Freien Wählern (die legten dann bei den Wahlen zu) war Birrer kein Wort der Kritik wert. Und wie steht es eigentlich mit dem umfangreichen Inhalt, den Tamedia per copy/paste und ß zu ss von der Süddeutschen übernimmt, ohne das dem Leser gegenüber auszuweisen? Ist bezahltes und daher erlaubtes Abschreiben kein Plagiat?

Oder erinnern wir an die Affäre Valérie Dittli. Der damals frischgewählten Waadtländer Finanzdirektorin wurde zuerst vom Radio, dann vom Tamedia-Organ «24 Heures» vorgeworfen, sie habe bei den Steuern getrickst und kurze Zeit ihren Doktortitel zu Unrecht getragen. Auch Tamedia beteiligte sich an der Hatz: «Erst als Politiker-Sensation gefeiert, nun in der Krise», bollerte der einschlägig bekannte Philippe Reichen los. «Wegen früherem Steuersitz in der Kritik», «Regierungsrätin zahlte ihre Steuern in Zug statt in der Waadt», legte er dann nach, inzwischen hatte die Kampagne bereits den Titel «Steueraffäre und Valérie Dittli» bekommen. Und dann noch: sie «dürfte ihren Doktortitel noch gar nicht verwenden».

Zusammenfassend: Schlitzohr, ist Finanzdirektorin, versteuert aber in der Oase Zug und verwendet einen akademischen Titel zu Unrecht. Affäre, Skandal. Dann aber: «Gutachten entlastet Waadtländer Regierungsrätin», muss Reichen knirschend einräumen. Denn: «Das entspreche auch der Steuerpraxis der Schweizer Gemeinden und der Rechtsprechung», resümiert der unabhängige Gutachter. Dass man einen Doktortitel nicht vor der Publikation der Dissertation verwenden darf, wer weiss das schon? Jemand ohne Doktor sicher nicht.

Aber hat sich Tamedia für diesen aufgeblasenen Furz jemals entschuldigt? Für diese mediale Hetzkampagne, wie das Birrer nennen würde, wäre es nicht im eigenen Haus passiert? Blöde Frage.

Richtig lachhaft sind zwei weitere Aussagen von Birrer: «Dazu muss man wissen: Weber fertigt gegen Geld Gutachten zu akademischen Arbeiten an.» Himmels willen, statt dass er diesen Dienst an der Allgemeinheit gratis verrichtet, so wie Birrer auf den grössten Teil ihres üppigen Gehalts als Oberchefredaktorin verzichtet.

Aber sie kann sich noch steigern und führt die «Analyse der österreichischen Journalistin Barbara Tóth» an, die «sämtliche … beanstandete Textstellen nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht» habe. Es gäbe zwar «einige wenige ärgerliche Ungenaugigkeiten», zitiert Birrer die «Falter»-Journalistin, aber es handle sich um eine «eigenständige und verdienstvolle Arbeit». Tóth bezeichnet sich dabei einleitend als «promovierte Historikerin (und Begutachterin von Masterarbeiten an der FH Wien)». Das ist eine Fachhochschule, keine Universität.

Der ZACKBUM-Autor ist ebenfalls promoviert, küss die Hand, gnä Frau, hat Allgemeine Geschichte studiert und auch schon begutachtet. Trotzdem würde er sich ausserstande sehen, eine Dissertation darauf zu untersuchen, ob sie allen wissenschaftlichen Massstäben genügt.

Welche «wissenschaftlichen Kriterien» Tóth dabei angewendet haben will, das geht weder aus deren Artikel in der österreichischen WoZ, noch aus der Meinungs-Diarrhöe von Birrer hervor. Wie wissenschaftlich unvoreingenommen Tóth ist, kann man ihren übrigen Artikeln zur Affäre Föderl-Schmid entnehmen. An ihrer Position lässt Tóth keinen Zweifel aufkommen: «Frau, kritisch, exponiert – diese Kombination ist für die Far-Right-Bewegung und ihre Portale ein ideales Feindbild», schrieb sie im ersten Wutanfall. Als sich die Plattform «nius» erfrechte, auch die Dissertation von Föderl-Schmid einer Prüfung zu unterziehen, trat sie nochmals nach: «Radikale Portale wie «Nius» geben vor, Journalismus zu machen. Tun sie aber nicht

Tóth muss einräumen, dass ihr der Kritiker Weber auf Anfrage sofort sein Gutachten vollumfänglich zustellte. Mit welcher Methodik und welchen angeblich wissenschaftlichen Kriterien sie selbst die Dissertation von Föderl-Schmid untersucht haben will, das enthüllt Tóth hingegen nicht. Das hat mit «wissenschaftlich» so viel zu tun wie eine Kuh mit Quantenphysik.

Ein paar Duftnoten aus Tóths sonstiger, nicht gerade wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Thema: «rechte Kampagnenportale … verunglimpft worden … digitale Treibjagd … völlig unzutreffendes Urteil … Fehler passieren … immenser Output als «Playing Captain» …» usw.

Dann aber schreibt Tóth etwas, was sich Birrer unbedingt zu Herzen nehmen sollte: «Journalismus heißt, Behauptungen nie ungeprüft zu übernehmen.» Das könnte sich Tamedia doch endlich mal bei seinen ungezählten Schmierenkampagnen hinter die Ohren schreiben, wo aus gestohlenen Geschäftsunterlagen ganze Räuberpistolen herausgemolken und grossspurig als «Papers», «Leaks» oder «Secrets» verkauft werden. Allzu oft soll das zu einem Skandal aufgepumpt werden, der dann «keiner wurde», wie einer der beteiligten Pumper schon mal frustriert bemerkte.

ZACKBUM fasst zusammen: könnte Birrer Latein, wüsste sie: si tacuisses, philosophus mansisses. Lässt sich aber googeln. Was wohl die Belegschaft von einer Oberchefredaktorin hält, die sich ohne Not dermassen lächerlich macht? Und wie lange schaut die obere Chefetage diesem Trauerspiel noch zu?

 

Birrer brabbelt

Hätte die Oberchefredaktorin Tamedia doch besser geschwiegen.

Zunächst ist der Fall noch alles andere als abgeschlossen. «Hetzjagd auf eine Journalistin» zu titeln, die Vermutung zu äussern, sie habe sich das Leben nehmen wollen, was sich dann im Text zu «hat offensichtlich versucht, sich das Leben zu nehmen» verfestigt – so etwas zu kommentieren, ist tollkühn. Um es höflich zu formulieren.

Raphaela Birrer hätte sich doch ein Beispiel an ihrer Kollegin Judith Wittwer nehmen sollen. Die aus der Schweiz importierte Quoten-Chefredakteurin der «Süddeutschen Zeitung» hat bislang keinen öffentlichen Ton zur Affäre um ihre Stellvertreterin Alexandra Föderl-Schmid gesagt oder geschrieben. Anteilnahme, gar Verteidigung? Ach was, so weit geht dann die Sensibilität und das Einfühlungsvermögen nicht.

Aber Birrer wirft sich tapfer in die Schlacht. Sie nennt ihren Meinungskommentar «Analyse». Wohl um nicht selbst Opfer ihrer eigenen einleitenden Verurteilung zu werden: «Sie ist die Seuche unserer digitalen Gesellschaft: die Meinungsdiarrhoe.» Was meint nun Birrer, welcher Durchfall plagt sie?

Die «im ganzen deutschsprachigen Raum bekannte Journalistin» habe sich nach Plagiatsvorwürfen entleiben wollen. Schön, dass eine Oberchefredaktorin auf solch dünner Faktenlage ausrutscht und einbricht, das sollte vorbildlich für ihre Untergebenen sein. Man weiss nix Genaues, na und, einfach mal draufhauen.

Allerdings muss dazu zunächst ein lustiger Slalom hingelegt werden: «Die Journalistin räumte Fehler ein. Es ist möglich, dass ihr in der mittlerweile von der SZ angestossenen Untersuchung weitere Plagiate nachgewiesen werden können.» Also haben sich die Vorwürfe bewahrheitet, wurden von Föderl-Schmid selbst bestätigt. Aber: «Selbst wenn die Verfehlungen ein grösseres Ausmass haben sollten: Das rechtfertigt nicht die digitale Hetze, der Föderl-Schmid zuletzt ausgesetzt war.»

Verstehen wir Birrer richtig? Selbst wenn die stellvertretende Chefredaktorin, die mit vernichtenden und schneidenden Urteilen und Besserwissereien immer schnell zur Hand war, reihenweise plagiert haben sollte, selbst ihre Dissertation wissenschaftlichen Massstäben des korrekten Zitierens nicht entspräche, was soll’s?

Statt an dieser angeblichen Hetze auf Föderl-Schmid teilzunehmen, hetzt Birrer lieber gegen den «bekannten «Plagiatsjäger» Stefan Weber». Der wurde nämlich von der Newsplattform des ehemaligen «Bild»-Chefredaktors Julian Reichelt damit beauftragt, die Doktorarbeit von Föderl-Schmid zu untersuchen. Wieso nicht? Pfuibäh, meint Birrer: «Dazu muss man wissen: Weber fertigt gegen Geld Gutachten zu akademischen Arbeiten an. Das Geschäftsmodell dürfte einträglich sein; Webers Analysen bringen regelmässig prominente Personen in Schwierigkeiten. Häufig erfolgen seine Anschuldigungen allerdings zu Unrecht.»

Das liegt nun allerdings höchstens im Streubereich der Wahrheit. Denn in der langen Liste der Personen, denen Weber Plagiate vorgeworfen hat, gibt es nur wenige Fälle, wo sich seine Behauptungen nicht erhärten liessen. Gelegentlich war die wissenschaftliche Institution, die den Titel verliehen hatte, einfach nicht bereit, ihn wegen den von Weber aufgedeckten Unsauberkeiten abzuerkennen. Im Fall der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock, in deren Buch ihr Weber in mehr als 100 Stellen nachwies, wortgleiche oder teilweise wortgleiche Sätze aus anderen Texten verwendet zu haben, führte die Kritik nicht nur zu ihrem Rückzug als Kanzlerkandidatin; sie nahm das Buch nach den Bundestagswahlen aus dem Handel.

Nichtsdestotrotz behauptet Birrer pauschal: «In dieser Debatte – und bei solchen Gutachten – geht es längst nicht mehr um intellektuelle Redlichkeit oder universitäre Standards. Es geht um politische Motive, Rachefeldzüge, Rufmord.» Nein, es geht um ausreichend belegte Vorwürfe, die zu einer Aberkennung des Titels führen – und nicht ausreichende.

Nun habe laut Birrer eine andere Journalistin «sämtliche der in Föderl-Schmids Dissertation beanstandeten Textstellen nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht und kommt zum Schluss, dass es «einige wenige ärgerliche Ungenauigkeiten» gebe, es sich ansonsten aber um eine «eigenständige und verdienstvolle Arbeit» handle». Na und? Ist diese Journalistin in irgend einer Form qualifizierter als Weber? Gibt es irgend einen Grund, wieso ihre Meinung seiner überlegen sein soll? Dumm auch: «Eine offizielle Prüfung der Universität Salzburg, um die Föderl-Schmid selber gebeten hatte, steht noch aus.»

Dann kommt die abschliessende «Analyse» Birrers: «Die Meinungen sind gemacht, davon wird nicht abgewichen. Die Undifferenziertheit und die Empörung im Fall Föderl-Schmid: Sie liefern unfreiwilligen Anschauungsunterricht für die degenerative Entwicklung digitaler Debatten. Und sie verdeutlichen, dass es im Moment schwierig bis unmöglich ist, Diskussionen – wie hier zu wissenschaftlichen oder journalistischen Standards – nüchtern zu führen.»

Zunächst einmal: sich darüber zu beschweren, dass der digitale Mob überall tobt, ist nun wirklich zum Gähnen. Jeder, der in der öffentlichen Debatte steht, hat das schon erlebt. Unter dem Schutz der Anonymität wird gepöbelt, gekeift, gekreischt, gerempelt, verleumdet und getobt. Das gibt es überall, auch bei ZACKBUM. Aber nicht auf ZACKBUM. Und was (auch von Tagi-Journalisten) auf Twitter und anderswo über den geistigen und körperlichen Zustand des ZACKBUM-Redaktors geblubbert wird, das sind doch völlig unerhebliche Fürze.

Dass aber Tamedia bei der Ausschlachtung von gestohlenen Geschäftsunterlagen schon mehrfach Rufmord betrieb, es sei nur an die Hetze gegen den verstorbenen Gunter Sachs oder gegen einen dadurch ruinierten schweizerisch-angolanischen Geschäftsmann erinnert, veranstaltet unter anderen von Christian Brönnimann, das ist und bleibt eine echte Schweinerei. Weil sich in diesen Fällen (und nicht nur in diesen) herausstellte, dass alle angedeuteten und juristisch abwattierten Insinuationen, Anschuldigungen und Behauptungen als haltlos, falsch, unrichtig herausstellten.

Hier haben sich Journalisten wiederholt zu Anklägern, Scharfrichtern und Exekutoren des eigenen Urteils aufgeschwungen, eine unerträgliche Usurpation.

Um diesen Wildwuchs in ihrem eigenen Biotop müsste sich Birrer vielleicht kümmern. Und dafür zu einer Affäre schweigen, die noch lange nicht zu Ende ist. Beides würde ihrem eigenen Image guttun.

Tamedia Leaks

ZACKBUM wurde der Inhalt einer Redaktionskonferenz zugespielt.

Leaks aller Orten. Dem deutschen Medienportal «Medieninsider» wurden interne Gespräche der «Süddeutschen  Zeitung» zugehalten. Mit peinlichem Inhalt, denn sie dokumentieren, wie die Chefredaktion versuchte, Plagiatsvorwürfe gegen die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid als «Kampagne» wegzubügeln. Peinlich: nachdem nun auch noch Zweifel an der Dissertation von Dr. Föderl-Schmid aufgetaucht sind, wurde sie aus dem «Tagesgeschäft» zurückgezogen. Peinlicher: die Chefredaktion veranlasste eine Bespitzelung der eigenen Redaktion und durchkämmte Mail- und Telefondaten, um den Maulwurf zu enttarnen – vergeblich. Auch das kam ans Licht der Öffentlichkeit.

Das Qualitätsmedienhaus Tamedia übernimmt bekanntlich gröbere Teile seines Contents aus München. Allerdings nicht diesen. Das gab innerhalb der Redaktion zu reden; wieso jeder Münchner Furz seinen Weg in Tagi und SoZ finde, aber so ein Skandal mit keinem Wort erwähnt werde. Im besten Sinne der Solidarität mit den Kollegen Redaktoren von der SZ wurde auch ZACKBUM der Inhalt einer Redaktionskonferenz im Glashaus an der Werdstrasse zugespielt.

Wir hoffen, dass sich aus einer auszugsweisen Wiedergabe keine zweite Spitzelaffäre entwickelt, das wäre dann doch zu peinlich. Zum Schutz der Sprecher wurden einige Namen anonymisiert.

Wir steigen gleich in die interessante Passage ein:

Tagesleitung: Wir gehen dann zur Seitenplanung über.
Redaktor X: Moment, ich hätte gerne eine Antwort auf meine Frage, ob wir den Bespitzelungs-Skandal bei der SZ nicht aufnehmen.
Chefredaktor Ressort Zürich: Also ich bin da mal raus, das ist sicher kein Zürcher Thema.
Mario Stäuble: Gilt auch für mich, kein Schweizer Thema.
Ueli Kägi, Leitung Sport: Schliesse mich an; man könnte vielleicht eine gelbrote Karte geben.
Kerstin Hasse: Ich fordere eine absolute Gleichberechtigung. Und hat jemand mein Smoothie gesehen?
Allgemeines Schweigen.
Newschef: Also ist das wirklich eine News? Die Faktenlage ist noch nicht ganz klar. Vielleicht sollten wir das Ergebnis der Untersuchung abwarten.
Redaktor Y: Ich finde schon, dass das ein Thema ist. Was sagt denn das Recherchedesk dazu? Da werden doch ständig geleakte Papers veröffentlicht.
Oliver Zihlmann: Das ist nun ein absurder Vergleich.
Christian Brönnimann: Apropos, wir arbeiten gerade seit Monaten an dem nächsten Skandal, der dann keiner wird. Da haben wir sowieso keine freien Kapazitäten.
Redaktor Z: Könnten wir vielleicht mal eine klare Antwort bekommen, machen wir da was oder nicht?
Kerstin Hasse: Oh, ich habe drei Likes für mein neustes Liftfoto bekommen.
Allgemeines Schweigen.
Chefredaktorin Raphaela Birrer: Das bleibt jetzt unter uns. Ich habe gerade mit Judith, also Judith Wittwer, gesprochen. Die hat mir erklärt, dass das eine ganz üble Kampagne rechter Kreise gegen die SZ sei. Ich glaube nicht, dass wir da Schützenhilfe leisten sollten.
Redaktor X: Aber die SZ hat doch selbst öffentlich Stellung genommen. Alleine aus Transparenzgründen sollten wir …
Stv. Chefredaktor Adrian Zurbriggen: Wenn ich da auch etwas einbringen darf, ich bin der Ansicht ...
Birrer: Das interessiert hier nicht wirklich. Wir sollten auch langsam voranmachen, es kommen noch jede Menge Koordinierungssitzungen mit den anderen Kopfblättern.
Tagesleitung und Planungschefin im Chor: Genau, Zürich, Bern, Basel, Ihr wisst doch, wie das ist. Riesenpuff wieder.
Redaktor Y: Ich finde, zur Bespitzelung sollte es eine Stellungnahme der Chefredaktion geben. Wenn vielleicht Arthur dazu etwas schreiben …
Arthur Rutishauser: Ich? Immer ich? Nein, danke, bis nächsten Sonntag ist das sicher schon vorbei.
Adrian Zurbriggen, Matthias Chapman im Chor: Also wir nicht, das würde der Sache auch viel zu viel Gewicht geben; vielleicht könnte man aber ein Digital Storytelling draus machen …
Hasse: Ich bin völlig ausgelastet, ich habe noch nie so viel gearbeitet, so sorry, Boys, ausserdem bin ich ab morgen im Wellnessurlaub.
Redaktor Z: Einfach ein Ja oder ein Nein, ich wäre für ein Ja.
Birrer: Also Judith und ich finden nein, Ende der Debatte.
Unverständliches Gemurmel.

Hier endet das Typoskript.

Muss ZACKBUM extra darauf hinweisen, dass es sich selbstverständlich um eine Satire handelt, alle Zitate frei erfunden sind und das Dargestellte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Redaktionsalltag eines Qualitätsmediums hat?

Wumms: Kerstin Hasse

Was macht eigentlich das Mitglied der Chefredaktion beim Tagi?

Hasse hat ein schweres Jahr hinter sich, «ein verdammt anstrengendes Jahr, ein Jahr, das mir manchmal alle Energie raubte». Es war gar «eines der anspruchsvollsten Jahre meiner Karriere». Und die ist voll von Ansprüchen gewesen, beim «Bündner Tagblatt», bei der «Annabelle» und schliesslich als «Chefredaktorin Digital». Da blieb fast keine Zeit mehr für Selfies in Luxushotels oder Feriendestinationen.

Allerdings war das vergangene Jahr auch nicht frei von Schmerzen: «Ich werde nicht selten gefragt, was man denn überhaupt in der Chefredaktion so tut». Das ist schon mal bitter, aber es kommt noch knüppeldick: «Und nein, ganz spurlos geht es auch nicht an mir vorbei, wenn wieder ein älterer Herr in dieser Branche meint mir erklären zu müssen, dass ich die Quotenmillennial bin, die kaum was leistet».

Daran stimmt nun nicht mal die Interpunktion. ZACKBUM hat sie noch nie «Quotenmillennial» genannt, noch nie gesagt, dass sie «kaum» etwas leiste. Und diese Altersdiskriminierung verbitten wir uns dann, im Fall.

Dass sie nix gebacken gekriegt habe, stimme dann überhaupt nicht: «Denn – oh boy – habe ich mit meinem Team viel geleistet.» Zum Beispiel? Na, das: «Unsere CR rund um Raphaela Birrer ist erfolgreich gestartet.» Man, Pardon, frau, habe einen «echten Kulturwandel» initiiert. Das stimmt allerdings, Verseichtung, Verblödung, Verbanalisierung, ZACKBUM hat alle Hände voll zu tun.

Apropos, seit dem Start im Juli 2020 sind hier fast 3000 Artikel erschienen. Das ist keine schlechte Leistung für eine One-man-Show, wenn wir das bemerken dürfen, oh girl.

Der «ältere Herr» ist allerdings so old fashioned, dass er einer Dame gegenüber nicht den Scherz wiederholt, den er gerne bei Mike «Arschloch»-Müller macht. Der hat etwas mit einem berühmten Slapstick-Paar aus den Anfangszeiten des Films zu tun, das er solo spielen könnte.

Dann weiter frohes Schaffen, jüngere Dame, irgendwann werden wir was davon bemerken und lobend erwähnen. Wir hätten einen Tipp: wer wie Sie Lohnoffenlegung fordert, könnte endlich mal mit gutem Beispiel vorangehen, oder nicht?

ZACKBUM tut’s auch: wir verrichten hier alle Arbeit gratis.

PS: ZACKBUM wurde auf diese dringend nötige Ergänzung hingewiesen: dass Hasse launige Ferien- und Erholungsfotos postete (so viel zum überfraulichen Stress), als gerade eine Entlassungswelle durch Tamedia rauschte, brachte ihr zusätzliche Sympathiepunkte ihrer Untergebenen ein.