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«Blick» in die Abenddämmerung

Wie man ein einstmals erfolgreiches Boulevardblatt in den Abgrund führt.

«Manchmal beginnt man eine Kolumne am besten mit einer Zahl. Die Zahl lautet 74 852. Die Zahl ist die neuste beglaubigte Auflage des Blicks.» So startet Medienjournalist Kurt W. Zimmermann seine neuste Kolumne in der «Weltwoche».

Natürlich ist das ein wenig polemisch, denn alle Printtitel verzeichnen schmerzliche Auflageverluste im Print. Und versuchen, das mit Zugewinnen online schönzureden.

Aber nirgendwo ist’s so dramatisch wie beim «Blick». Der hatte mal, das waren noch Zeiten, eine Auflage von 380’000. Wie soll man das einordnen? Natürlich hat auch der Verkauf von Dampfloks nach der Elektrifizierung der Eisenbahn dramatisch nachgelassen. Ist das bei Newsmedien nach der Erfindung des Internets nicht vergleichbar?

Nein. Hier besteht nur insofern eine Ähnlichkeit, als die meisten Medienkonzerne versuchen, im Internet mit der Dampflok zu fahren. Sie verschenken dabei Inserateeinnahmen an Google, versuchen es mit Bezahlschranken und «Paid Content», wo sie die Beine spreizen und werblichen Inhalt wie redaktionelle Beiträge daherkommen lassen, bis es unappetitlich wird.

Besonders ungeschickt stellt sich auch hier der «Blick» mit seinem «Blick+» an. Trotz gewaltiger Werbekampagne mit dem bescheuerten Slogan «plussen» ist die Anzahl Abonnenten nur unter dem Mikroskop zu erkennen. «Blick am Abend», eingestellt. «Blick TV», enthauptet, skelettiert. SoBli, als eigenständige Marke ausgehöhlt. Den fähigen Oberchefredaktor Christian Dorer aufgrund einer Weiberintrige gegen ihn aus fadenscheinigen Gründen per sofort freigestellt. Dann eine gewichtige Untersuchung angekündigt, das Resultat aber verschwiegen.

Leute, die noch meinen, im «Blick» politisch relevante Themen aufgreifen zu können, ergreifen die Flucht, wie zuletzt Sermîn Faki und Pascal Tischhauser. Stattdessen gibt es eine Inflation von Chiefs, Heads und Officers, viele Häuptlinge, wenig Kindersoldaten als Redaktionsindianer.

So wie sich Tamedia von linksautistischen Gutmenschen in den Abgrund schreiben lässt, steuert der «Blick» das gleiche Ziel damit an, dass er sowohl politisch wie gesellschaftlich in die Bedeutungslosigkeit absinkt. Eine Oberchefin, die zuvor in einer geschützten Werkstatt einen zwangsgebührenfinanzierten Randgruppensender für 30’000 Rätoromanen betrieb, und ein «Chief Content Officer», der sich im Sport auskennt, ein Duo Infernal für ein Boulevard-Organ, das laut oberster Direktive gar keins mehr sein will.

Aber was ist ein Produkt, das sich durch grosse Buchstaben, kurze Texte und bunte Bilder definiert, wenn es kein Boulevardblatt mehr sein darf? Dann ist es nichts mehr. Das ist so, wie wenn einer Chilisosse die Schärfe genommen wird. Wie alkoholfreier Wein. Wie ein Auto ohne Motor.

Das Fatale daran ist, dass der «Blick» nicht etwa von Anfang an eine Fehlkonstruktion war. Sondern mit den klassischen Handgriffen zu einem Erfolgsmodell und zu einer sprudelnden Geldquelle wurde. Busen, Büsis, Blut. Plus Kampagnen, plus Lufthoheit über den Stammtischen, plus keine Angst vor einfachen Lösungen und Forderungen, wie es halt dem Volks gefällt. Plus Meinungsmacht. Wie sagte der Machtstratege Gerhard Schröder mal so richtig: «Man kann Deutschland nicht gegen die «Bild» regieren.»

Obwohl auch dieses Boulevardblatt schmerzlich an Auflage verloren hat, ist es immer noch Meinungsmacht geblieben. So wie der «Blick» in der Schweiz mal eine war. Gefürchtet von Politikern, aber auch von Promis und solchen, die es sein wollten. Denn er wendete das alte Prinzip an: hochschreiben, bejubeln, dann niedermachen. Wer willig für Interviews zu haben war, Intimes auf Wunsch ausplauderte, der wurde gehätschelt. Wer sich dem verweigerte, wurde geprügelt.

Auch Männerfreunschaften wurden gepflegt, wie die von CEO Marc Walder mit Pierin Vincenz, Alain Berset oder Philippe Gaydoul. Die durften sich in der Sonne wohlwollender Berichterstattung aalen. So wie bis vor Kurzem auch DJ Bobo, denn zu Ringier gehört ja ein Konzertveranstalter. Inzwischen ist da aber etwas kaputtgegangen, denn der Bäcker aus dem Aargau mit seiner klebrigen Stampfmusik wird inzwischen nach allen Regeln der Kunst in die Pfanne gehauen.

Nur: er verzichtet auf jede Stellungnahme, jeden Kommentar. Denn dieser René Baumann ist ein cleveres Kerlchen. Er weiss, dass man heutzutage Gewäffel vom «Blick» einfach abtropfen lässt. Wirkungslos.

Dass der «Blick» seit Jahren links an seinem Zielpublikum vorbeischreibt, ist das eine. Immerhin wurde die obsessive Fehde mit dem «Führer aus Herrliberg» beendet. Aber politische Bedeutung, die hat der «Blick» spätestens seit der Machtübernahme zweier Frauen nicht mehr. Obwohl das Hausgespenst Frank A. Meyer unermüdlich «Relevanz» fordert, was Ladina Heimgartner vielleicht mit «Resilienz» verwechselt.

Das Schicksal des «Blick» ist deswegen besonders tragisch, weil er eigentlich eine USP hätte. Würde er wieder richtigen, guten Boulevard machen, könnte das Blödelblatt «watson» einpacken, «20 Minuten» hätte endlich eine ernstzunehmende Konkurrenz. Denn es gibt schlichtweg kein Boulevardblatt mehr in der Schweiz.

Aber gegen ständige Fehlentscheide ist keine Zeitung der Welt auf die Dauer resilient. Und eines ist im Journalismus dann doch gewiss: Lächerlichkeit tötet. Wie ZACKBUM nicht müde wird zu belegen

Wieso darf Tobler noch schreiben?

Für einmal Kampagnenjournalismus auf ZACKBUM.

Die Schmierereien des Konzernjournalisten Philipp Loser werden hier aus hygienischen Gründen ignoriert. Wieso Covid-Amok Marc Brupbacher noch ein Gehalt bei Tamedia bezieht, ist unverständlich. Immerhin ist Undemokrat Denis von BurgJetzt muss Berset die Gegner endlich zur Impfung zwingen») verstummt.

Aber es erhebt sich verschärft die Frage, wieso es bei Andreas Tobler nicht schon längst für ein Schreibverbot reicht. Ein Auszug aus seinem Schreibstrafregister:

– Einen Mordaufruf gegen Roger Köppel verharmlost er zu einem wegen dessen Aussagen verständlichen «Theatermord».

– Er ranzt gegen den dunkelhäutigen Naidoo, dessen «Antisemitismus und die Homophobie» sollten weggemobbt werden, denn «Hass ist keine Meinung». Unkenntnis allerdings auch nicht.

– Proteste gegen «Cancel Culture» seien Meinungen von «rechtskonservativen Populisten gesetzten Alters».

Roger Schawinski warf Tobler Plagiat und unsaubere Zitiermethoden vor, verwendete dabei selbst unautorisierte Zitate des Autors. Als der ihm anbot, die Sache vor laufendem Mikrophon zu klären, kniff Tobler feige.

– Tobler feierte die Idee, dass die Bührle-Sammlung enteignet und dem Kunsthaus geschenkt werden sollte.

– Tobler forderte, dass Konzerte von Rammstein in der Schweiz gecancelt werden sollten, obwohl angeblich auch hier die «Unschuldsvermutung» gelte. Als sich alle Vorwürfe gegen den Sänger in Luft auflösten, schwieg Tobler feige.

– Tobler wirft dem Altbundesrat Blocher demagogisch ein «Doppelspiel» im Umgang mit angeblichen Rechtsradikalen vor, ohne diesen Anwurf auch nur im Ansatz zu belegen.

– In der Affäre Bührlesammlung schreibt Tobler der WoZ ab, mangels eigenen Recherchierfähigkeiten, das tut er auch bei «watson».

Der ewige Student (seit 2015 versucht er, an der Uni Bern zu promovieren) hat neben all diesen unangenehmen Angewohnheiten noch eine wirklich unappetitliche: er ist ein feiger Angstbeisser. Wird er von ZACKBUM um eine Stellungnahme angefragt, kneift er genauso wie bei Schawinski. Dafür keift er dann in seiner Gesinnungsblase auf Twitter: «Jesses, was ist denn das? Kann bitte mal jemand nachschauen, ob es dem Mann gut geht?» Dabei kriegt er Zustimmung von einer anderen Tamedia-Nullnummer: «Dem Mann scheint es wirklich nicht gut zu gehen», echot Philippe Reichen, der Amok-Korrespondent und Denunziant aus der Welschschweiz.

Worauf Tobler zurückholpert: «Wenn er Texte schreibt, kann man wenigstens davon ausgehen, dass seine Vitalfunktionen intakt sind.» Wenn man das nur auch von ihm behaupten könnte.

Was für ein Niveau eines angeblichen Kulturjournalisten, der in einem Ressort tätig ist, das mit kulturloser Abwesenheit in allen kulturellen Angelegenheiten glänzt. Aber vielleicht ist Tobler zu sehr mit seiner «geplanten Dissertation» beschäftigt, die «einen Beitrag zur Ästhetik und Geschichte des Gegenwartstheaters leisten» soll.

Um ZACKBUM zu zitieren: Wir können es wirklich kaum erwarten, welcher Plagiatsskandal sich da entwickeln wird.

Allerdings fragen wir uns zunehmend, wieso Pietro Supino nicht dafür sorgt, dass sich Tobler seiner akademischen Graduierung vollamtlich widmen kann. Der Tamedia-Leser – mit Ausnahme der wenigen Mitglieder in Toblers Gesinnungsblase – würde es ihm auf Knien danken. Denn der Mann ist eine echte Rufschädigung für den Medienkonzern.

Daher erhebt ZACKBUM als ceterum censeo (Tobler, nachschlagen) die Forderung: Schreibstopp für Tobler!

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

So sang Franz Josef Degenhardt. Heute heisst das «Kontaktschuld».

Aber wer kennt schon noch Degenhardt. Also verwenden wir besser das Framing «Kontaktschuld». Die entsteht dadurch, dass sich jemand mit jemandem unterhält, mit dem man sich nicht unterhalten sollte. Es kann auch die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung sein, an der man nicht teilnehmen sollte. Natürlich gilt auch ein Auftritt auf einer Plattform, auf der man nicht auftreten sollte, als Anlass für eine «Kontaktschuld».

Beispiele dafür gibt es immer mehr. Ein Gespräch mit einem Identitären, ja nur schon die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung mit dem (die dann flugs zu einem «Geheimtreffen» geframt wird), das geht nicht. Warum das nicht geht? Darum. Oder besser gesagt: weil das ein ganz Schlimmer ist. Ein Igitt-pfui-Mensch. Es wird unerbittlich die Frage gestellt, ob man mit einer Riesenschweinebacke wie zum Beispiel auch Björn Höcke im Rahmen eines demokratischen Wahlkampf überhaupt diskutieren sollte.

Und ob man eine solche Diskussion zwischen zwei aussichtsreichen Kandidaten überhaupt ausstrahlen sollte. Und ob man sie anders als «pfui Teufel, dieser Höcke» überhaupt kommentieren sollte. Selbstverständlich macht Höcke grenzwertige, bewusst provokative, immer an die Grenzen des Erlaubten gehende Sprüche – und damit die AfD eigentlich unwählbar.

Aber nicht mit ihm diskutieren? Nicht an einen Vortrag von ihm gehen? Weil man sich so anstecken könnte? Weil man ihm eine «Plattform» gibt, die er als möglicher Wahlsieger im deutschen Bundesland Thüringen aber sowieso hat?

Irrwisch Andreas Tobler geht da bei Tamedia noch einen Schritt weiter. Er behauptet: «Christoph Blocher betreibt ein doppeltes Spiel». Aber hallo, wieso denn, wie denn? «Der Alt-Bundesrat verteidigt die Kontakte seiner Jungpartei zu Rechtsextremen. Damit führt Blocher seine ambivalente Umgarnungs­strategie gegenüber rechts fort.»

Als gelernter Demagoge (was allerdings das Einzige ist, was Tobler beherrscht), formuliert der maliziös, es sei «bekannt geworden», dass sich die Strategiechefin der Jungen SVP mit «dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Söllner getroffen» habe. Es ist zwar kein «Geheimtreffen» mehr, wie Tamedia zuerst tatsachenwidrig behauptete, sondern sie ging an eine öffentliche Veranstaltung, aber sie habe sich mit ihm «getroffen», hört sich natürlich viel schärfer an.

Damit hat sich die SVP-Politikerin in den Augen Toblers eindeutig eine «Kontaktschuld» eingehandelt. Worin besteht nun aber das «doppelte Spiel» Blochers? Nun, der findet an solchen Kontakten nichts auszusetzen, dieser Doppelspieler. Der halte zudem ein Buch Sellners für «harmlos», habe es allerdings nicht gelesen. Tobler zwar auch nicht, aber der ist sich sicher, dass da furchtbare Dinge drin stehen. «Gemäss eines Berichts des ZDF», macht sich der Recherchierjournalist lächerlich.

Muss nun aber Blocher mal wieder klar in die Schranken weisen:

«Es stünde in seiner Macht, die SVP gegenüber Rechtsradikalen zu distanzieren – und die Extremen in ihre Schranken zu weisen. Stattdessen fischt der 83-Jährige nach Zuspruch und Wählerstimmen für seine SVP ausserhalb des demokratischen Spektrums.»

Damit macht sich dann Blocher sozusagen des Tolerierens von «Kontaktschuld» schuldig.

Stattdessen ist aber richtig: Es stünde in der Macht von Pietro Supino, auch den verhaltensauffälligen Tobler in seine Schranken zu weisen, der hier mit billigen demagogischen Tricks sich an der SVP und seinem Lieblingsfeindbild Blocher abarbeitet, dass es nur so eine Unart hat.

Denn ausserhalb des demokratischen Spektrums begibt sich eindeutig Tobler selbst. Zu einer Demokratie gehört es, dass alle mit allen sprechen können. Und sollen. Und müssten. Während es in undemokratischen Gesellschaften Brauch ist, dass Ansichten ausgegrenzt werden, ihre Vertreter zu Schmuddelkindern, mit denen man weder spielt, noch spricht.

Hinzu kommt im Fall Tobler noch eine Riesenportion Heuchelei. Fordert ein sogenannter Künstler zum Mord an Roger Köppel auf, dann verharmlost er das als durch Äusserungen von Köppel verständlichen, niedlichen «Theatermord». Nimmt Fabian Molina ganz in Schwarz an einer unbewilligten Krawallantendemo gegen «Faschismus» in Zürich teil, dann vermisst man jedes zurechtweisende Wort von Tobler.

Woher so jemand den nassforschen Mut nimmt, so heuchlerisch und doppelbödig einen Alt-Bundesrat anzurempeln, das ist leicht erklärt. Der Mann ist völlig frei von Selbstreflexion und kümmert sich einen feuchten Kehricht um seine Wirkung auf die Tamedia-Leser. Wieso allerdings Supino dabei zuschaut, das ist die schwierige Frage.

Widerwärtige Kriegsgurgel

Da ist man mal weg, und schon schreibt Nicolas Freund einen Kommentar.

Der Mann ist eigentlich Filmkritiker, hat «Komparatistik, Germanistik und Kulturjournalismus» studiert, behauptet die Autorenseite der «Süddeutschen Zeitung».

Also geradezu überqualifiziert, um sich dem Pack der Kriegsgurgeln anzuschliessen, die als Schreibtäter mit markigen Worten Ukrainer in den Tod schicken wollen. Da gibt es üble Gestalten, die auf ZACKBUM bereits ausführlich gewürdigt wurden.

Aber Nicolas Freund schlägt sie alle. Dass die SZ so eine Schmiere abdruckt, wohlan, das ist ein Münchner Problem. Dass Tamedia diesen Kommentar übernommen hat, ist ein Zürcher Problem. Ist ein Versagen aller Kontrollinstanzen. Wieso spült Pietro Supino Pipifaxartikel, lässt aber solche Schweinereien durchgehen?

Was für Schweinereien? Eigentlich eine doppelte. Die erste ist noch fast harmlos. Freund schreibt: «Wolodimir Selenski hat einen Gesetzentwurf unterzeichnet, der das Alter für die Einberufung zum Militärdienst von 27 auf 25 Jahre senkt.» Das ist natürlich blühender Unsinn; aber was versteht ein Student der Komparatistik schon vom Militär. Sonst würde ihm auffallen, dass es doch eher merkwürdig wäre, wenn in der Ukraine Soldaten erst mit 27, bzw. 25 Jahren einberufen würden.

In Wirklichkeit handelt es sich natürlich um die Senkung des Einberufungsalters von Reservisten. Also in der Sache hat Freund schon mal nix kapiert.

Aber das verblasst hinter der zweiten Schweinerei: «Es ist klar, dass Selenski für viele von ihnen ein Todesurteil unterschrieben hat.» Da habe Selenskyj doch länger gezögert, aber: «Es ist dennoch der richtige Schritt.» Denn: «So schwer diese Entscheidung fallen mag: Russlands Angriffskrieg lässt ihm gar keine Wahl.»

Freund meint also, dass junge und mangelhaft ausgebildete Reservisten als Kanonenfutter in den Tod zu schicken, für ihn ein richtiger Schritt sei. Vom fotografierten Bubigesicht auf der Autorenseite zu schliessen, dürfte Freund selber auch in diese Alterskategorie fallen.

Da sei ihm doch nahegelegt, Krieg nicht als Spielwiese für menschenverachtende Kommentare zu missbrauchen, sondern selbst mannhaft und beherzt ein Beispiel zu geben. Ein Zeichen zu setzen, wie man in seinen Kreisen so gerne sagt. Denn wir möchten unbedingt die Kriegsreportage von Freund an der Front lesen.

Die Kriegsgurgel müsste dafür nicht mal eine Waffe in die Hand nehmen. Einfach hingehen, aufschreiben, berichten. Kann doch nicht so schwer sein. Ausser, Freund wäre zu feige dafür. Aber das ist er doch sicher nicht, so abgebrüht wie er die Notwendigkeit von Todesurteilen befürwortet.

Oder um seinen Titel zu paraphrasieren: was Freund da hinschmiert, ist furchtbar und wichtig genug, um in die grosse Halle der Schandmale des verantwortungslosen Journalismus aufgenommen zu werden.

Ko-ko-kommentare

Hier ist der Zwischenstand.

ZACKBUM fragte, welche Erfahrungen seine Leser mit den Kommentarspalten der Mainstreammedien machen. Ob sie sich dort zu Wort melden können oder ob ihre Beiträge gespült werden.

Inzwischen ist wohl eine repräsentative Menge an Rückmeldungen eingetroffen, besten Dank. Natürlich sind weitere Berichte willkommen (zeyer@zackbum.ch).

Interessant schon mal: mit wenigen Ausnahmen handelt es sich um Berichte, dass bei Tamedia ein strenges Regiment herrsche. Bzw. dass mit zwei Varianten einer automatisierten Antwort Kommentare abgeschmettert werden.

Sollten die Kommentare nicht vor Übersendung an ZACKBUM mit einem Weichspüler behandelt worden sein, ist es in fast allen Fällen unerfindlich, aus welchen inhaltlichen Gründen diese Kommentare abgelehnt wurden. Es steht wirklich der Verdacht im Raum, dass sie schlichtweg nicht ins Meinungsraster passten.

Bevor ZACKBUM das im Einzelnen aufschlüsseln wird, geben wir selbstverständlich Tamedia die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Obwohl wir, ehrlich gesagt, die Antwort auch selber texten könnten.

Aber im anständigen Journalismus gehört sich das so.

Wer also noch ein Müsterchen beitragen möchte (bitte immer mit dem Text, dem Datum und der Original-Reaktion) …

Dritte Generation …

Das Haus Wanner in den roten Zahlen.

«Hoch die Flaschen». Mit dieser unsterblichen Zeile illustrierte der grossartige Tagi-Zeichner Nico einstmals die Liste der Beförderungen in der Schweizer Armee. Darüber ein Offizier, der eine Champagnerflasche schüttelt.

Unwillkürlich ist man daran erinnert, wenn man die neusten Zahlen von CH Media zur Kenntnis nimmt. Oder aber, es ist das klassische Phänomen der dritten Generation. Die erste gründet, die zweite baut auf, die dritte setzt es in den Sand.

Denn als einziger Schweizer Medienkonzern weist CH Media einen Verlust von 2,4 Millionen Franken aus. Nun kann man bei einem Umsatz von 445 Millionen von Peanuts sprechen. Wenn man diesen Verlust mit den Renditevorstellungen eine Pietro Supino bei Tamedia gegenschneidet, ist es allerdings ein jämmerliches Resultat.

Die Begründung dafür ist nicht minder weinerlich. Rückgang im Printgeschäft, im Werbemarkt, Investitionen in neue (verlustreiche) Geschäftsfelder, das fortgesetzte Aufkaufen von Privatradios, Investitionen in eine eigene IT-Struktur und schliesslich der Cyberangriff (den die mehr betroffene NZZ allerdings wegsteckte): was hier als strukturelle oder unvorhersehbare Probleme verkauft wird, ist klassisches Managementversagen.

Seit dem abrupten Abgang von Axel Wüstmann und seinem holterdipolter-Ersatz durch Michael Wanner zeigt sich wieder einmal, dass Beruf Sohn nicht unbedingt die beste Voraussetzung dafür ist, einen Konzern zu lenken.

140 Mitarbeiter von CH Media, die dank diesem Versagen auf der Strasse stehen, werden das sicherlich ähnlich sehen.

Gleichzeitig fantasiert der Verlag mit den üblichen Erfolgszahlen; mehr Abos, Steigerung von Marktanteilen, alles läuft eigentlich super, nur muss natürlich die «Kostenstruktur» etwas nach unten angepasst werden. Aber natürlich nur, um für zukünftige Verluste, Pardon, Steigerungen, besser aufgestellt zu sein.

Es wird immer deutlicher: da Ringier nach der Übernahme des Schweiz-Geschäfts von Axel Springer noch am Verdauen ist, kommt ja nur Tamedia in Frage, das lahmende Wanner-Imperium zu übernehmen. Die Frage ist allerdings, ob sich Supino davon einen Zugewinn verspricht.

Ansonsten wäre die Aufgabe leicht. Es braucht zweimal eine Position «Mann am Fenster», also so in der Art «strategische Entwicklung des Geschäfts im Fernen Osten, mit ausführlicher Rekognoszierungsreise». Und einmal «Analyse Zukunft des digitalen Radios, gestern, heute und vorgestern». Beides Aufgaben, die mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen. Dazu noch das Dulden einer Kommentatorin, die auf die falsche Bundesratskandidatin setzt und regelmässig nach oben gerollte Augen bei den Redaktoren auslöst.

Aber mit solchen Kollateralschaden wird man fertig. Schliesslich gibt es ja eine ganz bösartige Interpretation, wofür die vier, nun ja, Rundumeli im Logo stehen …

Bern traut sich was

Wetten, dass das intern zu reden gab?

Juristin Rahel Guggisberg traut sich was. Sie thematisiert die massiv zunehmenden Ladendiebstähle und Taschendiebstähle in Bern. Das verzeiht man ihr sogar das Unwort «Ladenbesitzende».

Die Kantonspolizei sehe «einen massiven Anstieg an Vermögensdelikten», wie es im Behördensprech heisst. Nicht nur das, die Diebe gehen immer dreister vor. Pardon, die Diebe, Diebinnen und auch ihre nonbinären, hybriden, fluiden und Trans-Vertreter. Verlangen gleich das Öffnen der Kasse oder werden pampig, wenn man sie beim Diebstahl erwischt. Oder rempeln sogar Ladenpersonal an, das sie gestellt hat.

Guggisberg schleicht sich auch an die entscheidende Frage heran. Welchen, nun ja, welchen Migrationshintergrund haben die Diebe? Da zitiert sie vorsichtig:

«Auf der Plattform X konkretisierte die Kantonspolizei in der vergangenen Woche: Die Mehrheit der Angehaltenen stammt aus Maghreb-Staaten. Des Weiteren handelt es sich auch um Personen aus der Schweiz, Deutschland, Rumänien, Bulgarien Frankreich, Kosovo, der Türkei und Sri Lanka.»

Für den Nicht-Maghreb-Kenner: darunter versteht man Tunesien, Algerien, Marokko und Westsahara, allenfalls auch Libyen und Mauretanien. Ihr Problem: sie kommen mit völlig falschen Vorstellungen in die Schweiz und stellen einen meist erfolglosen Asylantrag.

«Sie zeigen dann aus Enttäuschung ein aggressives Verhalten. Es sind teilweise komplett frustrierte junge Männer, die frech und kräftig sind und nicht davor zurückschrecken, andere zu bedrohen», zitiert Guggisberg Jonas Weber, Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Bern.

Zudem stellt sich hier das gleiche Problem wie beim minderjährigen Messerstecher von Zürich: Das Schweizer Strafrechtssystem «schreckt diese Menschen nicht ab».

Das Problem ist nicht auf die Schweiz beschränkt, weiss der Professor: «Diese kriminellen jungen Männer aus Nordafrika reisen in der Regel in Westeuropa herum und kommen nicht extra in die Schweiz, um hierzubleiben, so der Strafrechtsprofessor. Sie sind auf Wanderschaft. Solange sie genügend Energie haben und sich ihnen keine anderen Optionen bieten, werden sie weiter reisen und sich mit Straftaten über Wasser halten

Also das, was man gemeinhin als Kriminaltouristen bezeichnet. Besonders perfid ist dabei noch die Methode, die vor allem von östlichen Diebesbanden angewendet wird. Sie schicken Kinder los zum Diebstahl. Die Beute müssen die dann den Erwachsenen aushändigen; werden die Kinder in flagranti erwischt, sind sie noch nicht strafmündig.

Es ist dem Berner Ableger von Tamedia hoch anzurechnen, dass er sich traut, auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Wir sind gespannt auf die Reaktion der Gutmenschenfraktion in Zürich, die das Phänomen sicherlich konzeptualisieren, einordnen und vor dem soziologischen-kulturellen Hintergrund einer Diaspora, der Entwurzelung und der postkolonial verschuldeten Zukunftslosigkeit in den Maghrebstaaten schönschwätzen wird und fordern, dass die reiche Schweiz sich doch gefälligst mehr Mühe bei der Integration dieser Jugendlichen geben sollte.

Gesprächsangebote, Gruppentherapien, aufeinander zugehen, in Dialog treten, das muss die richtige Antwort sein. Eine Kommentator:in* zeigt tapfer den richtigen Weg: «Ein weiterer Grund dass die Polizei sofort aufhören soll kriminelle Taten nach Herkunft der Täter auzuschluesseln! Denn das fördert doch bloss die Vorurteile und Rassismus & Islamophobie gegen die doch meist friedlichen, integrierten & fleissigen Migrant*nnen

Der geneigte Leser fragt sich allerdings, ob das nicht fiese Ironie ist, verkleidet in diesem Geschwafel. Inklusive wackliger Beherrschung der deutschen Interpunktion. Ein anderer Kommentator bringt’s auf seine Art auf den Punkt: «Ja meint ihr denn wirklich, wir können hier einfach uns voll fressen und voll saufen, während der Maghreb zugrunde geht? Immer noch nicht begriffen dass die Welt so viel Reichtum auf der einen Seite und so viel Armut auf der anderen Seite nicht aushält

Wir hoffen für ihn, dass er sich nur in homöopathischen Dosen ernährt und bei seiner Forderung, dass «wir stinkreichen Schweizer von unserem Geld abgeben müssen», mit gutem Beispiel vorangeht.

 

Slalom auf engstem Raum

Der Tagi verschlankt. Da muss man engere Kurven fahren.

Dabei quietscht es dann gehörig, und den einen oder anderen trägt es aus der Kurve. Medial eher einmalig ist das Abarbeiten mit Kommentaren an der 13. Rente.

Das ist ein Trauerspiel in bislang vier Akten. Eine klassische griechische Tragödie hat aber fünf, auf die Katharsis warten wir also noch.

Aber Vorhang auf.

Erster Akt: Am 20. Februar griff Oberchefredaktorin Raphaela Birrer in die Tasten und haute einen Leitartikel ihren Lesern in die Fresse: «Nein zu diesem kurzsichtigen Populismus». Das war so massiv gegen das eigene Publikum getextet, dass es weit über 1000 Kommentare absetzte; wie viele weitere nicht publiziert wurden, kann man sich vorstellen.

Also kroch Birrer gegen Ende des ersten Akts halbwegs zu Kreuze, indem sie der verblüfften Leserschaft erklärte, wie denn so ein Leitartikel vor einer Abstimmung zustande komme. Das sei häufig nachgefragt worden. Nein, am häufigsten hatte sich der Leser über den forschen Ton von Birrer erregt, aber eben, Slalomfahren ist auch eine Kunst. Der erste Vorhang fällt, während das Publikum amüsiert gluckst.

Zweiter Akt: Wie der Deus ex machina tritt Arthur Rutishauser auf und schleudert in der «SonntagsZeitung» Blitze: «Wir sind auf dem Weg zur Gerontokratie, also jener Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen.» Wie ein zürnender Zeus weist er die Erdenmenschen zurecht: «Alle sehen den Staat als Milchkuh, die endlich auch für sie etwas abwerfen soll.» Obwohl beim Schreiben seines Editorials das Ergebnis noch gar nicht feststand. Aber Rutishauser hat halt mit Zeus gemeinsam, dass er in die Zukunft sehen kann. Und was er da sah, erfüllte ihn überhaupt nicht mit Freude.

Der zweite Vorhang fällt, das Publikum schweigt betroffen und harrt gespannt der Fortsetzung.

Neuerlicher Auftritt Birrer, diesmal bereits halbwegs geläutert, obwohl es noch gar nicht Zeit dafür ist. «Dieses Ja ist eine Sensation», begeistert sie sich plötzlich, als hätte sie nicht kurz zuvor vor solch kurzsichtigem Populismus streng gewarnt. Aber was geht Birrer im dritten Akt die Birrer im ersten an? Eben. Diesmal gewinnt sie das Publikum mit grosser Empathie, geradezu mit einer Arie in Anteilnahme: «Ausbau des Sozialstaats … und noch nie haben die Medien so intensiv berichtet … Viele Seniorinnen und Senioren plagen Existenzängste … Die Bedeutung dieses historischen Abstimmungssonntags kann gar nicht überschätzt werden …»

Offener Szenenapplaus, das Publikum zückt die Taschentücher und schnieft hörbar. Schon fällt wieder der Vorhang, lautstark werden Nasen geputzt, Brillengläser auch, und die eine oder andere Träne wird abgewischt. Man schaut sich im Publikum an und nickt sich anerkennend zu. Grosses Kino, das hier geboten wird.

Vierter Akt: Schon wieder wird neues Personal in die Schlacht geworfen, als retardierendes Element tritt Fabian Renz auf, Leiter «Ressort Analyse und Meinungen» und schon mehrfach verhaltensauffällig geworden. Der barmt nun auf offener Bühne: «Bitte das Rentenproblem jetzt ernst nehmen.» Leichte Unruhe im Publikum, denn wer hätte das bislang denn nicht ernst genommen?

Doch, so ernst wie Renz tut das niemand, er deklamiert: «Vielleicht spüren einfach immer mehr Rentnerinnen und Rentner, wie ihnen Inflation und Prämienschock das Geld wegfressen. Vielleicht packt immer mehr Erwerbstätige der Schrecken, wenn sie von ihrer Pensionskasse eine Rentenprognose erhalten.» Da nickt das Publikum bedächtig, schaut sich ins Gesicht und wiederholt: «Vielleicht, vielleicht, vielleicht».

Renz liest nun die Leviten, ruft zur Ordnung, klärt auf: «FDP, Mitte und SVP müssen den Missstand endlich anerkennen und anpacken. Alle Ideen sind ergebnisoffen zu prüfen – auch eine Gewichtsverschiebung von der zweiten zur ersten Säule darf nicht mit einem Denkverbot belegt sein.»

Ergebnisoffen, jubiliert das Publikum, Misstand anerkennen, murmelt es anerkennend, keine Denkverbote, das geht von Mund zu Mund.

Renz verbeugt sich erschöpft, in den fallenden Vorhang hinein brandet Applaus auf.

Fünfter Akt: Das wäre Sophocles nie passiert, aber während das Stück schon aufgeführt wird, ist der noch nicht geschrieben. Peinlich, aber wahr. Dabei werden die Slalomstangen nun ganz eng gesteckt, denn während noch bis vor Kurzem drei Bünde zur Abhandlung zur Verfügung standen, sind es nurmehr zwei.

Wie ein Menetekel an der Wand hängt ein letzter Satz von Renz in der Luft: «Beschränkt sich Tamedia hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und einbrechende Werbeeinnahmen …»

Hoppla, da scheint ein Übersetzungsfehler aus dem Altgriechischen vorzuliegen. Renz sagte natürlich: «Beschränken sich die Parteien hingegen auf missmutige Sparübungen, auf Predigten über Demografie und Eigenverantwortung ..

 

Gerichtete Richter

Verfassungsexperte Fellmann weiss es besser. Die zweite Lieferung.

«Viehschau-Berichterstattung», das qualifiziert zu Höherem. Zu Höchstem, sozusagen. Der Oberste Gerichtshof der USA hat entschieden, dass es nicht angeht, Donald Trump die Teilnahme an den Vorwahlen in Colorado zu verweigern. Einstimmig.

Das hätten sie besser nicht getan, denn damit zogen sie den Zorn des Obersten Oberrichters Fabian Fellmann auf sich. Der hat zwar nur eine kleine Stimme im Qualitätskonzern Tamedia, die erhebt er aber unerschrocken.

Allerdings widerspricht er sich selbst, was ihm aber in seiner richterlichen Überheblichkeit, Pardon, Unabhängigkeit, gar nicht auffällt. Denn einerseits konzediert er: «Das jüngste Urteil der obersten Richter in Washington zu Trump ist schlüssig.» Aber bevor die Judges erleichtert aufatmen können, gibt ihnen Fellmann gleich Saures: «Aber insgesamt entsteht das Bild eines Gerichts, das ihm die Grenzen nicht entschieden genug aufzeigt

Ja was denn nun, ent- oder weder? Huhn oder Ei? Schlüssig oder nicht entschieden genug? Beides kann’s eigentlich nicht sein, ausser in der juristischen Präzisionslogik von Fellmann.

Denn der nimmt sie Stück für Stück auseinander. Mit der Einstimmigkeit hätten die ihre «Unparteilichkeit bekräftigen» wollen. Aber das durchschaut Fellmann sofort: «Allerdings haben sie dieses Ziel verfehlt, unter anderem, indem eine Mehrheit der Richter viel weiter ging.»

Wie das? «Die fünf Richter» hätten «dabei Trump und seinen Helfern faktisch eine politische Amnestie ausgestellt».

Nun geht der Verfassungsjournalist noch in den Nahkampf, bei einer Viehschau würde er Hörner, Mund und Hufe genauer untersuchen. Hier: «Juristisch mag es auch schlüssig sein, dass sich die Richter nicht mit der Frage befassten, ob Trump wegen des versuchten Staatsstreichs als Aufständischer gelten sollte. Doch insgesamt ist das Verhalten des Gerichts fragwürdig.»

Zwischen schlüssig und fragwürdig ist oft nur eine ganz feine, rote Linie, die nur Berufene entdecken, die über eine entsprechend grosse Lupe verfügen. Wie Fellmann.

Diesem Gaul schaute Fellmann ins Maul und will ihn nicht mal geschenkt. Aber er braucht noch eine Schlusspointe. Die lahmt dann sehr und ist noch mehr entlarvend: «Es entsteht das Bild eines Gremiums, das dem orangen Jesus seine Grenzen nicht entschieden genug aufzeigt – bis es zu spät ist.»

Oranger Jesus? Biden ist der weisse Methusalem? Putin der Beelzebub? Und der Oberste Gerichtshof der USA ist die Muppetshow? Bis es für alle, für uns alle aber vor allem für Fellmann zu spät ist. Denn zu früh kann es nicht sein. Oder so.

Umso bedeutungsloser die Meinung der Journalisten wird, desto lauter krähen sie sie hinaus.

Wie er seinen Hintern retten will

Wie flickt man ein eigenes Fehlverhalten?

Cédric Wermuth liefert ein Musterbeispiel, wie man mit der Instrumentalisierung der Medien versuchen kann, Schadensbegrenzung vorzunehmen.

Als der SP-Co-Präsident ankündigte, dass er sich eine zweimonatige Auszeit nehmen werde, war das Medienecho verhalten. In der Schweiz respektiert man weitgehend das Privatleben von Politikern. Als Nathalie Rickli oder Jacqueline Badran Auszeiten nahmen, um einem Burnout zu begegnen, bekamen sie von Freund und Feind eigentlich nur Sympathieadressen.

Auf diesen Bonus hoffte offensichtlich auch Wermuth, bevor er mit Kind und Kegel in die Ferne flog. Seine Rückkehr gestaltete sich dann weniger idyllisch. Denn auch mit feinster Rabulistik lassen sich ein paar Tatsachen nicht wegplappern.

– Wenn jemand Flüge innerhalb Europas verbieten will, selbst aber für ein verwackeltes Selfie mit dem damaligen Wahlsieger Olaf Scholz nach Berlin jettet, hat er ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wenn er dann mit der ganzen Familie nach Vietnam und auf die Philippinen fliegt, statt es mit einer Radtour in den Schweizer Bergen zu probieren, verschärft sich das ungemein.

– Mit den ausgedehnten Familienferien hat Wermuth offensichtlich gegen Bestimmungen des Parlamentsgesetzes verstossen, das Absenzen nur aus wichtigen Gründen oder wegen Krankheit erlaubt.

– Mit seiner Lustreise verarscht Wermuth seine Wähler, die von ihrem SP-Nationalrat politische Leistung für sein üppiges Honorar erwarten.

– Mit seinem Familientripp verarscht Wermuth die Schweizer Steuerzahler, die das schliesslich finanzieren und selbst nur davon träumen können, mal zwei Monate bezahlten Urlaub zu machen.

Also ist die Ausgangslage eher kritisch bis bewölkt. Was tun? Schadensbegrenzung ist das Stichwort; ein «jetzt rede ich», ein «ich breche mein Schweigen» ist angesagt. Natürlich in einem gesinnungsfreundlichen Umfeld, wo kritische Fragen als Wattebäuschchen daherkommen und man Wermuth mit schwiemeligen Antworten («Herr Glarner darf selbstverständlich seine Meinung zu meiner Auszeit haben») davonkommen lässt.

Hier darf sich Wermuth ungestört ausjammern:

«Mehrere Ratskolleginnen und -kollegen, gerade auch bürgerliche, haben mir zu meinem Mut gratuliert. Viele haben mir gesagt: Ich könnte das nicht. Es hat mich etwas traurig gestimmt, dass offenbar viele Angst haben, das Gesicht zu verlieren, nur weil sie sich Zeit für sich und ihre Familie nehmen. Das halte ich für eine grauenhafte Vorstellung von Führung und Leben.»

Hat er sich damit, dass ihm Jacqueline Büchi bei Tamedia einen Schaumteppich für die weiche Landung auslegte, einen Gefallen getan? Funktioniert die Nummer ich bin ein sensibler woker Mann, der  dem männlichen Führungsprinzip eins in die Fresse haut?

Zumindest Tamedia weiss er dabei auf seiner Seite. Der Gesinnungsgenossenkonzern legt sogar noch nach: «Eine mehrmonatige Auszeit, wie sie sich SP-Chef Cedric Wermuth genommen hat, ist auch bei Führungspersonen in der Wirtschaft nichts Aussergewöhnliches mehr», weiss Isabel Strassheim, die sich sonst nicht immer sehr glücklich um die Basler Chemie kümmert. Allerdings muss sie einräumen: «Normalerweise ist ein Sabbatical ein unbezahlter Sonderurlaub.» Hat also mit den bezahlten Ferien Wermuths eigentlich nichts zu tun. Der übrigens Co-Präsident ist und Cédric heisst.

Allerdings ist die Reaktion der Leser in den Kommentarspalten gelinde gesagt durchwachsen. Die NZZ hält sich bislang vornehm zurück und nimmt (noch) keine Stellung. CH Media aus den Stammlanden Wermuths schleimt sich nicht gerade so ein wie Tamedia, gibt aber Wermuth das letzte Wort gegenüber dem anderen Aargauer Andreas Glarner und endet die Berichterstattung spitz: «Auch bei Glarners Partei, der SVP, entscheiden Fraktionsmitglieder ziemlich frei, ob sie an Kommissionssitzungen teilnehmen oder sich vertreten lassen.»

Also die auch, wieso wir dann nicht, und überhaupt.

Ganz anders sieht es lustigerweise beim «Blick» aus, der angeführt vom alten Meinungsträger Frank A. Meyer zunehmend kritisch gegenüber der SP wird. Hier darf sich der Leser aus der «Community» austoben, wird über den Vorstoss Glarners breit (und wohlwollend) berichtet.

Ist es Wermuth also gelungen, die Medien geschickt zu bespielen, sich sympathisch rüberzubringen, Verständnis für seine Familiensupersonderreise zu wecken?

Die Antwort ist klar: nein. Im Gegenteil. Das Geschleime im «Tages-Anzeiger» ist nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv. Einfach deswegen, weil eine solche wochenlang Fernreise mit der ganzen Familie auf Kosten des Steuerzahlers und unter Vernachlässigung der Pflichten, für die er gewählt wurde, nicht vermittelbar ist. Zu weit von der Erlebniswelt der Bevölkerung entfernt. Ausserhalb der eigenen Gesinnungsblase nicht goutiert wird.

Wer behauptet, für den Werktätigen, der «um acht aufstehen muss» einzustehen, muss in seiner eigenen Lebensführung gewisse Grenzen akzeptieren. Eine Umweltaktivistin, die zur Umweltkonferenz nach Dubai fliegt, macht sich lächerlich. Ein Fluggegner, der mit der ganzen Familie nach Vietnam und auf die Philippinen jettet, auch.

Dabei hat Wermuth ein übliches Politikerproblem. Er ist so sehr von sich selbst überzeugt, dass er meint, jegliches eigenes Verhalten schönschwätzen zu können, das Klavier sensibler, inkludierender, woker Mann zu bedienen, bringe genügend Punkte.

Europäische Politiker haben bis heute nicht gelernt, worin US-Kollegen Meister sind. Fehlverhalten, auch schweres? Zuerst abstreiten, wenn es zweifellos nachgewiesen wird oder offenkundig ist: mannhaftes Hinstehen vor die Kameras und Mikrofone, Dackelblick aufsetzen und «ich bereue, ich entschuldige mich, ich habe mich und meine Wähler enttäuscht, ich werde es nie mehr tun, ich bitte um eine zweite Chance» knödeln. Klappt (fast) immer.

Hätte auch bei Wermuth funktionieren können. So aber hält er den Parlamentarierreisli-Skandal schön am Köcheln.