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«Militärexperte» Keupp: Rohrkrepierer

Der «Militärökonom» an der ETH ist ein kriegsuntauglicher Diversant.

Die Schweizer Armee hat einige Probleme. Eines davon ist leicht zu identifizieren und heisst Marcus Keupp. Der Deutsche ist die Fehlbesetzung auf einem verlorenen Posten. Oder aber, schrecklicher Verdacht: er ist vom Feind bezahlt oder gesteuert.

Wikipedia weiss über ihn: «Als Dozent an der Militärakademie der ETH Zürich unterrichtet er angehende Berufsoffiziere der Schweizer Armee und beschäftigt sich in seiner Forschung insbesondere mit militärischer Logistik.»

Deshalb hat die Schweizer Armee offensichtlich ein Führungsproblem …

Keupp wusste: «Russland wird den Krieg im Oktober verloren haben.» Zu dieser schneidenden Prognose kam er «aufgrund mathematischer Berechnungen». Wahrscheinlich hantierte er mit Fantastillionen, dividiert durch null. Blöd nur: er meinte den Oktober 2023. Blöd nur: das haben die Russen bis heute nicht eingesehen.

Wikipedia weiss auch: «Im April 2024 hielt Keupp an seiner im März 2023 geäußerten Einschätzung fest, dass Russland den Krieg bereits im Herbst 2023 „strategisch verloren“ habe.»

Als Militärökonom erlaubt er sich auch Prognosen allgemeiner Art: «Der Kollaps des russischen Finanzsystems ist nur noch eine Frage von Tagen.» Aber diese Tage verstrichen ohne Kollaps – im März 2022.

Das kann doch einen Wissenschaftler wie Keupp nicht erschüttern. Wenn man ihm ein Mikrophon hinhält, ist er sofort bereit, seinem Lebensmotto zu frönen: nach der Fehlprognose ist vor der Fehlprognose.

«Wenn es so weitergeht, wird Russland den Krieg verlieren.» Mit diesem militärischen Fehlschlag überrascht Keupp aktuell die Welt im «Blick». Das Organ für gehobene Stände hat leider ein kurzes Gedächtnis – oder ist zu höflich, dem Quatschprognostiker seine Fehlprognosen von früher um die Ohren zu hauen.

Kriegsgurgel Keupp hat noch weitere ungebetene Ratschläge auf Lager: «Mit Putin darf man nicht verhandeln. Wer jetzt Verhandlungen mit Russland fordert, ist ein Pseudohumanist.» Dass Keupp ein Pseudomilitärwissenschaftler ist, liegt aber entschieden näher an der Wahrheit. Denn Kriege werden bekanntlich entweder durch die Kapitulation einer Partei – oder durch Verhandlungen beendet.

Dann nimmt der Irrwisch des Krieges noch die ganz grosse Keule hervor: «Es gab damals und gibt heute noch immer so einen Typ Mensch, der denkt, dass Hitler oder Putin gar nicht so falschliegen, dass die doch auch gedemütigt worden seien, dass die sich doch auch wehren dürften. Wer das sagt, ist moralisch verrottet.»

Moralisch verrottet, das Werturteil muss man sich als Berufsrohrkrepierer erst mal trauen. Und was passiert, wenn so moralisch verrottete Menschen, also all diese Putinversteher, die deswegen auch Hitlerversteher waren, die Meinungsführerschaft übernähmen?

«Ja, auch neutrale Staaten wie die Schweiz könnte das jederzeit treffen. All jene, die jetzt poltern, es zähle ja eh heute schon nur das Recht des Stärkeren, die dürften sich noch wundern, was mit ihnen passiert, wenn das regelbasierte System erst mal ausser Kraft gesetzt ist.»

Zunächst muss man sich allerdings Sorgen machen, was eigentlich passiert, wenn eine solche Fehlbesetzung einen wissenschaftlichen Lehrstuhl verunziert und auf Kosten des Steuerzahlers noch grösseren Unsinn als «Russia Today» verzapft. Wobei Keupp offenbar noch nicht mitbekommen hat, dass das «regelbasierte System» tatsächlich ausser Kraft gesetzt wurde.

Mal mit einer Prognose danebenliegen, das kann ja passieren, sollte aber nicht vorkommen, wenn man sich Wissenschaftler schimpft. Aber ständig und ausnahmslos und immer wieder danebenhauen, da muss man schon von einem Systemversagen bei Keupp sprechen.

Wieso ihm der «Blick» allerdings die Spalten öffnet, um sich nochmals lächerlich zu machen, das gehört wiederum zu den Geheimnissen des Qualitätsjournalismus aus dem Hause Ringier.

 

 

Kriegstrommeln

Kann man einen Krieg herbeischreiben? Der Versuch findet statt.

Die kläffende Meute ist auf der Jagd. Im Medienarchiv SMD findet man in der vergangenen Woche 360 Treffer, wenn man nach den Begriffen Putin und Angriff sucht.

Dabei wäre doch Trump, Vance, Grönland und Angriff ein viel ernsteres Szenario.

So vermeldet das ansonsten friedliche Liechtensteiner «Vaterland»: «Geheimdienste: Putin rüstet sich für Krieg gegen Nato». Auf «Inside Paradeplatz» raunt Militär-Altstratege Albert Stahel: Würde sich wegen Grönland die NATO auflösen, «könnte Waldimir Waldimirowitsch Putin, ohne eine Vergeltung der USA zu befürchten, in einer ersten Etappe den Suwalki-Korridor, der die russische Enklave Kaliningrad von Belarus trennt, erobern

Auch die «Sonntagszeitung» warnt vor dem russischen Bär: «Russland bereitet sich auf einen grossen Krieg vor». Die deutsche «Welt am Sonntag» ist ebenfalls im Sandkasten unterwegs: «Ein möglicher Krieg mit Russland könnte an der Nato-Ostflanke seinen Anfang nehmen». Das ist eine besonders überraschende Analyse, da ja der militärische Laie annimmt, dass Russland via Spanien oder Italien angreifen würde.

In der ehemals pazifistischen «Republik», die der Forderung im SP-Parteiprogramm, die Armee abzuschaffen, durchaus sympathisierend gegenüberstand, raunzt Wendehals Yves Wegelin: «Angesichts der Bedrohung durch Putin muss sich Europa verteidigen können.»

Wenn man so die Kriegstrommel schlägt, dann muss ja wohl eine belastbare Basis für diese Befürchtung vorhanden sein. Eine Quelle beispielsweise innerhalb des Kreml, die kriegerische Vorbereitungshandlungen ausplaudert. Oder ein angesehener Think Tank, der seine Reputation nicht mit waghalsigen Spekulationen aufs Spiel setzen will und ernsthaften Anlass zu solchen Befürchtungen hat.

Denn die Vorbereitungen auf einen solchen Angriff auf die NATO müssten ja sichtbare Spuren hinterlassen.

Und schliesslich sollten doch seriöse Mainstreammedien verantwortlich mit solchen Behauptungen umgehen und sie zuvor auf Plausibilität geprüft haben.

In einer Traumwelt, in der der heutige Elendsjournalismus nicht existieren würde. In unserer Welt sieht es allerdings ganz anders aus.

Das angebliche Qualitätsorgan «SonntagsZeitung» übernimmt mal wieder die teutonische Sichtweise von gleich drei Autoren der «Süddeutschen Zeitung». Es handelt sich um die Militär- und Kriegsspezialisten Jörg Schmitt, eigentlich zuhause in Korruption und Wirtschaftskriminalität. Um Florian Flade, der sonst über Terrorismus, Extremismus oder Spionage rapportiert. Und um Manuel Bewarder, Reporter in Sachen «Politik, Sicherheit und Migration». Diese drei Koryphäen bauen nun mit allen Mitteln der Demagogie ein Angriffsszenario auf.

Einstieg mit dem Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr, dem es in einer Talkshow gar nicht wohl gewesen sei und der dort behauptete, dass das Ende des Ukrainekriegs nicht dazu führe, dass «wir Frieden auf dem europäischen Kontinent haben». Das ist natürlich noch etwas vage, also darf ein Professor der Bundeswehr-Universität in aller wissenschaftlicher Neutralität sagen: «Russland bereitet sich auf einen grossen Krieg vor.»

Und worauf stützen sich all diese Kriegskrakeeler? Auf eine «neue Lagebewertung des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der Bundeswehr».

Die Lachnummer BND und die Lachnummer Bundeswehr haben sich also wie Dick und Doof zusammengetan und eine «Lagebewertung» vorgenommen. Allerdings hat man dort doch aus den vielen Flops der Vergangenheit gelernt und eiert eigentlich in einem Einerseits-Andererseits herum.

Einerseits gebe es keine Hinweise auf eine«unmittelbar bevorstehende russische Konfrontation mit der Nato». Aber bevor man aufatmen kann; andererseits: schaffe Russland bis Ende der Dekade wohl alle Voraussetzungen, um einen «grossmassstäblichen konventionellen Krieg» führen zu können.

Oha. Womit wird diese Behauptung gestützt? «Die Prognose für die kommenden Jahre decken sich in grossen Teilen mit Einschätzungen des litauischen Geheimdienstes VSD». Also der eine Geheimdienst unkt und beruft sich dabei auf die Unkenrufe eines anderen.

Gibt es daneben eigentlich irgendwelche Fakten, Belege, beispielsweise wenigstens ein russisches Sandkastenspiel, das solche Kriegslüsternheit des Iwans belegen könnte?

Nein.

Also ist das unverantwortliche Kriegstrommelei, um Aufmerksamkeit zu erzielen, ohne Rücksicht auf mögliche Folgen. Wieder einmal wurde die Meinung besiegt, dass der Elendsjournalismus nicht tiefer sinken könne. Er kann.

Amok im Weissen Haus

Grönland, Panama, Kolumbien. Der reichste Mann der Welt hat Zugriff auf alle Daten, von denen er nie zu träumen wagte.

Und der Zollkrieg, der die Weltwirtschaft – und die USA, schwer beschädigen wird.

Es ist ein vorgezeichneter Weg ins Verderben. Wie gross das wird, ist nicht absehbar. Wer meint, man hätte doch auch die ersten vier Jahre überstanden, dann schaffe man das nochmal, täuscht sich. Der Mann ist ein unguided Missile, nur hat er diesmal genug Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Seine Berater werden als Brandbeschleuniger wirken, es gibt einen Plan. Nur: der hat kein erkennbares Ziel, ist von sich rational gebenden Irren entwickelt.

Den Zollkrieg hat er einfach so vom Zaun gebrochen. Er kann nicht einmal eine richtige Begründung dafür angeben. «Die Europäer haben uns sehr schlecht behandelt», wie verrückt ist das denn.

Donald Trump hat etwas von Fentanyl verzapft, aber nichts Konkretes. Im Falle von Kanada ist das Argument absurd. Also: wann fallen die Zölle wieder weg? Welches sind die Bedingungen? Kennzahlen? Dabei schiesst er ja vor allem den USA ins Knie. Wie sollen US-Buden denn planen, wenn sie nicht wissen, für wie lange? Und wie sollen die Mexikaner Massnahmen ergreifen, wenn sie nicht einmal wissen, wie die Latte aussieht und wie hoch sie hängt?

Nebenbei: das Ganze wird zu einem absurden Administrationspuff führen. Industrielle Teile überqueren die Grenzen zu den beiden Ländern bis zur Fertigstellung teils ein Dutzend Mal. Wie soll da der Zoll angewendet werden? Da ist sicher noch nichts bekannt.

Den Fentanyl-Nachschub mit Zöllen verhindern zu wollen, ist hirnrissig. Solange in den USA ein Markt besteht, wird es jegliche Drogen geben auf dem Markt. Auch Fentanyl, einfach teurer. Und noch gewalttätiger. Und noch einmal: wann ist die Menge (die ja eh niemand kennt oder kennen wird) derart geschrumpft, so dass sie die Aufhebung der Zölle erlaubt? Oder wird es nun auf Jahre hinaus Zölle geben?

Zoll ist eine protektionistische Abschöpfung von Mehrwert, die die USA nicht reicher machen wird, wie er träumt, sondern die Konsumenten ärmer. Damit hat er sich ein Eigentor geschossen, dass das Netz wegfliegt.

Das Wichtigste an verantwortlicher Politik einer Weltmacht ist die Berechenbarkeit. Aber Trump folgt, ohne das zu wissen, der «Mad Man»-Theorie. Sie wurde von Richard Nixon während des Vietnamkriegs entwickelt. Der erklärten einem seiner kriminellen Berater: «Ich will die Nordvietnamesen glauben machen, dass ich den Punkt erreicht habe, wo ich alles tun werde, um den Krieg zu beenden.»

Der hatte wenigsten die Idee von einem Ziel – ist aber trotzdem gescheitert. Trump hat, keine, ausser vielleicht: Ich will die Welt beherrschen. Aber das wird er nicht schaffen. Doch er wird sich noch ganz andere Dinge erlauben als einen sinnlosen Zollkrieg.

Was Trump noch alles unternehmen wird, das will man sich nicht vorstellen.

Das Ganze wird Mexiko weniger schaden als den Amis. Wer mehr hat, hat auch mehr zu verlieren. Langfristig sowieso.

Schlimmer noch ist Kanada. Das ist der wohl stärkste Verbündete der USA (Teilnahme in beiden Weltkriegen usw.). Ausgerechnet gegen dieses Land derartige Massnahmen zu ergreifen ohne irgendeinen Grund, ist mehr als ein starkes Stück. Dafür gibt es keine Erklärung, ausser, dass er es absolut ernst meint mit Kanada als 51. Staat und dies erste Stiche sind in Richtung Weichklopfen. Auch da wird er scheitern, das ist klar.

Donald Trump ist ein x-fach gescheiterter Narzisst an der Macht. Das ist eine Mischung wie Nitro und Glyzerin.

Vor 2016 kursierten verschiedene Zahlen zu seinem Vermögen. Sie mitteten sich ein auf 4 Mia. $. Dabei hat er nachweislich seinerzeit 400 Mio. $ von seinem Vater erhalten. Hätte er diese auf ein Sparbuch gelegt, er hätte 2016 mehr als 4 Mia. $ gehabt. Er ist also ein geschäftlicher Versager. Dabei hat er, was er auch immer verdient hat, mit faulen Tricks erreicht. Keine US-Bank gab ihm noch Kredit. Und man sah es die letzten Jahre, mit welch üblen Kniffen er sich Geld beschaffte. Angefangen von Bibeln über Uhren bis zu Bitcoins, bis zu seinen Hotel-Flops, der Trump University. Unzählige Investoren haben mit ihm Milliarden verloren.

Was auch ganz sicher ist: Er wird den Rest der Welt wesentlich empfänglicher machen für die Chinesen. Das gilt vorab einmal für Südamerika und Afrika. Langfristige Auswirkungen für die USA: verheerend. Er könnte diese Entwicklung nur mit einer totalen militärischen Unterwerfung dieser beiden Kontinente verhindern. Prädikat: unmöglich.

Und was macht er, wenn die Chinesen tatsächlich Taiwan abholen? Dann kann er seine Pläne in Sachen KI vorerst vergessen. NVIDIA designt zwar die Chips, aber TSMC stellt sie her. Ohne die Chips keine KI, auch wenn es weniger braucht. Die von Biden aufgegleiste Chip-Fertigung in den USA wird noch auf Jahre hinaus nicht in der Lage sein, diese Chips zu produzieren, wenn überhaupt je. Und mit DeepSeek haben die Chinesen gezeigt, dass sie nicht einfach hinterherkopieren, sondern vornedran sind.

Da hat Elon Musk, der im Gegensatz zu Trump ein cleverer Geschäftsmann ist, völlig recht: 500 Milliarden US$ reichen bei Weitem nicht, um aufzuholen. Es ist zudem absehbar, dass diese beiden gestörten Menschen nicht lange zusammenbleiben werden. Das wird fatal enden, aber für Musk. Denn wenn der andere über alle Schalthebel der Macht verfügt, nützt alles Geld der Welt nichts.

Mit der Begnadigung der Kriminellen, die das Capitol stürmten, hat er in aller Klarheit bewiesen, dass ihm der Rechtsstaat schnurzegal ist. Wie dieser Belastungstest der Checks and Balances ausgehen wird, ist völlig unklar.

Die Welt marschiert Richtung Elektrifizierung, ob es dem Idioten passt oder nicht. Die Chinesen sind in jeder Beziehung führend. Sei es in der Stromproduktion (Solar, Wind, Atom), sei es bei der Speicherung und der Übertragung. Und bei der ganz grossen Anwendung Elektroautos sind sie ebenfalls Jahre voraus. Das wird den Chinesen ungeheure Softpower bescheren. Und real Power. Wenn sie es mit ihrer Technik fertigbringen, u.a. Afrika und Südamerika zu elektrifizieren, dann haben die US-Ölfritzen («drill, baby, drill») dort nicht mehr viel zu sagen. Und Die Chinesen werden dabei von weitesten Kreisen im Westen bewundert werden.

Absurde Nebenwirkung: die Chinesen würden einen historischen Fehler machen, wenn sie Putin stoppten. Denn Russland ist (noch) eine grössere Militärmacht als China, und bei der aktuellen Überlegenheit der USA (ihr Militärbudget ist so gross wie das der nächsten zehn Player zusammen) müssen sich Nummer zwei und Nummer drei zusammenschliessen. Vielleicht kommt dann auch noch Indien dazu, und so schafft er einen neuen Block, Traum von der Weltherrschaft ade.

Ach, und Europa? Dysfunktional, im Verhältnis zu seiner ökonomischen Macht ein politischer Zwerg, der sich mit der unseligen EU, wo nicht mal zusammenwächst, was nicht zueinander gehört, in einen Eunuchen verwandelt hat und als Gegenkraft zu Trump ausfällt.

Deutschland, die stärkste Wirtschaftsmacht, wird die nächsten Jahre damit beschäftigt sein, das Schlammassel wegzuräumen, das die rot-grüne Regierung mit einem Kinderbuchautor als Wirtschaftsminister angerichtet hat. Die FDP, als einzig einigermassen vernünftige politische Kraft verschwindet in der Versenkung.

Alleine der Zollkrieg («ich liebe das Wort Zölle») ist ausreichender Beweis, dass hier jemand an den grössten Schalthebeln der Welt sitzt, der völlig irrational handelt. Und er hat erst angefangen. Einziger Trost liegt darin, dass die Zukunft bekanntlich nicht vorhersehbar ist. Aber wie und woher Abhilfe gegen Trump kommen könnte, ist völlig ungewiss.

Wie immer bei solchen Disruptionen, wie das Modewort heisst, bewegen wir uns auf nicht kartografiertem Gebiet, ohne Kompass und in eine im schlimmsten Sinne des Wortes nicht prognostizierbare Richtung.

Mögest du in interessanten Zeiten leben; das chinesische Sprichwort erweist sich diesmal nicht als guter Wunsch, sondern als böser Fluch.

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Der Artikel erschien leicht gekürzt zuerst auf«InsideParadeplatz».

Sudan? Ist da was?

Einzig die NZZ berichtet. Andere betrachten lieber ihren Bauchnabel.

Im Sudan findet die grösste humanitäre Katastrophe dieser Zeit statt. Zwei Tyrannen ringen um die Macht, rund 12 Millionen Sudanesen  (von schätzungsweise 48 Millionen) sind vor den Kämpfen in die mausarmen Nachbarländer geflüchtet. Die Hälfte der Bevölkerung hat nicht genug zu essen. Schätzungsweise 150’000 Menschen sind bei den Kämpfen bislang umgekommen.

Die Infrastruktur, mit der es auch vorher nicht weit her war, ist weitgehend zusammengebrochen. Schätzungsweise 80 Prozent aller Spitäler oder Gesundheitszentren sind nicht mehr benutzbar.

Im Kampf um die Macht schrecken weder die Rebellentruppe Rapid Support Forces, noch die offizielle sudanesische Armee vor Gräueltaten, Massakern und Völkermord zurück. Besonders umkämpft ist die Provinz Darfur, aber auch um die Hauptstadt Khartum herum und in anderen Landesteilen wird erbittert um die Macht gefunden.

Dabei stehen sich RSF-Führer Mohammed Hamdan Daglo und Militärgeneral Abdelfatah Burhan feindlich gegenüber. Sie hatten noch gemeinsam mit einem Putsch im Jahr 2019 die Macht vom damaligen Herrscher Omar al-Bashir übernommen und mit einer Militärjunta gemeinsam regiert. Vier Jahre später zerbrach dieses Zweckbündnis, erklärt die NZZ die Hintergründe.

Darfur galt einst als die Kornkammer Sudans, inzwischen schrecken die Kriegsparteien nicht einmal davor zurück, humanitäre Hilfe nur gegen Bestechung zuzulassen. Die enormen Kriegskosten werden mit den Goldschätzen des Sudans bezahlt, damit lassen sich auf den internationalen Märkten problemlos Waffen und alles Nötige besorgen, um die Schlachtereien und Metzeleien fortzusetzen.

Die internationale Gemeinschaft wirft ab und an mal ein Auge auf die Situation, die USA sprechen ein paar Sanktionen aus – ansonsten interessiert das kein Schwein. Auch der Tagi lässt verdienstvollerweise manchmal einen Korrespondenten zu Wort kommen, Arne Perras von der «Süddeutschen Zeitung».

Aber ansonsten interessiert sich der Wertewesten einen Dreck für diese humanitäre Katastrophe. Falsche Weltgegend, falsche Hautfarbe, es lässt sich kein Konflikt zwischen den Guten (wir) und den Bösen (Russland, China und alle anderen) konstruieren. Da ist es dann mit der Verteidigung unserer Werte nicht weit her. Nennenswerte Sanktionen existieren auch nicht.

Es wäre nicht allzu schwierig, diesem Morden ein Ende zu bereiten, indem eine internationale Friedenstruppe einmarschiert. Aber werder die Organisation afrikanischer Staaten (OAS) noch sonstjemand bringt das Interesse, die Energie und die Finanzmittel dafür auf.

Daraus lernt die Welt wieder einmal, dass die universelle Gültigkeit von westlichen Werten doch eher sehr partiell gehandhabt wird. Nicht zuletzt deswegen hat sich nur eine einstellige Zahl von Staaten (wenn man die EU insgesamt als einen nimmt) den Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Denn die damit verbundene Heuchelei und die Finanzierung dieses Krieges mit Multimilliarden und immer wieder neuen Unterstütztungspaketen beruht nur darauf, dass damit den Grossmachtsstreben Russlands empfindliche Schläge versetzt werden können.

Da ist dann jedes einzelne tote Kind (wenn es auf ukrainischer Seite zu beklagen ist) Schlagzeilen wert. Dass sudanesische Kinder wie die Fliegen sterben, interessiert hingegen entschieden weniger.

Meinungs-Anzeiger

Charlotte Walser rechnet mit dem Parlament ab.

Zusammen mit Sascha Britsko ist Charlotte Walser das Schicksal der ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz ein Herzensanliegen. Gibt es zunehmend Beschwerden, dass die Arbeitsfähigen nicht arbeitswillig sind, dann steuern die beiden mit ein paar unrepräsentativen Erfolgsstorys in der pluralistischen Forumspublizistik von Tamedia dagegen.

Dass geflüchtete Ukrainer mit dem Spezial-Schutzstatus S zunehmend für Unmut sorgen, weil es Schweizer gibt, die ein Leben lang arbeiteten und nicht dermassen viele Sozialleistungen beziehen können, na und. Das kratzt Walser doch nicht. Sie trauert wohl immer noch ihrer Tätigkeit für InfoSüd und die UNHCR, die UNO-Flüchtlingsorganisation, nach.

Also erhebt sie larmoyant Klage. Mit einem schön demagogischen Einstieg, der zwei Ereignisse zusammenstöpselt: «Die Ukraine war in den vergangenen Tagen wieder von schweren Angriffen betroffen – den schwersten seit Kriegsbeginn. Der heftige Raketenbeschuss hielt das Schweizer Parlament aber nicht davon ab, den Schutzstatus S für ukrainische Flüchtlinge infrage zu stellen.»

Dass die parlamentarischen Mühlen langsam mahlen und der Zeitpunkt der Debatte überhaupt nichts mit schweren Angriffen zu tun hat – was soll’s, macht sich doch gut. Ausserdem stellte das Parlament den Schutzstatus S überhaupt nicht infrage. Was soll’s.

Aber, da muss Walser ganz streng werden, was erlauben sich die Parlamentarier? «Denn noch ist es – glücklicherweise – nicht das Parlament, das in der Schweiz entscheidet, welche Regionen auf der Welt sicher sind oder wem Verfolgung droht. Auch wenn es sich anmasst, diese Frage vom Ratssaal aus beurteilen zu können.»

Unglaublich, was sich Walser da anmasst, aus dem Glashaus an der Werdstrasse oder aus ihrer Verrichtungsbox massregeln zu können. Vielleicht ist es ihr nicht bekannt, dass nicht allzu wenige Ukraineflüchtlinge gerne Ferien machen – in der Ukraine. Denn weite Teile des Landes sind nach wie vor vom Krieg verschont. Aus diesem Grund, und das verschweigt Walser wohlweislich, will das Parlament den Schutzstatus S aberkennen, wenn sich der Flüchtling länger als 14 Tage nicht in der Schweiz aufhält. Schmerzlich, dass so die Ferien dramatisch verkürzt werden.

Zum Schluss ihrer kurzen Philippika geht Walser richtig in die Vollen:

«Welchen Schaden es mit dem Entscheid verursacht, scheint dem Parlament egal zu sein. Für ein bisschen symbolische Härte nimmt es in Kauf, mit dem Schweizer Alleingang die EU zu verärgern, die auf ein koordiniertes Vorgehen setzt. Es nimmt in Kauf, Russland als Aggressor zu erfreuen. Und es stösst die ukrainischen Flüchtlinge vor den Kopf. Die implizite Botschaft an sie lautet: Ihr seid hier nicht mehr erwünscht. Offenbar war es das mit Solidarität, zumindest im Bundeshaus. Ein trauriges Zeichen.»

Bevor wir die Taschentücher zücken oder uns gegenseitig ins Hemd heulen, schauen wir uns die Behauptungen genauer an. Die Schweiz könnte die EU verärgern? Die EU, die inzwischen selbst einräumt, dass sie die Flüchtlingsproblematik nicht im Griff hat, deren «koordiniertes Vorgehen» so aussieht, dass Mitgliedstaaten den Flüchtlingswahnsinn nicht mehr mitmachen und ihre Grenzen schliessen – oder Flüchtlinge einfach durchwinken, sich keiner an die Quotenregelungen halten will? Absurd.

«Russland als Aggressor erfreuen»? Was soll Russland denn freuen, wenn die Schweiz keine nicht asylwürdigen Flüchtlinge mehr aufnimmt? Absurd.

«Stösst Flüchtlinge vor den Kopf»? Wohl nur solche, die meinen, Asyl sei ein garantiertes Recht, das man nur einzufordern hat, und schon kann man seinen SUV auf Kosten des Schweizer Steuerzahlers auftanken und sich endlich mal das Gebiss regeln lassen. Absurd.

«War es das mit der Solidarität»? Die Schweiz zahlt 1,7 Milliarden Franken für Ukraine-Flüchtlinge im Jahr. Plus Hunderte Millionen «Wiederaufbauhilfe», bis 2036 soll sich das auf 5 Milliarden Franken summieren. Das soll in den Augen von Walser keine Solidarität sein? Absurd.

«Ein trauriges Zeichen»? Allerdings. Für verpeilte Weltfremdheit, Realitätsferne, präpotente Rechthaberei. Natürlich soll man seinen Lesern nicht unbedingt nach dem Mund schreiben. Aber der Mehrheit dermassen frech eins über die Rübe zu geben, dazu noch den Schweizer National- und Ständerat abkanzeln, das braucht schon eine ungesunde Menge an oberlehrerhafter Verbohrtheit.

Gurgel, gurgel

Endlich: Georg Häsler hat einen Bruder im Geist gefunden.

Der NZZ-Redaktor, der gerne als Oberst in Uniform zu journalistischen Anlässen erscheint (seine Bewaffnung scheint er aber bislang nicht mit sich zu führen), interviewt Jürgen-Joachim von Sandrart. Pardon, den blaublütigen Generalleutnant, Ex-Kommandant der «exponiertesten Nato-Truppe: das Multinationale Korps Nordost».

Häsler leitet seine erste Frage gleich martialisch ein: «Herr General, Sie sind Panzermann, versteht die Bundeswehr das Handwerk noch: das «Gefecht der verbundenen Kräfte»

Wenn man als Ungedienter einwerfen darf: das ist der fescheste Panzermann seit Rommel selig:

Hart wie Kruppstahl; mit diesem Blick kann der General sicherlich Panzerplatten zersägen.

Martialisch ist auch sein Vokabular:

«… auf einen Gegner einstellen, der in der Entscheidungsfindung viele Vorteile auf seiner Seite hat … mentale Einstellung muss sich durchsetzen … bin nicht dafür bekannt, sehr geduldig zu sein … überzeugt sein, dass wir gewinnen, wenn wir uns verteidigen … oder sind wir zu schwach dafür … auch in der Verteidigung eine offensive Mentalität … müssen die Entscheidung so früh wie möglich suchen … dass wir als Europa – und damit meine ich auch die Schweiz – mehr tun müssen … geht es aber immer noch darum, dass die Ukraine den Krieg gewinnt».

Man hört geradezu das Rasseln von Panzerketten, das Aufheulen der Motoren, den ohrenbetäubenden Krach, wenn die Kanone abgefeuert wird. Der könnte auch in der Werbung für Fisherman’s Friend auftreten, so in der Art: Ist der Russe zu stark, bist du zu schwach.

Hier liegen sich zwei Sandkastengeneräle in den Armen. Also einer mit Sandkasten, der andere mit Realitätsbezug. Aber dennoch wollen beide etwas sändelen und sich einen möglichen Krieg mit Russland so herrichten, dass energische Panzerbewegungen noch eine Rolle spielen.

Daher lassen dann beide auch ein Thema aussen vor, dass die Dimension des Sandkastens sprengen würde. Sowohl die Nato wie Russland sind Atommächte. Und ein deutscher Generalleutnant hätte genau nix dazu zu sagen, ob Atomwaffen eingesetzt werden. Denn auf deutschen Territorium sind zwar Atomraketen stationiert. Aber ob die abgeschossen werden oder nicht, das entscheidet nicht Deutschland. Hingegen ist es sicher, dass Deutschland eine russische Reaktion erleben würde.

Und dann ist für diese beiden Kriegsgurgeln zu hoffen, dass sie in einem atombombensicheren Bunker sitzen. Ob das allerdings bei einem atomaren Schlagabtausch eine wünschenswerte Perspektive ist, ihn zu überleben, das wagt ZACKBUM doch zu bezweifeln.

Aber wir können ja auch nicht so martialisch mit militärischen Begriffen rasseln wie Häsler oder der deutsche Rommel-Verschnitt.

Lest einfach ein paar gute Bücher

ZACKBUM hat vorgelegt, die NZZaS hat versagt, ZACKBUM legt nach.

Während die Bücherbeilage der NZZaS das Niveau tiefergelegt hat (es fehlte eigentlich nur die Erwähnung von lustigen Heftchen aus Entenhausen oder das Werk einer mit ihrer Geschichte seit Jahren durch die Medien tingelnden Geschändeten), sollen hier noch einige Bücher empfohlen werden, mit denen man wirklich (mit oder ohne Schnee) geruhsame Lesestunden verbringen kann.

Steht natürlich nicht auf der NZZaS-Liste, ist aber ein herausragendes historisches Buch. Dem Autor David Grann gelingt es, die unglaubliche Geschichte eines englischen Flottenverbands so nah wie möglich an der Wirklichkeit nachzuerzählen. «Eine wahre Geschichte von Schiffbruch, Mord und Meuterei», lautet der Untertitel. Was hier Menschen ausgehalten haben, bis 1742 30 Überlebende des königlichen Eroberungsschiffes «Wager» an der brasilianischen Küste landen; nach einer Odyssee in einer Nussschale über mehr als 2000 km, das ist einfach unglaublich. Dann werden noch 3 Überlebende an Chiles Küste angeschwemmt, die ebenfalls nach einer unglaublichen Reise von einer unwirtlichen Insel als Letzte davongekommen sind. Kälte, Hunger, Entbehrungen, harte Hierarchie, Meuterei, dann sogar noch ein Prozess in England, das sprengt alles die menschliche Vorstellungskraft und wird nüchtern, flüssig lesbar erzählt.

Oder wie wäre es mit noch einem James Ellroy: «Die Rothaarige. Die suche nach dem Mörder meiner Mutter».

Dieses Verbrechen von 1958 war die Keimzelle, der Beginn der Schriftstellerkarriere des wohl bedeutendsten zeitgenössischen Krimiautors («Die schwarze Dahlie», «Ein amerikanischer Thriller», «Blut will fliessen», «L.A. Confidential», «Ein amerikanischer Alptraum»). Dokumentation und Fiktion, niemand benützt diese Mischung so virtuos wie er, dazu seine treibende, brutale Sprache, der schwarze Zynismus eines enttäuschten Moralisten. Keine friedlichen Weihnachtsgeschichten, aber echte «page turner», wie man das auf Englisch nennt.

Sie wollen auch etwas unterhaltsame Bildung? Unbedingt, dann müssen Sie zu Philipp Blom greifen.

Die Herrschaft der Vernunft, ist das wirklich der Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit? Oder gibt es nicht auch den Alptraum der Vernunft, die Angst vor «der intellektuellen Hybris derer, die sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen und deren Namen sich wie eine breite Blutspur durch die Geschichte ziehen». «Gefangen im Panoptikum», ein grossartiges Buch, so aktuell wie 2017, als es erschien. Und wer von Blom (der allerdings auch Schwächeanfälle hat) nicht genug bekommt, unbedingt noch «Böse Philosophen. Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung» lesen und an Denis Diderot, den so schmerzlich unterschätzten Aufklärer und Philosophen, erinnert werden. 400 Seiten, die sich unbedingt lohnen. Genauso wie die beiden Bände «Der taumelnde Kontinent, Europa 1900 – 1914» und «Die zerrissenen Jahre, 1918 – 1938». Panoramen, mitreissend, kenntnisreich geschrieben, die Mosaiksteine fügen sich zusammen wie in einem Puzzle, man wird bestens unterhalten und belehrt.

Oder, wenn wir schon bei diesem Zivilisationsbruch sind, durch den Ersten Weltkrieg verlor die Aufklärung und Europa endgültig ihre Unschuld; vielleicht nicht ganz auf dem Niveau von Blom, aber als Kaleidoskop fast nicht zu übertreffen:

Ein Jahr, von Florian Illies in Scheiben geschnitten seziert und als überbordender Lesespass dargeboten, als «1913. Der Sommer des Jahrhunderts». Lesespass, das Stichwort für Charles Lewinsky, der sich gerade gegen idiotische Vorwürfe wehren muss, einige dicke Schinken vorlegte, aber mit «Rauch und Schall» uns ein wunderbares Juwel von Buch schenkte.

Der grosse Dichterfürst Goethe hat plötzlich eine Schreibblockade (und Hämorrhoiden), damit beginnt der moderne Schelmenroman über das Schreiben und die Schwierigkeiten dabei. Hier bedauert man, dass die unaufdringlich gebildete Unterhaltung nach 296 Seiten zu Ende ist, was man bei den 944 Seiten «Melnitz» nicht unbedingt sagen kann.

Montaigne (1533 – 1592) ist auch so ein Denker und Schriftsteller, dessen Bedeutung gerne unterschätzt wird, der – ausser in seinen Aphorismen – nicht ganz für voll genommen wird als Philosoph. Ein Irrtum, beweist Volker Reinhardt.

«Philosophie in Zeiten des Krieges», treffender kann ein Untertitel kaum sein, auch heute noch kann man viel von Montaigne lernen, der distanziert sich und die Welt betrachtete und eine beeindruckende Fähigkeit entwickelte, die Dinge «plötzlich von ganz anderer Seite» zu betrachten. Eine Eigenschaft, die heutzutage immer mehr Mitmenschen abgeht.

Für Putin-Versteher, solche, die es werden wollen, aber auch für Putin-Hasser sei ein Buch empfohlen, das so vieles erklärt, was bis heute die sowjetische, die russische Politik, ihre Machthaber, ihr Denken prägt. Es ist natürlich die Oktoberrevolution von 1917 und der anschliessende grausame Bürgerkrieg bis 1921, in dem beide Seiten, die Revolutionäre und die Konterrevolutionäre, mit unglaublicher, äusserster Brutalität vorgingen. Da wurden im wahrsten Sinne des Wortes keine Gefangenen gemacht, mit unmenschlicher Fantasie Todesarten ausgedacht und angewendet, mit der brutalen Grausamkeit aufeinander eingeschlagen, die es selbst im Zarenreich so nicht gegeben hatte. Antony Beevor versucht sich an einer Gesamtschau der Ereignisse. Sie wurden schon unzählige Male dargestellt, aber noch nie so erhellend wie hier. Man darf sich vom ungeheuerlich umfangreichen Personal der handelnden Figuren nicht abschrecken lassen; viele Namen muss man sich nicht merken.

Allerdings ist auch das ein Wälzer für eher lange Winterabende mit seinen 668 Seiten:

Und noch zwei kleine Wunderwerke als Absackerchen.

Wer meint, Bildbetrachtungen seien nun so was von öde, wird das nach der Lektüre von Patricia Görg nie mehr denken. Elf kleine Wunderwerke über bekannte und weniger bekannte Bilder, denen die Autorin Tiefe, Erkenntnis und Durchdringung angedeihen lässt, die den Leser beglückt und bereichert zurücklassen. Und Urs Hafners längst überfällige Biographie über Karl Bürkli (ja, der mit dem Bürkliplatz). Patrizier, Frühsozialist, Ideengeber für Coop und Zürcher Kantonalbank, Weltreisender nach Texas und Nicaragua, Befürworter des Frauenstimmrechts und Kneipenwirt. Man staunt, dass die Schweiz im vorletzten Jahrhundert (Bürkli lebte von 1823 bis 1901) solche Charakterköpfe hervorgebracht hat.

Das wäre mal eine kleine Auswahl von wirklich lesenswerten Büchern.

 

Und dafür Zwangsgebühren?

Der «Diplomatische Korrespondent» gibt Entwarnung: kein Weltkrieg in Sicht. Oder doch?

Das TV-Programm leistet schon einen wesentlichen Beitrag zur Volksgesundheit. Einschalten, anschauen, einschlafen. Aber SRF kann noch mehr, der Sender kann auch beruhigen.

Der Titel des Beitrags fragt bang: «Wie realistisch ist ein dritter Weltkrieg?» Schliesslich gibt es da gewisse Eskalationen: «Die US-Erlaubnis, dass die Ukraine Raketen gegen Militärziele in Russland einsetzen darf, hat die Kriegsrhetorik nochmals verschärft

Da muss das überlegene Wissen von Fredy Gsteiger ran, der sich bei SRF «mit Sicherheitspolitik» befasse. Also, was sagt er denn Besorgten?

«Wenn man davon ausgeht, dass alle wesentlichen Akteure rational handeln, dann ist die Sorge begrenzt. Objektiv gesehen haben weder die USA noch China oder Russland ein Interesse an einem neuen Weltkrieg.»

Uff, sagt da der Zwangsgebührenzahler beruhigt, wenn ein «diplomatischer Korrespondent» das sagt, dann muss es doch stimmen. Aber oha: «Aber man weiss natürlich nie, ob alle Mächtigen tatsächlich rational entscheiden. In den Ersten Weltkrieg ist man ja auch hineingestolpert

Ja was denn nun? Leider verunklart Gsteiger weiter; schliesslich sei die Debatte über einen dritten Weltkrieg «berechtigt», allerdings habe sie dann schon «stark alarmistische Züge». Und weiter im wilden Geeier: «Man muss auch sehen, dass es im Zusammenhang mit einem möglichen Weltkrieg Profiteure gibt. Die Rüstungsindustrie beispielsweise boomt.» Ach was, also will die Rüstungsindustrie einen Weltkrieg? Wussten wir’s doch, diese Schweinebacken.

Aber auch ein Weltkrieg hat mal klein angefangen. Wo könnte er denn ausbrechen, beginnen? Da wäre der SRF-Konsument nie selber draufgekommen: «Im Moment gibt es zwei Orte, wo man denkt, dass ein solcher Weltkrieg den Anfang nehmen könnte. Das wäre, wenn China einen Angriff auf die Insel Taiwan ausüben würde. Oder wenn Russland nach einem denkbaren Sieg über die Ukraine weitere Länder angreifen würde

«Angriff ausüben»? Deutsch als Fremdsprache. Und dann, weiss man dann Genaueres? «Wenn Russland Nato-Staaten angreifen würde, beispielsweise das Baltikum, Rumänien oder Polen, dann müsste die NATO aufgrund der Bündnispflicht diesen Ländern zu Hilfe zu eilen.»

Ah, endlich etwas Sicherheit in dieser unsicheren Weltlage. Oder doch nicht? «Man weiss nicht hundertprozentig, ob und in welchem Umfang sie das machen würde. Grundsätzlich ist diese Verpflichtung aber vorhanden.» Tja, grundsätzlich ist natürlich nicht das Gleiche wie hundertprozentig, das ist wahr.

Dann hätten wir noch China und Taiwan. Da müssen zunächst einmal ein paar Hausaufgaben gemacht werden: «Die Frage für Peking ist: Welcher Preis müsste bezahlt werden, um Taiwan zu erobern, ökonomisch und militärisch? Wie sehr wäre die chinesische Bevölkerung bereit, Verluste zu akzeptieren für die Eroberung der doch sehr kleinen Insel Taiwan? Und die dritte Frage, die man in Peking beantworten muss: Würden in diesem Fall die Vereinigten Staaten Taiwan zu Hilfe eilen

Ob Peking wohl weiss, dass es diese Fragen zuerst beantworten muss? Hat Gsteiger das dort mitgeteilt? Auf diplomatischen Kanälen? Man weiss wieder nichts Genaues, man kriegt nur Wischiwaschi.

Das widerspiegelt sich auch im «SRG SSR Dialog», wo gefragt wurde: «Haben Sie Angst vor einem möglichen Weltkrieg?» Die typisch schweizerische Reaktion darauf: 50 Prozent sagen ja, 50 Prozent nein.

Im «Dialog, Hirnfutter für die ganze Schweiz». Immerhin, wenn man solche hirnerweichenden Beiträge liest, dann weiss man wenigstens, wofür man seine Gebühren zahlt. Für nix.

Erregungsbewirtschaftung

Hurra! Nordkoreaner dürfen jetzt Pornos schauen – in Russland.

Von Felix Abt*

Die westlichen Medien sind genauso erregt wie die nordkoreanischen Soldaten, weil sie in Russland in den Genuss von Pornos kommen und so erleben können, wie geil die Freiheit ist.
Die Nordkoreaner sind an die allgegenwärtige Propaganda in ihrem Land gewöhnt und durchschauen sie, weil sie leicht zu durchschauen ist.

Im Westen ist die Propaganda weniger aufdringlich, aber ebenfalls allgegenwärtig.

Die Medienkonsumenten im Westen glauben wirklich, dass sie gut informiert sind, weil sie die subtilere und raffiniertere Propaganda nicht erkennen können. Das ist nicht verwunderlich, denn die Propaganda im Westen ist tatsächlich viel schwerer zu durchschauen als in Nordkorea. (In diesem Zusammenhang empfehle ich dieses Video-Interview mit einem deutschen Journalismus-Veteranen, der sehr gut erklärt, wie Propaganda hierzulande betriebent wird).

Nehmen wir also das Beispiel der pornohungrigen nordkoreanischen Soldaten. Westliche Medienkonsumenten glauben zu wissen, dass Nordkorea von der Aussenwelt abgeschottet ist, weshalb Pornos, die dort verboten sind, gar nicht erst ins Land gelangen können, abgesehen davon, dass der Besitz und Konsum von Pornos eine sofortige Abschiebung in den Gulag oder eine sofortige Hinrichtung zur Folge hätte.

Ich habe sieben Jahre in Nordkorea verbracht und mit unzähligen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und aus städtischen und ländlichen Gebieten zu tun gehabt, und ich war überrascht, wie gut sie über die Aussenwelt informiert waren. Sie wussten viel mehr über andere Länder als die Menschen im Westen über Nordkorea.

Westliche Medienkonsumenten erfahren, dass die Grenzen vom „bösen Diktator“ im Eremitenreich hermetisch abgeriegelt wurden und wissen nicht, wie durchlässig sie sind. Sie wissen auch nicht, dass hunderttausend Nordkoreaner in China arbeiten und dass jedes Jahr Tausende ein- und ausreisen. Schon vor zwanzig Jahren zirkulierten südkoreanische Dramen, Hollywood-Filme und Pornografie auf USB-Datenträgern in Nordkorea. Sie alle kamen über China ins Land. Und wenn man damals einen Nordkoreaner glücklich machen wollte, schenkte man ihm einen leeren USB-Stick, weil er schon wusste, wie man ihn füllt. Wenn ich Nordkoreaner fragte, ob sie jemals Pornografie gesehen hätten, antworteten sie oft mit einem schallenden Lachen und dachten: „Wie können diese Westler nur so naiv sein!


*Felix Abt ist der Autor der Bücher „A Capitalist in North Korea: My Seven Years in the Hermit Kingdon“ und „A Land of Prison Camps, Starving Slaves and Nuclear Bombs?”. Sein Amazon-Autorenprofil finden Sie hier.

 

Die Phantom-Soldaten

Kämpfen Nordkoreaner an der Ukraine-Front?

Der US-Geheimdienst ist sich sicher: ja. Ukraines Präsident Selenskyi ist sich absolut sicher: ja. Der ukrainische Geheimdienst vermeldet sogar schon «erste Gefechte» zwischen Ukrainern und Nordkoreanern.

Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow (im Gegensatz zu seinem israelischen Kollegen immer noch im Amt) behauptet sogar, somit sei Nordkorea offiziell in den Krieg eingetreten. Und natürlich warnen der Noch-US-Aussenminister und der Noch-Bundeskanzler Scholz vor dieser «Eskalation». Der Noch-US-Verteidigungsminister will sogar «Beweise» für diese Präsenz haben, zeigt sie aber nicht.

Bei all dem Gedöns gibt es nur ein Problem: vielleicht mal ein Beleg, ein Beweis? Ein gefangener, ein toter nordkoreanischer Soldat? Ein einziger? Und zwar ein Kämpfer, dessen nordkoreanische Herkunft einwandfrei nachgewiesen werden kann, denn auch russische Soldaten können asiatische Gesichtszüge haben.

Es ist die Rede von geschätzt 11’000 nordkoreanischen Soldaten in Russland. Die entweder noch trainiert werden, oder bereits im Kampfeinsatz stehen. Es gibt sogar Vermutungen, was Russland dafür an Nordkorea alles liefert, neben Lebensmitteln.

Dass der russische Präsident die nordkoreanische Aussenministerin empfangen hat, wird als weiteres bedeutungsschweres Indiz herumgeboten.

Es ist nun, überschattet vom Wahlsieg Trumps, durchaus denkbar, dass der nordkoreanische Diktator mit der merkwürdigen Frisur und einem misslungen Diätplan seine Soldaten an Russland vermietet. Wieso auch nicht, private Sicherheitsfirmen wie Blackwater und andere aus den USA liefern auch Söldner an alle Welt, inklusive das US-Militär.

Wieso das eine bedenkliche Eskalation, gar ein Schritt näher zum Atomkrieg sein soll, wieso nun die NATO, wie Selenskyi fordert, endlich eigene Truppen in die Ukraine entsenden soll, wieso er endlich Langstreckenraketen bekommen sollte, um Ziele tief im Hinterland Russlands anzugreifen – das ist logisch nicht nachvollziehbar.

Die Story ist einfach zu gut, und die meinungsstarken, aber faktenschwachen westlichen Medien treten sie genüsslich breit.

Natürlich ist es durchaus denkbar, dass Nordkorea Soldaten zur Unterstützung der russischen Armee aufbietet. Alle Werweisereien, wieso das gar nicht sein könne, sind Unsinn.

Aber nur in Kriegszeiten ist es möglich, dass eine Phantom-Armee durch die Medien geistert, unscharfe Fotos von asiatisch aussehenden Soldaten herumgeboten werden. Ohne genaue Orts- oder Zeitangabe, belanglos, nicht beweiskräftig.

Aber macht sich jemand aus der Journaille die Mühe, mal der Quelle dieses Gerüchts nachzugehen? Kommt hier der berühmte «Faktencheck» zum Einsatz? Wird, banales Handwerk, verifiziert oder falsifiziert? Eingeordnet? Behauptung von belegbarem Fakt unterschieden?

Pustekuchen.

Aber wir können froh sein, dass die Journaille die nächsten Tage damit ausgelastet sein wird, den überwältigenden Sieg von Trump und seinen Republikanern zu bejammern. Wegzuerklären. Im Nachhinein recht zu haben, es schon immer gesagt zu haben (obwohl es kaum einer sagte).

Nicht ganz wie beim Duell Clinton – Trump, aber durchaus ähnlich haben weite Teile der Journaille mit allen Mitteln gegen Trump und für Harris geschrieben. Gewisse Journalisten sollten eine zweite Karriere als Gesundbeter in Betracht ziehen.

Allerdings: genutzt hat’s schon wieder nix. Statt endlich mal die USA und das Funktionieren von Wahlen dort zu erklären, muss die Journaille nun wieder sich selbst erklären. Wieso sie irgendwo doch recht hatten, obwohl sie wieder krachend daneben lagen.

Denn letztlich war es nicht einmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen, ein denkbar knappes Resultat, ein Wahlkrimi. Sondern Trump räumte souverän die nötigen Wahlmännerstimmen ab, die Republikaner gewannen sowohl im Repräsentantenhaus wie im Senat, womit Trump mit einer bequemen parlamentarischen Mehrheit regieren kann.

Aber so wie über die nordkoreanische Phantom-Armee schreibt die Journaille über eine Phantom-USA, einen Phantom-Trump, eine Phantom-Zukunft.

Statt mal über den gefährlichsten Mann der Welt zu schreiben. Nein, das ist nicht Kim der Dickere. Auch nicht Putin. Schon gar nicht Xi. Nicht mal Khomeini. Erst recht nicht jeder beliebige Führer von radikal-islamistischen Wahnsinnigen. Und keinesfalls Trump. Aber der gefährlichste Mann der Welt ist in dessen Nähe, hat im Gegensatz zu Trump wirklich Kohle und echt verrückte Ideen. Plus die Macht, sie auch umzusetzen.

Natürlich, die Rede ist von Elon Musk.