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Eigentum war gestern

Feuchte Revolutionsträume werden wahr. Nehmt den Reichen ihr Geld weg! Heuchelei und Doppelmoral, Part II.

Nach der Oktoberrevolution von 1917 flüchteten viele reiche Russen ins Ausland, auch in die Schweiz. Oftmals konnten sie nur einen kleinen Teil ihrer Vermögen mitnehmen, meistens in Form von Kunstwerken oder Fabergé-Eiern oder Ähnlichem.

Während ihre Besitztümer in Russland enteignet und verstaatlicht wurden, verliessen sich die reichen Russen darauf, dass im Kapitalismus Eigentum respektiert und nicht angetastet wird. Damit hatten sie Recht, und ihre Nachkommen leben zum Teil heute noch in der Schweiz. Angenehm und wohlhabend.

Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und den wildwest-kapitalistischen Zuständen ab Anfang der 90er-Jahre hielten es viele reich gewordene Russen für eine gute Idee, ihre Reichtümer und sich selbst im Ausland in Sicherheit zu bringen. Denn der neue Alleinherrscher Wladimir Putin exekutierte am reichsten Oligarchen ein Exempel, nahm dem fast seine gesamten Besitztümer weg und steckte ihn für ein paar Jahre in ein Arbeitslager.

Das alles überlebte Michail Chodorkowski nur deswegen, damit er als abschreckendes Beispiel Kunde davon geben konnte, dass es keine gute Idee ist, sich dem Machtanspruch Putins in den Weg zu stellen.

Andere Oligarchen starben im Ausland unter merkwürdigen Umständen, wenn sie meinten, aus der Sicherheit des Exils in London kritische Bemerkungen Richtung Putin machen zu können.

Eigentum ist im Westen sicher – oder auch nicht

Aber ob Putin-Sympathisant oder -gegner: alle reichen Russen waren sich sicher, dass hier im Westen Eigentum, Besitz respektiert wird. Dass nicht plötzlich und nach vielen Jahren gefragt wird, wie und wo denn diese Vermögen erworben wurden. Dass der reiche Russe nicht plötzlich auf sogenannte Sanktionslisten gerät. Einfach deshalb, weil er in irgendwelchen Listen von Superreichen auftaucht, einen russischen Nachnamen trägt und zu allem Übel irgendwann einmal mit Putin zusammen fotografiert wurde.

Selbst das muss nicht sein, reich und Russe reicht heutzutage, um sein Geld loszuwerden. Und seine Jacht. Und seine Villa. Und seine Autosammlung. Und seine Fabergé-Eier. Und seinen Aktienbesitz. Dass von einem Tag auf den anderen Konten gesperrt werden und Kreditkarten nicht mehr funktionieren: Kollateralschaden, wenn schon, denn schon.

Nun ist die Begründung der Beschlagnahme bereits recht dünn. Durch Geschäfte in Russland reich geworden, kein öffentlicher Widerspruch an der Invasion der Ukraine, immer noch Firmenbesitz in Russland: reicht. Ausser, der Russe ist zwar reich und Putin-nah, aber er spielt eine gewichtige Rolle im Rohstoffhandel. Dann ist er (vorläufig) noch aus dem Schneider und kann schauen, wie er seine Vermögenswerte rechtzeitig in Sicherheit bringt.

Beschlagnahme und Verwertung und Diebstahl

Beschlagnahme heisst, dass Gelder, Konten, Jachten, Besitztümer dem Zugriff des Besitzers entzogen werden. Aber ansonsten unangetastet bleiben. Nun vermeldet die «SonntagsZeitung»:

«Nächste Woche wird die SP im Nationalrat eine Motion einreichen, die verlangt, dass die Schweiz autonom Gelder von sanktionierten Personen nicht nur einfrieren, sondern «einziehen und einem bestimmten Zweck zuführen kann».

Dass die SP ihren alten Traum noch nicht aufgegeben hat, den Reichen ihr Geld wegzunehmen, um es einer angeblich besseren Verwendung zuzuführen, logo. «Ich unterstütze es, wenn wir die konfiszierten Gelder aus Russland als eine Art Akontozahlung für den Wiederaufbau verwenden.» Dass das der Rechtsanwalt und FDP-Vizepräsident Andrea Caroni sagt, verblüfft hingegen.

Immerhin sieht Caroni noch eine Chance für reiche Russen, diesem Schicksal zu entgehen: «Diesen Leuten müsse man zumindest die Möglichkeit einräumen, sich definitiv von Putin loszusagen, um von den Sanktionslisten gestrichen zu werden.»

Bereue, schwöre ab, sage dich vom Satan los; so forderte das die katholische Kirche im Mittelalter ein, und war der Sünder nicht willig, dann überzeugte ihn die Streckbank oder ins Maul gegossenes glutheisses Blei.

Ukraine ändert die Rechtmässigkeit von Besitz

Zu solchen Methoden greifen aufgeklärte Zeitgenossen natürlich nicht mehr. Sie vergreifen sich ja auch nicht am Körper des reichen Russen, sondern an seinem Eigentum. Das zum Teil mehr als 30 Jahre lang in der Schweiz sehr willkommen war, von Bankern gehegt und gepflegt wurde, von Immobilienmaklern gerne entgegengenommen, und überhaupt die Luxusindustrie in der Schweiz freute sich zusammen mit Hotel- und Restaurantbesitzern, dass neureiche Russen es gerne krachen lassen und klaglos die Folgen bezahlen.

Aber die Ukraine ändert das alles. Fertig Toleranz, so geht das nicht. Wer sein Vermögen im Umfeld eines Unrechtsregimes erworben hat, das zudem einen schmutzigen Krieg führt, dem soll es weggenommen, verwertet und einem guten Zweck zugeführt werden.

Das gilt dann doch hoffentlich für alle, oder nicht? Oder nicht, denn bislang ist kein einziger Fall bekannt, dass einem saudischen Scheich in der Schweiz seine Besitztümer beschlagnahmt oder gar verwertet wurden. Obwohl der sein Geld auch im Umfeld eines Unrechtsregimes erworben hat, das zudem einen schmutzigen Krieg führt, und zwar schon seit acht Jahren im Jemen.

Heuchelei und Doppelmoral im Doppelpack

Wieso wird denn dann beim Scheich nicht der gleiche Massstab angelegt? Gibt es irgendwelche sachdienlichen Hinweise auf Unterschiede zum Oligarchen? Nein, es gibt keinen einzigen. Diese bodenlose Heuchelei und Doppelmoral erklärt sich nur daraus, dass Saudi-Arabien ein Verbündeter des Westens ist, dessen schmutziger Krieg mit milliardenschweren Waffenlieferungen unterstützt wird. Und von dem der Westen noch abhängiger sein wird, wenn tatsächlich ein Ölembargo gegen Russland zustande kommt.

Der wichtigste Grundpfeiler einer aufgeklärten kapitalistischen Gesellschaft wird ohne Not angesägt. Die Eigentumsgarantie ist zwar nicht unbegrenzt, aber Enteignung darf nur nach einem rechtsstaatlichen Prozedere erfolgen. Eigentlich. Beschlagnahmung ist in der Sanktionsgesetzgebung sogar vorgesehen. Aber Verwertung und Wegnahme nicht.

Warum nicht andere auch enteignen?

Sollte das passieren, hätten wir eine absurde Wiederholung der Geschichte. Nur werden diesmal nicht von Russland, sondern von der Schweiz Vermögenswerte reicher Russen geklaut.

Als Sahnehäubchen servieren uns hier alle, die für solche Sanktionen sind und die Enteignung russischer Reicher mit viel Moralinsäure fordern, einen widerlichen Anblick von Doppelmoral, von unterschiedlichen Massstäben. Denn jede Massnahme gegen eine reichen Russen, die nicht auch gegen einen reichen Saudi gerichtet ist, enthält eine Riesenportion an Heuchelei.

Und wenn wir schon dabei sind: wie wäre es denn mit der Enteignung reicher Amis? Solcher, die am schmutzigen Krieg in Vietnam verdient haben, am völkerrechtswidrigen Einfall im Irak. Am völkerrechtswidrigen Eingreifen in Ex-Jugoslawien. Oder gleich, da kämen dann noch Engländer, Franzosen und Deutsche dazu, wieso nicht Enteignung von allen Profiteuren am schmutzigen Krieg im Jemen? Das Land hätte es nach 8 Jahren Gemetzel und Zerstörung auch dringend nötig, etwas Aufbauhilfe zu bekommen.

Es ist leider zu befürchten, dass nicht alle, aber einige russische Reiche einen intakteren moralischen Kompass haben als all diese Politiker in der Schweiz, die populistisch Enteignung, Verwertung und Umnutzung von Privatvermögen fordern.

Kleine Abschlussfrage: Gibt es denn keinen einzigen Schweizer, der von Putins Regime profitiert hat? Den gibt es sicherlich, und wieso sollte der sein Vermögen behalten dürfen?

Heuchelei und Doppelmoral

Medien können nur ein Thema aufs Mal verarbeiten.

Treffer für Ukraine im Medienarchiv SMD in den letzten sieben Tagen: über 10’000. Für Jemen: 82.

Wieso der Vergleich? Weil in beiden Ländern Vergleichbares geschieht. Seit 2015 führt im Jemen Saudi-Arabien einen schmutzigen Krieg. Unterstützt und ausgerüstet von den USA, Grossbritannien und Frankreich.

Es ist ein klassischer Stellvertreterkrieg um eine strategisch wichtige Region. Denn der arme Jemen hat zwar keine nennenswerten Ölvorkommen, aber das Land liegt an der Meerenge zum Roten Meer, eine der Hauptschifffahrtsstrassen des Ölhandels.

Saudi-Arabien, angetrieben vom Westen, kämpft hier gegen den schiitischen Iran, der seinen Einflussbereich an die Grenzen des Königreichs ausdehnen möchte. Schreckensbilanz nach 8 Jahren: die UNO bezeichnet den Konflikt als die grösste humanitäre Katastrophe dieses Jahrhunderts. Mehr als 300’000 Tote, 20 der 30 Millionen Einwohner sind nicht in der Lage, sich ohne Hilfslieferungen ausreichend zu ernähren.

Da Saudi-Arabien trotz massiver Militärhilfe des Westens und täglichen Kosten von über 200 Millionen US$ nicht in der Lage ist, die Oberhand zu gewinnen, verwandelt sich das Land immer mehr in eine Trümmerlandschaft, wo Bombardements und Verheerungen zum Alltag gehören.

Die Kriegsursachen sind recht ähnlich wie beim Ukrainekonflikt. Eine lokale Grossmacht möchte die Ausdehnung einer anderen verhindern; beide Seiten scheuen eine direkte Konfrontation, also bietet sich der Jemen als Schlachtfeld an.

In der Tradition von Kriegen gegen den Iran

Solche Kriege gegen den Iran mit seiner Herrschaft von Ajatollahs haben Tradition. So unterstützten die USA lange Zeit den irakischen Diktator Saddam Hussein, der jahrelang Krieg gegen den Iran führte, mit einem fürchterlichen Blutzoll auf beiden Seiten. Erst später fiel Hussein in Ungnade, als er meinte, die Erlaubnis für die Eroberung von Kuweit von den USA bekommen zu haben. Sein Schicksal besiegelte aber seine Ankündigung, den Ölhandel von US$ auf Euro umstellen zu wollen.

Für solche Manöver ist das saudische Herrscherhaus zu clever. Diese fundamentalistischen Wahhabiten herrschen bis heute mit mittelalterlichen Methoden als unglaublich korrupte Clique. Menschenrechte, Gleichberechtigung von Frauen, demokratische Reformen: nichts, höchstens ein wenig Kosmetik, wenn Proteste zu laut werden. Selbst die Ermordung und Zerstückelung eines Oppositionellen in einer saudischen Botschaft sorgte zwar für verbale Empörung, aber nicht viel mehr.

Alleine wegen des jahrelangen, schmutzigen Kriegs im Jemen müssten eigentlich saudische Besitztümer in Europa, auch in der Schweiz, schon lange beschlagnahmt worden sein. Alle Schmarotzer, die nahe am Königshaus in Saus und Braus leben, müssten ein Einreiseverbot bekommen haben, neben der ukrainischen und der Pace-Fahne müsste auch die Flagge des Jemen vor jeder anständigen WG im Wind flattern.

Saudis in ihrer typischen Tracht müssten genauso gesellschaftlich verachtet und geschnitten werden wie Oligarchen. Ihr mittelalterliches Verhältnis zu Frauen müsste thematisiert und kritisiert werden. Und vor allem müssten sie mit Demonstrationen und Protesten dazu aufgefordert werden, endlich den grausamen Stellvertreterkrieg im Jemen zu beenden und Reparationen für angerichteten Zerstörungen zu bezahlen.

Müsste, würde, sollte. Warum geschieht das nicht? Gibt es weniger protestwürdige Stellvertreterkriege? Ist der Jemen einfach zu weit weg, und tote Araber bekümmern uns weniger als tote Ukrainer?

Wir Europäer, wir Heuchler

Nein, der wahre Grund dafür, dass die Ukraine übermächtig in der medialen Aufmerksamkeit herrscht, während der Jemen kaum jemals erwähnt wird, liegt in der einfachen Tatsache, dass Westeuropa auf der Seite der Ukraine gegen Russland steht. Und durch den möglichen Boykott von russischen Rohstofflieferungen noch mehr in die Abhängigkeit von Saudi-Arabien gerät. Wobei die Ölfördermöglichkeiten beispielsweise in Libyen auch durch Mitverschulden der Europäer bürgerkriegsbedingt eingeschränkt sind.

Da kennt auch der grüne deutsche Vizekanzler nichts und reist nach Katar, um sich dort in die lange Schlange der Bittsteller einzureihen, die mehr Erdgas wünschen. Katar ist mindestens so mittelalterlich wie Saudi-Arabien und von dessen militärischer Unterstützung abhängig. Auch bei den wenigen Protesten in diesem Halbinselstaat sind die Saudis gerne behilflich, das niederzuschlagen.

Mit grossem Erstaunen stellt Europa fest, dass nur in wenigen Gegenden der Welt unser bedingungsloses Eintreten für das Invasionsopfer Ukraine mit ungeteiltem Beifall begrüsst wird. Denn zu heuchlerisch, opportunistisch, einäugig und doppelmoralinsauer wird das empfunden.

Völlig zu Recht. Im Jemen Seite an Seite mit einem Aggressor stehen und den für Multimilliarden mit Waffen ausrüsten. In der Ukraine Seite an Seite mit dem Aggressionsopfer stehen und das für Multimilliarden mit Waffen ausrüsten. Verlogener geht es ja nicht.

Kriegsgurgeln

Aus mit russischem Gas wohlbeheizten Redaktionsstuben lässt sich locker fäusteln.

Gebt Putin Saures, rüstet die Ukraine auf, stoppt den Krieg. Verantwortungsloses Geschwätz. Keiner zu klein, Kriegsstratege zu sein. Sei das der Besitzer von CH Media, der klare Kante gegenüber Putin fordert. Flugverbotszone über der Ukraine, Einsatz von NATO-Truppen: wieso nicht. Sei das der Auslandchef von Tamedia, der doch mit absurder Logik behauptet: «Waffenlieferungen an die Ukraine führen nicht einfach so zum Atomkrieg, sondern nur dann, wenn sich der Kreml zum Tabubruch entscheidet und eine Nuklearwaffe einsetzt.»

Es gibt nur einen Atomkrieg, wenn einer Atomwaffen einsetzt. Darauf muss man mal kommen. Auch der Chefredaktor des «Tagblatt», der nun nicht übermässig zu tun hat, versuchte sich an einer Neuinterpretation der Schweizer Neutralität, im Stile von Radio Eriwan. Waffenlieferungen an Kriegsparteien? Im Prinzip nein, aber …

Der deutsche Bundeskanzler und der Schweizer Bundespräsident werden dafür gescholten, dass sie nicht mit markigen Worten Putin verurteilen, Kriegsrhetorik verwenden, Waffenlieferungen jeder Art an die Ukraine befürworten.

Dass Kanzler Scholz erwidert, dass er es als seine wichtigste Aufgabe ansehe, alles zu tun, um einen atomaren Weltkrieg zu vermeiden, wird ihm als zögerliche Schwäche um die Ohren gehauen.

Frieden schaffen mit ganz viel Waffen

Selbst die Linken und die Grünen verabschieden sich vom alten Slogan «Frieden schaffen ohne Waffen», der eine ganze Generation von Ostermarschierern und Pazifisten als Leitmotiv diente. Nun also «Frieden schaffen mit Waffen». Nun also die üblichen besonderen Umstände, die besondere Massnahmen erforderten. Natürlich sei es im Prinzip übel, Waffen an eine Kriegspartei zu liefern. Aber angesichts dieser Umstände …

Der weltberühmte Linguist und politische Aktivist Noam Chomsky dagegen, man kann es nicht oft genug wiederholen, bringt die Lage auf den Punkt: Es gibt nur zwei Arten, einen Krieg zu beenden. Entweder durch die völlige Vernichtung einer der beiden Beteiligten – oder durch Verhandlungen.

Dass Russland völlig vernichtet würde, ist äusserst unwahrscheinlich. Dass die Ukraine, die neben unendlichem menschlichem Leid bereits Schäden in der geschätzten Höhe von über 600 Milliarden US$ zu beklagen hat, vernichtet werden könnte, das ist auch unwahrscheinlich, aber möglich.

Also bliebe nur noch die Verhandlungslösung. Aber Kriegsgurgeln erwidern, dass Putin ja gar nicht verhandeln wolle, dieser Kriminelle und Wahnsinnige sei nur mit Waffengewalt zur Raison zu bringen.

Dabei ist allerdings zu hoffen, dass er nicht wahnsinnig ist. Denn der Präsident Russlands verfügt über das grösste Atomwaffenarsenal der Welt. Ob sich das Glück wiederholen würde, dass die Atommacht UdSSR zusammenbrach, ohne die Welt mit in einen Abgrund zu reissen, wenn Russland vor einer existenziellen Krise stünde? Man weiss es nicht, man will es auch gar nicht wissen.

Kriegsgurgeln habe keine Perspektive

Wer so argumentiert, wird reflexartig als Putin-Versteher abgekanzelt, ob man denn die Aggression Putins einfach hinnehmen wolle, dem könne doch nur mit Gewalt begegnet werden, wer Verhandlungen anbietet, zeige Schwäche, mache ihm Appetit auf mehr, provoziere, dass Russland vielleicht sogar NATO-Staaten angreifen werde.

All dieser Unsinn soll verdecken, dass die Kriegsgurgeln, die Befürworter einer möglichst massiven militärischen Auseinandersetzung, keinerlei Perspektive anbieten können, wie es ihrer Meinung nach zu einem Frieden in der Ukraine kommen könnte. Dass Russland militärisch besiegt wird, sich geschlagen zurückzieht und vorher noch besenrein die angerichteten Zerstörungen aufräumt: Unfug. Dass Russland militärisch ausblutet, in eine Wirtschaftskrise stürzt und deshalb die Kriegskosten nicht mehr länger stemmen kann: Unfug.

Also gebietet die Logik die Schlussfolgerung: wer die massive Aufrüstung der Ukraine befürwortet, verlängert Krieg, Zerstörung und Leiden – ohne erkennbaren Sinn oder erstrebenswertes Ziel.

Es gibt noch eine zweite Grundregel bei kriegerischen Auseinandersetzungen, an denen eine Atommacht beteiligt ist. Ihr muss ein gesichtswahrendes Ergebnis ermöglicht werden. Müsste Putin als geschlagener Verlierer vom Schlachtfeld heimkehren, würde er das politisch – und wahrscheinlich auch physisch – nicht überleben. Also wäre er zu irrationalem Handeln angetrieben, könnte wild um sich schlagen. Und ob die Kommandokette in Russland seinen allfälligen Befehl, Atomwaffen einzusetzen, verweigern würde? Wollen wir das austesten?

Stoppt Putin, beendet den Krieg, ermöglicht der Ukraine den Sieg: das sind alles wohlfeile Wohlfühlforderungen, bar jeder Realität und jedes Verstands. Wer sich nicht der Gefahr aussetzen möchte, die kürzere oder längere Zeitspanne, die er auf Erden noch vor sich hat, in einer radioaktiv verseuchten «Mad Max»-Welt zu verbringen, muss diesen Kriegsgurgeln, diesen Schreibtischkriegern, diesen verantwortungslosen Sandkastengenerälen entgegentreten. Und sei es auch nur mit Worten.

Wumms: Michael Hermann

Die Mietmeinung lästert mal wieder bei Tamedia.

Der «Geograph und Politwissenschaftler» ist eine der beiden Allzweckwaffen, wenn es darum geht, vorgefassten Meinungen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.

Dass Hermann direkt von Staatsaufträgen abhängig ist und daher keinesfalls in völliger Unabhängigkeit zu seinen Meinungen gelangt: was soll’s. Zu seinen regelmässigen Auftraggebern gehören Ämter, die SRG, die Bundesverwaltung und – das BAG.

 

Zu solchen Themen hat er bereits völlig «unabhängig» das gesagt, was seine Auftrraggeber hören wollen. Nun widmet er sich dem Thema Ukraine. Da stellt er das «alte» Europa dem «neuen» gegenüber.

Wie unterscheiden sich die beiden? «So stellte sich Deutschland damals unter Kanzler Schröder mit viel Courage den amerikanischen Kriegstrommeln entgegen. Und dasselbe Deutschland hadert nun kleinmütig mit der Lieferung schwerer Waffen zur Selbstverteidigung der Ukraine. Der Irak-Held Schröder ist als Putins Vasall zu einer der jämmerlichsten Figuren des Westens geworden.»

Das widerspiegelt sich auch in Hassfiguren von Hermann, denen er mutig die Leviten liest:

«Wir brauchen die Gabe, situativ zu handeln, statt in den immer gleichen Reflexen zu verharren. Zu verharren wie jene, die sich stets von der dunklen Seite der Macht angezogen fühlen, wie Roger Köppel, der den amerikanischen Angriff auf den Irak begrüsste und nun Verständnis für Putin aufbringt. Oder wie die demonstrativ Friedliebenden – zum Beispiel Alice Schwarzer oder Jürgen Habermas –, die sich 2003 mit heller Empörung gegen den amerikanischen Imperialismus stellten und nun im Angesicht des russischen Imperialismus zu Zurückhaltung mahnen.»

Was will uns der «Geograph und Politwissenschaftler» damit eigentlich sagen? Schröder war damals sein Held, heute sei der jämmerlich. Köppel fühle sich von der dunklen Seite der Macht angezogen, als sei Publizistik eine Betätigung im Rahmen der «Star Wars»-Serie.

Mit dem nötigen wissenschaftlichen Ernst begegnet Hermann auch Intellektuellen wie Schwarzer oder Habermas. Letzterer ist nun wirklich ein Wissenschaftler, beide haben Gedankengebäude errichtet, in denen sich Hermann heillos verlaufen würde, wenn er überhaupt Zugang fände.

Es wäre ein Ausdruck intellektueller Redlichkeit, Kritik unter Verwendung der Argumente der Kritisierten zu üben. So viel Respekt könnte man eigentlich erwarten, wenn sich jemand Geistesriesen wie Habermas vorknöpft.

Dabei fällt es Hermann nicht einmal auf, dass er sich selbst widerspricht. Er fordert situative Flexibilität statt «immer gleiche Reflexe». Aber genau das stellen die von ihm Angeschnauzten doch unter Beweis. Aber für die leichte Krawallerie, in der Hermann reitet, sind solche Gedankengänge unerreichbar.

Um auf Niveau zu kritisieren, müsste man eines haben, und das ist genau das Problem von Hermann. Sein intellektueller Unterbau reicht lediglich für Wadenbeissereien. Eigentlich müsste ein seriöses Blatt eine solche Kolumne als gewogen und zu leicht befunden zurückweisen. Aber solche Entscheidungen wurden gefällt, als der Journalismus noch nicht zum Jekami verkommen war und die Bedienung der Meinungen der eigenen Klientel nicht das einzige Kriterium für Publizistik.

Frieden schaffen mit Waffen

Sprachverluderung ist immer Ausdruck von Denkverluderung.

Der diplomatische Vertreter der Ukraine in Deutschland fällt eins ums andere Mal durch verbale Blutgrätschen auf. Weil er mit einem Aufruf zur Besonnenheit nicht einverstanden ist, der von bedeutenden deutschen Intellektuellen unterzeichnet und von «Emma»-Herausgeberin Alice Schwarzer initiiert wurde, keifte Andrij Melnyk: «Keiner mit gesundem Verstand soll Ihre schäbige Emma kaufen

Ein Botschafter ausser Rand und Band legt nun nochmals nach. Der deutsche Bundeskanzler verzichtet vorläufig auf einen Besuch in Kiew, nicht zuletzt deswegen, weil man dort den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier nicht empfangen wollte.

Dazu sagt Melnyk undiplomatisch: «Eine beleidigte Leberwurst zu spielen, klingt nicht sehr staatsmännisch.» Und legt noch drauf: «Es geht um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Naziüberfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten.» Das ist es nicht; diese Aussagen sind es auch nicht, sondern für den Botschafter eines Landes in einem anderen Land schlichtweg unanständig. In normalen Zeiten Grund genug, ihn zur persona non grata zu erklären.

Melnyk ist sich offenbar nicht bewusst, welches Bild er mit dieser Sprachverluderung von seinem Land in Deutschland zeichnet. Dahinter steckt eine Denkverluderung; die falsche Ansicht, dass man sich als Vertreter der Ukraine jede Frechheit erlauben kann.

Sprachverluderung aller Orten

Der Tamedia-Vertreter in Berlin trägt ebenfalls zur Sprachverluderung bei: «Aufruf zur Kapitulation» überschreibt Dominique Eigenmann seine Berichterstattung zu diesem offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz. Der inzwischen von immerhin über 150’000 Deutschen mitunterzeichnet wurde*.

Nicht mal dieser Titel ist originell, denn wie betitelt die deutsche Tageszeitung «Die Welt» ihren Kommentar zum gleichen Thema? «Wie eine Aufforderung zur Kapitulation». So darf dort ein Wendehals der ehemaligen pazifistischen Partei «Die Grünen» beckmessern.

Deren Vizekanzler Habeck versteigt sich sogar zur Formulierung:

«Pazifismus bedeutet nicht, dass wir andere sterben lassen, weil wir nicht bereit sind, unangenehme Entscheidungen zu treffen.»

Auch diese Sprachverluderung muss abgeschmeckt werden, was will uns der Schwurbler damit sagen? Andere, also konkret Ukrainer, würden sterben, wenn wir, also die deutsche Regierung, nicht bereit seien, unangenehme Entscheidungen, also über die Lieferung von schweren Waffen, zu treffen.

Wäre die Regierung also bereit dazu, dann würden die Ukrainer nicht sterben? Lieferte sie aber keine Waffen, dann stürben die Ukrainer? Der Versuch, auf diesen Sprachmüll Logik anzuwenden, entlarvt die Sinnleere. Dahinter steckt die Denkverluderung, dass Exponenten der Grünen den Salto von Pazifismus zu Unterstützung einer Kriegspartei mit Waffen vorführen müssen.

Von «Frieden schaffen ohne Waffen» zu «Frieden schaffen mit Waffen», eine geradezu orwellhafte Wendung, die vom Wahrheitsministerium in seiner Dystopie «1984» stammen könnte. Wahrheit ist Lüge und Lüge ist Wahrheit, alles geht, Prinzipien waren gestern.

Die waren bei den Grünen allerdings auch gestern nicht sehr ausgeprägt, als sie unter Verrat aller ihrer Prinzipien der völkerrechtswidrigen Intervention der NATO in Jugoslawien zustimmten. Da gilt heute mehr denn je: ist der Ruf erst runiert, lebt sich’s ungeniert.

 

*Darunter auch der ZACKBUM-Redaktor René Zeyer.

 

 

 

Wumms: Gieri Cavelty

Er gibt nicht auf. ZACKBUM auch nicht.

Seit Januar dieses Jahres musste sich ZACKBUM schon gelegentlich mit dem Frühstücks-Direktor des «SonntagsBlick» befassen. Pardon mit dem Chefredaktor.

Gieri Cavelty hat Geschichte studiert und 2004 mit dem Lizentiat abgeschlossen. Leider können solche Titel nicht aberkannt werden. Denn der Hobbyhistoriker vergreift sich mal wieder an einem historischen Begriff:

Schon im Lead verstolpert er sich: «Der Putinismus lässt sich nicht mit Hitlers Nationalsozialismus gleichsetzen. Doch ihre Gemeinsamkeiten zu benennen, führt zur Erkenntnis: Der Faschismus ist keine einmalige Verirrung des 20. Jahrhunderts.»

Zum Mitschreiben: nicht gleichsetzen, aber Gemeinsamkeiten? Fascho oder nicht fascho? Schwanger oder nicht schwanger? Dazwischen gibt es nix. Wer hat jemals behauptet, der Faschismus sei eine einmalige Verirrung gewesen? Abgesehen davon, dass er es nicht wahr.

Dann geht’s weiter im wilden Galopp: «Was ist Faschismus? Natürlich gehört ein fanatischer Nationalismus dazu. Ebenso Gewalt.»  Plus die Selbstinszenierung als Opfer. Ist das Faschismus?

Weiss Cavelty, was Faschismus ist?

Natürlich nicht. Faschismus ist eine nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, antidemokratische, rechtsradikale Bewegung. Dazu antisemitisch; in der deutschen Ausformung kam noch das Herrenmenschentum hinzu, also die Überzeugung, dass der deutsche Arier biologisch anderen Rassen überlegen sei.

Der italienische Faschismus, dort wurde diese Bewegung geboren, hatte teilweise ganz andere Inhalte und stammte ursprünglich aus linken syndikalistischen Kreisen, wie der italienische Führer Mussolini auch. Der deutsche Führer war hingegen ein gescheiterter Kunstmaler, der nach dem Ersten Weltkrieg seinen Hass darauf artikulierte, dass niemand seine Bedeutung erkennen wollte.

Von einem Historiker könnte man ein wenig Kenntnisse der Historie schon erwarten. Aber eigentlich will Cavelty etwas ganz anderes. Er hat es satt, Putin als Kriegsverbrecher zu bezeichnen. Am liebsten möchte er Arschloch zu ihm sagen, aber das geht dann selbst im SoBli nicht, also behauptet er:

«Putins Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine zeigt sämtliche Elemente einer faschistischen Intervention.»

Nachdem Cavelty im Vorbeilaufen noch der französischen Präsidentschaftskandidatin Le Pen und ihren 42 Prozent Wählern eine reingewürgt hat  («Ihr Erfolg ist ein Alarmzeichen für all jene, die für eine offene Gesellschaft sowie einen demokratischen Rechtsstaat eintreten»), kommt er in die Zielgerade.

«Was also ist der Faschismus? Angesichts der Herausforderungen, vor die uns insbesondere die Klimakrise stellen wird, ist er die grösste politische Bedrohung des 21. Jahrhunderts.»

Wie kann etwas, das Cavelty nicht mal richtig definieren kann, eine Bedrohung sein?  Mit der grossen Nazikeule ist Cavelty immer schnell bei der Hand. «Die Bewegung der Impfgegner zeigt totalitäre Züge», keifte er im September 2021. Denn die missbrauchten den Begriff «Freiheit». Auch damals griff Cavelty zu sehr kühnen Vergleichen: «Der sowjetische Diktator Josef Stalin beschwor in seinen Reden die «Freiheit der Arbeiter und Bauern»»

Abgesehen davon, dass das Stalin nicht tat, wie der Hobbyhistoriker Cavelty wissen sollte: damals zog er einen unstatthaften Vergleich von den angeblich totalitären Zügen der Bewegung der Impfskeptiker zur SVP und zu deren Bundesrat Maurer.

In staatstragendem Ton orgelte er: «Nicht weniger deutlich müssen die Medien darauf hinweisen, dass Politiker wie Ueli Maurer unmittelbar die Verantwortung dafür tragen, wenn das Misstrauen gegenüber unseren Institutionen stärker wird.»

Dumm gelaufen: für diese Philippika unterschob er Maurer zuerst ein Zitat, das der so nicht gesagt hatte. Aber damals sah der Ringier-Sprecher auf Anfrage «keinen Anlass zu einer Richtigstellung».

Caveltys gutes Recht 

Es ist Caveltys gutes Recht, den Überfall auf die Ukraine zu verurteilen. Dafür die Faschismuskeule zu verwenden, das ist ein Hohn für alle Opfer des wirklichen Faschismus. Vielleicht weiss Historiker Cavelty auch nicht, dass vor Putin zuletzt die deutsche Wehrmacht in der Ukraine wie die Barbaren hauste und die widerlichsten Kriegsverbrechen beging. Übrigens unterstützt von Teilen der ukrainischen Bevölkerung, deren Anführer Stepan Bandera im Westen des Landes bis heute mit Denkmälern als Nationalheld verehrt wird. Während er im Osten und in der ehemaligen UdSSR als Kriegsverbrecher und Kollaborateur der Nazis in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde.

Aber solche komplizierten historischen Zusammenhänge, wie soll man die verstehen, wenn man nicht Geschichte studiert hat?

 

 

 

 

 

 

Der klare Blick

Wollen wir es mal mit etwas Verrücktem probieren? Mit Zweckrationalität.

Die Zukunft ist nicht vorhersehbar, aber es gibt wahrscheinliche Szenarien. Dass Aliens landen oder ein Meteor alles Leben auf der Erde auslöscht, gehört zu den unwahrscheinlichen.

Im Fall der Ukraine gibt es drei Möglichkeiten.

  1. Russland bringt seine «militärische Spezialoperation» zu Ende. Das heisst, das Land wird erobert und in Kiew eine Marionettenregierung installiert, die Moskaus Interessen vertreten wird.
  2. Russland scheitert mit diesem Plan, es entwickelt sich ein Partisanen- oder Guerillakrieg, wo es wie in Afghanistan oder Vietnam keinen Sieger und keinen Verlierer gibt. Bis Russland des Aderlasses überdrüssig wird und sich zurückzieht.
  3. Es gibt einen Verhandlungsfrieden, bei dem Russland ein gesichtswahrender Rückzug erlaubt wird. Die Krim bleibt russisch, die östlichen Republiken auch oder werden einer Volksabstimmung unterstellt. Ebenfalls behält Russland einen Landzugang zur Krim.

Welche der drei Varianten wird’s wohl sein? Logischerweise ist Variante 3 vorzuziehen. Denn Russland erleidet zwar militärische Verluste und Schäden an seinen Hauptexportprodukten. Aber in der Ukraine sind bereits heute geschätzte Schäden von über 600 Milliarden Dollar an der Infrastruktur entstanden, vom menschlichen Leid ganz zu schweigen.

Kurzer Ausflug. Präsident Putin muss sich vorwerfen lassen, dass er sich ohne Not in eine Situation manövriert hat, aus der er nur als Verlierer herauskommt. Sollte es ihm gelingen, die Ukraine ganz unter Kontrolle zu bringen, lasten auf Russland die Kosten des Wiederaufbaus, eine gewaltige Hypothek.

Entwickelt sich ein langjähriger Abnützungskrieg, sind die wirtschaftlichen Folgen für Russland ebenfalls exorbitant. Man darf nicht vergessen, dass der Vietnamkrieg die USA zwang, von der Goldbindung des Dollar Abstand zu nehmen, so teuer wurde der.

Gibt es eine Verhandlungslösung, hat Putin dennoch die Beziehungen zum Westen so nachhaltig beschädigt, dass es wohl eine Generation brauchen wird, um zu einer wie auch immer gearteten Normalität zurückzukehren. Währenddessen wird sich Europa unabhängig von russischen Rohstofflieferungen machen; ob China diese Nachfrage ersetzen kann, ist fraglich.

Martialisch blökende Kriegsgurgeln behaupten, dass die Gefahr eines Atomkriegs klein oder vernachlässigbar sei. Oder wie das der «Auslandchef» von Tamedia so unnachahmlich formulierte: «Waffenlieferungen an die Ukraine führen nicht einfach so zum Atomkrieg, sondern nur dann, wenn sich der Kreml zum Tabubruch entscheidet und eine Nuklearwaffe einsetzt.»

Das ist Unfug. Sollte der Kreml zur Überzeugung kommen, dass der Westen oder die NATO dermassen massiv auf Seiten der Ukraine in den Krieg eingreift, dass Russland militärisch schwer in die Bredouille gerät, liegt es nahe, dass er mit einer atomaren Option zumindest drohen wird. Sein Aussenminister hat bereits das Terrain vorsondiert und die Möglichkeit eines atomaren Schlagabtauschs in den Raum gestellt.

Bislang haben lediglich die USA Atombomben als Kriegswaffe eingesetzt. Das war zu einer Zeit, als sie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs das Monopol auf diese Waffe hatten. Seither stand die Welt einige Male am Rande einer nuklearen Auseinandersetzung, am nächsten bei der Kuba-Krise im Oktober 1962.

Seither bewahrte die Verrücktheit MAD alle Atommächte vor dem Einsatz der Waffe. Mutual Assured Destruction, Gleichgewicht des Schreckens, oder einfach: wer zuerst Atomwaffen einsetzt, stirbt als Zweiter.

In Sandkastenübungen spielen die Militärs aller Atommächte schon lange mit der Option eines begrenzten Atomkriegs. Dabei dürfte es sich allerdings um eine Illusion handeln. Oder auch hier konkret: Putin setzt in der Ukraine Atomwaffen ein, weil er mit konventionellen Waffen nicht mehr weiterkommt. Das bedeutet, das grössere Landstriche verstrahlt und auf lange Zeiten unbewohnbar werden. Was soll ein solcher Pyrrhussieg bezwecken?

Oder aber, Putin setzt Atomwaffen gegen ein NATO-Mitglied ein. Das hat sofort einen Gegenschlag zur Folge, Weltuntergang.

Letzte logische Schlussfolgerung: da die Ukraine, so bedauerlich das für ihre Bewohner auch sein mag, nicht das Auslösen eines weltweiten Atomkriegs wert ist, muss es eine Verhandlungslösung geben, die es Putin zumindest ermöglicht, seine Invasion als Erfolg der eigenen Bevölkerung zu verkaufen.

Umso länger der Krieg andauert, umso mehr Opfer er auch auf russischer Seite fordert, umso spürbarer die westlichen Sanktionen werden, desto mehr wird er sich in die Ecke gedrängt fühlen. Es wäre wohl zu viel von der Geschichte verlangt, die Hoffnung darauf zu setzen, dass ja auch die Atommacht UdSSR untergegangen ist, ohne in letzter Verzweiflung die Welt mit in den Abgrund zu reissen.

Was man über Putin weiss, macht es eher unwahrscheinlich, dass er sich geschlagen auf einen seiner luxuriösen Landsitze zurückziehen und dort seine Memoiren schreiben wird. Abgesehen davon, dass er weiss, dass er einen solchen Rückzug von der Macht nicht überleben würde. Also wird er wohl alles daran setzen, sie zu behalten.

Wer eine Fachmeinung zur Möglichkeit und den Folgen eines atomaren Schlagabtauschs verträgt, kann das Interview mit dem emeritierten MIT-Professor und Atomkrieg-Experten Theodor A. Postol nachlesen.

Das alles macht die Option «gebt Putin Saures» zur schlechtesten aller denkbaren.

Sauglattismus

Es ist mal wieder Zeit für eine Fotoromanza!

Eigentlich schafft es nur der «Tages-Anzeiger», sich selbst auf der Frontseite mit einem riesigen, riesig-schlechten Cartoon jeden Hauch von Seriosität zu nehmen. Bravo.

Das setzt sich dann auf der Kommentarseite fort. Kalten Arsches (Pardon) fordert hier der mutige Redaktor, dass man ein Zeichen setzen soll. Solidarität üben. Leider ist diese Aktion nicht kriegsentscheidend. Aber ein frostiger Beitrag dazu.

Der «Blick» hingegen melkt wirklich alles aus der Null-Story des Besuchs einer politischen Null in der Ukraine. Blöd auch, dass es nicht mal zu dem üblichen Handshake-Foto gereicht hat, sondern das Blatt sich mit einer Fotomontage auf der Front behelfen muss. So viel Kooperation hätte man von Irène Kälin schon erwarten dürfen. Aber eben, man kann’s – oder man kann’s nicht.

Eher verhalten berichtet CH Media über das Kriegsreisli unserer Nationalrats-Präsidentin. Man beachte den deutlich ranzigen Gesichtsausdruck der Umstehenden, die sich offenbar nichts sehnlicher wünschen, als dass diese Frau aus der Schweiz endlich mal das Wort wieder loslässt.

Lobenswert ist hingegen, dass sich die vielen Kopfblätter von CH Media durchaus auch dem Lokalen verschrieben haben. Auch wenn die Prominenz der linken Prominenz vielleicht nicht für jeden erkennbar ist.

In einer Welt für sich lebt wieder einmal die NZZ, und dafür gebührt ihr grosses Lob. Natürlich beherrscht auch ihre Frontseite der Gaslieferungsstopp. Aber daneben und mit Bild widmet sich die alte Tante einem Thema, das allen anderen schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigeht. ZACKBUM ist entzückt.

Dazu gehört auch ein üppig fotografierter Bericht über den Anteil, den Kosaken im Kampf gegen Russland leisten. Auch dafür hat kein einziges anderes Organ den Nerv. Aber die NZZ kann noch einen drauflegen:

Das ist sowohl inhaltlich wie thematisch sehr konträr zum Mainstream und verdient deswegen höchstes Lob.

Irène P. (wie peinlich) Kälin

Ein Tiefpunkt des Schweizer Parlamentarismus.

Dass ZACKBUM einmal mit Philipp Loser einverstanden ist – das schafft nur unsere peinliche NR-Präsidentin:

«Wir sehen Kälin vor dem Bundeshaus. Wir sehen Kälin auf dem Flugplatz Bern-Belp. Wir sehen Kälin vor dem Bundesratsjet. Wir sehen Kälin im Bundesratsjet. Wir sehen Kälin auf einem polnischen Bahnhof. Wir sehen Kälin auf einem ukrainischen Bahnhof. Wir sehen Kälin in einem Zug bei Nacht. Wir sehen Kälin in einem Zug bei Tag. Ein diplomatischer Ausflug als Fotoroman.»

Darunter leiden müssen wir wegen einer Medienpartnerschaft von einmaligen Dimensionen. Der «Blick», sonst vielleicht nicht das Leibblatt der grünen Kälin, durfte jeden Blick, jeden Spruch, jeden Moment dokumentieren. Denn es war ein weltbewegendes Ereignis. Der Besuch. Kriegsentscheidend. Mutig, Beeindruckend. Friedensfördernd. Solidarisch, selten wurde so ein Zeichen gesetzt.

Allerdings fällt einem spontan nur das Adjektiv peinlich ein. Oberpeinlich. Schmerzlich peinlich. Was mögen die Ukrainer nur von uns denken, nach diesem Besuch? Manchmal sagt ein Bild allerdings mehr als tausend solidarische Worte:

Links: wo bin ich eigentlich? Rechts: was steht Wichtiges an?

Hoffentlich reisst das nicht ein, aber ZACKBUM muss nochmals Loser recht geben und das Wort erteilen:

«Kälin erhielt viele Ab- und nur wenige Zusagen. Am Schluss begleiteten sie Roger Nordmann (SP), Yves Nidegger (SVP), Nik Gugger (Mitte) und Claude Wild, der Schweizer Botschafter in der Ukraine, nach Kiew. Es ist also eine offizielle Reise des Schweizer Parlaments, und doch fühlt es sich an wie ein privater Ausflug von Irène Kälin.»

Reisle machen, betroffen in Kameras schauen, ernst in Kameras schauen, fragend in Kameras schauen. Krieg schauen. In sich selber schauen. Sätze für die Ewigkeit sagen: «Er ist trotz allem ein einfacher Mensch. – Ich reise mit einem wahnsinnig schönen Gefühl ab.» Dann hielt sie noch eine Rede im Parlament, bei der die Zuhörer offensichtlich Mühe hatten, wach zu bleiben.

Wieso konnte niemand die oberste Schweizerin davon abhalten, ein oberpeinliches Bild von der Schweiz abzugeben? Es soll Ukrainer geben, die sich bis heute fragen: wer war denn das? Heidi? Und weshalb genau war die hier? Und was hat die schon wieder gesagt?

Dully Münger

Der dumpfe Auslandchef von Tamedia teilt gegen einen Bully aus.

Im Chor der mutigen Maulhelden fehlte noch ein Chef, dessen Aufgabe darin besteht, aus deutschen Texten die ß herauszuoperieren und durch ss zu ersetzen.

Aber das hindert ihn nicht daran, eine eigene Meinung zu haben. Also die von (fast) allen Journalisten: «Gegen einen Bully wie Putin hilft nur Standhaftigkeit». Das nennt er «Einordnung zum Krieg».

Dabei offenbart Münger ein Jugendtrauma: «Es ist wie auf dem Pausenplatz, wenn ein Tyrann seine Mitschülerinnen und Mitschüler schikaniert, einschüchtert, bedroht und verprügelt. Solche Charaktere nennt man auf Neudeutsch Bully. Wladimir Putin ist ein Bully.»

Nun möchte er nachholen, was er sich vielleicht damals auf dem Pausenplatz nicht traute: «Man muss widersprechen, aufstehen und sich wehren.» Das sei nämlich, Mutti Merkel lässt grüssen, «alternativlos». Nun war’s deren Politik offenbar auch nicht, aber was kümmert das einen Münger.

Wo’s einen bösen Bully hat, braucht’s auch einen guten Helden: «Der ukrainische Präsident ist die Inspiration für den Widerstand. So wie Winston Churchill im Mai 1940.» Im Unterschied zu Churchill hat Selenskij zwar – wie man seit den Pandora-Papers weiss – ein paar nette Geldverstecke im Ausland, und dass ihm sein Wahlsieg von einem ukrainischen Oligarchen gekauft wurde, ist auch offenkundig.

Kolomoiskij, «PrivatBank», schwiemelige Geschäfte. Der ukrainische Oligarch musste sich ins Ausland zurückziehen und kehrte nach dem Wahlsieg von Selenskij wieder triumphal zurück.

Aber solche Details passen natürlich nicht zu Müngers Heldenepos. Der plädiert für eine möglichst starke militärische Unterstützung der Ukraine. Möglicher Atomkrieg? Pah, sagt der mutige Münger, «diese Gefahr besteht jedoch immer, wenn eine Nuklearmacht Krieg führt. So zum Beispiel auch im Vietnamkrieg, als die Sowjetunion und China die kommunistischen Kräfte im Kampf gegen die US-Truppen unterstützten».

Der sympathische American Bully.

Er bringt da etwas durcheinander, denn diese Gefahr bestand im Koreakrieg. Aber ist ja beides irgendwie Asien und weit weg. Wie gross ist denn dann die Gefahr in der Ukraine? Kein Problem, meint Atomstratege Münger,

«Waffenlieferungen an die Ukraine führen nicht einfach so zum Atomkrieg, sondern nur dann, wenn sich der Kreml zum Tabubruch entscheidet und eine Nuklearwaffe einsetzt.»

Da sind wir aber beruhigt. Münger will sich gerne in die «Marschrichtung» einreihen, die der US-Verteidigungsminister vorgebe: «Wir wollen Russland derart schwächen, dass es zu Dingen wie der Invasion in der Ukraine nicht mehr fähig ist.» Das ist nun an Fahrlässigkeit nicht zu überbieten. Sollte Russland tatsächlich so geschwächt werden, dass es, wie Obama schon höhnte, nur mehr eine lokale Grossmacht wäre, welche Reaktion eines Putin kann man sich vorstellen? Wie viele Müngers braucht es zur Antwort?

Am Schluss widmet er sich dann noch dem Naheliegenden, was könnte denn die Schweiz tun? «Traditionell bietet die Schweiz ihre Guten Dienste als Vermittlerin an. Aber offenbar ist nicht die Saison dafür: Zu einseitig sind Schuld, Verbrechen und Verantwortung verteilt in diesem Krieg.»

Gute Dienste sind also saisonabhängig; bei trübem Regenwetter finden sie nicht statt, nur dann, wenn Schuld und Verantwortung nicht einseitig verteilt sind. Wobei, Afghanistan, Iran, gerade auch Vietnam, fanden da nicht Verhandlungen in der Schweiz statt? Die im Fall der Ukraine in der Türkei stattfinden, weil die Schweiz ihre Neutralität geritzt hat?

Aber auch solche Kleinigkeiten müssen übersehen werden, wenn es darum geht, einem «Bully» gegenüberzutreten. Wie bedauerlich, dass das Münger in seiner Jugend nicht gelang. Dann wäre uns dieser Kommentar erspart geblieben.