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Wichtigtuer ohne Wichtigkeit

Interessiert die Botschaft oder der Botschafter? Tamedia ist unentschieden.

Früher hiess es: «the medium is the message». Form und Methode, die zur Kommunikation verwendet werden, haben einen bedeutenden Einfluss auf den Inhalt der Botschaft.

Im Rahmen des Elendssparjournalismus gibt es ein neues Phänomen zu beobachten. Man könnte es «the messenger is the message» nennen. Das äussert sich in verschiedenen Formen.

Zunächst einmal ist der eigene Bauchnabel des Schreibers ins Zentrum gerückt. Die eigene Befindlichkeit, Unwohlsein, Leiden, persönliches Erleben; der Leser wird zwangsweise in Beziehungsprobleme, Erziehungsknatsch, Essgewohnheiten, Hobbys und Vorlieben des Autors einbezogen.

Der geht durch eine Strasse, sieht einen Mohrenkopf an einer Hauswand – und ist betroffen. Er (kann auch eine Sie sein) verteidigt das Recht auf Burkatragen. Quält den Leser (kann auch eine Leserin sein) mit pseudofeministischen Sprachvergewaltigungen, verhunzt ganze Wörter mit Gendersternchen, Binnen-I und ähnlichen Folterwerkzeugen.

Der Autor (kann auch eine Autorin sein) fühlt sich diskriminiert, ausgeschlossen, eingeschlossen, leidet an seinem Arbeitsplatz unter männlicher Diskriminierung (eher selten unter weiblicher), kommt nicht zu seinem Recht als Mutter, Single, Lesbe, Dicker oder was auch immer.

Ablassventil für Frustrationen

Das ist offenbar das Ventil, um Frust über zunehmende Bedeutungslosigkeit abzudampfen. Inflationär gibt es daher auch Kommentare und Meinungen. Als ob es die Welt interessieren würde (oder den Leser), was ein Pseudo-Chefredaktor eines Kopfblatts eines Medienkonzerns zur Ukraine, Putin oder Biden meint. Als ob es jemanden interessieren würde, welche militärischen Sandkastenspiele veranstaltet werden.

Nun hat Tamedia seit einiger Zeit ein neues Wellnessprogramm für Journalisten aufgelegt. Unter jedem gezeichneten Artikel (also wenn nicht einfach SDA-Meldungen per copy/paste reinrutschen) wird der Leser – wenn er überhaupt so weit gekommen ist – mit ausführlichen Informationen über den Autor beglückt.

Eine unrepräsentative Sammlung:

Wollen wir wirklich wissen, dass eine Autorin vor vielen Jahren den Greulich-Kulturpreis gewann? Eine andere in Konstanz, Oxford und Freiburg i.Br. studierte? Jemand YB-Fan ist? Oder gar aufschreibt, was er hört und sieht, was natürlich für einen Journalisten schon bemerkenswert ist?

Woher diese neue Unsitte wohl kommt? Richtig, der abgehärtete Tamedia-Leser hat so seine Vermutung. Wenn schon jede Menge Inhalt von der «Süddeutschen» übernommen wird …

Original ist besser als Kopie

Allerdings gilt auch hier, dass das Original meistens eine Spur besser ist. Denn bei der SZ steht das nicht so aufdringlich am Schluss des Artikels. Sondern der Autorenname ist jeweils mit einem Link versehen, mit dem man auf eine Autorenseite kommt. Dort gibt es dann für Fans weitere biographische Angaben. Das hat Tamedia auch kopiert, aber zunächst wird der Leser mit ersten, launigen Hinweisen auf Vorlieben, Ausbildung, Themenbereiche und anderes belästigt.

ZACKBUM findet, dass das noch ausbaufähig ist. Irgend etwas stimmt noch nicht, wenn der Artikel länger als dieser Hinweis ist. Das scheint uns eine ganz falsche Gewichtung zu sein. Wir wären da für halbe, halbe. Mindestens. Zudem müssen wir an der Positionierung der Hinweise scharfe Kritik üben. Ganz am Schluss? Ganz falsches Signal. Das muss an den Anfang.

Schliesslich ist der Bote doch viel wichtiger als die Botschaft. Vor allem dann, wenn die Botschaft aus gebackener Luft besteht. Da ist man dann schon froh, dass wenigstens ein Mensch und kein Textroboter am Werk war. Wobei: wo ist genau der Unterschied?

Countdown zum Krieg

ZACKBUM zählt mit. Ab wann wird zurückgeschossen?

Nicht mal der böse Putin ist so böse, dass er am Valentinstag einen Krieg anfängt.

Nun muss man wissen, dass der Countdown 1929 vom Regisseur Fritz Lang erfunden wurde, um im Stummfilm spannend klarzumachen, wann eine Rakete abhebt.

Das gleiche Prinzip gilt natürlich noch heute. Nur ist der Film nicht mehr stumm, sondern wir hören eine wilde Kakophonie von Countdowns.

Wie meist unzuverlässig hat sich Tamedia aus dem Fenster gelehnt – und verloren. Unter Berufung auf «informierte Kreise» zu Bern (als ob es das dort gäbe) hat der Qualtitätsmedienkonzern den Kriegsbeginn auf den 15. Februar festgelegt. «Wenn nicht», natürlich mit Abbinder.

Da gilt seither «wenn nicht». Andere Schätzungen gingen von Mittwoch, aus. Oder Donnerstag. Oder wie wäre es mit Freitag? Dann erhebt sich die Frage, ob am Wochenende eigentlich auch Kriegsbeginn sein darf. Oder ist dann auch für Militärs Feierabend? Sonntag gar?

USA intelligenter als europäische Unken

Nein, die USA sind da wie immer cleverer als die Europäer. Sie sprechen von «unmittelbar bevorstehender Kriegsgefahr». Zügeln ihre Botschaft aus Kiew weg und fordern US-Bürger auf, das Land zu verlassen. Damit rühren sie kräftig die Kriegstrommel, verbrennen sich aber nicht die Finger mit einem fixen Datum.

Das Ganze hat auch einen Aspekt von «drôle de guerre» (googeln). Die Ukraine hatte den Mittwoch kurzerhand zum neuen Nationalfeiertag ernannt. Nach der Devise: Wir werden doch nicht an einem Feiertag überfallen. Wobei, Yom Kippur, man erinnert sich: am höchsten Feiertag, am 6. Oktober 1973, überfiel eine Koalition arabischer Staaten Israel.

Auf der anderen Seite vermeldet das «Bündner Tagblatt»: «Die Schweiz bleibt relativ entspannt.» Das bedeutet, die Botschaft bleibt, wo sie ist, Swiss fliegt. Eher kriegerisch gestimmt ist hingegen Peter Rásonyi, der Auslandchef der NZZ: «Verhandlungsdiplomatie ist gut, aber jetzt ist es allerhöchste Zeit, dass der Westen Putin die vollen Kosten eines Angriffs auf die Ukraine aufzeigt».

Während der deutsche Bundeskanzler Scholz noch im Flieger nach Moskau sass, wurde er mit guten Ratschlägen aus der NZZ überschüttet. Ratschläge? Ach was, Befehle.

«Scholz sollte deshalb noch mehr tun. Er sollte die Gelegenheit nutzen … er sollte klarmachen … scharfe Konsequenzen mit aller Klarheit aufzuzeigen …»

Denn, Rásonyi fürchtet das Schlimmste, hinter leisem Optimismus: «Es gibt noch immer Grund zur Hoffnung, dass Putin sein gewaltiges Waffenarsenal nicht dazu einsetzen wird, das Nachbarland durch einen Bomben- und Raketenhagel zu zerstören und Hunderttausende von ukrainischen «Brüdern und Schwestern» zu töten.»

NZZ gibt deutschem Bundeskanzler den Tarif durch

Scholz Mission in Moskau sieht so aus: «Deshalb muss der Westen jetzt klarmachen: Auch ein begrenzter Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen. Dieser muss die maximal möglichen Gegenmassnahmen zur Folge haben, zu denen der Westen fähig ist. Jede Relativierung und jede Nachgiebigkeit würde einen autoritären Aggressor wie Putin nur zu noch mehr Provokationen und Zumutungen einladen und ihn zu einer noch grösseren Gefahr für die langfristigen Sicherheitsinteressen Westeuropas machen

Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sich Rásonyi mit gerunzelter Stirn über den Sandkasten beugt und dort rote sowie blaue Pfeile und Bögen hin und her schiebt.

Nur der ukrainische Botschafter geht noch etwas weiter und fordert von Scholz ultimativ, der müsse Putin ein Ultimatum stellen. Ob Scholz das mit einer Besichtigung des Denkmals verbinden würde, wie weit die Nazi-Truppen beim Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg vor Moskau kamen?

Der NZZ-Falke verwechselt die Falkenstrasse mit dem NATO-Hauptquartier, hält sich nicht länger für einen Journalisten, sondern für einen Befehlshaber, dessen Ratschläge unbedingt zu befolgen sind.

Solches Gehampel hat, genau wie die Festlegung auf ein bestimmtes Datum des Kriegsausbruchs, etwas unfreiwillig Komisches, Aufgeblasenes. Das wirkt so, wie wenn der Autor vor eigener Wichtigkeit und Bedeutung kaum mehr geradeaus laufen kann. Seine Schultern gebeugt von der Last der Verantwortung, mit Buchstaben einen Krieg abwenden zu müssen.

Helm auf gilt für immer mehr Journalisten

«Helm auf», ist ein scherzhafter Journalistenspruch, um jemanden auf die Piste einer Reportage zu schicken. Das ist längst vorbei, heutzutage darf der Redaktor seine Verrichtungsbox nur noch ausnahmsweise verlassen. Aber bei Rásonyi kann man sich das lebhaft vorstellen, er schreibt mit Helm. Der ihm aber immer wieder über die Augen rutscht und den Blick verstellt.

Demnächst meldet er sich aus seinem Zivilschutzbunker. Notvorrat aufgefüllt, Filter ausgewechselt, Notstromaggregat revidiert, Zivilverteidigungsbüchlein griffbereit. Verkörperung einer militanten Tante. Obwohl das seit dem Ende des Kalten Kriegs gar nicht mehr so zur NZZ passt.

 

 

 

Wumms: Peter Rásonyi

Wie sehr darf man sich von seiner Herkunft leiten lassen?

In der Affäre Djokovic (erinnert sich noch jemand an das unglaubliche Geschrei?) durfte vor allem bei Tamedia über den Serben hergezogen werden, dass es eine Unart hatte. Besonders ausfällig wurde ein Schreiber mit kosovarischem Hintergrund; Enver Robelli teilte ganz übel (und unkontrolliert) aus.

Der Auslandchef der NZZ ist der Sohn ungarisch-deutscher Eltern und wurde 1966 in Zürich geboren. Es steht zu vermuten, dass eine Flucht nach dem ungarischen Aufstand von 1956 zur Familiengeschichte gehört.

Damit soll Peter Rásonyi nun nicht eine quasi genetisch bedingte Russlandfeindlichkeit unterstellt werden. Es ist aber dennoch auffällig, dass er bei osteuropäischen Themen ziemlich ranzig wird. Wenn er die EU dafür lobt, «schnell und entschlossen gegen Lukaschenko gehandelt» zu haben, vergisst er nicht, «dessen Schutzmacht Russland» zu erwähnen.

Obwohl zur ungarischen Vergangenheit – neben Faschismus – auch ein Aufstand gehört, ist Rásonyi anderswo strikt gegen solchen zivilen Ungehorsam. Die LKW-Blokaden in Kanada seien «unverhältnismässig», befindet er, nie um einen guten Ratschlag verlegen: «Die Regierung sollte härter dagegen einschreiten

Den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz begleitete Rásonyi mit einem ganzen Geschwader an Ratschlägen, Vorgaben und Handlungsanweisungen. Da wäre man bei der NZZ mit dem immer noch besten Netz an Auslandkorrespondenten um eine Spur mehr Differenziertheit dankbar.

Wer kennt Stepan Bandera?

Wer mehr als Schlagworte über die Ukraine klopfen will …

Machen wir den Idiotentest. Treffer im Medienarchiv SMD in den letzten sieben Tagen für Ukraine: 3145. Für Stepan Bandera: null.

Wer ist das, muss man den kennen? Allerdings, wenn man oberhalb von Schwarzweiss-Schlagwörtern versuchen will, die komplizierte Lage der Ukraine zu verstehen, hülfe das ungemein.

Denn im westlichen Teil der Ukraine ist Bandera bis heute ein Nationalheld. Im Osten und auch für Russland ist Bandera ein NS-Kollaborateur und Kriegsverbrecher.

Denkmal für Bandera in der Westukraine.

Unbestritten ist, dass er mit den Nazis während deren Besetzung der Ukraine zusammenarbeitete. Dafür wurde er in der UdSSR in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg flüchtete er nach Deutschland und wurde 1959 in München von einem KGB-Agenten ermordet.

Ukraine, 1941. «Heil Hitler» und «heil Bandera».

Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg ist ebenfalls ein guter Ausgangspunkt, um Russlands Säbelrasseln zu verstehen. Wer auf dem Weg vom Flughafen ins Stadtzentrum von Moskau am Panzersperrendenkmal vorbeifährt, das den äussersten Punkt markiert, bis zu dem die deutschen Faschisten kamen, zuckt unwillkürlich zusammen.

Heute liegt das Denkmal mitten in der Grossstadt Moskau, man konnte von Anhöhen aus bereits den Kreml sehen. Das entschuldigt nichts von der aufgeladenen Rhetorik Moskaus, die ungeniert behauptet, dass die Ukraine bis heute in den Händen von Faschisten sei und sich Russland davor schützen müsse.

Das ist natürlich Unsinn, allerdings ist die Ukraine tatsächlich in den Händen korrupter Oligarchen; seit der Unabhängigkeit während des Zerfalls der UdSSR hat sich bis heute noch kein staatsbürgerliches Bewusstsein gebildet.

Allerdings ist es auch so, dass Russland als Nachfolger der UdSSR gegen die Ablieferung aller in der Ukraine stationierten Atomwaffen die territoriale Integrität des Staates garantierte. Es war sicherlich eine sehr sinnvolle Massnahme, dieses Nukleararsenal dem möglichen Zugriff von Wahnsinnigen jeglicher Couleur zu entziehen.

Dass die Sowjetunion, Russland in den letzten zwei Jahrhunderten zweimal von Westeuropa aus überfallen wurde, ist ebenfalls eine historische Tatsache. Genauso, dass Russland das seinerseits nie tat.

Dass die Ukraine mit einer NATO- und EU-Mitgliedschaft liebäugelt und sie anstrebt, ist ebenfalls eine historische Tatsache. Die inzwischen wieder erstarkte Grossmacht Russland will das nicht hinnehmen. Heute nicht, morgen auch nicht. Das ist eine kurze Skizze der komplexen Ausgangslage. Wer die dahinterstehende Geschichte ansatzweise verstehen will, braucht sich nur über den Lebenslauf von Bandera und die heutige Sicht auf ihn zu informieren.

Ginge einfach, tut nicht weh, hilft ungemein. Tut trotzdem keiner der vielen Flachschreiber in den sogenannten Qualitätsmedien.

Ukrainische Briefmarke 2009, zum 100. Geburtstag.

Kanonendonner

Jeder Schuss ein toter Russ. Wir erzählen wieder Stuss.

So hetzte vor dem Ersten Weltkrieg eine blutrünstige Presse. Natürlich überschätzen Medien seit ihrer Geburt ihre Wirkungsmacht. Sie schwafeln vom Blitzlichtgewitter, und aus Verzweiflung interviewen sich immer wieder Journalisten gegenseitig, wenn es sonst beim besten Willen nichts zu berichten gibt.

Sie sind auch sehr flexibel, wenn es um gummihalsige Berichterstattung geht. Einerseits wurde die Durchführung der Olympischen Spiele in der Winterhochburg Peking streng kritisiert. Gigatomie, ungeeignete Umgebung, Geldverschwendung, ein neues Sotschi. Nun würden wohl Winterspiele in Russland tatsächlich boykottiert werden.

Aber ein Ausflug in die chinesische Diktatur, mal eine Pause in der Berichterstattung über die Uiguren, das muss man verstehen. Wann kommt heute der Redaktor schon mal aus seiner Verrichtungsbox in der Hölle des Newsrooms heraus? Das ist doch fast wie früher. Flug in die weite Welt, Wichtigkeit, persönliche Anwesenheit.

Das verfolgen die Zurückgebliebenen mit Neid. Sie fragen sich sowieso, wann sie mal die Hauptrolle in einem Sequell von «The Expendables» spielen dürfen. Denn entbehrlich sind die meisten schon längst, nur leider nicht für eine Hauptrolle geeignet.

Die Zentralredaktion. Unklar, ob von Tamedia oder CH Media oder «Blick».

Da bietet mitten in die Tragödie hinein, dass Corona langsam abgibt, eine potenzielle Kriegsszenerie neue Chancen. Aber leider wird auch hier das fatale Prinzip angewendet, mit dem sich die Journaille schon bei der Pandemie um Kopf und Kragen und Glaubwürdigkeit schrieb. Mangels analytischen Fähigkeiten ist nur möglich, mit Steigerungen auf sich aufmerksam zu machen.

Hintergründe, Analysen, Erklärungen? Ach was.

Hintergründe des Ukraine-Konflikts, darf Russland auf seinem eigenen Territorium Truppen verschieben, während die USA Truppen in fremde Länder schicken? Wer will Krieg, wer nicht? Will sich Russland wirklich die Invasion eines korrupten, bankrotten, mehr oder minder «failed State» ans Bein binden?

Braucht Präsident Putin ums Verrecken einen kriegerischen Erfolg, um von inneren Schwierigkeiten abzulenken? Dank massiv gestiegener Preise für Öl und Gas spült es ihm doch gerade Multimilliarden in die Kassen, und strategisch vertieft sich die Bindung zwischen Russland als Rohstoffquelle mit einigermassen funktionierendem Militärapparat und der neuen wirtschaftlichen Supermacht China.

Aus diesem Grund kann Putin locker behaupten, dass ihm die westlichen Sanktionen schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigehen. Das wären Ansätze zu einer Lagebeschreibung.

Aber doch nicht für unsere ausgehungerten und kriegslüsternen Massenmedien. Tamedia ruft den möglichen Kriegsbeginn  – unter Berufung auf eingeweihte Kreise ganz oben in Bern – für den 15. Februar aus. 24 Stunden nach dem Valentinstag, den die sentimentalen Russen halt noch abwarten wollten. Klappt’s nicht mit dem Krieg, hatte man natürlich einen Abbinder parat, Diplomatie könne doch noch das Schlimmste verhüten.

Tamedia übernimmt wie immer die kreischen Analysen des US-Korrespondenten der «Süddeutschen Zeitung», der für einmal nicht einen drohenden Bürgerkrieg in den USA sieht. Hubert Wetzel hat umgesattelt und schimpft nun Richtung russischer Bär: «Die USA blasen Putins Nebelwand davon».

Kriegsspiele, Sandkastenspiele, Manöver

Dazu stellt Tamedia ganze Sandkastenspiele von Hobbykriegern: «Was im Osten alles auf dem Spiel steht», und zum Nachspielen: «Sechs Szenarien einer Invasion. Wo die Ukraine russische Angriffe befürchten muss.»

Redaktionskonferenz, modern.

Bebildert wird das mit einer Vorwegnahme des Kriegs:

Tamedia lässt’s schon mal krachen.

Als Stimme der Vernunft versucht sich die NZZ; sie spekuliert zwar  in der Sonntagsausgabe ebenfalls über das Datum des Kriegsausbruchs, interviewt aber am Montag immerhin einen an der Deeskalation nach der Annexion der Krim beteiligten Schweizer Spitzendiplomaten über «verschiedene Wege aus der gegenwärtigen Krise um die Ukraine».

Auch die Bebilderung ist weniger kriegslüstern:

Bei der NZZ ballert es (noch) nicht.

Der «Blick» gibt einer Gastkommentatorin Gelegenheit, die Schweiz in die Pflicht zu nehmen:

«Die Frage, wann und wo Russland in die Ukraine einmarschieren wird, ist nebensächlich. Viel wichtiger wäre es zu fragen, wie Russlands Verstoss gegen die Uno-Charta zu sanktionieren ist – auch von der Schweiz.»

Als Rechtsanwältin in Genf sollte die Dame vielleicht schon mal etwas von der Schweizer Neutralität gehört haben.

Spendenaktion ins Auge fassen?

Die deutsche «Bild» hingegen zeigt mal wieder, wie man die Sache zu einem Kracher hochschreibt: «So will uns Putin in den KRIEG treiben». Nazivergleiche sind immer schwierig, aber hier liegt die Erinnerung an die Hitler-Lüge, «seit 5.45 wird jetzt zurückgeschossen», auf der Hand.

Figurenset für den Kriegsspielsandkasten.

«20 Minuten» kümmert sich, Hemd näher als Hose, um die «Auswirkungen auf die Schweiz», sollte der Krieg ausbrechen. Die «Schaffhauser Zeitung» verlegt den Beginn immerhin auf den «Mittwoch» und übernimmt damit wie alle Kopfblätter die Sauce aus der CH Media Zentralredaktion. «Nau.ch» leiht sich vom grossen Bruder im Norden die Einschätzung: «Bundesregierung hält Ukraine-Lage für «extrem gefährlich»». Denn  «Blick» weiss: «Jetzt sind die Russen stark genug für eine Invasion».

Das neue Handwerkszeug für Kindersoldaten in News-, Pardon, War Rooms.

Wir versuchen, die Lage zusammenzufassen. Der Krieg kommt. Ob heute oder morgen oder «in diesen Tagen» das ist noch nicht ganz sicher. Deutschland muss unbedingt mehr tun, um den tobenden Bären in die Schranke zu weisen. Die Schweiz sowieso. Sollte Putin Toblerone mögen, käme ein Schokoladeausfuhrverbot als schärfste Waffe in Frage. Die gehört zwar schon längst einem US-Multi, wird aber immer noch in der Schweiz hergestellt.

Es ist allerdings die Frage, ob angesichts der Ablehnung der Milliardenspritze die Anschaffung von Sandkästen für die Newsrooms, in denen Kriegsszenarien nachgespielt werden könnten, noch drinliegt. Vielleicht sollte man eine Spendenaktion ins Auge fassen.

Kriegsspiele aus dem Sandkasten

Abklingende Pandemie, Platz für Kriegsgeschrei.

Tamedia macht sich schon Sorgen um die Versorgung der Bevölkerung mit Notvorrat. Der «Blick» befürchtet eine neuerliche WC-Papier-Krise. Stefan Schmid, der eigentlich überflüssige Chefredaktor des St. Galler «Tagblatt», macht sich strategische Gedanken um den möglichen Einsatz der Schweizer Luftwaffe.

Das hört sich dann so an, wenn ein Spielzeug-General in die Tasten greift:

«Dass die Schweiz als eines der reichsten Länder Europas mithilft, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren, ist richtig. Angesichts der angespannten geopolitischen Lage in Osteuropa sind solche Überlegungen wichtiger denn je

Man spürt, wie aus jeder Zeile ernste, angestrengte Bedeutsamkeit tropft. Endlich hat die Journaille ein Thema gefasst, das Platz gibt für die volle Orgel, das ganze Klavier, sogar für Pauken und Trompeten.

Denn es geht doch um alles. Um Krieg und Frieden. Leben und Tod. Verantwortung und Mut. Endlich kann man sich wieder in Schwarzweissdenken suhlen, das Schachbrettmuster einfacher Gedanken und Begrifflichkeiten über die Welt werfen.

Eigentlich ist die Lage doch ganz einfach

Ist doch einfach. Da steht wieder mal der böse Russe, wie weiland im Kalten Krieg. Der ist zwar nicht mehr rot, aber immer noch ein Bär. Zuoberst ist kein Kommunist mehr, aber fast, so ein ehemaliger KGB-Agent, das reicht doch auch als Feindbild.

Dann haben wir das unschuldige Opfer. Die Ukraine, ein Land voll lupenreiner Demokraten, fleissig, westlich orientiert, mutig, unserer Sympathie und Unterstützung würdig. Da gab es doch auch mal so eine Heldin mit blondem, geflochtenem Haarkranz, und einen Helden mit leicht entstelltem Gesicht, weil der einen Giftanschlag überlebte. Wie hiessen die nur?

Der Präsident des Landes, wie heisst der schon wieder, war anscheinend ein Komiker. Vielleicht ist er’s noch. Dann ist da noch irgendwas mit Erdgas, und wo liegt die Ukraine schon wieder genau? An welche Länder grenzt sie? Was ist ihre Geschichte?

Ach, das würde ja alles zu weit führen. So kann man sich doch nicht richtig auf Krieg oder Frieden vorbereiten. Schliesslich müssen wir alle mithelfen, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren. Das sind wir Europa schuldig, reich, wie wir sind.

ZACKBUM bietet dazu Hand; wir geben eine Garantieerklärung für die Sicherheit auf dem Kontinent ab. Nimm das, du russischer Bär, und troll dich.

Nach der Intensivstation nun der War Room

Offensichtlich ist den meisten Medien ihre in der Pandemie entdeckte staatspolitische Bedeutsamkeit in den Kopf gestiegen. So wie sich eigentlich jeder Redaktor in einen Epidemiologen, Virologen und Seuchenspezialisten verwandelte, muss man sich das nun so vorstellen, dass die wenigen überlebenden Kindersoldaten im Newsroom sich in einem War Room fühlen, vor sich ein virtuelles Schlachtfeld mit den Blauen (unsere, die Guten) und den Roten (die anderen, die Bösen).

All die Virenkenner verwandeln sich nun in Spezialisten der Kriegskunst. Panzer, Artillerie, Luftwaffe, Seestreitkräfte nicht vergessen. Ach, Raketen natürlich, und am Schluss entscheidet immer die Infanterie.

Wie steht es eigentlich im näheren Umfeld der Schweiz? Im letzten grossen Krieg waren ja eigentlich alle gegen uns, wollten sich aber die Verkehrswege nicht kaputtmachen, und so ein neutraler Handelsplatz mitten in Europa war ja auch nicht schlecht.

Und heute? Wenn wir Kriegsstrategen nach Norden blicken, müssen wir erschrecken. Was ist aus dem deutschen Landser geworden? Überhaupt aus der Armee? Die Teutonen senden 350 Soldaten in den Osten und rund 6000 Helme. Das ist alles? Was macht Frankreich? Mit wem verbündet sich Italien? Das ist wichtig zu wissen, denn wer Italien an seiner Seite hat, verliert eigentlich immer. Österreich? Ach, die sind ja auch neutral, müssen uns wieder alles nachmachen.

So viele offene Fragen, so wenig Antworten

Sind wir eigentlich auch mental auf einen Krieg vorbereitet? Wird er uns wieder verschonen? Können wir uns mit den guten Diensten retten? Und bei allem Spass an neuen Fliegern, wie steht’s mit Cyberwar? Heutzutage muss Infrastruktur nicht mehr bombardiert werden, ein paar Computerviren erledigen das viel effizienter.

Wie steht es mit der Fünften Kolonne, dem Feind im Inneren? Gibt’s den überhaupt, und wenn ja, woran erkennt man ihn? Wem muss man zurufen: «Moskau einfach»?

Da gibt es noch so viel jungfräuliches Terrain zu beackern, so viele Fragen sind noch offen. Wir müssen den Journalisten aber noch etwas Zeit lassen, Betriebstemperatur zu erreichen. Ist schliesslich nicht so einfach, den Geschlechterkampf, die Durchsetzung des Gendersterns, den Kampf gegen Rassismus, Sklaverei, Mohrenköpfe und Männersprache mit echtem Kriegshandwerk zu ersetzen.

Sagen wir so: wenn Corona-Kreische Marc Brupbacher nicht mehr Viren zählt, sondern Panzer und Bodentruppen, dann wissen wir, dass der Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Ehrlich gesagt ist Kriegsgeschrei zwar genauso nervig wie die ewigen Warnungen vor dem Massensterben durch ein Virus. Aber es ist immerhin eine Abwechslung.

Ins Hirn geniesst?

Stell dir vor, es ist Krieg und Tamedia schaut hin.

Entzugserscheinungen können grausam sein. Das weiss nicht nur jeder aufgehörte Raucher. Die Medien quälen sich bereits mit Corona-Entzug. Was tun, wenn dieses Thema wirklich wegfallen sollte?

Da muss natürlich Ersatz her. Irgend eine Krise, das ist immer gut. Krise? Quatsch, Krieg ist viel besser. In Afrika gibt es jede Menge Kriege, aber meiner Treu, das interessiert doch keinen, wenn sich dort Schwarze gegenseitig abmurksen. Und von «black live matter» hat man auch nix mehr gehört.

Vom «Blick» sogleich dankbar aufgenommen, hatte Tamedia einen Gedankenblitz. Natürlich, und erst noch naheliegend:

«In der Ukraine droht Krieg: Informierte Kreise in der Bundesverwaltung sehen die grösste Gefahr eines russischen Einmarsches für die Zeit um den 15. Februar.»

Wunderbarer Einstieg. Hätte er gelautet: Beni Gafner brauchte unbedingt einen neuen Artikel, um sein Plansoll zu erfüllen, das wäre entschieden schlaffer gewesen.

Aber «informierte Kreise», gleich ein fixes Datum, das haut rein. Natürlich folgt der Abbinder, dass auch eine Deeskalation dank Diplomatie möglich sei. So für den Fall, dass dummerweise am 15. doch kein Krieg ausbricht.

Was macht man nun angesichts dieser Kriegsgefahr? Si vis pacem para bellum. Okay, das ist Latein, kehren wir aufs Niveau Tamedia zurück: «Was droht bei einem Krieg in der Schweiz knapp zu werden?»

Da kann der «Blick» konkret werden:

Dafür erinnert Tamedia gleich an den guten, alten Notvorrat:

 

Also liebe Journis, man muss auch mal lernen, zu leiden ohne zu klagen. ZACKBUM ist ganz bei euch, wir fühlen den Schmerz. Thema weg, Loch, Depression, Alkoholismus. Arbeitslosigkeit. Worüber nur schreiben?

Dabei gibt es doch – in der Not – so viele andere Themen, als gleich einen Krieg herbeizuschreiben. Der eigene Bauchnabel, das konsequente Gendern, Ausgrenzung, Diskriminierung und immer noch Passanten tief verletzende Mohrenköpfe an Gebäuden. Und was ist eigentlich mit der Untersuchung des Protests von 78 erregten Tagi-Frauen passiert? Gibt’s da so nach fast einem Jahr mal Ergebnisse?

Apropos Ergebnisse, schreibt doch über Erlebnisse. Der schönste Absturz in der Kneipe. Wie es war, als ich nach Hause kam und meine Frau mit einem anderen im Bett ertappte. Mein letzter Velounfall. Wie mir im Restaurant eine angebrannte Pizza serviert wurde.

DAS wären News, die die Welt braucht.

 

Papagei Tamedia

Leser als Masochisten? Sie zahlen, um gequält zu werden.

Beim Thema Ukraine gibt es deutsche Blickwinkel und Schweizer. Die unterscheiden sich überraschenderweise deutlich.

Es gibt auch innerhalb Deutschlands verschiedene Meinungen zur Frage, wie massiv oder gar militärisch sich Deutschland dort engagieren soll. Nicht nur aus historischen Gründen, sondern auch wegen wirtschaftlichen Verflechtungen, Stichwort Gaspipeline Nordstream 2.

Womit wir beim ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder wären. Der wechselte vom Kanzleramt recht nahtlos in den Aufsichtsrat der russischen Nord Stream AG. Und nun wurde bekannt, dass er dieses Mandat um eine gleiche Position bei Gazprom erweitern wird.

Das ist der grösste russische Konzern, zudem nicht gerade staatsfern. Zu all dem hat die «Süddeutsche Zeitung» eine klare Meinung. Mit dem Zitat «Unangenehm und geschmacklos» überschreiben die beiden Berlin-Korrespondenten der SZ ihren Artikel vom 4. Februar.

Am 6. Februar dürfen die Abonnenten der Tamedia-Blätter lesen: «Gerhard Schröder hat leider Halt und Anstand verloren». Das ist der haargenau gleiche Artikel der gleichen Autoren, lediglich das Zitat bei der SZ wurde durch das Zitat des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ersetzt.

Worin bestand sonst noch die Arbeit der Tamedia-Auslandredaktion? Anderes Schröder-Bild genommen, Lead leicht angepasst, im Lauftext zwei, drei allzu innerdeutsche Keifereien gestrichen. Natürlich nicht das Kurzitat von Schröder, dass er Forderungen nach deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine als «Säbelrasseln» kritisierte.

Was man alles kann, wenn man deutsche Leser in Deutschland füttert

Man kann den Bundeskanzler der ruhigen Hand, der sich immerhin einer deutschen Teilnahme am Irak-Desaster der USA verweigerte, nun als geldgierigen und skrupellosen Altpolitiker anrempeln. Man kann auch der Leserschaft ausführlich referieren, was politische Opponenten der SPD und Gegner des Ex-Kanzlers alles so erzählen.

Man kann auch folgenden historischen Exkurs machen:

«Schaut man genauer hin, dann ist die Lage für Scholz und seine SPD heute sogar schlimmer als 2005. Damals war Schröders Wechsel vom Kanzler zum Lobbyisten vor allem ein innersozialdemokratisches, vielleicht auch ein innerdeutsches Problem. Diesmal schaut die ganze Welt zu, wie die neue deutsche Regierung sich gibt.»

Man stellt fest, dass der Deutsche es bis heute liebt, sich im Gefühl zu sonnen, dass die «ganze Welt» zuschaue, wenn im Berliner Provinztheater auf der Bühne etwas geholzt wird.

Aber es stellt sich anhand dieses Beispiels mal wieder verschärft die Frage, wozu eigentlich ein Abonnent des «Tages-Anzeigers» (oder eines der vielen Kopfblätter) Geld dafür ausgeben soll, um mit innerdeutschen Meinungen über innerdeutsche Konflikte behelligt zu werden. Der Schnarch-Verlag Ringier hält sich aus dieser Debatte wohlweisslich heraus, weil dort Schröder immer noch als «Berater» auf der Payroll steht.

CH Media hingegen leistet sich zwar nur zwei Auslandredaktoren, dafür aber noch ein paar Korrespondenten. Daher berichtet Christoph Reichmuth aus Berlin und eher aus Schweizer Perspektive. Währenddessen kümmert sich der Berliner Korrespondent von Tamedia, Dominique Eigenmann, gezwungenermassen um den Polizistenmord, der nun aber, bei aller Tragik, ebenfalls ein sehr deutsches Thema ist.

Wenn die Sauce in die Sauce schwappt

Die Sauce der Süddeutschen schwappt ja in der Einheitssauce von Tamedia inzwischen auch in andere Bereiche wie Gesellschaft oder Kultur. Lediglich Nationales oder Schweizerisches wird noch aus eigenen Kräften bestrahlt. Allerdings nicht immer mit glücklicher Hand, wie die Entschuldigungsorgie wegen eines verunglückten Politikerporträts beweist.

Rund zwei Stutz pro Tag kostet die Zudröhnung mit allem, was Tamedia zu bieten hat. Ist nicht alle Welt, läppert sich aber doch.

Daraus entsteht dann ein putziges Problem, wie der Deutsche sagen würde. Weil Tamedia seine Leser zunehmend quält  und nicht allzu viele bekennende Masochisten sind – nimmt die Zahl der Zahlungswilligen kontinuierlich ab. Dadurch nimmt die Qualität des Gebotenen kontinuierlich ab.

Wobei dann eins zum anderen führt. Es gäbe nun zwei Auswege, eigentlich drei.

  1. Das Produkt mangels kostendeckender Nachfrage einstellen
  2. Das Produkt attraktiver machen, um die Nachfrage zu steigern
  3. Staatshilfe erbetteln

Variante eins wäre der Weg der Textil- und Schwerindustrie in der Schweiz. Konnte man sich in der Ostschweiz, in Winterthur und Zürich nicht vorstellen. Inzwischen erinnert sich kaum noch einer dran, dass in Maschinenhallen mal etwas anderes existierte als schicke Kultur- und Gastronomieangebote.

Variante zwei wäre das, was die wenigen Überlebenden der damaligen Zeitenwende taten. Das bedeutete aber, den Finger aus gewissen Körperöffnungen zu nehmen, Guzzi zu geben und innovativ zu werden.

Variante drei wurde damals auch versucht, allerdings glücklicherweise erfolglos.

 

Osterweiterung der NATO

Ein militärischer Konflikt um die Ukraine ist denkbar. Wer kennt die Hintergründe?

Wir sind bis ins letzte Detail über die Spesenabrechnungen von Pierin Vincenz informiert. Wir sind einigermassen über die Schwierigkeiten der Credit Suisse informiert.

Die Debatte um die Aufhebung der Corona-Massnahmen; wann, welche, zu früh, zu spät, falsch, richtig, hängt uns allen zum Hals raus.

In 24 Stunden könnte man mit dem Auto die Strecke Bern – Kiew zurücklegen (2221 km). Die Ukraine ist flächenmässig der grösste Staat Europas. Auch nachdem das Territorium de facto um rund 27’000 km² abgenommen hat, seit sich Russland wieder die Krim einverleibte. Die 1954 von der Russischen Sowjetrepublik an den Bruderstaat übergeben worden war, die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik.

1991 erklärte sich die Ukraine während des Zerfalls der UdSSR für unabhängig. Erst 1996 wurde die Ukraine nach verschiedenen Sicherheitsabkommen atomwaffenfrei. Historisch Bewanderte erinnern sich noch an Orange Revolution, an Juschtschenko, Janukowytsch und Tymoschenko. Helden und Schurken, alle verglüht.

Seit einigen Wochen scheint Russland grössere Truppenverbände an der ukrainischen Grenze zu stationieren. Das wird von der Ukraine selbst, der NATO, den USA und diversen europäischen Staaten als bedrohlich empfunden. Die Ukraine ist aufgrund ihrer Grösse und Lage seit dem Zerfall der UdSSR ein Zankapfel zwischen der Russischen Föderation und dem Westen.

In welche Richtung sich orientieren, nach der Auflösung des Warschauer Pakts: Beitritt zur NATO oder nicht? In den turbulenten Zeiten der deutschen Wiedervereinigung, gefolgt vom Zusammenbruch der Sowjetunion, gab es lebhafte Diskussionen, ob eine Osterweiterung der NATO russische Sicherheitsinteressen tangieren könnte.

Gab es Zusicherungen gegen eine Osterweiterung der NATO?

Wurde damals dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow zugesichert, dass es keine Osterweiterung über das wiedervereinigte Deutschland hinaus geben würde? Oder bezogen sich solche Aussagen nur auf das Territorium der DDR, während der Warschauer Pakt noch existierte (er löste sich 1991 auf)?

Das westliche Militärbündnis NATO umfasst aktuell 30 Staaten. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei. 2004 folgten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien, 2009 Albanien und Kroatien. Schliesslich kamen noch Montenegro und Nordmazedonien dazu.

Ausser den Staaten von Ex-Jugoslawien alles früher Mitglieder des östlichen Verteidigungspakts. Nun ist es nicht wirklich so, dass Russland oder die UdSSR einige Male Europa überfallen hätte. Umgekehrt war das schon so, herausragend Napoleon und Hitler.

Der russische Präsident spricht nun von einer Bedrohungslage und will westliche Zusicherungen, dass die Ukraine nicht in die NATO eintritt. Das ist eine Einmischung in innere Angelegenheiten des Staates, aber Grossmächte machen solche Sachen. Angesichts der Geschichte der letzten 200 Jahren ist sein Sicherheitsbedürfnis nicht ganz unverständlich.

Das ein kurzer historischer Abriss. Nun ist ZACKBUM kein Kompetenzzentrum für das Thema Ukraine. Aber: die uns zugänglichen Medien in der Schweiz, Deutschland und Österreich sind nicht in der Lage, die Komplexität dieses Konflikts den Lesern verständlich darzulegen.

Lieber Klischees als Analyse

Es wird lieber mit den üblichen Klischees des bösartigen, machtgierigen Diktators Putin gespielt. Er ist sicherlich kein lupenreiner Demokrat, wie ihn der deutsche Ex-Bundeskanzler Schröder mal bezeichnete. Aber es wäre doch die Aufgabe der ach so wichtigen Vierten Gewalt, hier Erklärung, Analyse, Einordnung zu liefern. Eine Auslegeordnung, aufgrund derer sich der Leser eine eigene Meinung bilden kann.

Sich zum Beispiel die Frage stellen dürfte, wieso es okay ist, wenn der US-Präsident Biden die Entsendung weiterer Truppen nach Polen und anderswo ankündigt. Russland aber aufgefordert wird, Truppen innerhalb des eigenen Territoriums zu verschieben. Der Leser könnte sich auch die Frage stellen, ob die harsche Kritik an der deutschen Weigerung berechtigt ist, der Ukraine Waffen zu liefern.

Holzschnittartige Schablonen haben den Vorteil, vermeintlich einfache Orientierungshilfe, Welterklärungsmodelle zu liefern. Nur haben die den kleinen Nachteil, eher wenig mit der realen Welt zu tun zu haben.

Zu erklären, dass Donald Trump ein gefährlicher Irrer als Präsident war, das war entschieden einfacher als zu erklären, wieso er denn dann gewählt wurde. Zu erklären, dass Putin ein gefährlicher Irrer ist, das ist entschieden einfacher als zu erklären, was denn seine Motive sind.

Wäre Aufgabe von Qualitätsmedien, die ihren Namen und Steuergelder verdienen.

 

 

 

Lachhaft

Absurdem kann man mit Humor begegnen. Oder mit Stärke.

Ist es weltbewegend, ob ein Tennisspieler in Australien Tennis spielen darf? Ist das Anlass für Hunderte, ja Tausende von Artikeln, Berichten?

Ist es lustig, dass Djokovic inzwischen mehr abgelehnte Visa hat als Grand-Slam-Titel? Bringt’s was zu scherzen, dass er, wenn er wie Jesus sei, doch übers Wasser von Australien weglaufen kann? Dass er wie Jesus am Kreuz gescheitert ist, in seinem Fall am falschen Kreuz bei den Visumfragen?

Ist das wichtiger als Corona, Ukraine, als Biden, Putin oder die chinesische Diktatur? Ist das wichtiger als die Uiguren, Kasachstan, Myanmar, Äthiopien, das anhaltende Schlamassel in den arabischen Ländern? War da mal was mit einer Pandemie?

Oder ist es Anlass, sich an ein brutales Zitat von Johann Nepomuk Nestroy zu erinnern? Wenn man sich die japsende, hyperventilierende, jedes Mass verlierende Medienmeute anschaut?

Wer war denn das?

Schliesslich hat Karl Kraus den österreichischen Autor und Stückeschreiber aufs höchste verehrt, dessen bittersüss-böse Weltsicht später nur von Ödön von Horváth übertroffen wurde. Okay, wer war Kraus, wer war Nestroy, wer war Horváth.

Und wer waren denn die?

Aber auch diese Banausen verstehen zumindest das Zitat: