Kriegsspiele aus dem Sandkasten

Abklingende Pandemie, Platz für Kriegsgeschrei.

Tamedia macht sich schon Sorgen um die Versorgung der Bevölkerung mit Notvorrat. Der «Blick» befürchtet eine neuerliche WC-Papier-Krise. Stefan Schmid, der eigentlich überflüssige Chefredaktor des St. Galler «Tagblatt», macht sich strategische Gedanken um den möglichen Einsatz der Schweizer Luftwaffe.

Das hört sich dann so an, wenn ein Spielzeug-General in die Tasten greift:

«Dass die Schweiz als eines der reichsten Länder Europas mithilft, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren, ist richtig. Angesichts der angespannten geopolitischen Lage in Osteuropa sind solche Überlegungen wichtiger denn je

Man spürt, wie aus jeder Zeile ernste, angestrengte Bedeutsamkeit tropft. Endlich hat die Journaille ein Thema gefasst, das Platz gibt für die volle Orgel, das ganze Klavier, sogar für Pauken und Trompeten.

Denn es geht doch um alles. Um Krieg und Frieden. Leben und Tod. Verantwortung und Mut. Endlich kann man sich wieder in Schwarzweissdenken suhlen, das Schachbrettmuster einfacher Gedanken und Begrifflichkeiten über die Welt werfen.

Eigentlich ist die Lage doch ganz einfach

Ist doch einfach. Da steht wieder mal der böse Russe, wie weiland im Kalten Krieg. Der ist zwar nicht mehr rot, aber immer noch ein Bär. Zuoberst ist kein Kommunist mehr, aber fast, so ein ehemaliger KGB-Agent, das reicht doch auch als Feindbild.

Dann haben wir das unschuldige Opfer. Die Ukraine, ein Land voll lupenreiner Demokraten, fleissig, westlich orientiert, mutig, unserer Sympathie und Unterstützung würdig. Da gab es doch auch mal so eine Heldin mit blondem, geflochtenem Haarkranz, und einen Helden mit leicht entstelltem Gesicht, weil der einen Giftanschlag überlebte. Wie hiessen die nur?

Der Präsident des Landes, wie heisst der schon wieder, war anscheinend ein Komiker. Vielleicht ist er’s noch. Dann ist da noch irgendwas mit Erdgas, und wo liegt die Ukraine schon wieder genau? An welche Länder grenzt sie? Was ist ihre Geschichte?

Ach, das würde ja alles zu weit führen. So kann man sich doch nicht richtig auf Krieg oder Frieden vorbereiten. Schliesslich müssen wir alle mithelfen, die Sicherheit auf dem Kontinent zu garantieren. Das sind wir Europa schuldig, reich, wie wir sind.

ZACKBUM bietet dazu Hand; wir geben eine Garantieerklärung für die Sicherheit auf dem Kontinent ab. Nimm das, du russischer Bär, und troll dich.

Nach der Intensivstation nun der War Room

Offensichtlich ist den meisten Medien ihre in der Pandemie entdeckte staatspolitische Bedeutsamkeit in den Kopf gestiegen. So wie sich eigentlich jeder Redaktor in einen Epidemiologen, Virologen und Seuchenspezialisten verwandelte, muss man sich das nun so vorstellen, dass die wenigen überlebenden Kindersoldaten im Newsroom sich in einem War Room fühlen, vor sich ein virtuelles Schlachtfeld mit den Blauen (unsere, die Guten) und den Roten (die anderen, die Bösen).

All die Virenkenner verwandeln sich nun in Spezialisten der Kriegskunst. Panzer, Artillerie, Luftwaffe, Seestreitkräfte nicht vergessen. Ach, Raketen natürlich, und am Schluss entscheidet immer die Infanterie.

Wie steht es eigentlich im näheren Umfeld der Schweiz? Im letzten grossen Krieg waren ja eigentlich alle gegen uns, wollten sich aber die Verkehrswege nicht kaputtmachen, und so ein neutraler Handelsplatz mitten in Europa war ja auch nicht schlecht.

Und heute? Wenn wir Kriegsstrategen nach Norden blicken, müssen wir erschrecken. Was ist aus dem deutschen Landser geworden? Überhaupt aus der Armee? Die Teutonen senden 350 Soldaten in den Osten und rund 6000 Helme. Das ist alles? Was macht Frankreich? Mit wem verbündet sich Italien? Das ist wichtig zu wissen, denn wer Italien an seiner Seite hat, verliert eigentlich immer. Österreich? Ach, die sind ja auch neutral, müssen uns wieder alles nachmachen.

So viele offene Fragen, so wenig Antworten

Sind wir eigentlich auch mental auf einen Krieg vorbereitet? Wird er uns wieder verschonen? Können wir uns mit den guten Diensten retten? Und bei allem Spass an neuen Fliegern, wie steht’s mit Cyberwar? Heutzutage muss Infrastruktur nicht mehr bombardiert werden, ein paar Computerviren erledigen das viel effizienter.

Wie steht es mit der Fünften Kolonne, dem Feind im Inneren? Gibt’s den überhaupt, und wenn ja, woran erkennt man ihn? Wem muss man zurufen: «Moskau einfach»?

Da gibt es noch so viel jungfräuliches Terrain zu beackern, so viele Fragen sind noch offen. Wir müssen den Journalisten aber noch etwas Zeit lassen, Betriebstemperatur zu erreichen. Ist schliesslich nicht so einfach, den Geschlechterkampf, die Durchsetzung des Gendersterns, den Kampf gegen Rassismus, Sklaverei, Mohrenköpfe und Männersprache mit echtem Kriegshandwerk zu ersetzen.

Sagen wir so: wenn Corona-Kreische Marc Brupbacher nicht mehr Viren zählt, sondern Panzer und Bodentruppen, dann wissen wir, dass der Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Ehrlich gesagt ist Kriegsgeschrei zwar genauso nervig wie die ewigen Warnungen vor dem Massensterben durch ein Virus. Aber es ist immerhin eine Abwechslung.

1 Antwort
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Sehr guter Artikel, der es auf den Punkt bringt.
    So einige Journi-Kindersoldaten sollten sich etwas umfassender mit dem 2. Weltkriegbeschäftigen.
    (So nebenbei auf Welt und NTV laufen jede Menge ausgezeichneter Dokus zum Thema. Man kann sich schlau machen, wenn man WILL.)
    Nicht von ungefähr sind die Russen, Geschichtsbedingt vorsichtig.Frankreich Napoleon, das Deutsche Kaiserreich, das 3 Reich haben in Russland Verwüstungen und Blutseen hinterlassen.
    Dazu hat das Deutsche Kaiserreich den Russen auch noch den Kommunismus untergejubelt. Die Nato-Kriege, der letzten 25 Jahre sind auch nicht Vertrauensfördernd.
    Etwas mehr Rationale Denkweise bei den Schreib-Kindersoldaten‚ wäre dringendst nötig.
    Die Russen haben nüchtern besehen nur zwei Interessen.
    Keine Truppenaufmärsche hart vor der eigenen Grenze = Geschichte.
    Zweitens das man die Russischstämmigen in Ruhe lässt und integriert wo sind die EU Grundsätze???
    Das faktische, abwandern der Ukraine nach Westen in die EU, ist ein wirtschaftlicher Segen für Russland. Haha die Ukraine ist unbestreitbar wirtschaftlich ein Schrotthaufen der liegt jetzt der EU und den USA auf der Tasche.
    Mit dem Blut der eigenen Söhne einen Schrotthaufen erobern???
    Grad sooooooo blöd sind die Russen bestimmt nicht, auch ein Putin nicht.
    Das würde, das auch wirtschaftlich wiedergeborene Russland, nach dem Totaldesaster des Realsozialismus‚ erheblich wirtschaftlich belasten. ( Kapitaltransfer)

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