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Nicht vergessen …

Was interessiert mich mein dummes Gequatsche von gestern.

Es gibt verschiedene Autoren dieses schönen Satzes, man kann unter anderen zwischen Konrad Adenauer oder Lenin wählen.

Diesem Prinzip haben sich auch viele meinungsstarke Kommentatoren in den Mainstream-Medien verschrieben. ZACKBUM erinnert daran, was von diesen Kriegsgurgeln schon alles gefordert wurde:

• Flugverbotzone über der Ukraine, durchgesetzt von der NATO

• Eingreifen von NATO-Truppen an der Grenze zu oder gar in der Ukraine

• Gratis-Lieferung von Waffen aller Art, inklusive Offensivwaffen wie Raketen

• Kampf bis zur militärischen Niederlage Russlands

• Schwächung Russlands, dass es zukünftig nicht einmal zu lokalen Kriegen in der Lage sein sollte

• kein Einknicken vor der Drohung, dass Russland Atomwaffen einsetzen könnte

• schärfste Sanktionen ohne Rücksicht auf Schäden an den Volkswirtschaften Europas

• Ächtung und Boykott von allem, was mit Russland zu tun hat. Musik, Literatur, Malerei, Künstler. Längst verstorbene Künstler oder zeitgenössische

• Betonung der verschiedenartigen, barbarischen, inhumanen Mentalität der Russen

• Vollständiger Rückzug und Rückgabe der Krim als Voraussetzung für Verhandlungen

• Bedingungslose Unterstützung des ukrainischen Präsidenten und seiner Oligarchen

• Enteignung reicher Russen auf Verdacht, Verwendung ihrer Vermögen als Wiedergutmachung für die Ukraine

• Schädigung der russischen Volkswirtschaft, Schwächung der Währung und Beschlagnahme von Guthaben der russischen Notenbank im Westen

• Erstellen von Sanktionslisten inklusive Einreiseverbote, ein russischer Nachnahme und die Erwähnung in einer Reichen-Liste genügt

• Strafen für russische Kriegsverbrecher, Präsident Putin sollte vor ein internationales Gericht gestellt werden

• Ächtung aller Medien und Meldungen, die nicht dem Narrativ des Mainstreams entsprechen

• Zensur von prorussischen Medienplattformen

• Putin muss als Verursacher einer weltweit drohenden Hungersnot gebrandmarkt werden

• Verunglimpfung aller abweichenden Meinungen; 300’000 Unterzeichner eines offenen Briefs an den deutschen Bundeskanzler sind Putin-Versteher und Weicheier

• Durchsetzung der Ansicht, dass es sich nicht um einen lokal begrenzten Krieg handle, sondern um einen Kampf zwischen Gut und Böse, Freiheit und Diktatur, moralische Werte und Unmenschentum.

Die Liste ist keineswegs vollständig. Während sich viele Kommentatoren (wir werden dann mal Namen nennen) in der Schweiz und auch in Deutschland mit Forderungen überbieten, möglichst massiv und lange den Krieg fortzuführen, nur einen Sieg der Ukraine als mögliches Ende akzeptieren wollen, werden Stimmen, die eine Verhandlungslösung als einzig sinnvolle Alternative zum Leiden der Zivilbevölkerung und der Zerstörung der Infrastruktur der Ukraine sehen, abgekanzelt.

Und nun das:

«Frieden ist möglich. Die Frage ist nur: Welchen Preis sind (die Ukrainer) bereit, für den Frieden zu zahlen? Wie viel Territorium, wie viel Unabhängigkeit, wie viel Souveränität sind sie bereit, für den Frieden zu opfern?»

Welcher verpeilte Putin-Versteher, welcher Defätist, welcher Kompromissler, welches Weichei säuselt denn so etwas? Wer ist da auf die russische Propaganda hereingefallen, hat gar eine Gehirnwäsche hinter sich?

Es ist besorgniserregend, denn der Autor dieses Zitats ist – Jens Stoltenberg. Das ist immerhin der NATO-Generalsekretär und damit der oberste politische Verantwortliche für das westliche Militärbündnis.

Seine Befugnisse und Aufgaben sind zentral:

«Der Generalsekretär ist der höchste internationale Beamte der Allianz. Er ist verantwortlich für die Steuerung der Beratungen und die Entscheidungsfindung in der Allianz und stellt sicher, dass getroffene Entscheidungen auch umgesetzt werden. Der Generalsekretär vertritt die NATO auch in der Öffentlichkeit und leitet den Internationalen Stab der Organisation, der den nationalen Vertretungen im NATO-Hauptquartier Beratung, Orientierung und administrative Unterstützung bietet.»

Wenn also dieser Generalsekretär völlig richtig zur Einsicht kommt, dass selbstverständlich nur durch Verhandlungen das Elend und Leiden in der Ukraine beendet werden kann, wie steht es dann um die Forderungen aller Kriegsgurgeln, inklusive des Präsidenten der Ukraine, dass nur ein vollständiger Rückzug der russischen Truppen die Voraussetzung für Verhandlungen schaffe?

Dass niemals auch nur ein Quadratmeter der Ukraine weiterhin von Russland okkupiert bleiben dürfe? Dass es keinerlei Konzessionen auf diesem Gebiet gebe? Dass die Ukraine siegen müsse?

Wieso wird in den Massenmedien die Illusion befeuert, dass eine Kriegspartei ihre Maximalforderungen durchsetzen werde, die andere den schmählichen Rückzug anzutreten habe, und dass nur dieses Ergebnis ein Ende des Gemetzels bewirke?

Nicht einmal mehr Präsident Putin selbst behauptet noch seine ursprünglichen Kriegsziele. Absetzung der angeblich faschistischen ukrainischen Regierung, Eroberung der Hauptstadt in einem Enthauptungsschlag, anschliessend Säuberung der ganzen Ukraine von faschistischen Elementen. Obwohl er häufig als von der Realität abgekoppelter Wahnsinniger beschrieben wird, ist es ihm offensichtlich klar, dass allerhöchstens die Krim, die Neutralität der Ukraine für einige Zeit und die vorläufige Besetzung des Donbass ein realistisches Verhandlungsziel sein kann.

Dagegen sind die meisten westlichen Kommentatoren von der Realität ziemlich abgekoppelt.

Mediale Vorsorge

Wenn die Ukraine mal vorbei ist …

Der umsichtige Medienlenker denkt an die Zukunft. Und weiss, dass es im heutigen Elendsjournalismus eigentlich immer nur ein einziges Überthema geben kann.

Das war lange Zeit natürlich die Pandemie. Als sich zunehmend Ermüdungserscheinungen bemerkbar machten, tat Kreml-Herrscher Putin den Medien den Gefallen, tatsächlich in die Ukraine einmarschieren zu lassen.

Fliegender Wechsel, nur noch einsame Corona-Kreischen wie Marc Brupbacher versuchten zunehmend verkniffen und verzweifelt, das komatöse Thema Corona wachzuknutschen. Viele Experten, Spezialisten, Wissenschaftler, Virologen, Epidemiologen wunderten sich, wieso sie weder mit Warnungen noch mit Entwarnungen gross in die Medien kamen.

Der Konsum von Beruhigungsmitteln und Antidepressiva soll in diesen Kreisen in den letzten Monaten deutlich angestiegen sein, aber wir warten noch auf genaue Zahlen.

Jetzt aber das. Der «Blick», das Blatt des Monothemas, zieht neben aller Berichterstattung über die Ukraine das Corona-Thema wieder an.

«Die Schweiz geht in die nächste Welle»,

lautet die unheilschwangere Zeile. Vorteil beim Thema ist natürlich, dass man vieles aus dem Stehsatz nehmen, kurz abstauben und rezyklieren kann: «Corona-Experten wegen steigender Zahlen alarmiert.» Schon wieder, die Armen. Aber während einige der bewährten Fachkräfte einen Fehlstart hinlegen und gar nicht wirklich alarmiert sind, nützt die einschlägig bekannte Isabella Eckerle die Gunst der Stunde und schiebt sich gnadenlos in die Pole Position.

Offenbar sind Frauen schneller als Männer, denn auch dieser verblassende Star der Corona-Hysterie meldet sich wieder zu Wort: «Auch Tanja Stadler (41), ehemalige Taskforce-Leiterin und Leiterin der ETH-Plattform CoV-Spektrum, macht auf die Verdoppelung der Zahlen …»

Man muss allerdings auch dem «Blick» einmal ein Kränzchen winden. Das ist vorausschauendes Thema Setting, damit wird das Blatt garantiert resilient, wenn in der Ukraine gerade mal nicht wirklich was los ist. Zudem pflegt es hier den klassischen Boulevard-Aufbau.

Experten sind (wie eigentlich immer) alarmiert, die nächste Welle kommt, das sagt nicht nur eine Expertin, sondern gleich zwei, dann muss es ja stimmen. Damit wäre sozusagen die Keimzelle gelegt, nun muss das Ganze nur noch abheben und viral gehen.

Wir sind gespannt, ob «Blick» auch diesen Teil des Boulevard-Journalismus beherrscht. Natürlich hofft das Ringier-Blatt dabei auf Unterstützung der anderen grossen Medienkonzerne. Denn man kann sich doch sicher sein, dass inzwischen bei diversen Themensitzungen der Chefredaktor mit gerunzelter Stirne in die Runde blickte und sagte:

Und was haben wir zum Thema? Das können wir doch nicht dem «Blick» überlassen. Nehmt den Finger raus, ich will Experteninterviews, wissenschaftliche Studien, Tabellen, Grafiken, was sagt die Politik, wie sieht’s auf den Intensivstationen aus, müssen wir wieder Maske tragen, braucht es den dritten, vierten und fünften Booster?

NZZ: geht doch

Journalismus mit Hand und Fuss und Hintergrund? Bitte sehr.

Es ist einfach so. CH Media und Ringier haben sich weitgehend von der hintergründigen Berichterstattung verabschiedet. Tamedia lebt höchstens davon, an der Ausschlachtung gestohlener Geschäftsunterlagen beteiligt zu sein. Das sogenannte «Recherchedesk» recherchiert eigentlich nicht, sondern durchpflügt Datenmeere und wertet Zugehaltenes aus.

Auch wenn sich ZACKBUM wiederholen muss, der einzige Lichtblick in diesem Tal der Düsternis ist die NZZ. Das stellt sie mit diesem Gewaltsartikel wieder einmal unter Beweis: «Der Krieg und der Hunger: Warum die Welt vor einer Nahrungsmittelkrise steht.»

Nun kann Herr Beckmesser einwerfen, dass das Thema nun nicht gerade originell und erst von der NZZ entdeckt worden sei. Das ist richtig, Aber was hier sechs Autoren sachlich, kompetent und rundum ausgreifend zusammengetragen haben, erreicht immerhin das Niveau der angelsächsischen Medien. Was sonst keinem Schweizer Blatt und nur ganz, ganz selten einem deutschen gelingt.

Wenn ein Online-Stück der NZZ mit einer opulenten Startillustration beginnt, kann man darauf gehen, dass nun nicht nur informative 17’000 Buchstaben folgen, sondern auch illustrative Infografiken:

Sicherlich, auch diese Zahlen werden hier nicht zum ersten Mal enthüllt. Aber die Grafiken sind auch nicht einfach per copy/paste übernommen, sondern stellen eine Mischung aus Quellen und eigenen Recherchen dar.

Situation in der Ukraine, Exportmöglichkeiten, die Bedeutung von Russland und der Ukraine bei landwirtschaftlichen Produkten, aber auch als Kali-Produzenten und Exporteure von Rohstoffen für Düngemittel: es ist ein Rundum-Panorama zum Thema, das die NZZ hier abliefert.

Solche Stücke sind die Basis für jede Meinungsbildung zum Thema. Aber in den übrigen Medien werden lieber Luftkämpfe ausgetragen, ob Putin das ukrainische Getreide als Erpressungsmittel missbraucht, ob er höchstpersönlich für eine Hungersnot von «biblischem Ausmass» (SoBli) verantwortlich ist. Auch bei solchen Fragen hilft dieser Artikel zur Einordnung.

Auslegeordnung, ein schönes Schweizer Wort, das hier von der NZZ mit neuem Leben erfüllt wird.

Wären die Redaktoren bei CH Media und Tamedia inzwischen nicht völlig schmerzfrei, müssten sie einen Moment lang innehalten und sich was schämen.

Wenn zwei das Gleiche tun …

Horizonterweiterung tut Not.

Wir nähern uns mal wieder der Phase, in der auch über die Ukraine alles gesagt ist. Sogar von allen. Sogar in Wiederholungsschleifen. Laut, leise, rechthaberisch, kriegslüstern, bedächtig, dümmlich, alles ist zu haben, alles geschrieben, gesagt, gekräht, gekeift.

Für die Happy Few, die dafür zu haben sind, könnte doch eine kleine Horizonterweiterung guttun. Nämlich ein gutes Buch. Dem ZACKBUM die These voranstellt: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht dasselbe. Denn die beiden bedeutendsten Imperien der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unterscheiden sich in ihrem imperialistischen Verhalten eigentlich überhaupt nicht.

Die UdSSR war auch Sieger des Zweiten Weltkriegs, dehnte dann ihr Imperium über Osteuropa aus und engagierte sich weltweit in Stellvertreterkriegen. Sie schreckte auch vor militärischen Interventionen nicht zurück, um ihr genehme Regimes zu installieren und störende zu beseitigen. Selbstverständlich neben dem ganzen Instrumentarium der verdeckten Kriegsführung.

Genauso wie die USA auch. Nur unterscheiden sich die beiden Imperien in einem zentralen Punkt. Die Sowjetunion war nicht in der Lage, selbst ihre Eroberungen durch den Zweiten Weltkrieg zu behalten. Der sogenannte Ostblock bröckelte zusammen, und am Schluss löste sich sogar noch die UdSSR selbst in ihre Bestandteile auf.

In ihren besten Zeiten bestand die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken aus 15 Mitgliedern. Flächenmässig mit Abstand der grösste und bestimmende Staat war Russland (mit knapp 80 Prozent der Gesamtfläche). Natürlich wurden in Moskau alle wichtigen (und auch unwichtigen Entscheidungen) gefällt. Aber während es einige Jahrzehnte so aussah, als sei der Ostblock sowohl militärisch wie auch wirtschaftlich in der Lage, mit den USA und ihren Verbündeten mitzuhalten, wurde es spätestens Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts immer deutlicher, dass die sozialistischen Staaten auf beiden Gebieten nicht mehr mithalten konnten. Schlimmer noch: sie waren nicht reformfähig, wie der letzte sowjetische Führer Gorbatschow erkennen musste.

Das treibt den aktuellen Präsidenten Russlands um, der wenigstens die ehemaligen Sowjetrepubliken wieder heim ins russische Reich holen möchte. Allerdings stellt er sich dabei selten ungeschickt an, taumelt von einer Fehlentscheidung zur nächsten, macht sich militärisch lächerlich und hat bereits heute einen wirtschaftlichen Schaden in Russland angerichtet, der das Land um Jahrzehnte zurückwerfen wird.

Ganz anders sieht es in der imperialistischen Geschichte der USA aus. Das Thema ist natürlich ausführlich abgehandelt worden. Aber für Kenner und Laien empfiehlt sich ein Buch, das punktgenau und unaufgeregt, faktensicher, gut lesbar und interessant an ausgewählten Beispielen die etwas mehr als 100 Jahre Geschichte des US-Imperialismus erzählt.

 

Es stammt vom langjährigen Auslandkorrespondenten der «New York Times». In seiner langen Karriere war Stephen Kinzer in über 50 Ländern auf 5 Kontinenten stationiert und hat sich neben dem Tagewerk auch einen Namen als Autor gemacht.

Von ihm stammt «Putsch! Zur Geschichte des amerikanischen Imperialismus». 560 lesenswerte Seiten über die drei verschiedenen Phasen des US-Imperialismus, von Hawaii über Kuba, Vietnam, Afghanistan, Irak. Kinzer geht es dabei nicht um Vollständigkeit, sondern um analytische Einsichten anhand  ausgewählter und präzise beschriebener Beispiele.

Annexion, Beseitigung die US-Interessen störender Regierungen, Kolonisation, militärisches Eingreifen, subversive Massnahmen, wirtschaftliche, militärische, imperiale Interessen, der Bogen ist lang vom Umsturz in Hawaii über die faktische Machtergreifung in Kuba bis zum Irak.

Der interessante Unterschied zur UdSSR selig: meistens waren die US-Interventionen von Erfolg gekrönt. Hawaii ist ein Bundesstaat der USA geworden, Puerto Rico den USA unterstellt, Chiles marxistischer Präsident wurde blutig gestürzt, in Zentralamerika wurden immer wieder liberale Präsidenten durch Bluthunde im Dienst der USA (oder von US-Firmen) ersetzt.

Niemals wäre bis heute ein US-Bundesstaat ernsthaft auf die Idee gekommen, sich von den vereinten Staaten zu verabschieden. In diesem Sinne ist das Buch auch sehr lesenswert als Kontrast zum immer wieder und überall gescheiterten russischen Imperialismus.

Das Buch ist 2007 in «Die andere Bibliothek» erschienen, eine Gründung von Hans Magnus Enzensberger. Dank dem Eichborn-Verlag ist es weiterhin erhältlich. Allerdings beträgt die Erstauflage ganze 7000 Exemplare und ist bis heute noch nicht ausverkauft. ZACKBUM verfügt über das Exemplar Nummer 4492. Vielleicht findet sich noch der eine oder andere Leser …

Und wer mehr Kinzer möchte, sein aktuellstes Werk ist ebenfalls empfehlenswert:

300’000

Immerhin ein Lichtblick in dunklen Zeiten.

Alice Schwarzer hat zusammen mit anderen Intellektuellen einen offenen Brief an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz initiiert. Darin wird der gebeten, mit seiner bedächtigen und ruhigen Politik bezüglich der Ukraine fortzufahren. Er wird in seinem Ansinnen unterstützt, dass er es als seine wichtigste Aufgabe ansieht, alles dafür zu tun, um einen Dritten (und wohl letzten) Weltkrieg zu verhindern.

Dieser Brief wurde kräftig angefeindet – und auch von ZACKBUM unterzeichnet.

Rund einen Monat später haben fast 300’000 Deutsche das Schreiben unterzeichnet. Eine Zustimmung, wie sie nur selten einem solchen Appell widerfuhr. Anlass für Schwarzer, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.

Sowohl ihre besonnene Art wie auch die kühle Stringenz der Ausführungen liefern etwas Gegengift im völlig vergifteten Diskurs über den Ukrainekrieg. Aber herausragend ist nicht ein Satz von ihr, sondern ein Zitat.

«Es wäre furchtbar, wenn Putin diesen Krieg gewinnt. Noch furchtbarer wäre nur, wenn Putin den Krieg verliert.»

Welcher Putinversteher, welches Weichei, welcher Anhänger des Appeasement, welcher Feind des heroischen Kampfes der Ukraine hat denn das gesagt? Kein Geringerer als – Jens Stoltenberg. Seines Zeichens Generalsekretär der NATO.

Dort gibt es offenbar tatsächlich Menschen, die ihren Kopf nicht als Helmständer, sondern zum Denken benutzen.

Hi- Hi Hilfe

Die Ukraine kriegt Geld. Viel Geld. Sehr viel Geld. Von wem?

Natürlich nicht nur in Cash. Aber wenn man die zugesagte finanzielle, humanitäre und militärische Unterstützung in Milliarden US-Dollar als Massstab nimmt, sieht es so aus:

  1. USA, fast 44 Milliarden
  2. Grossbritannien, fast 5 Milliarden
  3. EU, 4,3 Milliarden
  4. Polen 2,7 Milliarden

Danach folgen Deutschland (2,45), Frankreich (2,2) und Kanada (2,1). Anschliessend gibt es Kleckerbeträge von 500 Millionen abwärts. Japan beispielsweise mit 300 Millionen, Australien mit 200 Millionen noch hinter Estland oder Lettland und schliesslich die Schweiz mit 60 Millionen.

Daraus folgt, dass die grossen Sugar Daddys der Ukraine eindeutig die USA und GB sind, gefolgt von der EU und Polen. Anschliessend geht’s deutlich bergab, und schon die asiatischen Verbündeten wie Japan oder Australien sind nur noch mit bescheidenen Beträgen dabei.

Also auch hier viel Maulheldentum, wobei vor allem Deutschland zu Unrecht geprügelt wird, dass es sich viel zu wenig engagiere. Dem unbedarften Leser wird ein völlig falsches Bild von den wahren Grosszahlern vermittelt. Und vorgegaukelt, dass die Unterstützer der Sanktionen, also die USA; die EU, Japan, Australien und Neuseeland, gleichzeitig auch Unsummen für die Ukraine einsetzen.

Dabei werden nicht mal die Sanktionen vorbehaltlos unterstützt, und eine Gesamthilfe von 200 Millionen einer Wirtschaftsmacht wie Australien (oder 300 Millionen von Japan) kann man nur als Witz oder Feigenblatt bezeichnen.

Löchrige Sanktionen und halbherzige Unterstützung: das deutet darauf hin, dass es diesen Staaten darum geht, dass die Ukraine und Russland sich gegenseitig möglichst viel Schaden zufügen. Worauf dann westliche Firmen in der Ukraine abräumen können, was auf den Feldern wächst. Natürlich unterstützt wie seit vielen Jahren von der ukrainischen Oligarchenclique, den wahren Machthabern im Lande.

 

 

Glättli hatte Entzug

Fordern, der Königsweg in die Medien.

Balthasar Glättli spielt – neben Wermuth, Molina, aber auch Blocher, ganz vorne mit, wenn es um die Anzahl der Medienauftritte geht. Er verurteilt, fordert, kritisiert, schimpft, warnt, rät, dass es eine Unart hat.

Nach kürzerer Pause schaffte er es mal wieder in die Sonntagspresse. Die wichtigsten Fakten: sein Name ist richtig geschrieben, und es hat auch ein Foto von ihm im Text. Dass sein «Vorstoss» absurd, sinnlos und nicht verwirklichbar ist, was soll’s. Auch der angebliche «renommierte Schweizer Ökonom» Jan-Egbert Sturm, auch vom Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom befallen, hatte schon bei der Pandemie gefordert, dass man darüber nachdenken solle, die «Gewinne der Krisengewinner höher zu besteuern».

Warum selbst erfinden, wenn man kopieren kann?

Hörte man seither nix mehr davon, aber Nachhaltigkeit ist niemals die Idee hinter solchen Eintagsfliegen. Damit Glättlis geniale Idee nicht zu sehr nach copy/paste riecht, hat er sich für den Verwendungszweck der Sondersteuern was ganz Putziges einfallen lassen: Er möchte die Kohle für den Aufbau der Ukraine und für die Hilfe an unter hohen Nahrungsmittelpreisen leidende Länder verwenden.

Das ist wirklich grossartig und Neuland. In der Schweiz werden angebliche Kriegsprofiteure zusätzlich zur Kasse gebeten. Aber das Geld kommt nicht etwa der auch unter Preissteigerungen leidenden Schweizer Bevölkerung zugute. I wo, das hat eines der reichsten Länder der Welt doch nicht nötig.

Lieber eine Zweckbestimmung wie «für die Ukraine». Für den Aufbau dort. Das ist so wolkig wie Zuckerwatte, also eine Einladung zur Veruntreuung dieser Gelder durch die korrupte ukrainische Herrschaftsclique von Oligarchen. Und Hilfe an Drittwelt-Länder, das ist immer so, versickert zu grössten Teilen in die dortige Korruption und Unfähigkeit. Also alles in allem eine Superidee.

Zwar nicht originell, aber mit Zusatzscherzen versehen. Natürlich wird nix draus, und in einer Woche ist’s längst vergessen. Aber das kümmert Glättli überhaupt nicht. Name richtig geschrieben, Bild im Text, super.

 

Blick in die Zukunft

«Die Ukraine muss siegen.» Und wie wird’s wirklich?

Beim Blick in die Zukunft herrscht weitgehend Einfallslosigkeit. Geboren aus Schwarzweissdenken kann man sich Prognosen nur in Schwarzweiss vorstellen. Dadurch wird das Zerrbild der Gegenwart in die Zukunft extrapoliert.

Da aber ein militärischer Sieg der Ukraine doch allgemein als unwahrscheinlich gilt, wird halt gerudert. Der Heldenpräsident Selenskij wird unbedingt mit allen nötigen Waffen versorgt, um den russischen Invasoren möglichst schmerzlich Widerstand leisten zu können – und sie zu guter Letzt aus dem Land zu werfen.

Das führt zwar zu bedauerlichen Kollateralschäden in der ukrainischen Bevölkerung und Infrastruktur, zu unermesslichem Leid und Zerstörung, aber die Alternative wäre nur, wie das ein Historiker in unnachahmlicher Dummheit behauptet, dem Präsidenten zu raten, er solle aufgeben.

Und das wiederum würde den Appetit des wahnsinnigen Verbrechers im Kreml stimulieren, der sich anschliessend noch Transnistrien, vielleicht Moldau, warum nicht Polen unter den Nagel reissen will. Deshalb muss der zur lokalen Militärmacht abgerüstet werden, was dadurch gelingt, dass möglichst viel von seinem Kriegsgerät vernichtet wird.

Das zukünftige Ziel muss unbedingt sein, dass die territoriale Integrität der Ukraine erhalten bleibt und sich Russland völlig zurückzieht, auch von der Krim. Anschliessend wird die Ukraine in die EU und die NATO eintreten, womit weitere Überfälle durch Russland ausgeschlossen sind.

Weiter im rosaroten Bild

Als Zeichen der europäischen Solidarität werden nicht nur Waffenlieferungen getätigt und geschenkt, es werden auch bedingungslos ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Die Schweiz sollte angesichts besonderer Umstände nicht so zickig auf ihrer Neutralität bestehen. Immerhin hat sie sich allen Sanktionen angeschlossen und nimmt auch freiwillig wohl bis zu 200’000 Flüchtlinge mit dem Sonderstatus S auf.

Die werden von der Schweizer Bevölkerung begeistert empfangen, wie nie zuvor zu Hause aufgenommen und fast als Familienmitglieder akzeptiert. Schliesslich handelt es sich um Miteuropäer, hochqualifiziert und überwiegend weiblich, meistens von einer kleineren oder grösseren Kinderschar begleitet. Dem entsprechenden Ansturm muss natürlich das Schul- sowie das Sozialsystem der Schweiz gewachsen sein. Ein Unmensch, der da von Kosten und Sekundärfolgen in der reichen Schweiz spricht.

Sobald der Endsieg über Russland errungen ist, werden grössere Teile der Flüchtlinge wieder in die Ukraine zurückströmen, so wie das ja auch bei den Ungarn und den Tschechen der Fall war. Der Wiederaufbau des Landes wird zu grossen Stücken durch beschlagnahmte Vermögenswerte reicher Russen im Ausland finanziert, zudem muss sich natürlich Russland daran beteiligen.

Als Gegenleistung hat die Ukraine schon versprochen, dass sie dann die letzten Reste von Korruption, Oligarchenherrschaft, pseudodemokratischen Veranstaltungen, willkürlicher Machtausübung beseitigen wird. Selbst Präsident Selinksij wird mit gutem Beispiel vorangehen und seine Millionenbesitztümer im Ausland offenlegen, vielleicht sogar verkaufen, um das Geld dann zu spenden.

Das ist der märchenhafte Ausblick des Mainstreams. Die Wunschvorstellung aller kalten Krieger und Kriegsgurgeln, die dafür grosse Teile der aktuellen Wirklichkeit einfach ausblenden.

Zurück in die realistische Zukunft

Denn das alles wird natürlich nicht passieren. Ein realistisches Zukunftsbild sieht so aus: als ersten Schritt wird es einen Waffenstillstand geben. Umso schneller, desto besser für die Zivilbevölkerung der Ukraine. Danach werden Verhandlungen beginnen, ohne Vorbedingungen. Wie vom Altmeister der amoralischen Realpolitik Henry Kissinger – und nicht nur von ihm – bereits skizziert, werden diese Verhandlungen damit enden, dass die Krim und die beiden Donbass-Provinzen russisch bleiben, sowie ein Landzugang zur Krim. Die Ukraine wird zumindest auf absehbare Zeit nicht in die NATO eintreten und höchstens den normalen, zeitraubenden Weg in die EU einschlagen.

Da Russland mehrfach wortbrüchig geworden ist, was seine Versprechen betrifft, die Grenzen der Ukraine anzuerkennen und zu respektieren, wird die territoriale Integrität der Ukraine von der NATO garantiert werden. Diese Kröte muss Putin schlucken, der sich ohne Not in eine Position manövriert hat, in der er nur verlieren kann. Die Frage ist nur, wo die Schwelle zum für ihn erträglichen Verlieren liegt.

Die anfängliche Begeisterung über und die Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen wird – wie bei früheren Flüchtlingswellen mit Willkommenskultur und allem – schnell nachlassen. Beispiele von Missbrauch, von Ausnützen, von Betrug, von Unwilligkeit, sich zu integrieren und auch bescheidene Angebote zu akzeptieren, werden zunächst als fremdenfeindliche SVP-Propaganda denunziert, sickern aber zunehmend in die öffentliche Meinungsbildung ein. Wie meist hat hier «Inside Paradeplatz» ein feines Näschen für die Vorboten zukünftiger Entwicklungen.

Die Belastungen der Schweizer Solzialsysteme werden diskutiert, die Bevorteilung von Flüchtlingen gegenüber notleidenden Schweizern kritisiert. Absurde Forderungen wie die, dass in der Schweiz Sondersteuern für sogenannte Kriegsgewinner erhoben werden sollen, deren Ertrag dann der Ukraine zugute kommen muss, fachen die kritische Debatte zusätzlich an.

Eine Wende wird sich immer deutlicher abzeichnen

Viele Familien, die gutgläubig Plätze angeboten haben, werden sich immer lautstärker darüber beschweren, dass sie versprochene Unterstützung nicht erhalten und stattdessen im Stacheldraht von Behörden und Bürokratie verröcheln, bzw. selbst in gröbere finanzielle Probleme geraten.

Die Meinungsträger, die von jeglichem Nachgeben abraten und die ewigen schiefen Vergleiche mit dem Appeasement gegenüber Hitler ziehen, werden zunehmend verstummen. Insbesondere, da Russland, in die Ecke gedrängt, immer unverhohlener mit dem Einsatz von zumindest taktischen Atomwaffen droht. Und immer deutlicher macht, dass es die Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte mit westlichem Militärgerät als Annäherung an eine direkte Intervention der NATO in der Ukraine empfindet.

Immerhin sind die Dummschwätzer verstummt, die noch vor Kurzem die Errichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine, garantiert durch die NATO, oder gar ein direktes militärisches Eingriffen des Bündnisses forderten.

Es gibt die Zukunftsprognose, die auf der fantasievollen Weltsicht beruht: wenn Wünsche wahr werden. Es gibt die Zukunftsprognose, die sich nach einer heilen, gerechten, moralisch intakten Weltvorstellung ausrichtet. Es gibt die Zukunftsprognose, die in typisch eurozentristischer Selbstfixierung davon ausgeht, dass die ganze Welt nicht nur den Einmarsch verurteilt, sondern auch bei wirtschaftlichen oder politischen Sanktionen gegen Russland dabei sei. Dabei stehen hier den europäischen Staaten plus USA, Japan, Australien und Neuseeland die überwältigende Mehrheit von über 150 Nationen gegenüber, die sich in keiner Form an Sanktionen beteiligen. Darunter Schwergewichte wie China und Indien.

Medien machen immer wieder die gleichen Fehler

Auch das Denunzieren von realistischen Zukunftsprognosen als zu nachgiebig, feige, gar als Ausdruck der Übernahme russischer Positionen, als Einladung für den Kreml, weitere Eroberungszüge zu riskieren, ist unnütz. Damit werden zwar weiterhin die Mainstreammedien bespielt, aber die machen den gleichen Fehler wie in ihrer Berichterstattung über die Pandemie.

Eine zu einseitige, zu meinungsstarke, zu wenig faktenbasierte, ausgewogene und umfassende Berichterstattung stösst den Konsumenten ab. Muss er dafür noch bezahlen, fragt er sich zunehmend, welchen Gegenwert er in Form von Einheitsbrei, ewig gleichen Kommentaren, markigen Kriegsrufen und unablässigen Verurteilungen Russlands bekommt.

Wie bei der Pandemie übergehen die Mainstreammedien gefloppte Prognosen kleinlaut. Die russische Wirtschaft wird demnächst zusammenbrechen. Der Rubel wird ins Bodenlose fallen. Russland wird schwerste Verluste mit seinen Rohstoffexporten erleiden. Die russische Bevölkerung wird in zunehmendem Leidensdruck beginnen, massiv gegen ihre Regierung zu protestieren. Der Veretdigungsminister ist abgetaucht, vielleicht schon abgesetzt, oder im Straflager. Oder liquidiert. Putin ist nicht nur wahnsinnig, sondern auch krank. Geschwächt. Innerhalb des Kremls wird bereits über seine Nachfolge nachgedacht. Nur ein ausgeklügeltes Sicherheitsdispositiv hat bislang verhindert, dass ein erfolgreiches Attentat verübt wurde.

Früher gab es die journalistische Berufsgattung des Kremlastrologen. Das waren die Kenner und Spezialisten, die aus kleinsten Anzeichen (wer steht wo bei Paraden, hustet der Generalsekretär, wieso wurde das Politbüromitglied schon seit zwei Wochen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen) die ganz grossen Linien zogen. Nur war damals der Ruf der Medien noch viel weniger als heute ramponiert.

Neben Putin steht nun allerdings schon der zweite Verlierer eindeutig fest. Wieder einmal die sogenannten Qualitäts- und Bezahltitel, die für gutes Geld schlechte Ware liefern.

 

 

Talk ohne Show: geht doch

Ruhig, informiert, bereichernd? Im TV? Wunder gibt es immer wieder.

Deutsche TV-Stationen quellen über von Talkshows. ARD, ZDF, die Privaten, Talking Heads aller Orten. Verbale Luftkämpfe von einer Nachhaltigkeit, die ungefähr die Zeitspanne umfasst, in der die Zuschauer beschallt werden. Wer erinnert sich noch an die Ergebnisse der letzten Talkshow von Lanz, Maischberger & Co.?

In der Schweiz herrscht Wüste. «Talk kläglich», ohne den langjährigen Moderator Markus Gilli nur noch ein Schatten seiner selbst, genau wie der «SonnTalk». Gillis Ziel war nun auch nicht unbedingt der Erkenntnisgewinn, aber er war wohlinformiert, brannte für jedes Thema und verhinderte weitgehend, dass sich die Teilnehmer mit Worthülsen zuschütteten.

«Gredig direkt» ist der falsche Moderator im falschen Rahmen mit falschen Gästen. Ertrinkt schnarchlangweilig im watteweichen Wohlfühltalk eines sympathischen und netten Menschen, der alles kann – ausser seinen Gästen etwas Interessantes zu entlocken.

Schliesslich Altmeister Roger Schawinski mit seinem «Doppelpunkt» und seit einiger Zeit wieder seiner Talkshow auf Blue TV. Wer Wohlfühlgespräche will, darf sich nicht in die Höhle des alten Löwen begeben. Hier wird noch gebissen und es werden Tatzenschläge verteilt. Durch Altersmilde leicht abtemperiert, aber bei Schawi ist eines klar: ihn interessiert nicht in erster Linie die Meinung des Gesprächspartners, sondern seine eigene. Und meinungsstark ist er nach wie vor.

Vielleicht ist die wöchentliche verbale Rempelei mit Markus Somm, vormals mit Roger Köppel, signifikant für seinen Stil. Es geht eigentlich nur um Rechthaberei und darum, wer seine Position schlagfertiger, eloquenter und herrischer verteidigen kann. Wer’s mag, wird gut unterhalten. Wer’s nicht mag, wendet sich ab.

In all diesem Elend und in all diesen Diadochenkämpfen von wortmächtig hochgerüsteten Verbalartisten kommt man plötzlich durch einen freundlichen Hinweis auf eine Sendung, die all dem widerspricht.

Eine Moderatorin, die mit ruhiger Hand lenkt und im Wesentlichen mit Fragen die Gesprächsrunde am Laufen hält. Mit offen Fragen, die kaum Meinung, aber viel Neugier enthalten. Zwei Teilnehmer (was beiden genügend Zeit zum Ausreden gibt), die Wissen und Nachdenklichkeit mit Intelligenz verbinden. Die sich nicht in die Haare geraten, sondern ergänzen, gegenseitig die Nachdenklichkeit des anderen respektieren.

Ein Politiker und ein Historiker, der im Vergleich zu Schweizer Hobbyausgaben seinen Titel auch verdient. Natürlich findet die Veranstaltung auf einem Spartensender ausserhalb der Prime Time statt. Eben für die happy few, die einer Debatte lauschen wollen, bei der man nicht unterhalten, sondern intelligent angeregt wird.

Wir lösen das Geheimnis auf. Der Sender heisst Phönix, die Sendung «Unter den Linden». In der Ausgabe vom 30. Mai, die noch eine Woche per Replay nachgeschaut werden kann, debattieren Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Bundestagsfraktion «Die Linke» und der Historiker Prof. Martin Görtemaker unter Leitung von Michaela Koster. Thema: «Friedenstraum – wie enden Kriege

Differenziert, informiert, hintergründig, keine Show, sondern Talk. Wer’s nicht glaubt: einfach mal reinhören. Prognose: wer sich sagt, okay, ich schnupper mal, sollte sicherstellen, dass er genügend Zeitreserve mitbringt, um sich die ganzen 45 Minuten anzuhören. Denn es lohnt sich.

Blochen mit Blocher

Wann ist genug auch genug im Blocher TV?

Es gibt Fans, Hasser und Gleichgültige. Inzwischen ist die TV-Satire oder das Langzeitexperiment, je nach Blickwinkel, zu Folge 769 gereift. Jede Woche ein Treffen zwischen Alt-Bundesrat Christoph Blocher und dem Mikrofonständer Matthias Ackeret.

Vor wechselnden Kulissen, drinnen, draussen, mit Ankerbild oder ohne. Aber immer zwei Herren, meistens mit Krawatte. Einer spricht und gestikuliert, der andere schweigt und schaut interessiert. Sollte der Redefluss wider Erwarten mal versiegen, wirft er ein neues Thema in den Raum und schaut dann wieder ruhig zu, wie sich sein Gesprächspartner daran abarbeitet. Oder den Einwurf schlichtweg ignoriert und was anderes erzählt.

Christoph Blocher ist inzwischen 81 Jahre alt. Er kann immer noch populistisch, er kann immer noch einfach, er kann immer noch mit den Armen rudern. Aber sollte er auch? Hören wir mal in ein paar Worte der Folge 769 hinein. Die dauert 23.13 Minuten. Redeanteil Blocher: gefühlte 57 Minuten. Redeanteil Ackeret: drei Soundbites.

Einige Highlights:

  • «Jede Kriegspartei macht mit einer Mitteilung Propaganda für sich.»
  • «Was will der Russ› eigentlich
  • «Die Schweiz ist jetzt im Krieg mit Russland»
  • «Zwingli sagte schon: Das Grausamste im Krieg sind nicht die Soldaten. Aber die Brotsperre.»
  • «Für Russland gehört die Ukraine zu ihnen.»
  • «Man kann nicht ausklammern, was die USA und die NATO gemacht haben.»
  • «Ich hoffe, dass die Russen in der Ukraine bleiben und nicht nach Polen einmarschieren. Nach Polen stünden sie vor Deutschland, also dann an unserer Grenze.»

Nur einmal versucht Ackeret, sanft einzugreifen. Als Blocher sagte: «Putin führt keinen richtigen, barbarischen Krieg.» – «Es gab da schon ein paar Kriegsverbrechen», wagt Ackeret einzuwerfen. Das wird nicht wirklich gnädig goutiert:

Links redet’s, rechts hört’s zu.

«Das müsste noch genauer abgeklärt werden. Und wer klärt’s ab? Die Amerikaner für die Ukrainer. Das ist doch von vornherein unglaubwürdig.» Moderator abgeklatscht, weiter im Text: «Das wäre etwas für die Schweiz. Aber wie der ehemalige US-.Botschafter in der Schweiz beschreibt in der «Weltwoche», wie wir die Neutralität kaputt gemacht haben. Wusste gar nicht, dass das international solches Aufsehen erregt. Und wir Trottel geben das auf.»

Fehlt da noch was? Aber natürlich, natürlich fehlt’s nicht: «Es gibt eine starke Mehrheit unter den Politikern in Bern, die näher zur EU wollen.»

Soll man einen älteren Herrn, der wie kein Zweiter in der Schweiz politisch etwas bewegt hat, vor laufender Kamera monologisieren lassen? Oder sollte man ihn vor sich selbst schützen und das nach 769 Folgen einstellen?

Die Gedankengänge sind häufig nicht neu, manchmal gibt’s Wortfindungsstörungen, und von fokussiert auf den Punkt gebracht, davon kann man bei Blocher sowieso nie sprechen. Die Gedankengänge sind auch gelegentlich eher dunkel.

Nur die Blumen bleiben stumm.

Ist die Schweiz wirklich im Krieg mit Russland? In einem Hungerkrieg gar? Wird der Russ’ bis an die Schweizer Grenze durchmarschieren? Wenn der Russ’ nunmal die Ukraine als Bestandteil des russischen Reichs empfindet, sollte man da wirklich dreinschlagen?

So mäandert sich Blocher durch die Sendung. Ist das förderlich oder schädlich? Nebensächlich, unerheblich, überflüssig? Zumindest ist es so: da der Parteipräsident der SVP nahezu unsichtbar ist, die SVP-Bundesräte auch nicht unbedingt auf Parteilinie politisieren, sollte es schon eine Rolle spielen, was der Alte vom Herrliberg zu sagen hat.

Nur: was will er uns eigentlich sagen? Und gibt es wirklich viele so geduldige Zuschauer wie Ackeret?