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Wie die Ukraine siegt – in der NZZ

Manchmal ist copy/paste einfach gut.

Auf das Kriegsgestammel der Mainstream-Medien hat ZACKBUM schon (zu) viele Zeilen verwendet. Allerdings hat nun der Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Monat» in seinem Newsletter sich mal die NZZ zur Brust genommen, und das Resultat ist durchaus beeindruckend. Statt so zu tun, als hätte ZACKBUM das selbst recherchiert (was uns auch von den Mainstream-Medien unterscheidet), präsentieren wir einfach unseren Lesern seine Erkenntnisse, mit freundlichem Einverständnis von Ronnie Grob.

Für Interessenten am Original und an weiteren Werken:

Dieser Text erschien zuerst im Newsletter «Grob gesagt» des «Schweizer Monat». Man kann ihn hier abonnieren.
Ronnie Grob ist Chefredaktor des Autoren- und Debattenmagazins «Schweizer Monat».

Die Ukraine steht kurz vor dem Sieg

Wer westliche Medien über den Verlauf des Kriegs in der Ukraine konsumiert, wähnt sich seit rund einem Jahr kurz vor dem endgültigen Durchbruch der ukrainischen Streitkräfte.

In der gedruckten Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) trugen die Artikel in den letzten 12 Monaten etwa diese Titel:

«Der Krieg läuft schlecht für Russland» (1. März 2022)
«Drohnen sind ein Schwachpunkt der Russen» (16. März 2022)
«Kann der Kreml die vielen Verluste verkraften?» (22. März 2022)
«Russisches Landungsschiff versenkt: Schwerer Schlag für Putins Marine» (25. März 2022)
«Die russische Armee sitzt fest» (30. März 2022)
«Russland hat die Schlacht um Kiew verloren» (2. April 2022)
«Putins Elitesoldaten werden entzaubert» (8. April 2022)
«Kiew trotzt der russischen Bedrohung» (11. April 2022)
«Kein rascher Sieg für Putin in Sicht» (30. April 2022)
«Das grösste Land der Welt hat zu wenig Soldaten» (6. Mai 2022)
«Ukraine überrascht mit Gegenoffensive» (9. Mai 2022)
«Keine neuen Ideen an der Kremlmauer» (10. Mai 2022)
«Die Ukrainer wehren sich erfolgreich» (20. Mai 2022)
«Auch im Donbass kommt Putin kaum voran» (20. Mai 2022)
«Charkiw kann für die Russen zum Problem werden» (4. Juni 2022)
«Russland zieht sich von der Schlangeninsel zurück» (1. Juli 2022)
«Putin hat verloren» (27. August 2022)
«Russland versucht, Zeit zu gewinnen» (29. August 2022)
«Ukrainer rücken im Norden vor – Putins Truppen wirken überrumpelt» (8. September 2022)
«Russlands Besatzungsregime taumelt» (10. September 2022)
«Wladimir Putin blendet die Realität einfach aus» (12. September 2022)
«Russlands Militär auf dem Rückzug» (12. September 2022)
«Russland hinterlässt ein gigantisches Waffenarsenal» (13. September 2022)
«Russland bleibt selbst- und fremdgefährdend» (19. September 2022)
«Der Krieg kommt nach Russland» (19. September 2022)
«Putins Kehrtwende kommt zu spät» (22. September 2022)
«Keine Angst vor Russland» (23. September 2022)
«Russen auf der Flucht vor Putin» (29. September 2022)
«Putins letzte Karte» (1. Oktober 2022)
«Putins Landraub trügt» (1. Oktober 2022)
«Russland verschlechtert seine Zukunftsaussichten» (3. Oktober 2022)
«Wenn Moskau schwächelt» (6. Oktober 2022)
«Der Angriff auf die Krim-Brücke zeigt die Schwäche der russischen Armee» (10. Oktober 2022)
«Schlag gegen Putins Prestigebrücke»  (10. Oktober 2022)
«Russlands Frontstadt unter Beschuss» (20. Oktober 2022)
«Die russischen Angreifer erleiden hohe Verluste» (9. November 2022)
«Russland zieht sich aus Cherson zurück» (10. November 2022)
«Feldzug gegen die Vernunft» (19. November 2022)
«Putin steht am Abgrund» (21. November 2022)
«Nur ein grosser Schlag kann Putin noch retten» (6. Dezember 2022)
«Russlands trügerische Selbstdarstellung» (13. Dezember 2022)
«Putin agiert hilflos» (29. Dezember 2022)
«Russland erlebt eine der blutigsten Nächte» (3. Januar 2023)
«Ein Desaster für Moskaus Armee» (4. Januar 2023)
«Wie die Ukraine die russischen Luftangriffe abwehrt» (6. Januar 2023)
«Die Kampftruppe Wagner erleidet Rückschläge fern der Front» (20. Februar 2023)

«Was für eine willkürliche und überhaupt nicht vollständige Auswahl!», werden nun einige einwenden. Zurecht, denn es gab auch andere Titel. Nur viel, viel weniger:

«Russische Offensive kaum zu stoppen» (4. März 2022)
«Die letzten Verteidiger von Mariupol kapitulieren» (18. Mai 2022)
«Der russische Zangenangriff wird enger und enger» (28. Mai 2022)
«Die Russen kontrollieren jetzt die ganze Region Luhansk» (4. Juli 2022)
«Russlands Feuerwalze rollt weiter» (25. Juli 2022)
«Der Nato gehen die Granaten aus» (21. Dezember 2022)
«Schwere Kriegsphase für Kiew» (19. Januar 2023)
«Die Ukraine gerät in die Defensive» (6. Februar 2023)
«Die Ukraine braucht mehr Munition» (15. Februar 2023)

Die Entwicklung des Kriegsgeschehens, ebenfalls dokumentiert von der NZZ, zeigt, dass es sich bei vielen Titeln im besten Fall um einen Journalismus der Hoffnung handelt: Russland besetzt die ostukrainischen Gebiete inklusive Krim weiterhin erfolgreich und stabil. Dass es anders sein möge, ist Wunschdenken von Journalisten, die sich eine andere Lage herbeisehnen. Darüber geschrieben hat immerhin einer in der NZZ – Feuilletonchef Benedict Neff:

«Wie Medien die Lage der Ukraine schönschreiben» (10. Juni 2022)
«Die Fieberkurve des Krieges» (9. Februar 2023)

Doch an der Haltung des NZZ-Chefredaktors Eric Gujer und des NZZ-Auslandchefs Peter Rásonyi wird sich so bald wohl nichts ändern. In ihren Augen steht die Ukraine ganz offenbar kurz vor dem Sieg. Während Russland weiterhin alles falsch macht, und die Niederlage nur aus Trotz nicht einräumt.

Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat auch seine Spuren im «Schweizer Monat» hinterlassen.

Die NZZ und Köppel

Endlich mal ein Lob: was für ein Porträt.

ZACKBUM hatte schon fast aufgegeben, daran zu glauben, dass es im heutigen Elendsjournalismus noch möglich ist, ein beeindruckendes Porträt über eine Reizfigur, einen Konkurrenten zu schreiben.

Wenn da Konzernjournalist Philipp Loser ans Gerät geht, kommt nur Dreck heraus. Das gilt auch für Andreas Tobler oder gar die Scheuklappen-Schreiber der «Republik». Ob die sich an Lebrument oder an Projer vergreifen: es ist Elend und Dummschwätzerei, womit sie die flüchtenden Leser quälen.

Als müsste die NZZ nochmals unterstreichen, welche Abgründe inzwischen hier klaffen, hat sich Samuel Tanner an Roger Köppel versucht. Versuchung gelungen. Es ist keine unkritische Eloge geworden, aber auch kein wäffelnder Verriss. Es ist das geworden, was ein Porträt sein muss. Sein sollte: der Versuch, einem komplexen, in der Öffentlichkeit stehenden und durchaus konfliktiven Menschen auf 12’000 Anschlägen gerecht zu werden. «Porträt des Politikers, Publizisten, Pyrotechnikers», stabreimt die NZZ. Dafür ein erstes Bravo.

«Pyrotechniker», schon das kann man abschmecken, das hat Körper, Fülle und Abgang. Brandstifter steckt drin, aber eben veredelt, hier ist kein Zeusler am Werk, sondern ein eleganter Techniker des Feuers, des Feuerwerks.

Für ein gutes Porträt braucht es, daran erinnert die NZZ so nebenbei, eigentlich nur drei Dinge. Aufmerksame Beobachtung, Reflexion und informiert aus dem Vollen schöpfen können. Ach ja, und schreiben sollte man auch können, klug schreiben, verdichtet schreiben, analytisch und konzis. Also alles Ingredienzien, von denen die meisten übrigen Lohnabhängigen, die sich Journalisten schimpfen, nicht mal gehört haben. Oder wenn, dann haben sie’s schnell wieder vergessen.

Schon der Einstieg bei Tanner setzt die Tonhöhe: «Am Firmament von Roger Köppel gibt es einen Fixstern: die Faszination für Stärke.» Den ganzen Text hindurch bemüht sich Tanner, sein Objekt der Beobachtung zu charakterisieren: «Es ist eine Publizistik des absoluten Relativismus, die auch hinter einen Kriegsführer ein Aber setzt

Was angenehm auffällt: Der Autor des Porträts hält mit seiner Einschätzung des Porträtierten und Beobachteten nicht zurück. Aber die kleinen Details von Begegnungen, eine gemeinsame Autofahrt, die werden nicht wie bei Schmähporträts verwendet, um im Nachhinein fertigzumachen (so wie die Kleinschreiber der «Republik» aus einem zweistündigen Gespräch mit ihrem Feind, dem NZZaS-Chef Jonas Projer, nur ein Winzzitat und die Beobachtung, dass er eine teure Uhr trage, dem Leser präsentieren), diese Details werden hier verwendet, um Leben und Farbigkeit in eine Feinrasterung zu bringen:

«Die Frage, was ihn antreibe, findet Köppel uninteressant: «Immer diese Psychoanalyse», schreibt er in einer ersten SMS. Er ziehe Sachfragen vor, «die schweizerische Neutralität und deren Preisgabe», wie er es formuliert. «Dieser Objektträger-Journalismus, der mit zoologischer Verwunderung auf eine andere Meinung blickt, wie auf eine unbekannte Tierart, geht von falschen Prämissen aus.»»

Schon in einem solchen kleinen Absatz ist viel drin. Die Art der Unterhaltung auf allen Kanälen, Köppels verbaler Elan. Und vor allem: der Autor lässt das so stehen, tritt nicht mit der Überlegenheit dessen nach, der schliesslich den Porträtierten nachträglich fertigmachen kann, weil er das letzte Wort hat.

Wunderbar ist auch diese Einschätzung: «Roger Köppel ist immer auf der Suche nach der Hitze des Gefechts. Und wenn er sie nicht findet, entzündet er sich selbst.» Gefolgt von der Beschreibung, für die sich der NZZ-Autor ziemlich früh aus dem Bett quälen musste: «Mitten in der Nacht kommt er in die Redaktionsvilla der «Weltwoche» in Zollikon, und sofort findet er mit dem Kamera- auch den Zündknopf für seine morgendliche «Daily»-Sendung: «Die NZZ ist auf dem Nato-Trip!», sagt er in der Presseschau, um schnell nachzulegen. «Sie muss aufpassen, dass sie nicht zur Nahkampfwaffe der Nato wird! Sie überholt das Pentagon! Die Falken von der Falkenstrasse! Nomen est omen!» Er ist ein rhetorischer Pyrotechniker

Ein gutes Porträt kann man nur schreiben, wenn man einige Zeit Material gesammelt hat, den Porträtierten bei mehr als einer Gelegenheit beobachtete. Erst aus der Überfülle kann man verdichten, das macht auch jede gute Reportage aus: «Wenn er bei der SVP auftritt, wirkt es, als suche ein Hochgeschwindigkeitsmensch nach Haftung.» Besser kann man wohl das Verhältnis SVP-Nationalrat Köppel und SVP nicht beschreiben.

Bei einem solchen Niveau wartet man etwas bang auf die Schlusspointe. Kommt hier doch noch die Hinrichtung aus dem Hinterhalt? Jein. Das Resümee ist nicht ausgesprochen freundlich, aber nach dieser facettenreichen und durchdachten Darstellung davor erlaubt:

«Aber der Nonkonformist reagiert immer darauf, was die Konformen sagen – und wird zum Knecht des Mainstreams. So gesehen ist Roger Köppel, der Unruhegeist, ein Gefangener.»

Es gibt Porträts, aus denen selbst der Porträtierte noch etwas lernen kann. Das sind dann Sternstunden des Journalismus. Das hier ist eine davon, die in dunkler Nacht besonders hell leuchtet.

Traumtänzerei

Was wäre, wenn der Journalismus funktionieren würde?

«Die Frage, wieweit Canonicas Opferhaltung glaubwürdig ist, soll nun auch im «Magazin» publizistisch «angemessen» thematisiert werden. Am Mittwoch waren zumindest entsprechende Aufforderungen an die Redaktion zu hören.»

Das schreibt Lucien Scherrer in der NZZ. Er will über den Verlauf einer Aussprache bei Tamedia informiert sein, die letzten Mittwoch stattgefunden haben soll. Bei ihr seien der Tamedia-Boss Pietro Supino und der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser aufgetreten. Supino soll von einer «schmutzigen Geschichte» gesprochen haben, auf die «man jedoch korrekt reagiert habe», will die NZZ wissen.

Zunächst: korrekt reagiert? Wenn Supino das wirklich meint, muss man sich Sorgen um die Tx Group machen. Denn wenn der Chef den Kontakt zur Realität verliert, ist Feuer im Dach. Tamedia eierte sich kommunikativ (als Medienhaus!) geschickt in einen GAU hinein.

Zunächst der edle Verweis auf «Persönlichkeitsschutz», der leider weitere Informationen verbiete. Ausser, dass man die Vorwürfe von Roshani sehr ernst genommen habe. Bereits einen Tag später war es mit dem Schutz vorbei; ohne bei den Betroffenen ihr Einverständnis einzuholen, wurde fröhlich eine Zusammenfassung einer externen Untersuchung veröffentlicht. Zuerst an die Angestellten verteilt, im sicheren Wissen, dass sie so in einer Minute überall gestreut sei.

In dieser Zusammenfassung bekommen sowohl Canonica wie Roshani ihr Fett ab. Der Bericht forderte im Fall Canonicas nur Sensibilisierung, Coaching und Führungskurse. Stattdessen suchte er Mitte letzten Jahres keine neue Herausforderung, wie bislang das Wording war, sondern wurde gefeuert. Ebenso wie Roshani dann im September.

Wie auch die berühmten, nicht namentlich genannt sein wollenden Quellen ZACKBUM versichern, herrscht zurzeit bei Tamedia eine Bombenstimmung. Denn nicht nur Canonica, eigentlich alle Redaktoren kriegen zu hören, bei welchem Schweinebackenverlag sie denn arbeiten würden.

Vielleicht wäre der Vorwurf angebrachter, bei welchem Verlag von Inkompetenten sie ihre üppigen Saläre einstrichen. Denn in all diesen Fällen von Sexismus-Vorwürfen sind die Journalisten in keiner Weise ihrer angeblichen Kernkompetenz nachgegangen: recherchieren, untersuchen, Beleg sammeln, Zeugen finden, Artikel machen.

78 erregte Tamedia-Journalistinnen hatten einen Protestbrief unterzeichnet, der mehr als 60 verbale Übergriffe aufzählte. Fast zwei Jahre danach ist es in keinem einzigen Fall bekannt, ob er sich wirklich so zugetragen hatte – oder nicht. Das ist ein klägliches Versagen.

In der neusten Attacke behauptet die Autorin Anuschka Roshani, dass verbale Ausfälligkeiten ihr gegenüber nicht nur unter vier Augen oder Ohren stattfanden, sondern coram publico. Also in Anwesenheit von Zeugen. Canonica hingegen behauptet in einem Verteidigungsschreiben, dass das alles gelogen sei. Zudem habe die gesamte Redaktion einen Brief verfasst, in dem sie die Anschuldigungen Roshanis als «absurd» zurückgewiesen hätten und ihm den Rücken gestärkt. Dieser Brief sei an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat gerichtet gewesen.

Es liegen also genügend recherchierbare Behauptungen vor. Eine klare Ja/Nein-Sache ist auch, dass die Verlagsleitung behauptet, Roshani sei der Inhalt des Untersuchungsberichts über ihre Anschuldigungen zur Kenntnis gebracht worden. Roshani bestreitet das.

Gibt es diesen Brief, gab es Ausfälligkeiten Canonicas vor Zeugen, hat Roshani den Bericht oder nicht, sind die von ihr belegten Beispiele aus dem Zusammenhang gerissen, wie Canonica behauptet, Ausdruck einer freundschaftlichen Scherzebene, über die beide gelacht hätten – oder sind es widerliche Ausrutscher?

Hat Canonica anzüglich mit einer Frauenbrust aus Plastik gespielt oder war es ein Brustimplantat, das er bei einer Reportage erhielt? Zumindest ein aus anonymer Quelle stammender Vorwurf ist weggeräumt: Big Boss Supino zwang CH Media zu einer «Korrektur und Entschuldigung». Der Wanner-Clan hatte dem Vertreter des Coninx-Clans schriftlich unterstellt, er habe Canonica nahegestanden und seine schützende Hand über ihn gehalten.

Ein weiteres Thema, die «anonymen Quellen». Der «Blick» arbeitet damit, CH Media arbeitet damit, die NZZ auch, sogar die «Zeit» will von gleich fünf ehemaligen Mitarbeitern dies und das bestätigt bekommen haben.

Auch das wäre ein Thema für Recherchen. Gibt es diese anonymen Quellen? Oder sind sie erfunden? Wenn es Ohren- und Augenzeugen gegeben haben soll, was sagen die? Wann wird dieser Solidaritätsbrief veröffentlicht, wenn es ihn gibt? Was kann man über die Arbeitstätigkeit von Roshani sagen? Stimmt es, dass sie eine Blindbewerbung auf die damals noch von Canonica besetzte Stelle des Chefredaktors «Magazin» bei der Geschäftsleitung deponiert haben soll?

Wie man sieht: es gäbe jede Menge Pisten, Hinweise, Andeutungen, Behauptungen, denen man nachgehen könnte. Dass feministische Schreihälse wie Franziska Schutzbach diese Anschuldigungen zum Anlass nehmen, sich mal wieder über die unerträgliche Machokultur im Journalismus zu beklagen, obwohl sie via ihren Partner und «Magazin»-Redaktor eigentlich aus erster Hand schon lange wissen sollte, wie es dort zuging – oder eben nicht –, geschenkt, das ist billiger Klamauk.

Aber wieso bildet die «Magazin»-Redaktion nicht eine Task Force, die diesen konkreten Fall aufarbeitet? Wäre das nicht eine Sache für das sogenannte Investigativ Desk, mal eine Abwechslung zum Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen?

Oder kurz gefragt: Wieso gehen die Hunderte von Journalisten im Hause Tamedia nicht einfach mal ihrem Beruf nach? Wieso lassen es alle anderen beim zitieren von angeblichen Quellen bewenden, die offenbar auch – anonym macht mutig – Stuss erzählen?

War es wirklich «noch viel schlimmer», sind Roshanis Anschuldigungen nur «die Spitze des Eisbergs», herrschte «Psycho-Terror»? Oder ist Canonica ein weiteres Opfer einer rachsüchtigen Untergebenen?

Das sollte doch rauszufinden sein. Aber eben, welcher Journalist arbeitet heute eigentlich noch als Journalist?

Saubere Schlammschlacht

Fall Canonica: Das Imperium schlägt zurück.

Anuschka Roshani hat vorgelegt und mit der ihrer Meinung nach toxischen Kultur beim Gutmenschenblatt «Das Magazin» abgerechnet. Im Gegensatz zu früheren Kritiken am Hause Tamedia kann sie ihre Vorwürfe zumindest teilweise belegen.

Zudem schreiben «Spiegel» und NZZ, dass weitere Zeugenaussagen und Dokumente vorlägen, die die Anschuldigungen von Roshani untermauerten. Sie hat zudem ihre Aussagen über Vier-Ohren-Gespräche mit eidesstattlichen Versicherungen untermauert.

Dagegen hat sich die Redaktion des «Magazins» auf eisernes Schweigen verlegt. Keine Reaktion auf die Anfragen von ZACKBUM, sicherlich auch keine Reaktion auf Anfragen anderer Medien. Den Gutmenschen dort hat’s die Sprache verschlagen.

Der «Kommunikationsverantwortliche Tamedia» behauptete noch gestern: «Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes kann Tamedia keine weiteren Angaben machen.» Ausser den maliziösen Bemerkungen, dass sich die Vorwürfe «zu einem grossen Teil nicht bestätigten». Dann setzte Tamedia noch einen drauf: «Eine Mitschuld von Frau Roshani an der für alle Beteiligten schwierigen Situation kann Tamedia weder ausschliessen noch bestätigen.»

Was will uns der Konzern damit sagen? Wohl doch ganz klar: Roshani ist mindestens mitschuldig an diesem Schlamassel.

Eher peinlich wurde es dann bereits einen Tag danach. Da pfiff Tamedia nämlich auf den «Persönlichkeitsschutz» und veröffentlichte eine Kurzfassung des Untersuchungsberichts durch die Kanzlei Rudin Cantieni. Das ist die Anlaufstelle der Wahl für die Plagiatsaffäre an der HSG, den Zuständen bei der Kapo Winterthur, Missbrauchsvorwürfen im Sport, usw.

Natürlich tropfte das Dokument in Windeseile aus dem internen Verteiler an die Öffentlichkeit und kann inzwischen beim «Tages-Anzeiger» eingesehen werden. Begleitet wurde es von der Behauptung: «Die publizistische Leistung der Magazin-Redaktion «war und ist hervorragend»». Die Blattkritik durch ZACKBUM kann das allerdings nicht bestätigen.

Der «Untersuchungsbericht» kommt zu für Roshani verheerenden Schlussfolgerungen:

«Die Vorwürfe waren meist unzureichend belegt. Auch ergaben sich zahlreiche Widersprüche. Der Aufforderung, dazu weitere Beweismittel einzureichen, kam Anuschka Roshani nicht nach. Auch konnte keine Befragung zu den Widersprüchen erfolgen, da sie nach den anfänglichen Befragungen – ohne Vorlage eines Arztzeugnisses – mitteilen liess, dass sie für die weitere Untersuchung nicht mehr zur Verfügung stehe. Auch die befragten Personen bestätigten Anuschka Roshanis Vorwürfe mehrheitlich nicht resp. verneinten sie.
Anushka Roshanis Vorwürfe gegenüber der Arbeitgeberin liessen sich nicht erhärten.»

Ein Untersuchungsbericht, in dem nicht einmal der Name der Hauptbeteiligten immer richtig geschrieben wird? Nun ja. Ein Untersuchungsbericht, in dem maliziös auf eine angeblich «bei den Akten» befindliche «Blindbewerbung vom November 2020» verwiesen wird, mit der sich Roshani auf «Finn Canonicas (nicht zur Disposition stehende) Stelle» beim Verleger beworben habe?

Roshani wird hier also regelrecht runtergebürstet, während bei Canonica lediglich empfohlen wird, er solle doch etwas «Sensibilisieren beim Sprachgebrauch» durchführen, bzw. «Führungsschulungen» machen: «Die Untersuchungspersonen empfehlen in diesem Punkt eine Abmahnung resp. Verwarnung. Insgesamt werden auch Führungscoachings empfohlen.»

Offensichtlich ist aber die Geschäftsleitung von Tamedia diesen Empfehlungen nicht gefolgt, sondern trennte sich sowohl von Canonica wie von Roshani. Warum dann nur?

Ein weiterer Satz im Begleitmail, unterzeichnet von den Geschäftsführern Andreas Schaffner und Mathias Müller von Blumencron, ist interessant: «Wir haben beide Parteien über den Inhalt des Untersuchungsberichtes informiert.» Roshani behauptet demgegenüber, dass ihr dieser Inhalt nicht mitgeteilt worden sei.

Hier haben wir einen klaren Fall: eine der beiden Seiten sagt nicht die Wahrheit.

Zwischenbilanz: trotz der Androhung rechtlicher Schritte hat Roshani bislang nichts von ihren Vorwürfen zurückgenommen.

Tamedia hingegen eiert schon in den ersten zwei Tagen nach der Veröffentlichung der massiven Anschuldigungen. Keine weiteren Informationen «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes», dann einen Tag später ist’s schon mit dem Schutz vorbei.

Dass sich im Solde von Tamedia stehende Mitarbeiter, während Canonica noch am Gerät war, gegenüber den untersuchenden Anwälten «mehrheitlich» nicht dazu hinreissen liessen, die Vorwürfe zu bestätigen, mag nicht wirklich zu erstaunen. Das Wort «mehrheitlich« deutet aber darauf hin, dass es doch ein, zwei Mutige gegeben hat.

Entscheidend wird nun sein, ob noch weitere Mitarbeiter des «Magazins» die Zivilcourage haben, Roshanis Vorwürfe öffentlich zu bestätigen. Laut ihrer Darstellung müsste es ja genügend Ohrenzeugen geben. Vielleicht hat auch sie selbst noch weitere Beweise im Köcher.

Sollte das geschehen, entwickelt sich aus der Affäre Canonica eine Affäre Tamedia. Dann wäre mit weiteren Rücktritten zu rechnen. Pardon, mindestens ein Mitglied der Geschäftsleitung will dann neue Herausforderungen annehmen …

 

 

Messerscharfer Blick

Eric Gujer schneidet sich eine Scheibe Deutschland ab.

Der vorletzte CEO der NZZ scheiterte in Österreich. Die Verabschiedung von Veit Dengler war entsprechend kühl: «Verwaltungsrat und CEO der NZZ-Mediengruppe sind zum Schluss gelangt, die Führung des Unternehmens in neue Hände zu legen.»

NZZ.at war ein schmerzhafter Flop, denn die NZZ ist dafür bekannt, selbst in höchster Not ein einmal gestartetes Projekt nicht einfach aufzugeben. Der Österreicher Dengler meinte, nicht nur der von ihm mitbegründeten Partei Neos Schub zu geben, sondern auch eine erfolgreiche Expansion der NZZ lancieren zu können.

Nach seinem Abgang im Jahre 2017 wurde Dengler COO der Bauer Media Group. Abgang dort 2021.

Inzwischen ist der CEO der NZZ wieder der Mann im Hintergrund, und wie zu Zeiten, als es diesen Posten noch gar nicht gab, dominiert der Chefredaktor. Auch der Vorgänger von Eric Gujer agierte nicht gerade erfolgreich. Markus Spillmann war der erste Chefredaktor des Blatts, der seinen Posten nicht freiwillig aufgab.

Seit 2015 sitzt nun Gujer fest im Sattel, als Chef und als Geschäftsführer. Er hat sich die unnahbare Autorität zurückerobert, die noch Hugo Bütler in seinen 21 Jahren auf der Kommandobrücke ausstrahlte. Bütler, über dessen Kürzel bü. sich Niklaus Meienberg selig lustig machte, dass das nicht für Büttel, sondern für Bürgertum stehe, war tatsächlich das Sprachrohr des Bürgertums, für ihn zweifelsfrei in der FDP verortet.

Die Zeiten sind komplizierter geworden, aber da steht Gujer drüber. Er ist so allmächtig, dass selbst die Tätigkeit seiner Frau als NZZ-Redaktorin kein sichtbares Naserümpfen auslöst. Schliesslich schreibt sie als Claudia Schwartz, und natürlich werden ihre Beiträge nicht anders als alle anderen behandelt.

Allerdings kann es dann schon vorkommen, dass einen widerborstigen Mitarbeiter ein strafender Blitz von God Almighty trifft.

Aber neben solchen kleinen menschlichen Schwächen betreibt Gujer eine erfolgreiche Expansion nach Deutschland. Was ja auch logisch ist, 80 Millionen Einwohner statt 8 wie in Österreich. Zudem schwächelt dort das Sprachrohr des Bürgertums FAZ; der deutsche «Tages-Anzeiger» namens «Süddeutsche Zeitung» trieft vor Gesinnungsjournalismus, und die «Welt» konnte sich nie als richtiges Sprachrohr des Bürgertums etablieren. Dann gibt es noch «Die Zeit», aber die schwebt weitgehend über den Dingen.

Gujer erfreut nun regelmässig Deutschland mit seiner Kolumne «Der andere Blick». Sozusagen das Wort zum Wochenende, das früher auf der Front der Samstags-Ausgabe der NZZ stattfand.

Hier ist’s nach Deutschland gerichtet, elegant und schneidend geschrieben. Aktuell gerade:

«Deutschland, Messerland: Wieder müssen Unschuldige wegen einer verantwortungslosen Migrationspolitik sterben».

Das traut sich eigentlich sonst niemand in Deutschland ausserhalb der AfD. Wenn schon, denn schon, sagt sich Gujer und haut weiter drauf: «Schweigen und Ratlosigkeit sind die Antwort der Bundesregierung auf die Verbrechen

Dann zeigt Gujer, was man mit messerscharfer Logik (okay, damit ist der Kalauer erschöpft) argumentativ herausholen kann, in aller Schönheit:

«So weist die «Süddeutsche Zeitung» darauf hin, dass auch Deutsche andere Menschen erstechen. Und sie hält fest: «Das öffentliche Interesse ist bei Straftaten von Geflüchteten oft ungleich grösser als bei Delikten von Deutschen.» Nur die Taten der Ausländer würden in Talkshows erörtert.
Das aber deutet nicht auf Fremdenfeindlichkeit hin, sondern ist völlig natürlich. Messergewalt von Deutschen lässt sich nicht abwenden; Deutsche können nicht aus Deutschland ausgesperrt werden. Tödliche Attacken von Flüchtlingen sind jedoch kein Schicksal. Sie sind die Nebenfolge einer willentlichen Politik. Mit dem Schicksal kann man nicht streiten. Politik hingegen kann man diskutieren und verändern

Natürlich hat Gujer sowohl konkrete wie abstrakte Ratschläge zur Hand: «Hinschauen und Verantwortung übernehmen statt ignorieren und beschönigen. Das wäre ein guter Vorsatz für eine bessere Flüchtlingspolitik

Damit – und mit einer stetig ausgebauten Deutschland-Redaktion in Berlin – setzt Gujer das Alleinstellungsmerkmal der NZZ um. Sie setzt nicht auf Verkaufsplattformen wie das Haus Tamedia, nicht auf Digitalisierung und Wertschöpfungsketten wie Ringier, nicht auf Multichannel wie CH Media, sondern auf Content.

Natürlich wird Gujer deswegen von der Konkurrenz in der Schweiz immer wieder angerempelt. Tamedia, WoZ und «Republik» überbieten sich darin, der NZZ im Allgemeinen und Gujer im Speziellen vorzuwerfen, die wilderten im rechtskonservativen Lager und hätten keine Angst vor mangelnder Abgrenzung von der AfD.

Das lässt Gujer aber zu Recht kalt, weil die NZZ – im Gegensatz zu Tamedia – beispielsweise in der Frage der Waffenlieferung an die Ukraine ein strammer Verteidiger der Rechtsstaatlichkeit ist. Zudem merkte Gujer mal maliziös an, bezüglich journalistische Qualität sei es doch so, dass der Tagi immer mehr Content von der Süddeutschen aus Deutschland übernehme und seinen Schweizer Lesern serviere, dabei das eigene Korrespondentennetz zerreisse. Während die NZZ ihre Mannschaft in Deutschland stetig verstärkt.

Gujer ist gut vernetzt und hat einen gewissen Hang, sich nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu eigen zu machen. Als Auslandkorrespondent unter anderem in der DDR, in Russland und in Israel gewann er deutliche rechtskonservative Erkenntnisse.

Sein grosser Vorteil ist aber zweifellos, dass die NZZ immer mehr ein Leuchtturm wird, weil die Konkurrenz ihr Heil im Skelettieren und Zu-Tode-Sparen der Redaktionen sieht. Auch wenn die NZZ ihr Korrespondentennetz lockerer geknüpft hat als auch schon, enthält meistens jede Tagesausgabe mehr Denkstoff als eine Wochenladung der Konkurrenz, wo dünn analysierte News und geistig bescheidene Meinungen immer mehr um sich greifen.

Natürlich kann und muss man auch die NZZ kritisieren. Aber mit Vorsicht, denn wenn auch dieses Blatt noch flach wird, dann wird es langsam echt schwierig, sich im deutschen Sprachraum qualitativ hochstehend zu informieren.

Packungsbeilage: Autor René Zeyer war einige Jahre Auslandkorrespondent der NZZ und publizierte früher regelmässig dort, als es noch eine Medienseite gab.

Wo die Pressefreiheit wirklich gefährdet ist

Credit Suisse contra «Inside Paradeplatz»: Das Schweigen der Lämmer.

Tamedia faselt ständig von irgendwelchen Lecks, «Blick» will von niemandem beeinflusst sein, was normalerweise nur ausgesprochen verbohrte, arrogante und selbstgenügsame Medien von sich behaupten. Dann haben wir noch das WEF (wie sagte mal ein nicht unbekannter und sehr intelligenter Banker: «sollte ich einmal dorthin eingeladen werden, weiss ich, dass ich etwas falsch gemacht habe»), natürlich und selbstverständlich die Ukraine.

Also sind die beiden Zentralredaktionen, die mit ihren Erzeugnissen flächendeckend die Deutschschweiz beschallen, restlos ausgelastet.

Immerhin gibt es noch die NZZ, die innerhalb all dieses Wiederkäuens an eine Front erinnert, wo zurzeit die wirkliche Schlacht um die Pressefreiheit in der Schweiz stattfindet. Nämlich im Kampf der Credit Suisse gegen den Finanzblog «Inside Paradeplatz».

«Der Credit Suisse droht ein Pyrrhussieg», titelt sie gelehrt einen Riesenriemen von über 12’000 Anschlägen. Anfang Dezember machte der Finanzblog bekannt, dass ihm eine 264-Seiten umfassende Klageschrift der CS ins Haus geschneit sei. In der Zeit zwischen Ende Juli und Ende Oktober, also seit dem Amtsantritt des neusten Dreamteams bei der CS, werden rund 50 Artikel und über 200 Leserkommentare eingeklagt. Sie seien persönlichkeitsverletzend und/oder geschäftsschädigend, verstiessen also gegen das UWG.

Damit hat die CS sozusagen den juristischen Flammenwerfer, die Stalinorgel, das Maschinengewehr auf Dauerfeuer gegen IP gerichtet. Zur Sicherheit hat die CS auf die Zivilklage noch eine Strafanzeige draufgelegt, damit da kein Gras mehr wachse.

Da in einem Zivilverfahren nicht nur jeder Vorwurf akkurat aufgelistet und begründet werden muss, sondern genauso akkurat vom Angegriffenen widerlegt, kommen selbst im besten Fall happige Kosten auf IP zu. Obwohl die CS behauptet, sie klage hier «zum Schutz unserer Mitarbeitenden», ist wohl der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass es ihr in erster Linie darum geht, den Finanzblog finanziell fertigzumachen.

In aller gebotenen Objektivität zählt die NZZ die Meriten auf, die sich der Betreiber Lukas Hässig zuschreiben kann, wofür er auch zum Journalisten des Jahres gewählt wurde, als dieser Titel noch etwas bedeutete. Die Aufdeckung eines Mulimillionen-Abgangsbonus für den damaligen Novartis-Chef Daniel Vasella, die Aufdeckung des Geschäftsgebarens des gefallenen Raiffeisen-Stars Pierin Vincenz im Alleingang – nur zwei Beispiele von Hässigs Wirken.

Als One-Man-Show hat er bereits dermassen häufig die verbliebenen Wirtschaftsredaktionen abgetrocknet, dass ihm deren tiefempfundener Neid gewiss ist. Daher wird in den Schweizer Medien nur zurückhaltend berichtet, während es Hässig dank der CS immerhin bis in den «Spiegel» und auf die Frontseite der «Financial Times» kam.

Dieser Bekanntheitszuwachs ist ein Punkt, wieso die NZZ einen möglichen Pyrrhussieg der CS vermutet. Dazu kommt natürlich die klassische David und Goliath Geschichte und schliesslich die Frage, ob die krisengeplagte und schlingernde Bank wirklich nichts Besseres zu tun habe, als einen unliebsamen Kritiker mit einer teuren Monsteranklage zu überziehen.

Auf der anderen Seite ist es so, dass Hässig tatsächlich gelegentlich eine Art Borderline-Journalismus betreibt. Er haut mal einen raus, wenn dann die Rechtsabteilung der betroffenen Bank anruft und aufheult, lässt er sich zu partiellen Löschungen überreden.

Aus langjähriger Erfahrung weiss er aber meistens, wo die Grenzen liegen, hinter denen die juristische Todeszone im Journalismus beginnt. Das gilt aber nicht für seine Leserkommentare. Hier toben sich unter Pseudonym eine ganze Latte von grösstenteils frustrierten Bankern und Ex-Bankern aus, für die eigentlich alle führenden Bankenlenker auf dem Platz Schweiz ausgemachte Pfeifen und Versager sind. Diese Auffassungen vertreten sie im Schutz der Anonymität recht ungeniert.

Es ist leider eine bekannte Tatsache, dass bei einem Kommentar nicht nur der Kommentator, sondern auch derjenige haftet, der ihm seine Plattform zur Verfügung stellt. Ausser auf sozialen Plattformen wie Facebook, aber das ist eine Schlaumeierei für sich.

Anonym macht mutig, das weiss jeder. Das ZACKBUM-Redaktor René Zeyer auch gelegentlich auf IP publiziert, kennt er die Kläffer und Belferer zur Genüge, die sich unter durchaus interessante Kommentatoren mischen. Wir sind immer der Auffassung, dass der, der kräftig austeilt, kein Glaskinn haben darf. Ausserdem geht uns das Gewäffel frustrierter Versager, auf die noch nie im Leben jemand gehört hat, schwer am Allerwertesten vorbei.

Wenn man aber übelnehmen will, und das will die CS, findet man dafür genügend Anlass. Wieso Hässig schon seit Jahren diese Flanke offenlässt, in geradezu fahrlässiger Weise Kommentare freischaltet, die auch für den Laien erkennbare Beleidigungen enthalten, bleibt sein süsses Geheimnis.

Prozessökonomisch wäre es klar die bessere Strategie für die CS gewesen, sich auf zwei drei Textstellen in Artikeln und fünf, maximal zehn Kommentare zu beschränken, wo es in jedem einzelnen Fall glasklar gewesen wäre, dass hier Recht verletzt wurde.

Es mag sein, dass der federführende Anwalt Daniel Glasl einfach möglichst viele Stunden aufschreiben wollte. Es ist aber wahrscheinlicher, dass sich dieser Wunsch mit der Absicht der CS traf, durch eine Monsterklage dem Finanzblog einfach das Wasser abzugraben. Völlig egal, welche Zahl an eingeklagten Textstellen die CS gewinnen wird – für IP bedeutet die Verteidigung horrende Ausgaben.

Dass es mehr um fertigmachen als um Gerechtigkeit geht, beweist auch der Antrag der CS auf Gewinnherausgabe. Das ist im ZGB so vorgesehen und keinesfalls Neuland. Auch die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet versucht das gegenüber Ringier. Aber alleine ihr Fall beweist, wie verdammt schwierig es ist, den Gewinn aus einzelnen Artikeln zu berechnen. Eine solche Berechnung ist aber die Voraussetzung, dass überhaupt die Forderung nach Herausgabe gestellt werden kann.

Seitdem JSH verkündete, dass sie Ringier zur Herausgabe von Zahlen und Unterlagen gezwungen habe, ist es eigenartig ruhig geworden. Im Vorfeld hatte ein völlig verpeilter Hansi Voigt noch behauptet, Ringier habe mit Artikeln über JSH über eine Million Gewinn gemacht, wobei das Finanzgenie Umsatz und Gewinn einfach gleichsetzte. Aber seitdem JSH über die geforderten Zahlen verfügt, gibt es Sendepause.

Auch die CS spekuliert nicht ernsthaft darauf, durch eine Gewinnherausgabe bei IP endlich ihre finanzielle Schieflache begradigen zu können. Es geht ihr einzig und alleine darum, eine weitere Kampffront zu eröffnen, um Hässig weitere Unkosten zu verursachen.

Hier fällt also ein ganz Grosser über einen ganz Kleinen her. Der daran zwar nicht ganz unschuldige ist. Aber dennoch von allen Medienorganen unterstützt werden müsste, die auch morgen noch wagen wollen, gelegentlich aufmüpfige Dinge über potente Finanzhäuser mit Geld zum Verstreuen zu sagen.

Aber offenbar ist Nabelschau, Neid und konstante Ablenkung auf Nebensächliches so verbreitet, dass ausser der nochmals ausdrücklich gelobten NZZ nach anfänglicher, dezenter Berichterstattung weder CH Media noch Tamedia es für nötig halten, diesem Anschlag auf die Pressefreiheit solidarisch entgegenzutreten.

Sich mit der weidwunden und daher brandgefährlichen CS anzulegen, das bräuchte Mut. Blau-gelbe Fahnen als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine flattern zu lassen, das braucht überhaupt keinen Mut. So schaut’s aus.

Wo Welten klaffen

Wie behandeln Schweizer Medien die Gewaltorgien in Deutschland?

Der «Blick» brauchte drei Anläufe, um das unkorrekte Wort «Migranten» aus dem Titel zu kriegen. Zunächst steigerte er sich sogar zu «Migranten-Mob», dann wurde es ein gender- und hintergrundneutraler «Silvester-Mob».

Seither bemüht sich das ehemalige Boulevardblatt, dem Abflussrohr in seinem Logo alle Ehre zu machen:

Eine Fernanalyse der Schweizer Polizeibeamten-Präsidentin mit der überraschenden Erkenntnis, dass allgemein der Respekt abnehme und solche Zustände auch in der Schweiz möglich seien. Dann die politisch korrekte Meldung, dass immerhin «45 der 145 verhafteten Chaoten Deutsche» seien. Wie viele davon mit Migrationshintergrund, darüber schweigt das Rechercheblatt.

Aber immerhin, der meistens am Schreibtisch anzutreffende «Ausland-Reporter» Samuel Schumacher riskiert einen Karriereknick mit der klaren Aussage: «Nach allem, was bislang über die Ausschreitungen in Deutschland bekannt ist, handelt es sich bei einem signifikanten Teil der Täterschaft um junge, männliche Migranten

Wie eigentlich meistens bietet Tamedia das kläglichste Bild von allen Schweizer Bezahlmedien. Es lässt den völlig verpeilten Berlin-Korrespondenten der «Süddeutschen Zeitung» schwadronieren, der das Problem, dass fast ausschliesslich ein Migrations-Mob tobte, so schön- und wegschreibt, wie es halt nur einem Gesinnungsjournalisten einfallen kann.

Während er in einem ersten Artikel den «Migrationshintergrund» der Krawallanten noch völlig ausblendete, zieht er sich in einem zweiten hinter die Formulierung zurück: «Das deutsche Innenministerium jedoch verwies darauf, dass es noch keine Übersicht zu den Verdächtigen gebe

Das bringt sogar die gutmütigen Tagi-Kommentatoren in Wallungen, die überwiegend Klartext äussern und sich solche Schönschreibungen verbitten. Es ist mal wieder erbärmlich, wie ein Bauchnabel-Journalist an der Realität (und an seinem lesenden Zielpublikum) vorbeischreibt – und dass Tamedia das Geschwurbel unkommentiert stehenlässt.

Aber zum Gutmenschentum gehört auch eine gewisse Flexibilität. Plus ein Schuss Lächerlichkeit. Denn der Tagi legt nach: «ARD-Video befeuert Debatte über Nennung von Täter-Herkunft», berichtet das Blatt der korrekten Denkungsart. Damit ist gemeint, dass in der Hauptausgabe der deutschen «Tagesschau» der zugeschaltete Berlin-Korrespondent um eine klare Aussage zur Herkunft der überwiegenden Mehrheit der Chaoten und Gewalttäter herumstolperte: «Von den Tätern zu sprechen ist in solchen Kontexten immer ein bisschen schwierig», erklärte der Journalist im TV», referiert der Tagi.

Dann wird’s echt lustig. Die sich daraufhin in Deutschland entwickelnde Debatte, wie es mit der Nennung von Nationalitäten im Zusammenhang mit den Gewaltorgien in Berlin stehe, wird vom Tagi ausführlich dargestellt. Allerdings verliert das Tamedia-Kopfblatt kein Wort darüber, dass auch der eigene Spar-Korrepondent von der «Süddeutschen» anfangs kein Wort zu diesem Thema verlor und auch in der nachgeschobenen Story um das Problem Migranten-Mob herumeierte.

Ganz anders CH Media, die sich immer mehr als wohltuende Alternative zum Gesinnungsbrei aus dem Hause Tamedia positionieren. Beispielsweise im St. Galler «Tagblatt» darf Cornelie Barthelme kommentieren. Sie ist seit 20 Jahren Berlin-Korrespondentin für verschiedene Tageszeitungen und nimmt mit norddeutscher Zurückhaltung, aber auch Klarheit Stellung. Sie hat die Sachkompetenz einer Journalistin, die nicht erst seit gestern per Google von den Problemen weiss: «Gerade in Neukölln aber hatte schon in den Nullerjahren der damalige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) vor dem Totschweigen der Probleme durch den hohen Anteil von Migranten gewarnt.»

Auch Barthelme schreibt Klartext: «Dass am 1. Januar noch nichts bewiesen ist, auch am 2. und am 3. vieles und das meiste über die Identität der Täter noch im Vermutungsbereich, dass also nicht in den Zeitungen steht, es handle sich ganz eindeutig um nicht-deutsche Gewalt, führt zu den ebenfalls üblichen Vorwürfen gegen Politik und Medien, hier solle gelogen und totgeschwiegen werden. Heraus ist bis Dienstag spätnachmittags aber nur, dass mindestens 103 der Festgenommenen wieder frei sind. In der öffentlichen Wahrnehmung passt das zur Forderung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach Strafen «mit der ganzen Härte des Gesetzes» wie die Faust aufs Auge.»

Eine Steigerung nach oben ist hier höchstens noch in der NZZ zu konstatieren. Fatina Keilani, Redaktorin im Berliner Büro der NZZ, die alleine vom Namen her nicht wirklich sofort rassistischer Vorurteile verdächtigt werden kann, macht das, woran all die anderen Schweizer Journalisten (oder für Schweizer Organe schreibende deutsche Journalisten) nicht gedacht haben (oder sich nicht trauten): «ein forschender Spaziergang auf der Sonnenallee nach der Silvesternacht», überschreibt sie ihre Lokalreportage. Hier fanden die gröbsten Ausschreitungen des Migranten-Mobs statt.

Besonders ergiebig sind ihre Erkenntnisse nicht, aber auch ihr Bericht über Sprachlosigkeit, Ablehnung von Journalisten oder Verdrängung ist interessant. Sie begibt sich unerschrocken in ein «Albaner-Café» und reportiert: «Am Tresen steht eine junge, knochige Frau mit grossen Augen und eisigem Blick, mit der keine Verständigung möglich ist. Das Café war schon öfter Ziel von Razzien. Hier redet niemand mit der Presse.»

Kein Blatt vor den Mund nimmt im «anderen Blick» auch der Chefredaktor des NZZ-Büros in Berlin. «Wenn Politiker hilflos sind, aber entschlossen wirken wollen, dann kommen drei Mittel fast immer zum Einsatz: die Feststellung der eigenen Fassungslosigkeit, die scharfe Verurteilung und die Forderung nach einer Debatte», leitet Marc Felix Serrao seinen Kommentar ein.

Er hält mit klaren Zahlen dagegen:

«Die Gewalt mit Migrationshintergrund ist nicht unerwartet und plötzlich explodiert, wie die nun zur Schau gestellte Ratlosigkeit vieler Politiker insinuiert. Laut dem Bundeskriminalamt stellen Syrer, Afghanen und Iraker seit Jahren den grössten Anteil tatverdächtiger Zuwanderer in Deutschland, zuletzt lag er bei knapp 40 Prozent. Die Straftaten, um die es geht, sind vor allem «Rohheitsdelikte», also etwa Körperverletzung oder Raub.»

Er zögert auch nicht, Lösungsvorschläge anzubieten: «Was tun? Der erste Schritt wäre eine ehrliche Bestandsaufnahme. Die meisten Migranten und Deutschen mit Migrationshintergrund sind gesetzestreu; sie arbeiten und zahlen Steuern, und viele sind eine Bereicherung für das Land. Das bleibt wahr, wenn man zugleich feststellt, dass eine bestimmte Gruppe von Migranten ein immer grösser werdendes Problem darstellt. … Praktisch braucht es schnelle und abschreckende Strafen und eine Migrationspolitik, die die Interessen der Bevölkerung – der Einheimischen wie der gesetzestreuen Zuwanderer – in den Mittelpunkt stellt. Ganz konkret: Ein Land, das ein solches Problem mit jungen, ungebildeten Männern aus muslimischen Ländern hat, sollte aufhören, immer mehr von ihnen einwandern zu lassen.»

Aber davor schrecken seit 2015, seit den massenhaften Übergriffen auf der Kölner Domplatte, die meisten Politiker und die überwiegende Mehrheit der Medienschaffenden zurück. Also zieht Serrao das bittere Fazit: «Aber dazu wird es wohl nicht kommen. Schon die ehrliche Bestandsaufnahme hat in Deutschland kaum eine Chance. Dafür ist das öffentliche Gespräch über kriminelle Migranten zu verkorkst, zu angstbesetzt. Niemand will zu Unrecht als Rassist oder gar als Nazi gescholten werden, was hierzulande schneller als irgendwo sonst passiert. Also ist man lieber fassungslos. Oder man fordert eine Debatte, am liebsten «schonungslos» und mit «klarer Kante».»

Soweit sind die meisten Schönschreiben in der Schweiz nicht einmal. Dass aber das Verdrängen von Problemen, mit denen weite Teile der Bevölkerung konfrontiert sind, üble Auswirkungen hat und rechtsradikalen Brandstiftern wie dem AfD-Björn-Höcke Wähler und Zustimmung zutreiben – daher brandgefährlich ist –, zu dieser einfachen Erkenntnis sind all diese Schwurbler von Tamedia abwärts nicht in der Lage.

Fast wohltuend ist in diesem Kontext die «Republik». Ihr sind die Krawalle keinen einzigen Buchstaben wert.

IP: Das Schweigen der Belämmerten

Die Credit Suisse will ein unliebsames Medium killen.

Noch nie wurde so grobes Geschütz gegen einen Finanzblog, gegen ein Publikationsorgan in der Schweiz aufgefahren. Die Credit Suisse haut Lukas Hässig eine 265 Seiten dicke Klageschrift um die Ohren, plus unzählige Beilagen. Insgesamt 52 Beiträge und rund 200 Leserkommentare hätten ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, Ruf- und Geschäftsschädigung verursacht.

Dafür will die CS Rache. In Form der Ansetzung des Streitwerts auf mindestens 300’000 Franken. Davon berechnen sich die Gerichts- und letztlich auch Anwaltskosten. Plus Gewinnherausgabe, was bislang nur eine hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet probiert hat. Eingehüllt ist das in Blabla, wie wichtig die Pressefreiheit sei, aber … Der Blog habe das Geldhaus «schlichtweg totgeschrieben», entblödet sich die Krisenbank nicht zu behaupten.

Hässig bemängelt zu Recht, dass sich die CS aber nicht traut, gegen die grosse «Financial Times» vorzugehen, die immer wieder auf Insiderinformationen beruhende Berichte veröffentlicht hat.

Es ist tatsächlich die Frage, was von einer Führungscrew zu halten ist, die mit existenzbedrohenden Problemen konfrontiert ist, Assetabflüssen in Milliardenhöhe, mit Baustellen in Milliardengrösse, mit Skandalen, Bussen und happigen Verlusten. Der nach langem Grübeln präsentierte «Rettungsplan» wurde weder von der Börse, noch von kompetenten Beobachtern goutiert. Die Aktie notierte teilweise unter 3 Franken, eine Schande. Das einzige, was üppig sprudelt bei der Bank, das sind die Boni. Eine zweite Schande.

Anstatt sich also um diese Unzahl von Baustellen zu kümmern, hält es die Bank für wichtig und nötig, eine teure externe Anwaltskanzlei zu beauftragen, einen Rundumschlag gegen «Inside Paradeplatz» zu führen. 265 Seiten plus Beilagen plus interne Zulieferdienste, für das Reiten dieses Steckenpferds hat die CS sicherlich um die 500’000 Franken ausgegeben. Bis jetzt.

Die Absicht ist dabei sonnenklar: persönlich betroffene Versager in der Chefetage wollen ihr Mütchen kühlen. Aber nicht bei einem einigermassen finanzstarken Gegner wie der FT, sondern bei der One-man-Show IP. Es geht ihnen auch überhaupt nicht um Persönlichkeitsverletzung, Geschäftsschädigung oder gar «totschreiben». Es geht um beleidigte Leberwurst, Nuggi rausgehauen, Exempel statuieren, hässig auf Hässig sein.

Das ist ein Frontalangriff auf die Medien in der Schweiz. Mit bislang ungekannter Energie, Wucht und Finanzstärke vorgetragen. Unabhängig davon, wie die übrigen Medien zu Hässig stehen: das sollte ein breites Echo, einen Aufschrei auslösen. Nicht, um die Inhalte von Hässig zu verteidigen. Sondern um die Absicht dieses Angriffs zu denunzieren.

Sollte. Aber natürlich kennen wir unsere Elendsmedien besser.

Tamedia: tiefes Schweigen bislang, abgesehen von einer Tickermeldung. NZZ: eine Kurzmeldung der Feuilleton-Redaktion (!). Offenbar hält man den Vorfall hier für ein Unterhaltungsprogramm. Das Demokratierettungsblatt «Republik»? Tiefes Schweigen. watson.ch: Immerhin «Monsterklage: Credit Suisse will 52 «Inside Paradeplatz»-Artikel gelöscht haben». Allerdings auch die spitze Anmerkung: «Das forsche Vorgehen der Bank lässt sich wohl auch mit Frust erklären. Hässig sei in den vergangenen Jahren regelmässig an seine Verantwortlichkeit ermahnt worden, heisst es aus dem CS-Umfeld. Und zwar auch in Bezug auf die inhaltliche Überwachung der Leserkommentare. «Allerdings ohne Erfolg.»» Das bedeutet: watson. ch liess sich von der Corporate Communication der Bank diese Sätze einflüstern.

Besser gesagt: watson.ch übernahm wortwörtlich, was Florence Vuichard, die Wirtschaftschefin von CH Media, dort publizierte. Kein Wunder, gehört beides dem Wannerclan. Auch der «Walliser Bote» schreibt von einer «Monsterklage». Er hat immerhin ein wenig recherchiert, zitiert einen Artikel des Medienanwalts Matthias Schwaibold und hat die Bank um Stellungnahme gebeten: «Auf Anfrage begründet die Grossbank ihr Vorgehen folgendermassen: «Credit Suisse hat sich entschieden, die Rechtmässigkeit von Leserkommentaren und Texten rechtlich überprüfen zu lassen. Dies geschieht zum Schutz unserer Mitarbeitenden, die auf dem Blog regelmässig beschimpft und verunglimpft werden.» Mehr will die CS nicht sagen, auch zur Frage nicht, wieso sie gerade jetzt aktiv wird. Und ob das forsche Vorgehen etwas mit Markus Diethelm, dem ehemaligen UBS-Rechtschef, zu tun hat, der nun seit 2022 für die CS in gleicher Funktion tätig ist.»

Aber sonst? Wo bleiben die Gutmenschen von Ringier? Interessiert das weder den «Blick» noch die versammelte Wirtschaftspresse von Axel Springer Ringier Mobiliar? Und die Staatsfunker von SRF? Sendepause, wichtiger scheint zu sein: «Reicht einmal Duschen pro Woche?»

Wieder einmal zeigen die Medien, dass sie weder zu Solidarität, noch zur Verteidigung ihrer ureigensten Interessen fähig sind. Denn ein solcher Angriff auf einen Blog ist eine Bedrohung für alle Newsmedien. Für alle, die kritische Berichte, auch über immer noch mächtige Banken, veröffentlichen.

Wenn Hässig diesen Prozess auch nur teilweise verliert, ist er pleite. Wenn ihn nicht schon vorher die Kosten seiner Verteidigung totgemacht haben. Selbst wenn er – oder frustrierte Banker, die bei ihm anonym in Kommentaren vom Leder ziehen – nicht nur die Grenzen des Anstands, sondern auch des gesetzlich Erlaubten überschritten haben sollten: es kann doch nicht sein, ihn dann einfach finanziell plattzumachen.

Gäbe es einen allgemeinen Aufschrei gegen dieses Vorgehen der CS, die Bank würde es sich nochmal überlegen, denn noch mehr Reputationsschaden kann sie wirklich nicht gebrauchen. Aber den wird es nicht geben …

Starkes Stück

NZZ trifft Lorraine. Volltreffer.

Man erinnert sich? Berner Alternativ-Beiz, Auftritt der Band «Lauwarm», Weisse mit Rastalocken, anonyme Nörgler im Publikum fühlten sich wegen angeblicher kultureller Aneignung «unwohl», Abbruch des Konzerts nach der Pause.

Danach Riesengebrüll mit internationalem Echo. Dialogfreier Austausch von Schnöseleien. Mitten drin das Kollektiv der Beiz, das mit der Situation heillos überfordert war.

So naheliegend wie schwierig, nach dem Sturm eine Reportage über das Lorraine zu schreiben. Besonders, wenn man Redaktor der NZZ ist. Aber Nadine A. Brügger beweist, was man mit Hartnäckigkeit und Sensibilität erreichen kann.

Rund vier Monate nach dem Skandal beginnt sie, per Mail um ein Gespräch mit den Beizern nachzusuchen. Einen Monat später und nach Aussprachen in kleiner und grosser Runde des Kollektivs bekommt sie am 14. November die Antwort: «Wir machen mit. Wänn chunsch?» Einen Tag später steht sie auf der Matte, beziehungsweise vor der Türe des Lorraine.

Auch in dieser Schlüsselszene zeigt Brügger, wie man szenische und reflektierende Passagen miteinander verbindet:

«15. November, Bern. Abends ist die Lorraine ein dunkles Quartier. Vor der Tür der Brasserie steht eine Frau, den Hund an der Leine, die Zigarette in den letzten Zügen. Aus einem Fenster fällt Licht auf die Strasse. Am Tisch dahinter sitzt eine fröhliche Männerrunde, Jasskarten in den Händen.
Drinnen hängt ein Kronleuchter von der Decke. In den Zeitungsständern ist die Auswahl bunter als an manchem Kiosk. In der Gaststube riecht es nach Essen. Zum Gespräch geht es in einen ruhigeren Raum. Auf dem Tisch dampft ein Zitronen-Ingwer-Tee.
Die Kollektiv-Mitglieder sind etwas nervös. Das legt sich erst, als sie davon erzählen, wie das so ist: im Kollektiv arbeiten.»

Das ist nicht anbiedernd, aber auch nicht im Nachhinein denunzierend. Denn nichts ist leichter, als durch geschickt gesetzte Adjektive oder maliziöse Bemerkungen eine Situation zu karikieren, ohne dass der Karikierte sagen könnte, man habe ihm das Wort im Mund umgedreht.

Leider hinter der Bezahlschranke, aber ein starkes Stück ganz einfacher Journalismus. Hingehen, hinhören, für den Leser die Zusammenhänge herstellen, nicht werten, einfach berichten.

Man erfährt auch, wie’s denn genau war. Die Band trat auf, in der Pause meldeten sich anonyme Schneeflocken beim Kollektiv und äusserten ihr Unwohlsein. Das wurde der Band mitgeteilt, wodurch die Stimmung dann futsch war. Man wollte mit den Unwohlen sprechen, aber die waren nach ihrer Denunziation bereits verschwunden. Welch ein feiger und peinlicher Auftritt. Dann Abbruch. Auch später hatte keiner der Verursacher des Skandals die Eier, sich öffentlich hinzustellen.

Ist eigentlich gar nicht so schwierig. Aber völlig aus der Mode gekommen. Verdrängt von Nabelschau, Rechthaberei, wohlfeilem Umschreiben der Wirklichkeit, wie sie dem Schreiber passt. Oder wie sie sein sollte. Daher ist dieser Artikel eine Oase in der Wüste.

Geld wert? NZZ

Eine Kurzserie zu unseren Tageszeitungen.

Wir steigen mal ganz oben ein. Zumindest preislich. Für Fr. 5.10 bekommt man 32 Seiten NZZ. Das sind ziemlich genau 16 Rappen pro Seite, ob mit Text (meistens) oder mit Inserat (selten).

Was bietet das Blatt als Kaufanreiz, also oberhalb des Bundes?

NZZ-Konservative schüttelt es schon mal beim nachkolorierten Foto. Kommt halt davon, wenn man von «kein Foto» über «Schwarzweiss, aber klein» zu «volle Dröhnung» fort- oder zurückgeschritten ist.

Aber ist sicher ein Hingucker. Bloss ist die Frage: Hat das die NZZ nötig? Was gibt’s sonst an diesem Montag? In China gehen ein paar Hundert Menschen auf die Strasse. Das ist sicherlich vermeldenswert, aber bei 1,42 Milliarden Einwohnern …

Die titelwürdige Mitteilung hingegen «Winter beeinflusst den Kriegsverlauf», das ist nun eine News, die den Leser überrascht. Verblüfft. Wer hätte das gedacht. Gilt das auch für den Sommer? Wie steht es mit Vollmond? Regen? Starke Winde? Wir erwarten, dass die NZZ dieses Thema weiter vertieft.

Und sonst? Was früher auch undenkbar gewesen wäre, das Zürich-Ressort schafft’s auf die Front, es gab im Kanton ein paar Abstimmungen.

Wir blättern 16 Rappen weiter und bekommen auf der nächsten Doppelseite ein Riesenfoto, einiges an Text und nette Kriegs-Sandkastenkarten gezeigt.

Richtig gewichtet? Bei diesem Panzer sicher nicht.

Auf Seite 4 dann endlich ein guter Grund, die NZZ zu kaufen. «Machtkampf in Pakistan», von Andreas Babst. Zwar in Delhi stationiert, aber das ist ja nur 614 km von der pakistanischen Hauptstadt entfernt. Seit 2020 Südostasien-Korrespondent des Blattes, das früher einmal in so ziemlich jedem Land der Welt wenigstens einen freien Mitarbeiter hatte. Aber gut, besser als nix, also besser als alle anderen Schweizer Tageszeitungen.

Dann «Der erbarmungslose Diktator», diesmal sitzt er in Teheran. Der Autor Michael Schillinger war bis 2020 Chef vom Dienst bei den Nachrichten, zuvor «Aufbau und Leitung des Onlinemagazins daslamm.ch.» Aus dem aktuellen Schaffen dieses Qualitätsorgans:

Dafür kann Schillinger nichts mehr? Nun ja, aber er hat’s aufgebaut und geleitet. Also Vergangenheit und Gegenwart erklären nicht so ganz, wieso er auf einer NZZ-Seite einen Ayatollah kompetent fertigmachen sollte.

Dann eine parteipolitisch völlig unabhängige und neutrale Seite: «Der glücklose Direktor Rösti». Aber scheint’s soll es nicht mehr obligatorisch sein, als NZZ-Redaktor Mitglied bei der FDP zu sein.

Dann Überblättern wir mal rund 4 Franken und kommen zur hübschen Medien-Story, dass der ältesten Zeitung der Welt das Aus drohe. Es geht um die «Wiener Zeitung», 1703 das erste Mal erschienen. Das wunderbare Foto aus dem Kaffee Hawelka tröstet über manches hinweg, auch darüber, dass die Medien-Seite der NZZ schon mal aktueller berichtete.

Schliesslich nimmt sich der Medien-Professor Urs Saxer dem auch nicht gerade taufrischen Thema an, dass die Floskel «es gilt die Unschuldsvermutung» nicht nur im Fall Vincenz zur lachhaften Leerformel verkam. Was noch danach kommt, läuft unter: kann man machen, muss man nicht machen.

Kleines Resümee. Fr. 5.10 verlangt die alte Tante im Einzelverkauf für 32 Seiten. Eine einzelne Stichprobe hat immer etwas Ungerechtes, zugegeben. Und die Sonntagsmannschaft ist traditionell bei Zeitungen nicht das A-Team. Aber: das hat sich nun nicht gelohnt. Zu teuer, zu wenig Gehalt, kaum Alleinstellung, nicht rasend kompetent, teilweise nicht mal Pflichtlektüre. Schade, wir wünschen gute Besserung.

Morgen: «Blick».