Wo die Pressefreiheit wirklich gefährdet ist

Credit Suisse contra «Inside Paradeplatz»: Das Schweigen der Lämmer.

Tamedia faselt ständig von irgendwelchen Lecks, «Blick» will von niemandem beeinflusst sein, was normalerweise nur ausgesprochen verbohrte, arrogante und selbstgenügsame Medien von sich behaupten. Dann haben wir noch das WEF (wie sagte mal ein nicht unbekannter und sehr intelligenter Banker: «sollte ich einmal dorthin eingeladen werden, weiss ich, dass ich etwas falsch gemacht habe»), natürlich und selbstverständlich die Ukraine.

Also sind die beiden Zentralredaktionen, die mit ihren Erzeugnissen flächendeckend die Deutschschweiz beschallen, restlos ausgelastet.

Immerhin gibt es noch die NZZ, die innerhalb all dieses Wiederkäuens an eine Front erinnert, wo zurzeit die wirkliche Schlacht um die Pressefreiheit in der Schweiz stattfindet. Nämlich im Kampf der Credit Suisse gegen den Finanzblog «Inside Paradeplatz».

«Der Credit Suisse droht ein Pyrrhussieg», titelt sie gelehrt einen Riesenriemen von über 12’000 Anschlägen. Anfang Dezember machte der Finanzblog bekannt, dass ihm eine 264-Seiten umfassende Klageschrift der CS ins Haus geschneit sei. In der Zeit zwischen Ende Juli und Ende Oktober, also seit dem Amtsantritt des neusten Dreamteams bei der CS, werden rund 50 Artikel und über 200 Leserkommentare eingeklagt. Sie seien persönlichkeitsverletzend und/oder geschäftsschädigend, verstiessen also gegen das UWG.

Damit hat die CS sozusagen den juristischen Flammenwerfer, die Stalinorgel, das Maschinengewehr auf Dauerfeuer gegen IP gerichtet. Zur Sicherheit hat die CS auf die Zivilklage noch eine Strafanzeige draufgelegt, damit da kein Gras mehr wachse.

Da in einem Zivilverfahren nicht nur jeder Vorwurf akkurat aufgelistet und begründet werden muss, sondern genauso akkurat vom Angegriffenen widerlegt, kommen selbst im besten Fall happige Kosten auf IP zu. Obwohl die CS behauptet, sie klage hier «zum Schutz unserer Mitarbeitenden», ist wohl der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass es ihr in erster Linie darum geht, den Finanzblog finanziell fertigzumachen.

In aller gebotenen Objektivität zählt die NZZ die Meriten auf, die sich der Betreiber Lukas Hässig zuschreiben kann, wofür er auch zum Journalisten des Jahres gewählt wurde, als dieser Titel noch etwas bedeutete. Die Aufdeckung eines Mulimillionen-Abgangsbonus für den damaligen Novartis-Chef Daniel Vasella, die Aufdeckung des Geschäftsgebarens des gefallenen Raiffeisen-Stars Pierin Vincenz im Alleingang – nur zwei Beispiele von Hässigs Wirken.

Als One-Man-Show hat er bereits dermassen häufig die verbliebenen Wirtschaftsredaktionen abgetrocknet, dass ihm deren tiefempfundener Neid gewiss ist. Daher wird in den Schweizer Medien nur zurückhaltend berichtet, während es Hässig dank der CS immerhin bis in den «Spiegel» und auf die Frontseite der «Financial Times» kam.

Dieser Bekanntheitszuwachs ist ein Punkt, wieso die NZZ einen möglichen Pyrrhussieg der CS vermutet. Dazu kommt natürlich die klassische David und Goliath Geschichte und schliesslich die Frage, ob die krisengeplagte und schlingernde Bank wirklich nichts Besseres zu tun habe, als einen unliebsamen Kritiker mit einer teuren Monsteranklage zu überziehen.

Auf der anderen Seite ist es so, dass Hässig tatsächlich gelegentlich eine Art Borderline-Journalismus betreibt. Er haut mal einen raus, wenn dann die Rechtsabteilung der betroffenen Bank anruft und aufheult, lässt er sich zu partiellen Löschungen überreden.

Aus langjähriger Erfahrung weiss er aber meistens, wo die Grenzen liegen, hinter denen die juristische Todeszone im Journalismus beginnt. Das gilt aber nicht für seine Leserkommentare. Hier toben sich unter Pseudonym eine ganze Latte von grösstenteils frustrierten Bankern und Ex-Bankern aus, für die eigentlich alle führenden Bankenlenker auf dem Platz Schweiz ausgemachte Pfeifen und Versager sind. Diese Auffassungen vertreten sie im Schutz der Anonymität recht ungeniert.

Es ist leider eine bekannte Tatsache, dass bei einem Kommentar nicht nur der Kommentator, sondern auch derjenige haftet, der ihm seine Plattform zur Verfügung stellt. Ausser auf sozialen Plattformen wie Facebook, aber das ist eine Schlaumeierei für sich.

Anonym macht mutig, das weiss jeder. Das ZACKBUM-Redaktor René Zeyer auch gelegentlich auf IP publiziert, kennt er die Kläffer und Belferer zur Genüge, die sich unter durchaus interessante Kommentatoren mischen. Wir sind immer der Auffassung, dass der, der kräftig austeilt, kein Glaskinn haben darf. Ausserdem geht uns das Gewäffel frustrierter Versager, auf die noch nie im Leben jemand gehört hat, schwer am Allerwertesten vorbei.

Wenn man aber übelnehmen will, und das will die CS, findet man dafür genügend Anlass. Wieso Hässig schon seit Jahren diese Flanke offenlässt, in geradezu fahrlässiger Weise Kommentare freischaltet, die auch für den Laien erkennbare Beleidigungen enthalten, bleibt sein süsses Geheimnis.

Prozessökonomisch wäre es klar die bessere Strategie für die CS gewesen, sich auf zwei drei Textstellen in Artikeln und fünf, maximal zehn Kommentare zu beschränken, wo es in jedem einzelnen Fall glasklar gewesen wäre, dass hier Recht verletzt wurde.

Es mag sein, dass der federführende Anwalt Daniel Glasl einfach möglichst viele Stunden aufschreiben wollte. Es ist aber wahrscheinlicher, dass sich dieser Wunsch mit der Absicht der CS traf, durch eine Monsterklage dem Finanzblog einfach das Wasser abzugraben. Völlig egal, welche Zahl an eingeklagten Textstellen die CS gewinnen wird – für IP bedeutet die Verteidigung horrende Ausgaben.

Dass es mehr um fertigmachen als um Gerechtigkeit geht, beweist auch der Antrag der CS auf Gewinnherausgabe. Das ist im ZGB so vorgesehen und keinesfalls Neuland. Auch die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet versucht das gegenüber Ringier. Aber alleine ihr Fall beweist, wie verdammt schwierig es ist, den Gewinn aus einzelnen Artikeln zu berechnen. Eine solche Berechnung ist aber die Voraussetzung, dass überhaupt die Forderung nach Herausgabe gestellt werden kann.

Seitdem JSH verkündete, dass sie Ringier zur Herausgabe von Zahlen und Unterlagen gezwungen habe, ist es eigenartig ruhig geworden. Im Vorfeld hatte ein völlig verpeilter Hansi Voigt noch behauptet, Ringier habe mit Artikeln über JSH über eine Million Gewinn gemacht, wobei das Finanzgenie Umsatz und Gewinn einfach gleichsetzte. Aber seitdem JSH über die geforderten Zahlen verfügt, gibt es Sendepause.

Auch die CS spekuliert nicht ernsthaft darauf, durch eine Gewinnherausgabe bei IP endlich ihre finanzielle Schieflache begradigen zu können. Es geht ihr einzig und alleine darum, eine weitere Kampffront zu eröffnen, um Hässig weitere Unkosten zu verursachen.

Hier fällt also ein ganz Grosser über einen ganz Kleinen her. Der daran zwar nicht ganz unschuldige ist. Aber dennoch von allen Medienorganen unterstützt werden müsste, die auch morgen noch wagen wollen, gelegentlich aufmüpfige Dinge über potente Finanzhäuser mit Geld zum Verstreuen zu sagen.

Aber offenbar ist Nabelschau, Neid und konstante Ablenkung auf Nebensächliches so verbreitet, dass ausser der nochmals ausdrücklich gelobten NZZ nach anfänglicher, dezenter Berichterstattung weder CH Media noch Tamedia es für nötig halten, diesem Anschlag auf die Pressefreiheit solidarisch entgegenzutreten.

Sich mit der weidwunden und daher brandgefährlichen CS anzulegen, das bräuchte Mut. Blau-gelbe Fahnen als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine flattern zu lassen, das braucht überhaupt keinen Mut. So schaut’s aus.

1 Antwort
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Am Vorabend der digitalen ID (nicht vom Staat verwaltet, sondern von Konzernen), im MorgenGrauen des elektronisch kontrollierten Geldes: ES WURDE SORTIERT.
    Die paar Einzelkämpfer unter den Medien, eine Handfastleer, sind notiert.
    Und es darf, muss gesagt sein: selbst die brauchten eine deutliche Anstolperzeit, bis sie sich gegen den Corona-Wahnsinn & -Blödsinn anschlichen. Dass es ein gigantisches VERBRECHEN war, IST, das darf heute noch niemand schreiben.
    Die paar Einzelkämpfer unter Unternehmern, ‘Patrioten’, Lehrern, Künstlern, freischaffenden Journalisten, Juristen, Ärzten etc – sind notiert, zum Teil schon AUSsortiert.

    Politiker? Ach ja, sind halt Politiker. Spiegel der braven, doofen, angstgesteuerten Wähler**innen.
    Wiederkäuer** von dem, was uns die Massenmedien zum Frass und nicht wählen hin werfen.
    Die Werkzeuge sind schon längstens installiert und erprobt:
    SRF, eine StaatsKakostrophe.
    Medien: sie würgen ihr Selbstverständnis gerade selber aus sich heraus.
    WissensHaft: gekauft.
    Justiz: verkauft.
    Schule/Unis/Bildung: missbildet.
    Internet: die Zensur und Bündelung/Fokussierung auf betreute Wahrheit wird gerade nachjustiert.

    Corona sei Dank, ein gigantisch grosser und schneller Sprung zur Disziplinierung oder Eliminierung der noch Freien.

    Der sterbende Schwan CS macht noch den letzten Dreckjob, bzw Liebesdienst ans System.
    Wahrscheinlich erst noch auf Kosten der Steuerzahler…….
    Kompliment an Lukas Hässig, er hat den Monstern in die Fresse geschaut.
    Ja, so schaut’s aus.

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