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Zahlen lügen nicht

Zwei Strategien scheitern, zwei funktionieren.

So einfach sind die neusten Zahlen der Studie «Mach Basic» der Wemf. Abgesehen davon, dass die Bude immer mal wieder die Kriterien ändert, was beispielsweise die aktuellen Zahlen der «Schweiz am Wochenende» nicht mit denen des Vorjahrs vergleichen lässt: klare Ergebnisse der neusten Reichweitemessung.

«20 Minuten» in der Deutschschweiz: minus 10 Prozent, «Tages-Anzeiger» sogar minus 13 Prozent, «SonntagsZeitung» minus 1 Prozent.

Parallel dazu: «Blick» minus 10 Prozent, «SonntagsBlick» minus 10 Prozent. «Beobachter» minus 10 Prozent, «Schweizer Illustrierte» minus 10 Prozent, sogar die «Glückspost» minus 10 Prozent.

Also Tamedia und Ringier verlieren happig Leser im zweistelligen Bereich. Bevor da von allgemeinen Umständen, schwierigen Zeiten und unbeständigem Wetter gefaselt wird, im besten CS-Stil:

«NZZ» plus 6 Prozent, «Schweiz am Wochenende» mit 992’000 Lesern die meistgelesen Zeitung der Deutschschweiz. Dazu hält sich die NZZaS einigermassen, die SoZ auch, während der SoBli abschmiert.

Wir sprechen hier ausschliesslich vom Print, da die Wemf die Zahlen für «total audience», also Print und Online, nur gegen Bezahlung rausrückt.

Aber im Printbereich kann man eindeutig sagen, dass sich CH Media einigermassen hält und die NZZ deutlich zulegt. Während bei Tamedia «20 Minuten» und vor allem der «Tages-Anzeiger» schwächeln, hält sich immerhin die SoZ auf Vorjahresniveau.

Durchs Band schmiert hingegen die «Blick»-Familie ab. Nun haben solche Entwicklungen immer Verantwortliche, und die sind nicht unbedingt auf der Ebene Chefredaktion zu suchen, sondern bei der Geschäftsleitung. Das wäre bei Ringier also Ladina Heimgartner, die offensichtlich mit Blitzstrahlen und einem zur Denunziation einladenden «Cultural Audit» davon ablenken will, dass ihre Strategie, dem «Blick» alle Zähne zu ziehen und ihn weiblicher, dafür viel weniger boulevardesk zu machen, krachend gescheitert ist.

Bei Tamedia musste der zuständige Geschäftsführer Marco Boselli bereits die Konsequenzen verspüren. Er wurde kurz spitz entsorgt. Sein Nachfolger a.i. hat allerdings durchaus Ähnlichkeiten mit Heimgartner: ein Schwulstschwätzer ohne Leistungsausweis.

Die Frage ist nun, ob diese desaströsen Zahlen in zwei Verlagen, im Gegensatz zu stabilen oder sogar positiven Zahlen in zwei anderen Verlagen, irgendwelche Konsequenzen haben werden. Leserschwund in zweistelliger Zahl, das ist normalerweise ein Alarmzeichen, auf das reagiert werden muss. Die Auswechslung von Geschäftsleitung und Chefredaktion drängt sich dabei normalerweise auf.

Nun hat Heimgartner, wenn auch aus anderem Grund, den Oberchefredaktor der «Blick»-Familie in eine Auszeit ohne Wiederkehr geschickt. Auch der Oberchefredaktor bei Tamedia musste ins Glied zurücktreten, sozusagen. Während die Nachfolge beim «Blick» noch völlig unklar ist, lässt die Regelung beim «Tages-Anzeiger» Übles ahnen.

Währenddessen zeigen Patrik Müller und Eric Gujer, beide auch in der Geschäftsleitung, dass die gute alte Idee, dem Leser für sein Geld auch einen Gegenwert zu bieten, durchaus Sinn macht. CH Media (und die NZZ) sind das Thema Pandemie viel weniger kreischig und unverhohlen regierungsgläubig angegangen, haben viel weniger gegen angebliche Corona-Leugner ausgeteilt.

Natürlich spielt die NZZ inzwischen in einer eigenen Liga, was die Breite des Angebots, die Qualität des Angebotenen und die klare Positionierung betrifft. Aber genau da liegt die Achillesferse sowohl von Ringier wie von Tamedia. Die Hauptpublikationen lassen jedes Profil vermissen. Es ist Wischiwaschi, Weichgespültes, allzu häufig sind es Bauchnabelbetrachtungen der Redakteure.

Bei Tamedia nimmt der Anteil von Artikeln aus der «Süddeutschen Zeitung» in München überhand, bei Ringier fehlt es zunehmend an journalistischen Eigenleistungen im Boulevard. Dass ein längst pensionierter Vic Dammann immer noch die einzigen Krimalstorys mit Hand und Fuss beim «Blick» schreibt, dass Tamedia überhaupt keinen profilierten Schreiber mehr hat, das ist ein klares Indiz der Misere.

Wie schon Zimmermann in seiner «Weltwoche»-Kolumne empfahl, der Tagi sollte sich einfach mal klar positionieren. Als das, was aus ihm geworden ist. Ein Blatt für ein wokes, urbanes, eher linkes Publikum der Besserverdienenden, denen das Schicksal von Prekariatsmitgliedern eher egal ist. Die ihre Kinder in Privatschulen schicken und somit nichts von den Auswirkungen der Masseneinwanderung im staatlichen Schulsystem mitkriegen. Die hedonistisch in Genuss schwelgen, in der Stadt mit dem E-Scooter herumglühen, aber in den Ferien gerne mal auf den Malediven entspannen.

Der «Blick» hingegen müsste dringend zum althergebrachten Konzept «Blut, Busen, Büsis» zurückkehren. Denn das gehört zum Boulevard wie die Kampagne, die anzüglichen Berichte über Sexskandale, über die vielen Fehltritte der B- und C-Prominenz.

Debatten über Gendersterne, inkludierende Sprache, Sprachreinigung, Geschimpfe über Mohrenköpfe, das alles interessiert das Publikum weder beim Tagi noch beim «Blick».

Also Abhilfe wäre denkbar. Aber die wäre auch bei der CS möglich gewesen. Nur sind lediglich durch ihr intrigantes Geschick an höhere Positionen geratene Personen meistens sehr clever im Verteidigen des erkletterten Pöstchens. Aber Impulse, Strategien, Ideen, das alles sind nicht so ihre starken Seiten. Zudem sind sie aus Unsicherheit meistens beratungsresistent und schmeissen lieber einen Haufen Geld für externe Beratung hinaus.

 

Ringier räumt auf – oder ab

«IntegrityPlus» nimmt sich die «Blick»-Gruppe vor. Who?

Wenn die ersten beiden Schritte Vorboten von Kommendem sind, dann gute Nacht. Denn der «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer wurde aufgrund diffuser Anschuldigungen 6 Monate in eine Auszeit ohne Wiederkehr geschickt.

Der langjährige Ringier-Mitarbeiter und Ex-«Blick»-Chefredaktor Werner de Schepper wurde gar öffentlich exekutiert und Knall auf Fall abserviert.

Nun soll die gesamte «Betriebskultur» untersucht werden, oder wie das die zuständige Ladina Heimgartner wolkig umschreibt: «Im Zuge eines ‹Culture Audits› werden wir mithilfe externer Experten durchleuchten, wie es um die Unternehmenskultur innerhalb der Blick-Gruppe im Detail steht, und Massnahmen einleiten, die eine gesunde und offene Betriebskultur weiter fördern und langfristig verankern.»

Das ist nun ihr übliches Manager-Blabla, aber was soll hier genau passieren? «IntegrityPlus» soll zunächst einmal Befragungen durchführen. Integrity who? Das ist ein Zusammenschluss des Beratungskings Movis AG, ein stilles Monster mit «über 20 Beratungsstandorten in der ganzen Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein». Die Riesenbude berät meistens eher geräuschlos.

Nun soll das Unternehmen zusammen mit den Anwälten Rudin Cantieni die neue Bude IntegrityPlus aus der Taufe gehoben haben. VRP Martin Bircher ist gleichzeitig CEO der Movis AG und läuft ansonsten völlig unterhalb aller Radarschirme. Das gilt auch für Geschäftsführerin Marina Conte. Lediglich Linus Cantieni und Johann-Christoph Rudin machten zuletzt Schlagzeilen, als sie die Vorwürfe der gefeuerten «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani untersuchten (und grösstenteils als nicht belegbar abtischten).

Wieso nun ausgerechnet diese neue Entität (statt Movis solo oder Rudin/Cantieni, mit immerhin auch 14 Nasen) die «Blick»-Gruppe untersuchen soll, weiss wohl nur Heimgartner. Was denn nun genau untersucht werden soll, mit welchem Ansatz, mit welchem Personal – das wäre dann doch zu viel der Transparenz. Auch die Beantwortung der Frage, ob hier eine ordentliche Ausschreibung des Auftrags stattfand.

Auf wiederholte Nachfrage, ob für diesen sicherlich nicht billigen Auftrag wie es sich gehört Konkurrenzofferten eingeholt wurden, sagt Ringier lediglich: «Bei der IntegrityPlus AG handelt es sich um einen Zusammenschluss der Besten in diesem Bereich: der Movis AG und der Anwaltskanzlei RudinCantieni. Die Vergabe dieses Auftrages erfolgte Corporate Governance konform.»

Das ist die Transparenz, die man sich bei einer «gesunden und offenen Betriebskultur» wünscht.

Nach den erfolgten Hinrichtungen weiss jeder Mitarbeiter in der mehr oder minder glücklichen «Blick»-Familie zwei Dinge: Hier wird Material gesammelt, und alles, was du sagst, kann gegen dich verwendet werden. Und wer weiss, was die anderen über dich sagen

Und nicht vergessen: Integrität bedeutet Makellosigkeit, ihr Boulevard-Journis.

Lieber Michael Ringier

Offener Brief: Greifen Sie endlich mal durch.

So hätten Sie sich den Altersruhestand nicht vorgestellt. Sie sind gerade 74 geworden (nachträgliche Gratulation). Mit Ihrer Kunstsammlung und Autoliebhaberschaft haben Sie eigentlich einen ausgefüllten Alltag, zudem möchte man auch mal kürzertreten.

Und nun das.

Ihr designierter Nachfolger, der einzige Mitaktionär, der nicht zur Familie gehört, schwächelt. Es ist ihm einerseits gelungen, das Haus Ringier von einer Zeitungsdruckerei zu einem digitalen Konzern umzubauen, der ganze Wertschöpfungsketten bespielt, international als Unterhaltungskonzern aufgestellt ist und sich unter die Fittiche des Springer-Verlags begeben hat. Ach ja, plus einen Schuss Mobiliar.

Das ist die Erfolgsstory. Menschlich gesehen glänzt Marc Walder nicht gerade. Sein unseliger Hang zu Wichtigen und Mächtigen hat ihn viel zu lange an der Seite von Pierin Vincenz gehalten, dem noch Lobhudelei-Interviews gewährt wurden, als der Skandal längst offenkundig war. Aber gut, dann galt das Grundprinzip des Boulevard: wer hinaufgeschrieben wird, wird dann auch heruntergemacht.

Peinlicher war Walders Panik während der Pandemie; mit seiner Männerfreundschaft zu Alain Berset, mit dem er sich ach so gerne in der Öffentlichkeit zeigte, sprang er in ein weiteres Fettnäpfchen, ohne Not. Dass der arme Christian Dorer behaupten musste, dass er selbst und der «Blick» völlig unabhängig und unbeeinflussbar seien, war an Peinlichkeit kaum zu überbieten.

Auch Walders Auftritte als Videostar leisteten einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu, dass die zusätzliche Subventionsmilliarde den Bach runterging. Dafür haben Sie ihn immerhin sanft, aber öffentlich gerüffelt.

Das sind natürlich, gemessen an der Wertschöpfung, der Umbauleistung und der Teilhaberschaft am Verlag, Peanuts.

Etwas problematischer wird es schon beim Führungspersonal. Wer eine Ladina Heimgartner zu Positionen aufsteigen lässt, für die sie eine extrabreite Visitenkarte braucht, macht etwas falsch. Wer sie in Diskussionsrunden erlebt, wird sich schmerzlich bewusst, dass sie als Karrierebooster über ganz wenige Schlagwörter verfügt. «Resilienz» war ganz am Anfang der King, dann entdeckte sie noch den Feminismus, die «Equal Voice» als neues Leitmotiv. Dass sie ein völlig verunglücktes Redesign des «Blick» zu verantworten hat, das einzige Boulevard-Medium mit Regenrohr im Logo, eine kostspielige Verarsche eines überschätzten und teuren PR-Fuzzis, der ständig die Namen seiner Firma wechseln muss, wenn er mal wieder Schiffbruch erlitt, peinlich. Peinlicher, dass mit der angeblichen Verweiblichung dem «Blick» alle Zähne gezogen wurden.

Wer Boulevard ohne «Blut, Büsi, Busen» machen will, hat Boulevard nicht verstanden.

Dass Heimgartner als knallharte Machtstrategin auf den richtigen Moment wartete, um den unbestritten erfolgreichen Oberchefredaktor Christian Dorer abzusägen, das war zwar ein intrigantes Meisterstück. Was das allerdings für ein Signal aussendet, dass ein bislang unbescholtener, in keinerlei juristische Auseinandersetzungen verwickelter Chefredaktor, dem auch in der Redaktion niemand etwas vorzuwerfen hat (ausser einer wie immer anonymen Redaktorin, die sich angeblich vernachlässigt oder nicht genügend gewürdigt fühlte), einfach so weggehauen werden kann, ist bedenklich.

Dass Dorers Verhalten und seine Vorlieben schon lange bekannt waren, ohne dass das zu geringsten Beschwerden geführt hätte, belegt, dass es sich um einen gezielten Blattschuss einer Karrieristin handelte.

Das gilt übrigens auch für Werner de Schepper, bei dem unbelegte Andeutungen angeblicher Übergriffe genügten – von denen es mindestens zwei Versionen gibt –, dass er nicht nur entlassen, sondern geradezu öffentlich hingerichtet wurde. Das war nun überhaupt nicht die feine Art; und wenn Heimgartner dabei eine Rolle gespielt haben sollte, oder gar die Noch-Gattin von Walder, dann war das eine sehr unfeine Art.

Natürlich ist es verständlich, dass Sie nur ungern von Ihrer Nachfolgeplanung abweichen wollen. Walder soll Sie als VR-Präsident beerben, Heimgartner soll als weiblicher CEO ein Zeichen als Quotenfrau setzen.

Vielleicht sollten Sie Folgendes bedenken. Erinnern Sie sich noch an Meili Wolf oder Martin Kall? An Heinrich Oswald oder Oscar Frei? Sehen Sie da nicht vielleicht eine gewisse Fallhöhe, einen Niveau-Unterschied? Inzwischen dürften Sie doch auch den ewigen und meistens fatalen Einflüsterungen des Hausgespensts Frank A. Meyer überdrüssig geworden sein.

Laissez faire, laissez aller, das ist eine schöne, altersweise Einstellung. Aber wenn Sie Ihren Ruhestand dann wirklich geniessen wollen und ein bestelltes Haus hinterlassen, müssten Sie jetzt durchgreifen. Und zwar auf der Chefetage. Walder braucht dringend ein Coaching, Heimgartner ein Abklingbecken, in das sie möglichst geräuschlos entsorgt werden kann. Nehmen Sie sich an Tamedia und Priska Amstutz ein Beispiel. «Studie über New Market Opportunities in Africa and Asia», das hört sich doch gut an – und wäre wie gemacht für Heimgartner.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer war in verschiedenen Funktionen für Ringier tätig.

Gibt es Hoffnung für den «Blick»?

Vielleicht ist Ladina Heimgartner in den Ferien.

Denn  ZACKBUM konstatiert leise Lebenszeichen eines Boulevardmediums. Das kann ja alles kein Zufall sein.

Zunächst die obligate Tier-Jöh-Geschichte:

Da ist doch alles drin, was den «Blick»-Leser in Wallung bringt. Murmeli, Gourmet-Koch, Totschlag. Für empfindsame Gemüter: nein, serviert wurde das Murmeli dann nicht.

Dann Neues vom abtretenden Gottseibeiuns:

Könnte ja eine gute Idee sein, nur spricht dagegen: sie ist von Köppel. Der hier darf natürlich auch nie fehlen:

Ist zwar eine blöde Idee und völlig realitätsfremd, nur spricht dafür: sie ist von Wermuth.

Dass Putin als Kriegsverbrecher angeklagt wird, hatten schon alle. Also musste sich der «Blick» etwas einfallen lassen, et voilà:

Ist doch auch alles drin, was es so braucht: Wagner-Chef, irre, Putin, Verschwörung. Kann man problemlos durchdeklinieren und rezyklieren, zum Beispiel: Irrer Putin erfindet Wagner-Verschwörung.

Fast einen Tick zu handfest wird es dann hier:

Aber Allerwertester hat halt verdammt viele Buchstaben … Doch zurück zum Thema Tiere und jöh:

Dann ein Beitrag für unsere Prekariatsmitglieder mit Migrationshintergrund:

Wenn wir schon beim Thema sind, ein kämpfender SP-Nationalrat ist auch ausserhalb der Ukraine gern gesehen:

 

Das sind doch alles hoffnungsvolle kleine Zeichen eines «Blick»-Frühlings. Da verzeihen wir auch solche Not-Storys:

Hier ist die Antwort einfach: mindestens solange, wie sein Vertrag noch läuft. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie lange der «Blick» so munter bleibt. Bis Heimgartner aus den Ferien zurück ist?

 

 

Sag mir, wo die Mädchen sind

ZACKBUM fragt unerschrocken: Chefinnen, wo seid ihr?

Im Konkurrenzkampf um Posten und Karriereschritte gibt es seit einiger Zeit eine neue Waffe. Eine wahre Atombombe. Mit der verhält es sich aber etwa so wie nach Hiroshima. Nur eine Weltmacht ist im Besitz dieser schrecklichen Bedrohung.

Damals waren es die USA, heute sind es die Frauen. Der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs ist diese Waffe. Der mag schon viele Jahre zurückliegen, spielt keine Rolle. Der mag schon längst verjährt sein. Völlig egal. Der mag verbal stattgefunden haben. Ohne Belang. Es gibt keine Zeugen dafür. Unerheblich. Der einzige Beweis besteht aus der Behauptung des weiblichen Beteiligten. Unschuldsvermutung ade.

Wenn eine mässig erfolgreiche Frau von der mickrigen Performance von ihr angepriesener Finanzprodukte ablenken will, die sie unter dem Label Feminismus verkauft, zieht sie die Sexismuskarte. Wenn die gleiche Frau sich mal wieder in die Medien bringen will, erzählt sie von einem x Jahre zurückliegenden Kussversuch. Den sie damals nicht meldete, obwohl es alle nötigen Institutionen gegeben hätte. Über den sie angeblich zuvor nie sprechen konnte. Der sie bis heute beschäftige.

Während man so einer Einlassung früher mit schallendem Gelächter begegnet wäre, müssen heute alle betroffene Gesichter machen und ohne loszuprusten Untersuchungen ankündigen. Und der damalige Küsser, wenn es ihn überhaupt gab, muss befürchten, dass er ernsthafte Probleme bekommen könnte. Heute.

Der Gipfel der Unverfrorenheit war der Protestbrief von 78 erregten Tamedia-Frauen. Indem sie nur anonymisierte Beispiele für ihre ruf- und geschäftsschädigenden Vorwürfe vorbrachten, stellten sie sämtliche männliche Tamedia-Mitarbeiter unter den Generalverdacht, sexistische Schweine zu sein. Kein einziger, ZACKBUM wiederholt, kein einziger dieser Vorwürfe ist bis heute erhärtet oder verifiziert. Wie auch, wenn er darin besteht, dass zu einem unbekannten Zeitpunkt ein nicht genannter Mann in einem nicht definierten Zusammenhang ohne Ohrenzeugen irgend etwas gesagt haben soll.

Das liefe eigentlich unter übler Nachrede. Aber stattdessen entschuldigte sich der damalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser präventiv, und der Big Boss von Tamedia Pietro Supino zeigte sich furchtbar betroffen. Statt die Rädelsführerinnen sofort zu feuern und die Unterzeichnerinnen abzumahnen. Deren weibliche Solidarität zeigte sich zudem darin, dass sie kommentarlos hinnahmen, dass das eigentlich für den internen Gebrauch vorgesehene Protestschreiben via eine sehr fragwürdige Botin an die Öffentlichkeit getragen wurde. Zahllose Fragenkataloge von ZACKBUM blieben unbeantwortet; keine einzige der 78 Frauen hatte den Anstand, darauf zu reagieren. ZACKBUM fragte auch alle Nicht-Unterzeichnerinnen an, gleiche Reaktion.

Eine Führungsperson, Voraussetzung männlich, erfährt heute, dass gegen sie Vorwürfe wegen angeblicher sexueller Belästigung erhoben werden. Sollen angeblich schon viele Jahre zurückliegen. Am besten sucht sie sich vorausschauend gleich eine neue Stelle und betet, dass diese Vorwürfe nicht öffentlich werden. Gegenwehr ist völlig zwecklos.

Grauenhaft ist der aktuelle Fall, der dieses System auf die Spitze treibt. Eine Mitarbeiterin, die die Stelle ihres Chefs wollte, dann so massiv gegen ihn vorging, dass eine externe Untersuchung zum Schluss kam, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich sei, erreichte ihr Ziel nicht, sondern wurde sogar selbst gefeuert. Nachdem sie sich in der Illusion wiegen konnte, nach der Entlassung ihres Chefs doch noch seinen Sessel besteigen zu können.

Diese Frau darf dann immerhin im «Spiegel» über vier Seiten vom Leder ziehen, dass es nur so kracht. Das wird als «persönlicher Erfahrungsbericht» verkauft, weil die Gegenseite keine Gelegenheit zur Richtigstellung bekam. Dazu wird behauptet, dass die inzwischen grösstenteils widerlegten oder zumindest stark in Zweifel gezogenen Anschuldigungen der Anklägerin nachrecherchiert und so weit wie möglich mit Dokumenten und Aussagen untermauert worden seien.

Inzwischen stellt sich heraus, dass es sich höchstwahrscheinlich um das Aufwärmen uralter Vorwürfe handelt, um eine gemeinsame Racheaktion der aktuell und von damals Entlassenen. Was dem «Spiegel» – gefangen in Framing und Narrativen von Frauen als Opfer und Männern als Schweine – offenbar entgangen ist. Selbst die «Zeit», sonst immer noch der Leuchtturm von seriösem und verantwortungsbewusstem Journalismus, lässt eine einschlägig parteiische Kraft in ihrem Schulaufsatzstil unbelegte Behauptungen aufstellen, anonyme Zeugen zitieren und Ereignisse im Indikativ darstellen, die in einem ernsthaften Journalismus eigentlich im Konjunktiv, weil noch nicht bewiesen und blosse Behauptungen, stehen müssten.

Was auch niemandem auffällt: wenn Anuschka Roshani über Jahre hinweg angeblich diesen fürchterlichen Misshandlungen durch ihren Chef ausgesetzt war und damals zu den Unterzeichnerinnen des Protestschreibens gehörte, wieso benützte sie dann nicht diese Gelegenheit, um auf ihr schreckliches Schicksal hinzuweisen? Oder hatte sie damals noch die Hoffnung, Finn Canonica wegmobben zu können und selber Chefin zu werden?

Aber das ist noch nicht die ganze Misere. Wo sind eigentlich die weiblichen Führungsfiguren im Journalismus, die – Feministen, aufgepasst, Grund zur Erregung – nicht aus Quotengründen an ihre Stelle kamen und dort etwas wuppen? Eine der auffälligsten Aufsteigerinnen ist Ladina Heimgartner bei Ringier, die eine extralange Visitenkarte bräuchte, um all ihre Titel aufzuzählen. Die Darstellung ihrer Leistungen hätte ebenfalls auf einer Visitenkarte platz, aber im Normalformat. Die bestehen aus einer Kastrierung und Verweiblichung des «Blick», der sich damit als ernstzunehmendes Boulevard-Organ verabschiedete. Und im fleissigen Gebrauch des nichtssagenden Modeworts «Resilienz».

Kerstin Hasse, der «Digital Editor en Chief» von Tamedia, ist auch so eine Nullnummer ohne Anschluss an Leistungen, die niemals eine solche Karriere gemacht hätte, wenn es nicht konjunkturelle Umstände gäbe. Ähnliches gilt auch für die beiden Führungskräfte Aline Wanner und Nicole Althaus bei der NZZ. Während es im Hause Wanner bei CH Media interessanterweise kaum zu solchen Vorkommnissen kommt. Aber CH Media ist auch (bislang) bei der Sexismusdebatte ungeschoren davongekommen. Ob da ein Zusammenhang besteht?

ZACKBUM gönnt allen Menschen, auch weiblichen, jeden Karriere- und Einkommensschritt. Aber hier greift eine Entwicklung um sich, vor der nur gewarnt werden kann. Es gibt viele Gründe und Ursachen, wieso der Journalismus vor die Hunde geht. Die Anwendung der Sexismus-Atombombe ist einer davon, und nicht mal der unwichtigste. Denn wenn es Figuren wie eine Patrizia Laeri, eine Salome Müller, eine Raphaela Birrer, von der hasserfüllten Kämpferin gegen Hass im Internet ganz zu schweigen, die aus einem weinseligen Abend ein ganzes Geschäftsmodell aufbaute, wenn es also solche Randfiguren in die Medien und dort in wichtige Positionen spült, dann kann man nur recht hoffnungslos in die Zukunft der Presse blicken.

Wenn dann noch Dünnbrettbohrer wie Franziska Schutzbach, die immer mit zwei Rudern unterwegs ist, eines nach vorne, eines nach hinten, wenn Pseudowissensschaftler wie Marko Kovac ernsthaft und unwidersprochen zitiert werden, wenn «Fachexperten» nur noch so ausgewählt werden, dass sie ins vorgegebene Framing passen und die gewünschten Narrative abliefern, dann ist’s aschgrau.

Gibt es Hoffnung? Nun, genauso, wie sich in fünf Jahren niemand mehr an Werke eines Bärfuss oder gar eines Zwitterwesens mit bescheuertem Pseudonym erinnern wird, sollte auch hier passieren, was bei solchen Modewellen immer der Fall ist. Sie ebbt ab, und in fünf Jahren kann niemand mehr verstehen, welcher Wahnsinn auf dem Gebiet Sexismus, Gendern, Inkludieren und Kampf gegen kulturelle Aneignung tobte.

Aber der Schaden ist dann bereits angerichtet, und ob sich vor allem die Medien von dieser Enteierung jemals wieder erholen werden, wenn diese nur aus Quotengründen in Positionen der völligen Überforderung gespülten Frauen endlich entsorgt sind, das ist fraglich. Denn die Frage ist weiblich. Die Antwort allerdings auch, um aus diesem Genderschwachsinn noch einen müden Scherz zu melken.

Wumms: Denis von Burg

Noch schlimmer als der «Blick». Nicht einfach, aber machbar.

Tamedia zeigt mit allen vorhandenen Zeigefingern auf den Ringier-Verlag mit seinem sehr unglücklich agierende CEO Marc Walder. Der hatte, zusammen mit Ladina Heimgartner und Christian Dorer als Trio Infernal unterwegs, allen Anlass dafür geboten.

Allerdings übertrieben es die «Blick»-Basher an der Werdstrasse dermassen, dass sie einen kleinen Shitstorm ihrer Leser ernteten. Daraufhin fühlten sie sich bemüssigt, den «Blick» nachzuahmen und den eigenen Leser für dumm zu verkaufen: Tamedia sei dann wirklich völlig regierungsunabhängig, habe keinesfalls lobhudelnd und jubelnd die Politik des damaligen Gesundheitsministers Berset verteidigt.

Das stimmt allerdings. Im Gegensatz zu «Blick» hat Tamedia Berset sogar noch mit Forderungen nach noch drakonischeren Massnahmen, mit Beschimpfungsorgien gegen angebliche Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, Corona-Leugner und Impf-Verweigerer als potenzielle Massenmörder deutlich an Radikalität überholt. Unzählig die hysterischen Ankündigungen baldigen Untergangs durch die Corona-Kreische Marc Brupbacher, der verkündete, er sei dann «fertig» mit Berset, im Fall.

Es sei aber auch an einen Satz des Politikchefs und Leiters der Bundeshausredaktion von Tamedia erinnert. Kein kleines Würstchen, sondern ein Mann mit Einfluss und Medienmacht.

Allerdings wird Denis von Burg zum beleidigten Leberwürstchen, wenn man ihn höflich anfragt, was er denn so post festum zu seinem Gekeife ausser Rand und Band sagen möchte, ob da nicht eine Entschuldigung fällig wäre. Da will er höchstens auf anständig gestellte Fragen antworten, wenn überhaupt.

Nicht Stellung nehmen mochte er zu diesem ungeheuerlichen Satz aus seiner Feder:

«Jetzt muss Berset die Gegner endlich zur Impfung zwingen

Man kann Ringier und «Blick» einiges vorwerfen. Aber das ist denen dann doch nicht unterlaufen. Einen Bundesrat öffentlich dazu auffordern, das Recht zu brechen? Wie in einem diktatorischen Unrechtsstaat einfach durch nichts legitimierten Zwang anwenden?

In jedem verantwortungsbewussten Medium wäre ein solcher Politchef seinen Posten losgeworden, um gemeinsam mit Brupbacher von der Zuschauertribüne aus weiterzuwäffeln. Aber doch nicht bei Tamedia.

Kreidefresser und Angreifer

Die schon, wir nicht. Typisch Tamedia.

Eigentlich wäre das «Blick»-Debakel, das Walder-Desaster Anlass für Freude und Häme bei der Konkurrenz. Man könnte richtig Gas geben oder es ganz cool spielen. Wenn Könner am Gerät wären. Stattdessen schafft es Tamedia, in der Offensive kehrtum zu machen und in die Defensive zu verfallen.

«Was uns vom «Blick» unterscheidet», unter diesem Titel greift Fabian Renz in die Harfe. Der Leiter des «Bundeshausteams» von Tamedia ist bekannt als grosser Einordner der Welt. Er schreckt in seiner Eigenschaft als Besserwisser nicht davor zurück, das Schweizer Parlament zusammenzustauchen und mal kurz den Ständerat neu zu organisieren: «Das Ständemehr gehört abgeschafft, im Ständerat wären den Städten eigene Sitze zuzuhalten.»

Gut, der Mann ist nicht wirklich ernst zu nehmen, lustig wird’s tatsächlich, wenn er den Unterschied zwischen Tamedia und Ringier erklären will. Zunächst räumt er ein, dass beide Medienhäuser Interna aus der Regierung ausplauderten. Aber er sieht da einen bedeutenden Unterschied:

«Ein Grund für unsere Recherchen war das enorme Interesse unserer Leserschaft. Ein anderer Grund war der Informationsauftrag, wie wir ihn verstehen. Gerade eine Extremsituation, in der die Freiheit des Einzelnen massiv beschnitten wird, verlangt nach «lästigen» Medien: Es kann nicht ihre Aufgabe sein, die Regierenden möglichst ungestört schalten, walten und nach eigenem Gutdünken kommunizieren zu lassen.»

Das ist nun ein so extremer intellektueller Tiefflug, dass seine Flügel den Boden berühren. Die ersten beiden Behauptungen könnte genauso gut der «Blick» aufstellen. Und Tamedia als Beispiel «lästiger Medien»? Vertraut Renz wirklich so sehr auf das schnelle Vergessen seiner Leserschaft? Die unzähligen Jubel-Artikel, die strenge Forderung nach  Impfpflicht, die Beschimpfung von Corona-Skeptikern und sogenannten «Corona-Leugnern» als verpeilte Verschwörungstheoretiker, die angeblich rechten Populisten auf den Leim krochen, alles vergessen, Herr Renz?

Wie keifte sein Kollege Denis von Burg: «Besser wäre es, die eingeschüchterten sieben würden sich nochmals aufraffen und selbst in Impfbussen durchs Land reisen. Ueli Maurer ist es dem Land schuldig, jetzt in den SVP-Hochburgen auf Impftour zu gehen.»

Von Burg liebt martialische Worte. «Abwehr brechen, gefährlich, einschüchtern, Angst machen». Das gehört in eine Linie von verbalen Entgleisungen: «Zwingen, jeden erdenktlichen Druck machen, rücksichtslose Trödler, Bürgerpflicht». Das Vokabular des Totalitarismus. Oder wollen wir die Corona-Kreische Marc Brupbacher erwähnen, der mal kurz den Bundesrat für «übergeschnappt» erklärte, weil der nicht seinen brutalen Ratschlagen folgen mochte?

Aber zurück zu Kreidefresser Renz: «Fakt ist, und Laueners E-Mails bestätigen es: Über einen privilegierten Informationskanal zu Bersets Departement haben die Tamedia-Zeitungen nicht verfügt. Unsere Artikel basierten auf einer Vielzahl verschiedener Quellen.»

So wie alle Enthüllungen aus dem Hause Tamedia sich aus einer «Vielzahl von Quellen» speisen. Allerdings sind die meist anonym, was ihre Überprüfung etwas schwierig macht. Und von redaktioneller Unabhängigkeit kann bei Tamedia auch nicht wirklich die Rede sein, wo doch Boss Pietro Supino ungeniert im redaktionellen Teil für die Subventionsmilliarde für notleidende Medienclans warb – mit dem Hinweis auf die strikte Trennung zwischen Verlag und Redaktion. Jeder macht sich halt so lächerlich wie er kann. Und Renz kann.

Allerdings ist auch der «Blick» nicht viel besser:

Christian Dorer, Oberchefredaktor, kann einem langsam Leid tun. Hoffentlich bezieht er genug Schmerzensgeld. Denn zunächst musste er verkniffen schweigen, anschliessend eine Gaga-Stellungnahme von Ladina Heimgartner mitunterzeichnen. die zusammen mit Marc Walder alle journalistischen Standards im Hause Ringier tieferlegt.

Das konnte nicht das letzte Wort gewesen sein, also müssen sich Redaktion und Leserschaft weiteres Gewinsel anhören. Wer so schreibt, muss sich eine Sonnenbrille aufsetzen, damit man den schuldbewussten Blick nicht sieht:

»Die Blick-Redaktion verwahrt sich deshalb entschieden gegen diese Darstellung und weist die Unterstellungen in aller Form zurück. Richtig ist, dass die Blick-Redaktion unabhängig von Verlag und Konzern recherchiert und arbeitet. Sie hat keinerlei Weisungen von irgendwem erhalten, auch nicht vom CEO. Ebenso entschieden verwahren wir uns gegen die Unterstellung, wir hätten uns vom Innendepartement beeinflussen lassen.»

Es ist unverständlich, wieso Dorer (und nicht nur er) etwas dementiert, was offenkundig, bekannt und völlig klar ist. Wenn Michael Ringier, Frank A. Meyer, Marc Walder oder Ladina Heimgartner die Augenbraue heben, dann ist es die vornehmste Aufgabe aller Führungsfiguren, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Das gilt bei Tamedia für die Augenbraue von Pietro Supino, bei CH Media für die Augenbrauen aller Mitglieder des Wanner-Clans, im Reich der Südostschweiz für die Augenbrauen der Lebruments, und wer bei der NZZ nicht auf die Augenbraue von Eric Gujer achtet, macht etwas falsch.

Ach, wir wollen den Besitzer, Verleger, Herausgeber und Chefredaktor, die One-Man-Show Roger Köppel, nicht vergessen.

Also was soll der Quatsch, lieber Herr Dorer? Das haben Sie doch nicht nötig. Der «Blick» sei nicht via Marc Walder mit vertraulichen Informationen bedient worden? Der CEO habe die also wohlweisslich für sich behalten, sozusagen als süsse Geheimnisse im Giftschrank versorgt? Come on, you musst be kidding, wie der Ami da sagt. Dorer aber behauptet:

«Der Vorwurf ist nicht nur falsch, sondern geradezu ehrverletzend für die Redaktion. Und er lässt sich mit einem Blick ins Archiv einfach widerlegen: Blick war nicht regierungstreu, sondern nach bestem Wissen und Gewissen faktentreu.»

Faktentreu? Hatte «Blick» nicht den Wettbewerb ausgerufen, wer die höchste Anzahl Corona-Tote prognostiziert? Der Sieger lag dann bei über 100’000, inklusive zusammenbrechendes Gesundheitssystem, sich stapelnden Leichensäcken und Triagen vor den Notfallstationen. Faktentreu, my ass, wie der Ami sagt.

Aber Dorer hat noch nicht fertig: «Blick arbeitet nicht in einer hierarchischen Linie, in der der CEO etwas vorgibt. Blick arbeitet ausschliesslich nach journalistischen Kriterien, einzig den Leserinnen und Lesern, also Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, verpflichtet.»

Da verschlägt es selbst dem Ami die Sprache …

Richtig macht es hingegen CH Media. Redaktor Francesco Benini rührt kräftig in der Kacke und zitiert zu Hauf anonyme Quellen aus dem Hause Ringier, die sich über Marc Walder und seine Buddy-Wirtschaft echauffieren. Der suchte schon immer, angefangen bei der Witwe des Kampfsportlers Andy Hug, die Nähe von Prominenten. Das damalige Bonmot, dass Walder dem Begriff Witwenschüttler eine neue Bedeutung gebe, war noch scherzhaft gemeint.

Aber dann kamen mit ansteigender Bedeutung Walders andere Kaliber dazu. Pierin Vincenz, Sergio Ermotti, Andreas Meyer und natürlich Alain Berset. Schliesslich war Walders hysterische Reaktion auf die Pandemie im ganzen Haus bekannt. Und in all diesen Fällen sollen die Redaktionen völlig unabhängig, kritisch und ausschliesslich nach journalistischen Kriterien berichtet haben?

All das stellt Benini genüsslich in Frage und zitiert einen «Redaktor»: «Es ist offenkundig, dass unsere Glaubwürdigkeit leidet.» Das Offenkundige nicht sehen wollen, Realitätsverweigerung, das sind immer untrügliche Zeichen des Niedergangs.

Wo bleibt ein klärendes Wort des Verlegers Michael Ringier? Benini greift in die Vollen: «An der Jahrespressekonferenz, die im vergangenen Frühling in einem Saal des Zürcher Kunsthauses abgehalten wurde, sprach Michael Ringier von seiner Kunstsammlung, seinen bevorzugten Fernsehserien und davon, dass sein Privatkoch ihn und seine Frau jeweils auch ins Haus nach Südfrankreich begleite. Über die Publizistik des Hauses verlor er kein Wort.»

Und die NZZ? Sie ordnet ein, kommentiert gnadenlos und fordert gnadenlos: «Die Informationsaustausch-Affäre zwischen Alain Bersets Vorzimmer und dem Medienhaus Ringier muss ausgeleuchtet werden – bis in den dunkelsten Winkel

Die WeWo hingegen eiert herum, zwischen Berset-Bashing und Kritiker-Bashing. Schade.

Wo soll das alles enden? Sagen wir so: hat Friede Springer schon jemals daran gedacht, Mathias Döpfner zu feuern? Nicht, dass wir davon wüssten. Hat Michael Ringier schon jemals daran gedacht, Marc Walder zu feuern? Eher kratzt er mit seinem Schlüsselbund den Lack vom Aston Martin. Abgesehen davon, wer käme denn dann? Ladina Heimgartner? Da könnte Ringier auch gleich Vorwärts- und Rückwärtsgang verwechseln und den Vantage voll Rohr in die Garagenwand fahren.

Blöd, blind, «Blick»

Harte Zeiten für das kastrierte Boulevardmedium.

Es kommt knüppeldick für den «Blick». Zunächst macht sich der CEO und Mitbesitzer des Ringier-Verlags zum Deppen. In einer öffentlichen Veranstaltung verrät Marc Walder «ganz unter uns», dass er seine Redaktionen angewiesen habe, die Regierungen beim Kampf gegen die Pandemie konstruktiv zu unterstützen.

Sargnagel Nummer eins für die behauptete redaktionelle Unabhängigkeit und wichtiger Grund, dass die Subventionsmilliarde für reiche Medienclans an der Urne versenkt wurde.

Damals griff auch noch die Quotenfrau mit extrabreiter Visitenkarte ein. Ladina Heimgartner – wir holen tief Luft – ist Mitglied des Group Executive Board, Head Global Media, Head of Corporate Center und auch noch CEO der Blick-Gruppe. Sie bejubelte schon die «Verweiblichung» des «Blick», den Verzicht auf Blut, Busen und Büsis, auf den Sexratgeber, die Misshandlung des Logos.

Dann griff sie höchstpersönlich noch in die Tasten, als es längst klar war, dass die Steuermilliarde abschiffen würde. Unter völliger Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit machte sie sich mit einem Kommentar lächerlich. Darin behauptete sie doch ohne rot zu werden:

«Journalistinnen und Journalisten sind im Wissen um ihre Verantwortung der Gesellschaft und der Wahrheit verpflichtet. Es geht ihnen darum, Fakten ans Licht zu bringen und einzuordnen, damit sich die Leserinnen, Zuschauer, User ihre eigene Meinung bilden können.»

Das und die Floskel «Resilienz» sind ihre einzig bekannten Beiträge zur Förderung des Journalismus.

Besonders putzig wirkt dieser Kommentar im Nachhinein, weil währenddessen ein reger Austausch zwischen dem Departement Berset und Ringier-CEO Walder stattfand. Der dirigierte aus dem Homeoffice, voll von hysterischer Angst vor dem Virus, die wohlwollende mediale Begleitung und Antizipation der Entscheidungen des Bundesrats.

Im Nachgang zur Enthüllung der «Schweiz am Wochenende» zählte der «Tages-Anzeiger» ganze 180 Mailkontakte zwischen dem Kommunikationschef Bersets und Walder. Der behauptete nassforsch, es habe da höchstens so einen Kontakt pro Woche gegeben. Mehrere pro Tag wäre realitätsnäher.

Sowohl Kommunikationschef wie Bundesrat verweigerten die Antwort auf die Frage, ob in diesen Kontakten auch vertrauliche Informationen weitergeleitet wurden. «Inside Paradeplatz» hingegen wirft die Frage auf, ob die Vorabinformation, dass der Bundesrat wohl den Ankauf von Impfstoffen im Wert von 100 Millionen Franken beschliessen werde («klotzen, nicht kleckern») nicht börsenrelevant sei. Heikle Zusatzfrage.

Nun hat sich Bundesrat Berset auf das Allerheilmittel für alle Politikerbobos entschieden. Er habe von nix nix gewusst und im Übrigen sage er nix, er wolle sich ja nicht strafbar machen.

Seither ist die «Blick»-Gruppe ziemlich in der Bredouille. Die wenigen verbliebenen seriösen Journalisten fragen sich ernsthaft, ob man sie und ihre Arbeit überhaupt noch ernst nehmen kann. Zumal die betroffenen Organe seit Platzen des Skandals am Samstag über dieses und jenes berichtet haben. So vermeldeten sie den Rücktritt der deutschen Verteidigungsministerin oder dass Lehrer Angst vor Schülern haben.

Auch dass Salar Bahrampoori seine Hochzeitspläne verrate, ist eine Schlagzeile wert. Aber der «Blick»-Skandal? Informationspflicht an den Leser, Aufklärung, Rechtfertigung, Selbstkritik? Ach was, stattdessen zunächst Schweigen im Walde.

Denn zuerst musste natürlich die Führungscrew entscheiden, ob und wie man reagiert. Zunächst alle Optionen durchspielen, exklusive Rücktritt Walder. Und nach scharfem Nachdenken kam dann das Dreamteam Heimgartner und Dorer zur schlechtmöglichsten Lösung.

Wobei zu vermuten ist, dass Oberchefredaktor Christian Dorer gute Laune und Schwiegermuttertraum-Ausstrahlung weitgehend verlor, weil er diesen Schwachsinn mitunterzeichnen musste.

Denn in einem internen Mail am Montagmorgen, das natürlich sofort durchgestochen wurde, behaupten die beiden: «Blick wird unterstellt, dass wir zwei exklusive Beiträge durch die Kommunikation zwischen dem EDI und unserem CEO, Marc Walder, publizieren konnten. Dies ist falsch

Recherchen hätten ergeben, dass der Primeur über die Impf-Beschaffung aus Quellen der Politikchefin Sermîn Faki stamme. Eine weitere Vorabmeldung hätten der stellvertretende Politikchef und ein Bundeshausredaktor «recherchiert». In beide Beiträge sei CEO Marc Walder in keiner Weise involviert, zitiert «persönlich.com» aus der Mail.

Dann kommt’s nochmal knüppeldick: «Diese Klarstellung ist uns wichtig. Die Blick-Gruppe arbeitet unabhängig. Dass der CEO eines Medienunternehmens Kontakte zu Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung und Kultur pflegt, ist ein üblicher Vorgang. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere Berichterstattung, wie auch der § 8 ‹Blick arbeitet unabhängig› im Redaktions-Manifest regelt.»

Wir wischen uns die Lachtränen aus den Augen und hören auf, prustend auf dem Boden zu liegen und um Gnade zu winseln.

Sagen wir mal so: Faki ist nun ziemlich unkündbar, ebenso die beiden anderen erwähnten Journalisten. Es wäre natürlich denkbar, dass die Vorabinformation über den geplanten Kauf von Impfmitteln in Multimillionenhöhe in Bern auf dem Silbertablett herumgebogen wurde, alle anderen Medien dankend ablehnten und nur Saki zuschlug. Es ist auch denkbar, dass Michael Ringier gelegentlich in die Türe seines Aston Martin tritt. Es ist denkbar, dass Walder diese Exklusiv-Information hatte, sie aber im Tresor für süsse Geheimnisse versenkte – so wie er den regen Mailverkehr mit Bersets Departement und die engen Kontakte mit dem Bundesrat nur aus rein persönlichen Motiven aufrecht erhielt. So von Glatzkopf zu Glatzkopf.

Dass sich aber erwachsene «Blick»-Journalisten  – von den übrigen Medien ganz zu schweigen – einen solchen Hafechäs anhören müssen, ohne das Gesicht zu verziehen (denn in gespannter Lage ist klar: wer mopst, fliegt), das ist schon ein starkes Stück.

Wenn man sich schon mehr als 48 Stunden Zeit nimmt, um scharf nachzudenken, dann müsste doch etwas Belastbareres herauskommen. Es wäre Zeit, sich mal wieder an die alte Journalistenregeln zu erinnern. Streite niemals etwas ab, was dann doch ans Licht kommt. Lieber hinstehen, einstecken, Entschuldigung sagen, Reue mimen, Zerknirschung heucheln – und abwarten. Denn es geht vorbei. Immer.

Aber wer noch so Öl ins Feuer giesst, ist selber schuld, wenn die Hütte dann lichterloh brennt.Auf jeden Fall ist Walder mit dieser Redaktionsmail der Gefahr eines erzwungenen Rücktritts nicht entronnen. Sondern wenn schon nährgekommen.

Walder? War da was mit Walder? Aber nein …

Ob wohl alle Autoren dieser Zeilen anlässlich der letzten Walder-Panne vor einem Jahr so abgehärtet sind, dass nicht eine leise Röte ihr Gesicht beim Lesen überzieht?

«Journalismus, wie Blick ihn macht, ist unabhängig von Einmischungen, von Regierungen, von Direktiven und selbst vom CEO. Nur von einem nicht: von gesellschaftlicher Verantwortung.Die Chefredaktion der Blick-Gruppe Christian Dorer, Steffi Buchli, Gieri Cavelty, Andreas Dietrich, Sandro Inguscio, Michel Jeanneret, Roman Sigrist»

Es wäre zum Herausprusten, wenn es nicht so peinlich und bedenklich wäre.

Blütenlese «Blick»

Geht Boulevard ohne Blut, Busen, aber nur mit Büsis?

Die Gefühle des Stammtischs wiedergeben? Verboten. Mit oder ohne Vorwand leichtbekleidete bis nackte Frauen zeigen? Verboten. Blutrünstig über Bluttaten berichten? Verboten. Büsis zeigen: erlaubt.

Boulevard sollte mit knackigen Schlagzeilen arbeiten, auch komplexe Zusammenhänge auf zwei, drei Worte schrumpfen. Sternstunden des Boulevards waren Titelbrüller wie «Jetzt ist der Mond ein Ami» (Mondlandung der USA) oder «Wir sind Papst» (Wahl des deutschen Kardinals Ratzinger).

«Bild» versucht immer wieder, dieser Tradition nachzueifern, nicht ganz erfolglos. «Blick» versucht, sich von dieser Tradition zu lösen. Erfolgreich erfolglos, auf Kosten von Einfluss und Lesern. Um den Unterschied auch hier auf den Punkt zu bringen: Als der «Blick»-Chefredaktor standesgemäss Porsche fuhr, verkaufte das Blatt über 380’000 Exemplare und titelte «Lachhaft, Blödsinn, Bürokraten-Unsinn – so reagieren Schweizer auf Tempo 120».

Seit der «Blick»-Oberchefredaktor Bus fährt, beträgt die Auflage noch etwas über 100’000 Exemplare, ein aktueller Titel lautet «Hüppi verhindert Eskalation!»

Unter Leitung der nicht fassbaren CEO Ladina Heimgartner soll der «Blick» weiblicher, runder und vor allem «resilient» werden. Sichtbar davon ist ein Regenrohr im «Blick»-Logo, der Verzicht auf nackte Frauen, und was resilient eigentlich genau heissen soll (ausser Widerstandsfähigkeit gegen jedwelchen Erfolg), weiss niemand.

Weiblich gerundetes Regenrohr.

Bei all diesen Einschränkungen ist es verdammt schwer, in den Verrichtungsboxen im Newsroom genügend Storys aus dem Computer zu schütteln. Da hilft eigentlich nur, die Grenze zwischen selbstgebasteltem und bezahltem Inhalt immer mehr einzuebnen. Eine willkürliche, aber durchaus repräsentative Blütenlese, wie sich der «Blick» online am Montagvormittag präsentierte:

Super Reportage. Als bezahltes Inserat.

Ratgeber. Wer links tut, kann sich rechts leisten.

Wie wird man mit einem «bearenstarken Auftritt» Vorletzter?

Die heutige Jugend ist auch nicht mehr das, was Kurt Felix einmal war.

Weiter oben Verkauf zum Bestpreis … Aber Wasser wird teuer, für die CS ist guter Rat teuer,
und Swisscom-Schäppi hat billige Ausreden.

Was Schweizer Forscher so alles wollen, exklusiv im «DurchBlick».

Und wozu brauchte es schon wieder eine Steuermilliarde Hilfsgelder für Medien?

Es bleibt aber tatsächlich eine Frage. Welcher Medienmanager kann ernsthaft annehmen, dass die Leser so resilient sind und für die gedruckte Ausgabe all dieses Nonsens auch noch etwas bezahlen?

 

 

Steile Lernkurve nach unten

CH Media haut Blick-TV – völlig uneigennützig. Blick-TV keilt zurück. Völlig unnütz.

Die grossen Medienclans der Schweiz setzen auf unterschiedliche Strategien. Ringier auf internationalen Gemischtwarenladen mit hohem Digitalanteil. TX Group auf nationalen Gemischtwarenladen mit streng getrennten Profitcentern, die alle den gleichen Profitansprüchen genügen müssen. Sonst wird gespart, bis es kracht.

CH Media setzt mehr auf die elektronische Karte. Keine grossen Handelsplattformen, dafür das grösste Kopfzeitungsmodell der Schweiz plus Radio und TV. Lassen wir die NZZ mal aussen vor.

Von dort kommt Francesco Benini, der wohl gerne Chefredaktor der NZZaS geworden wäre. Allerdings stand ihm Jonas Projer in der Sonne, der wiederum von «Blick TV» eingewechselt wurde. Also mindestens zwei Gründe für Benini, auf CH Media genau diesem TV-Experiment Ringiers kräftig eins über die Rübe zu geben.

«Die Erwartungen waren hoch – aber das Interesse klein: Blick-TV als Fernsehsender ist gescheitert», titelte CH Media am Freitag. Von 17 Nachrichtensendungen am Tag sei das Angebot auf drei geschrumpft. Zusammenfassung: «Blick-TV wollte ein lineares Fernsehen sein und produziert nun vor allem Abrufvideos.»

Auch der Markt habe nicht wie erwartet reagiert, schreibt Benini: «Mitarbeiter berichten, dass die Nutzerwerte für die Angestellten anfänglich sichtbar gewesen seien. Als sich herausgestellt habe, dass das Publikumsinteresse gering sei, hätten die Vorgesetzten die Statistik verschwinden lassen.»

Also alles in allem dürfte sich die «Herzensangelegenheit» des Ringier-CEO Marc Walder bald versenden, vermutet Benini: «Auch das Erreichen der kommerziellen Ziele rückte in weite Ferne. Für Blick-TV investierte Ringier einen Millionenbetrag – die genaue Summe nennt das Unternehmen nicht. Schon nach weniger als einem Jahr war klar, dass das Projekt redimensioniert werden muss. Marc Walder hatte Blick-TV am Anfang drei Jahre Zeit gegeben, um die Gewinnschwelle zu erreichen. Die Vorgabe stellte sich schnell als unerreichbar heraus.»

Eine vernichtende Kritik kann noch verstärkt werden

Vernichtend, lässt sich das noch steigern? Aber ja. Dann, wenn die ansonsten unsichtbare Oberchefin der «Blick»-Gruppe das Wort ergreift. Richtig, die Rede ist von Ladina Heimgartner, Mitglied «Executive Board», «Head of Global Media» und «CEO der Blick-Gruppe».

Die Dame mit der ausklappbaren Visitenkarte fiel das letzte Mal unangenehm auf, als sie sich im verloren gegangenen Abstimmungskampf um die Medienmilliarde mit einer Meinungskolumne zu Wort meldete. Böse Zungen behaupten, dass sie damit einen kleinen, aber feinen Beitrag zur Ablehnung an der Urne leistete.

Sie ernannte damals das Geschenk an notleidende Medienclans kurzerhand zur «überlebenswichtigen Übergangslösung». Das veranlasst natürlich die Frage, ob nun Ringier und gar auch Heimgartner nicht länger überlebensfähig sind. Es gibt immerhin zwei Gründe, an der Zukunft von Ringier zu zweifeln. Eben das Fehlen dieser überlebenswichtigen Hilfe. Und das Wirken von Heimgartner.

Die wirft sich nämlich für «Blick-TV» in die Bresche, wobei sie als ehemalige TV-Frau auch eigentlich die nötigen Voraussetzungen mitbringen sollte. Mangels anderer Angebote ergreift sie dafür gerne die Gelegenheit, auf persoenlich.com zurückzuschlagen. Und wie: «Der Artikel ist in weiten Teilen tendenziös und in einigen Punkten sogar schlichtweg falsch». Zack und bum.

Falsch ist falsch. Oder so

Nun macht Heimgartner allerdings etwas, was wohl selbst beim Rätoromanischen TV nicht gern gesehen würde: sie dementiert Behauptungen, die gar nicht im Artikel aufgestellt wurden : «Unsere Zahlen sind so hoch wie nie, das gilt für die Views bei Breaking-News im Live und erst recht bei Videos on Demand (VoD).» Benini hat nicht das Gegenteil behauptet. Nur, dass die Messung der Zuschauerzahlen verschwunden sei. Und neue, konkrete Zahlen nennt Heimgartner nicht. Schliesslich habe man die Rechte an der Übertragung von Eishockey-Matches erworben, führt Heimgartner weiter ins Feld; «würden wir dies tun, wären die Zahlen schlecht? Sicher nicht».

Wir können dem Fettnäpfchen nicht ausweichen, dass es sich hier wohl um angewandte weibliche Logik handle. Denn der Erwerb von Ausstrahlungsrechten kann sowohl ein Zeichen für Wohlergehen wie auch für die Suche nach mehr Reichweite sein.

Dann lehnt sie sich bar jeder Logik weit aus dem Fenster: «Blick TV wollte nie ein linearer Fernsehsender sein, sondern war von Beginn an als Digitalangebot mit Fokus auf mobile Nutzung gedacht und wurde auch so beworben.»

Vielleicht sollte zur steilen Lernkurve von Heimgartner gehören, nicht linear dem Oberchefredaktor Christian Dorer zu widersprechen. Der sagte nämlich zur Lancierung von «Blick-TV»: «Blick TV wird zum CNN für die Schweiz: Es ist der erste Breaking-News-Sender des Landes, die Zuschauerinnen und Zuschauer erhalten News, Einordnung, Analysen und Unterhaltung – also alle bisherigen BLICK-Themen in TV-Form.»

Linear oder digital oder so

Nun ist CNN doch eher ein linearer TV-Sender, und genau den wollte «Blick-TV» nachahmen, indem verkündet wurde, dass es von 6 bis 23 Uhr zu jeder vollen Stunde «eine neue Sendung mit den aktuellsten Top-News» gebe.

Nach dieser verlorenen Schlacht weiss auch Heimgartner, dass Angriff die beste Verteidigung ist und keilt noch zurück. Man habe schliesslich dazugelernt: «Wer diese Lernkurve als Zeichen für «Scheitern» werte, habe die Grundregeln der digitalen Transformation nicht verstanden, so Heimgartner weiter. «Eine steile Lernkurve ist für uns ein Zeichen von Stärke. Wir sind stolz darauf.»»

17 Stunden Live-Programm wurde versprochen. Das riecht nach linear, sieht wie linear aus und ist linear. Oder war’s. Ist das vielleicht peinlich, wenn sich eine TV-Frau an den Begrifflichkeiten vergreift. Statt einfach zuzugeben: falsch gestartet, rumgerudert, neue Versuche. Lernkurve eben, allerdings bei horrenden Kosten. Besonders resilient, um ihren Lieblingsausdruck zu verwenden, scheint das nicht zu sein. Sie selbst ist’s allerdings sehr.