Kleine Medien-Show

Man gönnt sich ja nix: Wie reagieren die Medien auf die Walder-Bombe?

Eine grosse Münze in der Journalistenwährung ist der sogenannte Primeur. Schlichtweg: ich hab’s zuerst publiziert. Die neue Haarfarbe eines Popsternchens, das erste Foto eines neuen Autos – oder eine wirkliche Bombe.

Die Reaktion der Kollegen ist immer die gleiche: mit langen Zähnen und knirschend nachziehen. Aber zuerst abwarten, ob das wirklich die Runde macht.

Das war so, als die «Weltwoche» eine aussereheliche Affäre unseres Gesundheitsministers publik machte. Da herrschte zunächst tiefes Schweigen, bis dann die meisten Medien eine SDA-Meldung übernahmen. Versehen mit kritischen Kommentaren; Parteipolitik, Privatleben, unanständig, typisch Mörgeli halt.

Nun hat es einen viel näheren Einschlag gegeben. Ringier-CEO Marc Walder hat sich auf Video aufnehmen lassen, während er klarstellt, dass auf seinen Befehl hin Ringier-Medien weltweit die jeweiligen Regierungen bei ihrer Corona-Bekämpfung unterstützten.

Das ist im Fall Ungarns beispielsweise ausgesprochen putzig. Nun ist hier der Enthüller ein ehemaliger WeWo-Mann, federführend im Komitee gegen das Mediensubventionsgesetz, über das in etwas mehr als einem Monat abgestimmt wird.

Zudem hat er eine Kommunikationsagentur, arbeitet aber weiterhin als Journalist. Das sind natürlich alles kleine Hebelchen, um zwar über den Skandal berichten zu müssen, aber durchaus an Bote und Botschaft herumzumeckern.

Das tut beispielsweise der ehemalige NZZ-Medienjournalist Rainer Stadler: «Philipp Gut, der für den «Nebelspalter» und lokale Websites Marc Walders Aussagen skandalisierte, tritt als Journalist auf und betreibt gleichzeitigen Kommunikationsagentur. Er ist zudem Geschäftsführer eines Abstimmungskomitees gegen das Medienpaket. Der «Nebelspalter» verschweigt das. Solche Doppel- und Mehrfachrollen passen nicht zu einem unabhängigen Journalismus. Zumindest müssten sie offengelegt werden.»

Auch Tamedia setzt einen schrägen Ton

Das nennt man fokussieren auf das Wichtige. Tamedia setzt den Ton so: «Geleaktes Video: Ringier-Chef trimmte seine Medien auf Regierungskurs». Auch das befindet sich im Streubereich der Wahrheit. Das Video ist laut Aussage von Philipp Gut nicht geleakt, sondern war im Internet auffindbar. «Der Knaller ist ein Spätzünder», fährt Thomas Knellwolf fort, damit insinuierend, dass es bewusst kurz vor der Abstimmung über das Milliardensubventionspaket lanciert wurde.

Auch Knellwolf beschreibt weitere Zusammenhänge: «Nun beginnt die heisse Phase im Abstimmungskampf. Gut ist Geschäftsführer des Nein-Komitees. Zu den Mitgliedern des Komitees, das gegen mehr staatliche Unterstützung für die Verlage ist, gehören die Herausgeber von «Nebelspalter» und «Die Ostschweiz». Sie haben Guts Text in identischer Form wie auf der Komitee-Webseite veröffentlicht.»

Na und, kann man da nur sagen, na und? Knellwolf arbeitet für einen Konzern, der das Medienpaket lauthals unterstützt, weil er davon profitieren würde. Sein Text erschien in identischer Form in allen Tamedia-Kopfblättern.

«20 Minuten» referiert tapfer den Inhalt des Videos, um dann – Überraschung – Fachleute zu befragen. Zum Beispiel den «stellvertretenden Forschungsleiter am Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich». Hinter dem umständlichen Titel verbirgt sich ein Institut mit schwerer politischer Schlagseite.

Daher sagt der Stellvertreter auch: «Das Video alleine reiche als Beweis für einen solchen Eingriff jedoch nicht aus. Dafür müsste man etwa abklären, ob die angebliche Weisung Walders Einfluss auf die Chefredaktion und den redaktionellen Alltag gehabt habe.»

Dann stellt er noch eine kühne Vermutung in den Raum:

«Wenn kurz vor der Abstimmung zum Mediengesetz ein solches Video geleakt wird, könnte es sich auch um Abstimmungspropaganda handeln.»

Na und, kann man auch hier nur sagen.

Nau.ch schreibt hingegen ganz auf der vorsichtigen Seite: «Das Video hat bereits nach drei Tagen mit Abstand die meisten «Views» auf dem YouTube-Kanal des Referendumskomitees. Geschäftsführer des Komitees ist der Kommunikationsberater und Journalist Philipp Gut, der gemäss «Tagesanzeiger» das Video veröffentlicht haben soll.»

Nun, Gut hat als Autor in seinen Beiträgen das Video tatsächlich veröffentlicht, das ist kein Ergebnis einer tiefen Recherche von Tamedia.

Was machen CH Media und NZZ, die zwei anderen letzten Mitspieler im Tageszeitungsgeschäft? Nichts. Einfach mal nichts.* Die zumindest bestfinanzierte Mediengruppe in der Schweiz? Auch SRF schweigt.

Nur «Inside Paradeplatz», obwohl das ja nicht das zentrale Thema ist, nimmt kein Blatt vor den Mund:

«Die Medien nicht als Gegengewicht und letzte Kontrollinstanz der Befehlshaber einer Gesellschaft, sondern als Assistenten und Ermöglicher – so Walders Interpretation seiner Rolle.»

Dass die mediale Behandlung des Mediensubventionsgesetzes schwierig würde, weil sich ausser der NZZ-Redaktion alle grossen Medienhäuser dafür ausgesprochen haben und davon profitieren würden, war klar.

Aber was hier in der Berichterstattung über den Walder-Skandal passiert, übertrifft die kühnsten Befürchtungen.

Ist diese verhaltene, teilweise fiese Reaktion einfach auf Futterneid zurückzuführen? Ist es denkbar, dass so zurückhaltend und kritisch berichtet wird, weil CH Media und Tamedia klare Befürworter der zusätzlichen Milliardensubvention sind?

Oder aber, das könnte es sein, man hat in diesen Verlagshäusern Schiss, dass auch mal ein Video auftauchen könnte, auf dem Tamedia-Boss Pietro Supino oder CH-Media-Clanchef Peter Wanner in aller Deutlichkeit sagen würden, dass es gar nicht gelitten wäre, wenn in ihrem Einflussbereich kritisch über die Steuermilliarde berichtet würde.

Diese Videos sind nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Bislang. Für den Fall: ZACKBUM ist auch in der Lage, Bewegtbilder in seine Webseite einzubinden

 

*Die NZZ hat inzwischen zum Zweihänder gegriffen auch CH Media und SRF berichteten. ZACKBUM liefert nach …

CEO Marc Walder gibt Ringier-Medien den Kurs vor

Von Philipp Gut*

Geheimvideo: Ringier-Boss Walder hat den Redaktionen die Regierungstreue verordnet.

In der Schweiz ist es längst bekannt: Die Ringier-Medien, allen voran die «Blick»-Gruppe, sind das Megafon des Staates, wenn es um die amtliche Corona-Politik geht. Zwischen der Zürcher Dufourstrasse, wo Ringier zu Hause ist, und Gesundheitsminister Alain Berset im Berner Bundeshaus scheint eine Standleitung zu bestehen. Regelmässig berichten die Ringier-Medien vorab, was Berset in der Bundesratssitzung des kommenden Tages einbringen wird. Kritik am staatlichen Handeln – und zu kritischer Berichterstattung gäbe es wahrlich Anlass genug – sucht man in den Ringier-Medien vergeblich. Der Eindruck beim Lesen: «Blick» & Co. sind regierungstreu bis zum Abwinken. Statt objektiv und kritisch zu berichten, wie es dem Selbstverständnis eines ernstzunehmenden Journalismus entspricht, betätigen sich die Ringier-Medien lieber als verlängerter PR-Arm von Berset und seines Bundesamts für Gesundheit (BAG).

Wichtige unter sich: Walder, Berset. SBB-Meyer.

Wer steuert die Redaktionen?

Auch in anderen Ländern, wo Ringier tätig ist – von Osteuropa bis Ostasien – fällt auf, dass die Ringier-Medien das knallharte Boulevard-Geschäft aufgeben, sobald es um offizielle Covid-Massnahmen geht.

Leserinnen und Leser fragen sich natürlich, warum das so ist. Liegt es einfach daran, dass die Journalistinnen und Journalisten freiwillig mit dem Strom schwimmen? Oder werden die Redaktionen von irgendwoher gesteuert?

Ich muss gestehen, dass ich – und auf dieses Thema werde ich als Journalist oft angesprochen – bisher immer die erste These vertreten habe. Die zweite – nennen wir sie die Marionettenthese – klang für mich nach Verschwörungstheorie. Irgendwelche mächtigen Männer im Hintergrund sollen den Journalisten vorschreiben, wie sie zu berichten haben? Ich hielt das für abwegig. Ganz besonders in einer liberalen und aufgeklärten Demokratie wie der Schweiz.

Doch jetzt kommt aus: Zumindest im Falle von Ringier habe ich mich getäuscht. Denn unsere Recherchen zeigen: In einem Video, das im kleinen Kreis aufgenommen wurde und auch dort bleiben sollte, spricht Marc Walder, CEO und Managing Partner der Ringier AG, das für unmöglich Gehaltene aus. Er sagt in dem Filmausschnitt sinngemäss, dass er seine Redaktionen weltweit angewiesen hat, auf jegliche Kritik an der offiziellen Corona-Politik zu verzichten und stattdessen strammen Regierungskurs zu halten.

«Wir wollen die Regierung unterstützen»

Die entsprechenden Aussagen machte Walder am 3. Februar 2021 im Rahmen der Gesprächsreihe «Inspirational Talk» der Schweizerischen Management Gesellschaft. Thema: «Digitale Transformation @Ringier». Das virtuelle Gespräch dauert 1:05:18 und wurde vollständig aufgezeichnet. Die entscheidenden Sätze sagt Walder nach Minute 49. «Wo sehen Sie grundsätzlich die Aufgabe der Medien in der Pandemie?», wollte ein Teilnehmer wissen.

Darauf Walder:

«Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.›»

Walder ist offenbar bewusst, dass dieses Bekenntnis seines Eingriffs in die Redaktionsfreiheit Sprengstoff birgt («da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt») und erklärungsbedürftig ist, denn er fährt fort: «Das mag Sie jetzt überraschen, aber ich will es an einem Beispiel festmachen.» Walder nennt als Musterbeispiel einer Redaktion, die seinen Appell zur Regierungstreue brav umsetzt, die Blick-Gruppe. O-Ton Walder: «Auch die Blick-Gruppe, die jetzt in der Schweiz sehr prägend ist in der Covid-Berichterstattung, könnte deutlich härter – und vielleicht sagen einige von Ihnen: ‹Ja, macht’s doch bitte, die schlafen alle, die packen’s nicht› – sein.» Tun die Blick-Titel aber eben nicht. Im Gegensatz zu ihrem Pendant in Deutschland, der Bild-Zeitung, welche die Regierung «unglaublich hart» und «wahnsinnig hart» angegangen sei.

PR statt Journalismus

Walders Devise ist eine ganz andere: «Meine These ist, um auf diese Frage zurückzukommen: Das nützt im Moment niemandem etwas. Wir müssen versuchen, dass die Politik, ob sie jetzt genug schnell, genug hart, zu wenig hart usw. agiert, das Volk nicht verliert. Und hier dürfen die Medien nicht einen Keil treiben zwischen der Gesellschaft und der Regierung.» Die Medien hätten in der Corona-Krise «eine zusätzliche Dimension an Verantwortung, so würde ich das framen».

Walder framt mal vor sich hin.

Als Journalist, aber auch als Bürger eines demokratischen Staates mit seiner kritischen medialen Öffentlichkeit läuft es mir bei diesen Sätzen kalt den Rücken runter. Solch unverfrorene Komplizenschaft zwischen Staats- und Medienmacht kennt man sonst nur aus autoritären Regimes, um es vorsichtig auszudrücken. Verblüfft nehmen wir zur Kenntnis: Der Traditionsmedienkonzern Ringier schafft sich selbst als unabhängige und kritische Instanz ab und macht statt Journalismus erklärtermassen PR für die Regierung, allen voran für SP-Bundesrat Berset, der längst den Status eines Ringier-Hausfreundes erlangt hat.

Ringier sieht Redaktionsfreiheit nicht gefährdet

Wir haben Walder mit seinen Aussagen und insbesondere mit seiner Direktive, die Ringier-Journalisten müssten die Regierung unterstützen, konfrontiert. Die Frage, ob diese inhaltliche Vorgabe des Managements an die Redaktionen nicht deren journalistischer Freiheit widerspreche, lässt Walder durch eine Ringier-Sprecherin mit «Nein» beantworten. «Zwischen Marc Walder und vielen Chefredaktorinnen und Chefredaktoren der Ringier-Gruppe findet seit vielen Jahren ein konstanter und konstruktiver Dialog statt.» So kann man das auch nennen.

Ausserdem wollten wir von Walder wissen, ob es im Hause Ringier üblich sei, dass den Redaktionen vom Management beziehungsweise vom Verlag vorgeschrieben wird, wie sie über bestimmte politische Themen zu schreiben haben. Antwort Ringier: «Die Redaktionen und Mitglieder der Konzernleitung, insbesondere CEO Marc Walder, Ladina Heimgartner als globale Leiterin Medien und Alexander Theobald als CEO von Ringier Axel Springer Schweiz, tauschen sich konstant aus. Die Verantwortung und Hoheit der publizistischen Berichterstattung liegt stets bei den Redaktionen.»

Schliesslich stellten wir Walder die staatspolitische Grundfrage: Wie sollen die Medien ihre Aufgabe als kritische vierte Macht im Staat wahrnehmen, wenn sie die Regierung in zentralen Politikbereichen nicht kritisieren dürfen, sondern unterstützen müssen? Und wie soll man die Medien dann noch als glaubwürdig und unabhängig wahrnehmen? Darauf gehen Walder und Ringier nicht ein. Sie behaupten stattdessenn in einer 180-Grad-Wende, dass die Ringier-Gruppe «die Massnahmen der Regierung – gerade während dieser Pandemie – stets kritisch hinterfragt» habe.

Neues Mediengesetz: Anreiz für kritischen Journalismus schwindet

Zusätzliche Brisanz erhält der Befehl von Walder an seine Redaktionen vor dem Hintergrund der Volksabstimmung über ein «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» vom 13. Februar 2022. Das neue Mediengesetz sieht eine Vervielfachung der Subventionen an private Medien von heute 53 auf 178 Millionen Franken jährlich vor und bindet die Medien damit noch enger an den Staat. Ringier würde zu den Hauptprofiteuren zählen, denn rund 70 Prozent der neuen Subventionen gehen an die Grossverlage. Der Anreiz, staatsunabhängigen und kritischen Journalismus zu machen, dürfte damit gegen Null tendieren. Die Medien, die Ephraim Kishon einst als bellende Wachhunde der Demokratie bezeichnete, würden zu Schosshündchen an der Leine der Politiker schrumpfen.

*Der Text erschien zuerst auf «Die Ostschweiz». Publikation mit freundlicher Erlaubnis des Autors.

Zum Totlachen

Wenn sich G&G gaga mit Humor versucht.

Selten so gelacht:

Ein sogenannter «Gastmoderator» namens «Karpi» will hier komisch sein.

Karpi: dümmlich, dämlich oder nur geschmacklos?

Und bei SRF sind alle so besoffen, dass keiner auf die Notbremse tritt.

Natürlich lacht «Megafon», die Brachialkomikertruppe, lauthals mit. Aber die finden es auch lustig, den Kopf einer missliebigen Journalistin in ein Enthauptungsbild zu mechen.

Nun sind die Trottel aus Bern entschuldigt, Reitschule und Geschmack oder Anstand gehen halt nicht zusammen. Aber der Zwangsgebührensender kann tatsächlich angeblichen Humor aus der untersten Schublade ungestraft anbieten?

Medienversagen

«Verfassungswidrig» sagen über 200 Juristen. Na und, sagen die Mainstream-Medien.

Es ist ein Paukenschlag: «2G-Zertifikat ist verfassungswidrig». Mit dieser Ansage meldete sich am 24. Dezember ein Juristen Komitee zu Wort. Unterzeichnet haben den wohlbegründeten Appell inzwischen über 220 Juristen. Darunter ein ehemaliger Bundesrichter, Staatsanwälte, Professoren, Richter.

Das gab es in der Schweiz wohl noch nie, dass sich dermassen viele Fachkräfte hinter einer dermassen knallharten Aussage versammelten. Verfassungswidrig, das ist der schlimmste Vorwurf, den man einer Regierungshandlung machen kann.

Das müsste ja wohl wie ein Donnerhall durch die Medien gegangen sein. Müsste, wenn die Medien noch ihrer Aufgabe gewachsen wären.

CH Media, Tamedia, Ringier, SRG? Nichts, null, nada. Obwohl sogar die SDA eine Tickermeldung draus bastelte, die man nur copy/paste hätte übernehmen können. Das liegt normalerweise noch im Bereich des Möglichen der Journis in ihren Verrichtungsboxen im Newsroom.

Aber hier nicht. Einzig die NZZ, lobende Ausnahme, machte einen Artikel draus. Dann noch die «Weltwoche» mit einer Meldung, und «Inside Paradeplatz» gewährte dem gesamten Text politisches Asyl. Und, wenn ZACKBUM seinen Autor loben darf, «Die Ostschweiz» kam der Berichterstatterpflicht nach.

Jeder Furzer, jeder selbsternannte Soziologe, ein Comedian, der Dick und Doof als Solist spielen kann: all das ist einen Artikel, ein Interview, einen Kommentar wert. Aber diese Aktion von besorgten Rechtsgelehrten?

Pfeif drauf. Und diese Einäugigkeit, dieses Versagen soll mit einer Steuermilliarde subventioniert werden?

Stand Donnerstagmorgen. And counting …

Unser Journalist des Jahres

Afghanistan statt Absurdistan: Ismael Shahamat ist ein würdiger Preisträger.

Der Journalist des Jahres ist zweifellos Ismael Shahamat. Vielleicht hat er noch nicht allzu tiefe Spuren in den Schweizer Medien hinterlassen. Aber er hat jede Aufmerksamkeit verdient. Der ehemalige Bürochef der BBC in Kabul floh nach Morddrohungen und Entführungsversuchen vor drei Jahren aus Afghanistan. Seither versucht er, in der Schweiz einen Asylstatus zu erlangen.

Bislang vergeblich; die Schweizer Behörden behaupten arschkalt, dass sogar eine Rückkehr nach Afghanistan möglich wäre. Dass inzwischen dort die fundamentalistischen Wahnsinnigen die Macht ergriffen haben; nun, das ändert den ordentlichen Aktenrundlauf nicht. Und interessiert inzwischen in der Schweiz auch nicht mehr wirklich.

Sein Fall liegt beim Bundesverwaltungsgericht. Und liegt und liegt und liegt.

Mutiger, einsamer Mann: Shahamat.

Shahamat ist es mit viel Mühe gelungen, auch seiner Familie, die ebenfalls mit dem Tode bedroht wurde und klandestin in Afghanistan lebte, zur Flucht zu verhelfen. Sie hat es bis Kiev in der Ukraine geschafft. Damit sind seine drei Töchter der Gefahr entkommen, zwangsverheiratet zu werden. Dort verweigert ihnen aber die Schweiz ein Visum. Shahamat bräuchte dazu einen Status als anerkannter Flüchtling. Den er nicht hat.

Besuchen kann er seine Familie auch nicht; verliesse er die Schweiz, gäbe es keine legale Rückkehr für ihn.

Wer ein solches Schicksal ertragen muss, weil er seinem Beruf, seiner Berufung nachgelebt hat, ist ein würdiger Preisträger.

Shahamat hat in unzähligen Artikel die Zustände in Afghanistan beschrieben und die Taliban kritisiert. Er hat das unter Einsatz seines Lebens getan. Man hat mehrfach versucht, ihn zu entführen, Morddrohungen wurden gegen ihn ausgestossen. Bis er sich gezwungen sah, ein Visum der Schweiz zwecks Berichterstattung zu benützen und hierzulande politisches Asyl zu beantragen.

Journalisten wie er, die sich mit ihrem Leben für eine möglichst freie Berichterstattung einsetzen, sind beispielhaft für diesen Beruf. Neben ihnen verblassen alle selbstbezogenen Bauchnabelschauer, die an geliehenen oder eingebildeten Diskriminierungen zu leiden vorgeben.

Daneben fallen alle weiteren Leistungen des Schweizer Journalismus im Jahre 2021 dermassen ab, dass ZACKBUM es bei einem einzigen Ausgezeichneten bewenden lässt.

ZACKBUM – und sicherlich viele aufrechte Journalisten in der Schweiz – gratulieren Shahamat zu dieser symbolischen Auszeichnung.

In der Hoffnung, dass es ihm gelingen möge, in der Schweiz endgültig Fuss zu fassen und sich mit seiner Familie zu vereinigen, die er seit mehr als drei Jahren nicht mehr sehen kann.

Wer helfen will oder kann: bei zeyer@zackbum.ch melden.

 

 

Too big to fail – auch die CS?

Wenn eine Bank zu gross ist, sei sie systemrelevant. Und wenn sie klein wird?

Als Nachwehe der Finanzkrise eins von 2009 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) insgesamt fünf Banken für «too big to fail» erklärt.

Als systemrelevant gelten seither die UBS und die Credit Suisse als internationale Banken, dazu Postfinance, Raiffeisen und ZKB als mehr nach innen orientierte Geldhäuser.

Als Kriterium gilt, dass

«ihr Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde. Die Systemrelevanz einer Bank beurteilt sich nach deren Grösse, nach deren Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie nach der kurzfristigen Substituierbarkeit der von der Bank erbrachten Dienstleistungen».

Schritt für Schritt, mit Schweizer Bedächtigkeit, wurden diverse Massnahmen beschlossen, was Kapitalanforderungen, Notfallpläne und Abwickelbarkeit betrifft. Auf der anderen Seite steht die SNB bereit, um diesen fünf Banken unter die Arme zu greifen, sollten sie wieder einmal in Schieflage geraten, wie weiland die UBS.

Privat versagen, staatlich retten

Wir haben hier also das Unding einer Staatsgarantie für privates Geschäften – oder Versagen. Das anhaltende Gehampel der obersten Verantwortlichen vor allem bei UBS und CS lässt dabei das Schlimmste befürchten.

Nun sollte es aber bei jedem Vorgang in der Wirtschaft auch ein Exit-Szenario geben. Damit ist nicht eine erneutes Absaufen eines dieser Finanzhäuser gemeint. Sondern das Kriterium, dass man doch eine gewisse Grösse haben – und behalten! – sollte, um zu diesem erlauchten Kreis zu gehören.

Während die drei Inlandbanken soweit stabil vor sich hinwirtschaften, haben ja sowohl UBS wie CS in den 12 Jahren seit der Finanzkrise eins – gemessen an ihrem Börsenwert – nur eine Richtung eingeschlagen: unaufhaltsam nach unten. Das löst natürlich die Frage aus: ab wann ist eine Bank eigentlich «too small to fail»?

Also wann ist sie so kleingeschrumpft, dass sie eben nicht mehr systemrelevant ist, damit auch keine Staatsgarantie mehr verdient? Es kann ja nicht sein, dass dieser exklusive Fünferkreis auf ewig in Stein gemeisselt ist, so stabil wie das Matterhorn in die weitere Zukunft ragt.

Marktkapitalisierung als Schrumpfgrösse

Hatte beispielsweise die CS im Jahre 2006 noch eine Börsenkapitalisierung von fast 100 Milliarden Franken, schrumpfte das auf unglaubliche 28 Milliarden im Jahr 2020 zusammen. Die aktuelle Marktkapitalisierung (20. Dezember) liegt bei 22,36 Milliarden. Etwas mehr als ein Fünftel vergangener Grösse.

Das ist einerseits ein absolutes Armutszeugnis für die wechselnde Führungscrew seit 2006. In 15 Jahren fast 80 Prozent des Börsenwerts vernichtet, das soll denen mal einer nachmachen. Dafür Hunderte von Millionen an Salären und Boni kassiert: das ist einmalig in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Sich ohne rot zu werden in der Öffentlichkeit zeigen und ein Leben als Jetsetter zu führen: das ist nassforsch und unverschämt.

Aber das alles ist erlaubt, solange der Aktionär mitmacht. Die Frage ist hingegen, wieso der Staat weiterhin seine schützende Hand über die Schrumpf-Bank halten soll. Eine Aktie der UBS kostete vor der Finanzkrise knapp 75 Franken. Im März 2020 wurde sie auch einstellig, dass sie inzwischen um die 15 Franken herumdümpelt, wird bereits als grandioser Erfolg gefeiert.

Auch bei der UBS stellt sich also die Frage, wieso ein deutlich geschrumpftes, verzwergtes Geldhaus immer noch eine schützende staatliche Hand braucht und besondere Anforderungen erfüllen muss.

Schon die UBS-Rettung stand unter Kritik

Es ist schwer, in der Wirtschaft vergleichbare Beispiele zu finden, wie der Anbieter einer Grundversorgung, hier finanzielle Transaktionen, Geldanlage und Kreditausgabe, dermassen zusammenschnurrt, ohne dass an den Rahmenbedingungen etwas verändert wird.

Schon bei der Rettung der UBS nach ihrem US-Debakel eins wurde kritisiert, dass man sie besser hätte in den Bankrott schicken sollen. Das Argument, das wäre noch schlimmer gewesen, wurde stark bezweifelt, da andere Finanzinstutute wie die Postfinance wohl den Zahlungsverkehr hätten aufrecht erhalten können.

Dass diese Milliardenrettung (die später wieder reinkam) problematisch war, bewies dann die zweite UBS-Krise, die nur durch die Aufgabe des Bankkundengeheimnisses mit Milliardenschäden für alle Schweizer Banken gelöst werden konnte. Aber da hatte der Staat bereits 60 Milliarden ins Feuer gestellt, die zweite Nothilfe war dadurch unvermeidlich oder wie man so schön sagt alternativlos.

Auch heute, das beweist vor allem die CS, ist es jederzeit möglich, mit Milliardenflops, Milliardenbussen oder Milliardenabschreibern die Bank in ihren Grundfesten zu erschüttern. Dass dann eine allfällige Abwicklung reibungsloser ablaufen würde als 2009, ist ja eher ein zusätzlicher Grund, die Frage zu stellen, ob die CS überhaupt noch die Kriterien für «too big to fail» erfüllt. Oder ob sie nicht «too small to matter» ist, zu klein, um bedeutend zu sein.

Zumindest der Steuerzahler könnte ruhiger schlafen. Zudem kommen wegen Covid-19 noch ganz andere Ausgaben auf die Schweiz zu, will sie ihr Wirtschaftssystem über die Runden retten.

Staatsgarantie für diese Figuren?

Oder ganz einfach gefragt: braucht eine Bank wirklich eine Staatsgarantie, die alleine in diesem Jahr zwei Milliardenflops, einen Multimillionenabschreiber hingelegt hat? An der Spitze Fachkräfte beschäftigt, die nicht mal in der Lage sind, ihrer Vorbildfunktion nachzuleben? Die mehr Wert auf ein Leben als Jetsetter und braungebrannter Beau legen als auf die Erfüllung ihrer Aufgaben, für die sie fürstlich bezahlt werden? Ist also VR-Präsident Horta-Osório oder CEO Gottstein too big to fail?

Diese Lenker einer verzwergten Bank, die immer noch so tun, als wäre die CS ein Global Player? Die solange am Gerät bleiben, bis eine der wirklich grossen Grossbanken der Welt darauf lustig ist, die CS aus der Portokasse aufzukaufen? Wovon nur abhält, dass alle Schiss haben, welche Leichen noch in den tiefen Kellern am Paradeplatz ruhen …

Interessant auch, dass die versammelte Wirtschaftsjournaille zu diesem Thema ein Schweigegelöbnis abgelegt hat.

CS: Wo das Chaos startete

Wirtschaftsjournalisten haben ein Kurzzeitgedächtnis.

Anders formuliert: Es ist durchaus möglich, dass sie gar noch nicht auf der Welt waren, als das Elend der Credit Suisse begann.

Denn das fing nicht mit den Steuerstreitereien und der grössten Busse an, die eine Schweizer Bank jemals in diesem Zusammenhang zahlen musste. Das hat seine Ursache auch nicht darin, dass die Bank seither insgesamt über 10 Milliarden Franken an Bussen, Schadenersatz und Geldern zum Abwenden von Gerichtsfällen zahlen musste.

Das Elend begann auch nicht unter der Ägide eines tatenlosen VR-Präsidenten mit weisser Weste und eines CEO, der das Wort Beschattung ins Vokabular der Paradeplatzbank einführte.

Das Elend drückt sich aber durchaus im Aktienkurs aus, der mal stolz dreistellig war (ja, vor dem Komma) und inzwischen alle sogenannten Barrieren nach unten durchschlagen hat und um die 8 Franken herumdümpelt.

Das müsste eigentlich jedem verantwortlichen Bankenlenker die Schamröte ins Gesicht treiben. Ausser, er ist mehr mit dem Leben als Jetsetter beschäftigt oder damit, sich an seinem Stuhl festzuklammern, nachdem neu sogar Milliardenflops im Doppelpack bekannt gegeben werden mussten.

Die Wurzel des Übels führt ins Jahr 2000 zurück

Aber die Wurzel des Übels, auf die höchstens gelegentlich «Inside Paradeplatz» hinweist, liegt im Ankauf der US-Investment-Zockerbank Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ). Das war im Jahr 2000.

Wer nicht mehr weiss, wie es davor zu und herging und wie es zu solchen Schwachsinnsverlustkäufen kommen konnte, lese von Tom Wolfe «Fegefeuer der Eitelkeiten». Das Buch erschien bereits 1987, by the way, und beschrieb gnadenlos und haargenau den sich abzeichnenden Wahnsinn der Masters of the Universe, wie sich die durchgeknallten Investmentbanker selbst gerne nannten, oder einfach «big swinging dicks», was wir nicht übersetzen müssen.

Etwas fachtechnischer, aber unbedingt lesenswert geht es bei «The Big Short» von Michael Lewis zu. Oder aber, easy, man streame sich «Margin Call» runter; besser geht’s nicht.

Man wusste also schon lange, dass mit Zocken keine Wertschöpfung entsteht, dass Verbriefungen und Verwurstungen von Wettscheinen Gammelfleisch produzieren. Man wusste, dass es bei einer Wette immer zwei Seiten braucht. Eine gewinnt, was die andere verliert. Das wussten eigentlich alle.

Wie Wetten funktionieren, wussten alle

Mehr oder weniger. Lukas Mühlemann, damals Big Boss der Credit Suisse, wusste es weniger. Sein gesäuberter Lebenslauf auf Wikipedia stellt sein Wirken ganz neutral dar. Nach seiner Karriere bei den Schwurbel-Beratern von McKinsey ging’s so weiter: «Am 1. September 1994 trat er eine Stelle als Chief Executive Officer (CEO) bei der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft in Zürich an. Dort wurde er auch ab November desselben Jahres Mitglied des VR und ab 1996 gewählter Vizepräsident. Im gleichen Jahr wechselte er zur Credit Suisse, wo er 1997 Vorsitzender der Geschäftsleitung und 2000 VR-Präsident war. In der Zeit des „Groundings“ der Swissair war er auch dort Verwaltungsrat der Gesellschaft. 2001 trat er zurück.»

Was man der historischen Gerechtigkeit halber hinzufügen sollte: Er war auch im VR der NZZ, bestes Beispiel für den damals herrschenden FDP-Filz. Die CS, vormals SKA, war die stolze Escher-Bank, trotz einem kleinen Skandal im Tessin unkaputtbar und renommiert. Die Swissair war eine fliegende Bank, die NZZ eine schreibende.

Und Mühlemann, vom Berater zum Beschliesser aufgestiegen, wollte auf seine Art dem damaligen Grössenwahn frönen. Hypotheken, Sparbücher, Schwarzgeld, Termingeschäfte als das schärfste Finanzvehikel überhaupt, die Worte Derivat, Algorithmus oder gar Black Scholes waren am Paradeplatz noch unbekannt. Schnarch.

Also Hunter-Strategie für die Swissair, der Zusammenkauf von Schrott-Airlines quer durch Europa. Machte keinen Sinn, verstand keiner, gut dargestellt im gleichnamigen Film ist die Szene im Filz-VR der Swissair, als ein fassungsloser Mühlemann fragt:

Was heisst das, wir haben kein Geld mehr in der Kasse?

Denn es ging Schlag auf Schlag. Die fliegende Bank klatschte auf den Boden, weil sie nicht mal mehr ihre Flugzeuge betanken konnte. Die NZZ musste einen gewaltigen Abschreiber auf ihren Swissair-Aktien wegstecken.

Auch die stolze CS wurde kräftig durchgeschüttelt

Aus der Schnarch-CS wollte Mühlemann eine sogenannte Allfinanzbank machen, also endlich der Zusammenschluss zwischen Versicherungsgeschäft und Bankgeschäft. Damit überhaupt die Post abgeht, musste noch eine US-Zockerbank dazukommen, damit endlich Schub in die CS First Boston kam, mit einem Handelsraum so gross wie ein paar Fussballfelder.

20 Milliarden Franken (nach damaligem Wert) legte die CS für die Zocker-Boutique DLJ auf den Tisch. Die wohl grösste Fehlinvestition aller Zeiten; scheibchenweise Richtung 0 (!) abgeschrieben, immer noch ein Mühlestein in der Bilanz der Bank. Natürlich war auch die Allfinanz-Strategie ein Riesenflop, der die CS in den Grundfesten durchrüttelte.

2001 musste der Abwracker, der so gerne Lösung gewesen wäre, aber Problem wurde, zurücktreten. Immerhin.

Die Zeiten des Grössenwahns – auch bei der UBS.

Hat die CS – wenigstens heute – etwas daraus gelernt? Die Bankenführer waren doch alle schon auf der Welt und im Banking, als das passierte. Wir springen aus der vergessenen Vergangenheit in die Gegenwart, wo immerhin nicht nur Lukas Hässig darauf hinweist, dass es neben den Milliardenflops dieses Jahres auch noch einen «kleinen» Abschreiber von läppischen 450 Millionen gibt.

Die Leichen leben alle noch

Der entsteht aus einer Beteiligung aus dem Jahre 2010 am US-Hedgefonds York Capital Management. Als eigentlich alle schon wussten, dass man beim Wort US-Hedgefonds mit beiden Händen das Portemonnaie festhalten sollte und es zur Sicherheit gleich in den Safe einschliessen. Aber doch nicht die CS, das klappt schon, dachte man offensichtlich.

Zocker beim Zocken in der Zockerhöhle.

Das klappte nicht, Ende November trat Gründer und Chef Jamie Dinan mit beiden Füssen auf die Notbremse. «Neuausrichtung», «Strategiewechsel», was Banker halt so quatschen, wenn sie kurz vor Konkurs noch das Steuer herumreissen. Das führt dann zu einer «Wertberichtigung». Oder auf Deutsch: 450 Millionen futsch.

Was hat das mit der fernen Vergangenheit zu tun? Dinan startete seine grossartige Karriere im Jahr 1981 – bei Donaldson, Lufkin & Jenrette. Schon 1991 fühlte er sich fit, eine eigene Zockerbude, Pardon, Fondsgesellschaft, aufzulegen.

Und die gute, alte CS kaufte zuerst seinen alten Arbeitgeber für 20 Milliarden und beteiligte sich dann grosszügig am nächsten Flop eines ehemaligen DLJ-Zockers.

So lernt man aus dem Leben, nicht wahr?

 

 

 

Im Maschinenraum des BAG

Nachhilfe für die Rechercheteams der Mainstream-Medien.

Offiziell bekommt man keine Antwort auf die einfache Frage, wie es denn mit der Verteilung nach Altersklassen auf den Intensivstationen aussehe. Aber es gibt wenigstens die Rohdaten hinter den im Dashboard ausgewiesen Statistiken.

Hätten Sie’s gewusst? Die wöchentlichen Hospitalisierungen wegen COVID-19 in der Altersklasse 80+ haben von 2 in der Kalenderwoche (KW) 25 auf 211 in der KW 48 zugenommen. Also von Ende Juni bis Anfang Dezember dieses Jahres. Natürlich gilt auch: je jünger, desto weniger Steigerung. Zum Beispiel Altersklasse 20 bis 40: 6 Hospitalisierungen in KW 25,  54 in KW 48.

Unterschieden nach Impfzustand sieht so aus: von KW 40 bis 48 gab es bei 80+ insgesamt  515 Hospitalisierungen wegen Corona von Patienten mit «vollem Impfschutz». Dagegen lediglich  364 ungeimpfte. Bei immerhin 166 Patienten war der Impfstatus «unbekannt».

Nehmen wir als Sample nun die KW 44 bis 48. Da betrug die Anzahl der Todesfälle von COVID-19-Patienten 80+ insgesamt 400. In der Altersklasse 60 – 69 waren es lediglich 47. Von 30 – 49 nur 5, kein einziger Toter war zwischen 20 – 29 Jahre alt.

Als letzte Zahlenreihe die Todesfälle von 80+ unter Berücksichtigung des Impfstatus. Da waren in der KW 40 – 48 insgesamt 177 an COVID-19 Verstorbene völlig geimpft. Dagegen nur 147 nicht geimpft. Bemerkenswert ist der relativ hohe Anteil von 71 Toten mit Impfstatus unbekannt.

Diese Zahlen reflektieren alle Hospitalisierten, da es bislang nicht möglich ist, einem Amt eine Aufstellung nach Alter und Impfstatus auf den IPS zu entlocken.

Zahlen vorhanden, nur schaut sie keiner an

Was kann man aber schon aus diesen Zahlen schliessen? In diesem Zeitraum sind mehr Geimpfte der Altersklasse 80+ an der Pandemie verstorben als ungeimpfte Patienten. Wobei es völlig unverständlich ist, wieso bei 70 Verstorbenen der Impfstatus unbekannt blieb.

 

Ganz allgemein kann man die Binsenwahrheiten wiederholen:

  • Auch wenn uns immer wieder jüngere schwer Erkrankte in der Presse und im TV gezeigt werden: das Virus ist vor allem für alte Menschen eine Gefahr
  • Die Impfung reduziert die Gefahr einer schweren Erkrankung in allen Altersgruppen, aber bei weitem nicht so gut, wie uns das immer wieder gesagt wird
  • In den IPS werden wir ein ähnliches Bild antreffen, also vor allem über 70 Jahre alte Personen

Es handelt sich also um gleich drei Ungereimtheiten, auch hier.

  • Wieso wird behauptet, dass Ungeimpfte die grösste Gefahr für eine Überlastung des Gesundheitssystems darstellen?
  • Wieso wird behauptet, dass immer mehr jüngere Menschen mit schweren Symptomen im Spital landen, wenn sie nicht geimpft sind?
  • Wieso wird kontinuierlich an der Tatsache vorbeigeredet, dass logischerweise Menschen in der Altersklasse 80+ die mit Abstand höchste Todesrate aufweisen?

Dabei wurde hier sogar auf die Unterscheidung nach Anzahl und Schwere von Vorerkrankungen verzichtet. Es ist eine Binsenwahrheit, dass Menschen in dieser Altersklasse mit ganz wenigen Ausnahmen unter mindestens einer schwere Vorerkrankung leiden. Sei das Altersdiabetes, Bluthochdruck, Arthritis, beeinträchtigtes Immunsystem oder die Folgen schwerer Operationen.

Die Hochrisikogruppe ist längst bekannt

Also spricht alles dafür, dass vor allem ältere und damit vulnerable Personen besonders geschützt werden. Was seit zwei Jahren kaum geschieht, obwohl alle Statistiken einen überproportional ansteigenden Anteil an den Todeszahlen ausweisen, wenn man als Kriterium +70 oder gar +80 anwendet.

Hingegen bringt es wenig, die gesamte Bevölkerung mit den gleichen Massnahmen zu traktieren und sogar bei Kindern einen Impfwahn durchzusetzen, obwohl die an der Spitalmisere keinen wesentlichen Anteil haben. Das sind, genau wie die ewig im Raum stehenden Schliessungen von Lokalen oder Fitnesscentern, bloss energisches Handeln simulierende Placebos.

Wohlgemerkt soll hier niemandem böse Absicht unterstellt werden. Aber ein gerüttelt Mass an Inkompetenz schon.

Es ist auch durchaus denkbar, dass Fachpersonen aus diesen Zahlen ganz andere Schlüsse ziehen könnten. Denn im Gegensatz zu den meisten Rechthabern in den Medien habe ich überhaupt nicht die Sicherheit, die einzig richtige Wahrheit zu verkünden. Aber falls es Korrekturbedarf gibt, wäre es doch toll, ihn argumentativ überzeugend dargestellt zu bekommen. Dann hätten wir nämlich alle etwas dazugelernt.

Besorgniserregend ist allerdings, dass trotz einem unablässigen Strom von Artikeln, Meinungen und Forderungen in den sogenannten Qualitätsmedien sich dort niemand die Mühe macht, diese Zusammenhänge zu recherchieren und aufzubereiten.

ZACKBUM dankt Christoph Stucky dafür, sich die Mühe gemacht zu haben, die Rohdaten auf der BAG-Webseite durchzugehen.

 

 

Das grosse Schweigen

Es wird einsam um Jolanda Spiess-Hegglin. Man verharrt in feigem Schweigen.

Kein Hass- oder Hetzkommentar von der Kämpferin gegen Hass und Hetze im Internet. Nun ja, fast: Es seien harte Tage. «Nicht, weil die alten, widerlichen Typen an ihren Bürotischen sich nahezu einen runterholen, weil sie sehen, dass ich gewisse Sachen nicht bewältigen kann. Sie grölen. Sie lechzen. Weil wir – ich – den ganzen Sommer und Herbst dermassen am Anschlag war.»

Einen runterholen? Wäre eigentlich ein Fall für Netz Pig Cock. Aber es ist kein Anlass für Scherze: «Ich bin so müde», gesteht Spiess-Hegglin. Und stellt unbewiesene Behauptungen auf: «Das Umfeld von Glarner wusste schon vor 2 Wochen, dass uns das EBG die Unterstützungsgelder streicht. Ich hingegen musste mich innerhalb von 24 Stunden organisieren und in Stellung bringen.»

Das linke Gleichstellungsbüro im Department von SP-Bundesrat Alain Berset informierte SVP-Glarner vorab? Echt jetzt?

Aber noch bedrückender ist: Die Medienmitteilung auf Facebook bekam 2 Kommentare und wurde 4 mal geteilt. Dieser Stossseufzer erhielt 34 Kommentare (nicht sichtbar) und 192 Likes.

Hansi Voigt, der sonst keine Gelegenheit auslässt, einer guten Sache mit schlechten Sprüchen zu schaden – verstummt. Ein schlapper Retweet eines anderen, der die kurze Stellungnahme von Spiess-Hegglin tweetet. Dabei ist Voigt im Beirat von #netzcourage, da könnte man etwas Solidarität erwarten. «Das Lamm», Daniel Ryser, alle grossen Worthelden, ohne Worte.

Warum schweigen fast alle, so viele?

«Bajour»? Lieber «6 Optionen, wo du am Sonntag in Basel brunchen kannst» vom 27. Oktober (immerhin 2021) zuoberst auf der Webseite. «Republik»? Sprachlos. All die Twitter-Kings, die Fans, die sofort zuschnappen, wenn ihr Idol «fass» sagte? Ein müder Versuch, «#wirsindnetzcourage» trenden zu lassen, was Spiess-Hegglin gleich munter mit «Neiiiin! Nicht auch noch Platz 1» anfeuert.

Besonders betrüblich ist auch das verkniffene Schweigen von Hardcore-Unterstützern. Der seinem Namen alle Schande machende Verein «Fairmedia» hatte eine eigene Fanpage für Spiess-Hegglin aufgeschaltet, wo man unter «Team Jolanda» Geld abdrücken kann. Der Geschäftsführer und ehemalige «TagesWoche»-Bruchpilot Jeremias Schulthess geruht erst gar nicht, auf die höfliche Presseanfrage zu reagieren, wie sich der Verein denn zu diesem Entscheid des Bundeamts positioniere.

Gleich reagiert auch die Interimspräsidentin des Vereins Netzcourage, obwohl Liliane Ritzi doch als Auskunftsperson für weitere Fragen auf der Medienmitteilung angegeben ist. Von ihr wollte ZACKBUM unter anderem wissen, wohin denn Geschäftsbericht, Kommunikationskonzept und Code of Conduct verschwunden sind, die bis vor Kurzem noch auf der Webseite standen. Damals spreizte man sich, wie transparent man doch sei. Und heute?

Eine fehlende Reaktion ist besonders widerwärtig

Am widerwärtigsten ist aber die Reaktion von ganz anderer Seite, Beziehungsweise das dröhnende Schweigen der erregten 78 Tamedia-Frauen. Man erinnert sich? Deren Protestschreiben über unerträgliche Zustände auf den Redaktionen von Tamedia wurde via Spiess-Hegglin in die Medien eingespeist und sorgte dann für grosses Hallo. Ob das allen Unterzeichnern passte oder nicht: diese Publizität hatten sie ihr zu verdanken.

Nun ist Spiess-Hegglin selbst etwas in einem dummen Rank. Wann, wenn nicht jetzt solidarisch sein? Wo ist denn Salome Müller, Aleksandra Hiltmann, wo sind alle anderen, wenn man sie mal bräuchte? Wenn es etwas Rückgrat bräuchte? Da bislang keine der 78 Journalistinnen geruhte, auf mehrfache höfliche Anfragen von ZACKBUM zu reagieren, haben wir diesmal darauf verzichtet.

Da tun alle so, als wäre Spiess-Hegglin schon waidwund, auf der Verliererstrasse. Da folgt man doch lieber dem Beispiel der beiden Nationalrätinnen Funiciello (SP) und Gysin (Grüne): nichts wie weg. Abtauchen, Schnauze halten. Abwarten, woher der Wind weht, wie sich die Sache entwickeln wird. Und erst dann wieder aus den Löchern kriechen, wenn man weiss, wo der Sieger steht.

Was soll man, was darf man zu den charakterlichen Befindlichkeiten all dieser Menschen sagen? Leider nichts, was nicht juristische Verwicklungen nach sich ziehen würde.

 

 

 

 

Wo ist denn der Rücktritt?

«Blick» ballert weiter gegen den CS-Präsidenten. Gut so.

Materiell hat das Boulevardblatt seine Munitionskiste offenbar geleert. Da gibt es nur noch Rehash. Rückkehr aus London im Privatjet, damals zehntätige Quarantäne als Folge, aber nur drei Tage später muss der der Jetsetter schon weiter.

Mit Zwischenstopp in Europa, dann nach New York. Wichtige Sitzung des Verwaltungsrats. An der nehmen zwar auch andere per Zuschaltung teil, aber António Horta-Osório liebt offenbar den Geruch nach Kerosin und Wichtigkeit. Und wenn man schon auf Firmenkosten wichtig durch die Welt düsen darf, wieso nicht.

Besonders animiert dürfte der Bankenlenker allerdings nicht im Flieger gesessen haben. Im Gegenteil, er hatte Zeit, den Schaden zu betrachten, den seine Kommunikationsberater bereits angerichtet haben.

«Verghona» auf Portugiesisch. Aber nicht im Wortschatz eines Bankers.

Zunächst die Lachnummer, dass er nicht gewusst habe, was Quarantäne bedeute. Also man dürfe zwar sein Haus nicht verlassen, aber echt jetzt, nicht mal einen Privatjet darf man besteigen? Das müsste einem ja extra gesagt werden, wirklich wahr.

Darüber konnte sich der «Blick» schon im Aufmacherartikel lustig machen. Die Rücktrittsforderung einer Arbeitsethikerin steht auch schon im Raum. Was macht man da als Nachzug?

Bum-Bum-«Blick» verbeisst sich in den CS-Boss.

Gleich drei Kräfte wirft der wiederbelebte «Blick» am nächsten Tag in die Schlacht. Deren Aufgabenverteilung war klar. Einer kaut die bekannten Tatsachen nochmal durch. Der zweite bauchpinselt den «Blick» mit einem Blick auf die internationale Resonanz, die die Story gefunden hat. Von der FAZ über Bloomberg, Reuters  bis zur «Financial Times»: überall schüttelt man den Kopf über das Verhalten des Wichtigbankers, natürlich mit Erwähnung des Blatts, das die ganze Affäre publik gemacht hat.

Wie hält man die Story am Köcheln?

Aber nach der Story ist vor der Story, Ablecken der Lorbeeren und Wiederholung des Bekannten ist das eine. What’s next, wie der Ami so richtig sagt, wie geht’s denn nun weiter?

Da zeigt Lukas Hässig von «Inside Paradeplatz», wie man klotzt, nicht kleckert:

Auch im Text ballert er aus allen Rohren. Man habe bei der CS auf eine Wende gehofft, auf einen Aufräumer, aber:

«Nun haben sie einen Luftibus im Haus, der nicht weiss, wie blöd er tun soll. Wärs keine Tragödie, wärs zum Schiessen. Ein Frauenheld, ein Jet-Setter, ein Bullshit-Erzähler, der von Walk the Talk spricht und sich selbst kein bischen im Griff hat.»

Das nennt man volles Rohr. Etwas, einiges dezenter hält’s der «Blick». Er verbeisst sich in die Frage, wieso Horta-Osório behauptet, er habe «unwissentlich» gegen die Quarantäne verstossen. Schlussfolgerung: «Hätte er dabei zugeben, dass er wissentlich gegen die Quarantäne verstossen hatte, hätte er die Einleitung eines Enforcement-Verfahrens riskiert. Um seinen Kopf zu retten, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als Nichtwissen als Grund für den Verstoss anzugeben.»

Kann man Horta-Osório zurücktreten?

Damit bezieht sich der «Blick» darauf, dass wir im Prinzip eine Überwachungsbehörde für den Finanzplatz haben. Allerdings hat die FINMA noch nie einen Grossen ernsthaft geärgert. Alle Schweinereien, die die CS bislang anstellte, hatten noch nie Sanktionen zur Folge, persönliche Konsequenzen. Obwohl die FINMA die sogenannte Gewähr entziehen kann, also die Lizenz zum Banking in höheren Kreisen. Und ohne diese Gewähr muss der Banker zurücktreten.

Nun ist es aber mit dem Rücktritt so eine Sache. Während jedes Geschäftsleitungsmitglied vom Verwaltungsrat gefeuert werden kann, ist es bei seinen Mitgliedern schwieriger. Das entschied schon den Machtkampf zwischen Tidjane Thiam und Urs Rohner. Der konnte feuern, konnte aber nicht gefeuert werden.

Schöne Sammlung des «Blick».

Das kann bei einem VR nur das Gremium, das ihn gewählt hat. Also die Generalversammlung der Aktionäre. Das ist noch nie geschehen bei einer Grossbank, und es wäre auch äusserst unwahrscheinlich, dass eine ausserordentliche Versammlung mit einem Traktandum einberufen würde und dann erst noch eine Mehrheit für Abschuss zustande käme.

Also befindet sich die CS in der ungemütlichen Lage, dass der VR seinen Präsidenten höchstens beknien kann, für das Ganze, für den Ruf, angesichts der Umstände, unter Verdankung der geleisteten Dienste («wir werden dann auch ausdrücklich unseren Respekt bekunden, gell António») – freiwillig zurückzutreten.

Rücktritt oder klammern: beides ist fatal

Auch das ist kitzlig. Denn ob Horta-Osório diesem Ansinnen folgen würde oder nicht: Was ist von einer Bank zu halten, in der ihr Präsident zum Rücktritt gedrängt wird? Oder was ist von einer Bank zu halten, deren Präsident sich an seinem Stuhl festklammert?

Da hat Hässig schon recht, er formuliert, was sich der «Blick» noch aufspart:

«Horta-Osório hat CS maximalen Schaden zugefügt.»

Man darf gespannt sein, ob spätestens der SoBli nachlegt. Der versemmelte ja seine Berichterstattung über den Ex-VRP von Raiffeisen. Da wäre Wiedergutmachung gefragt. Und natürlich hofft jeder der wenigen verbliebenen Chefredaktoren in der Schweiz darauf, den Blattschuss ansetzen zu können.

Ach, und wieso hat eigentlich der CS-Boss diese Dummheit begangen? Dafür muss man kein Diplompsychologe sein. Weil er’s kann. Weil er sich zu wichtig nimmt. Weil er annahm, dass das sowieso nicht rauskommt. Weil er den möglichen Schaden völlig falsch einschätzte.

Oder ganz einfach: weil er ein Banker ist.