Dichtung und Wahrheit, Teil 4

Wie stellt man Gerechtigkeit her, nach so vielen Jahren und so viel Unrecht?

Hier geht’s zu Teil eins, zu Teil zwei und drei.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden.
Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Es gibt die Nachkommen Emden. Denen Unrecht geschah, wie ihrem Vater, Grossvater, Urgrossvater Max Emden. Der eigentliche Skandal spielt sich bis heute in der Bundesrepublik Deutschland ab. Was die Nazis unter Anwendung von Judengesetzen Emden wegnahmen, könne leider nicht restituiert werden. Denn der damals als deutscher Jude Behandelte sei ja in Wirklichkeit ein katholischer Schweizer gewesen. Also leider keine Entschädigung.

 

Das soll natürlich keine Ablenkung oder Entschuldigung für allfälliges Fehlverhalten des Käufers dieses Bildes oder der seine Sammlung verwaltenden Stiftung sein. Fragwürdig ist auch das Verhalten von Publizisten und Historikern, die darauf ihre eigenen Süppchen kochen wollen.

Die beschämende Rolle von Daniel Binswanger in der «Republik» wurde hier schon gewürdigt. Aber noch elender ist die Rolle von Historikern, die aus der Eröffnung der Erweiterung des Kunsthauses Zürich sich nochmal ein Scheibchen Ruhm abschneiden wollten. Dabei gehen sie genau gleich wie Binswanger vor. Zunächst Lobeshymnen auf die Stiftung, dann wüstes Geschimpfe.

Wie Rico Bandle in der «Geschichte einer Schlammschlacht» (hinter Bezahlschranke) im Januar dieses Jahres aufzeigte, war der Historiker Erich Keller noch vor drei Jahren des Lobes voll über die «akribische Provenienzforschung der Stiftung Bührle». Dann aber meldete sich Keller mit einem Buch zu Wort: «Das kontaminierte Museum». 2021 wollte er im Rotpunktverlag aufzeigen, dass die Bührle-Forschung beschönige, gar Fakten unterschlage und daher auch nicht glaubwürdig sei.

Aus einer hässlichen Geschichte wird eine Heldensaga

Damit sorgte Keller international für Schlagzeilen, was seinem Ruf nicht schadete. Dahinter steckt allerdings zunächst eine hässliche Geschichte der Aufarbeitung der Vergangenheit der Bilder. Wie Keller beschönigend im Buch schreibt, sei er zwei Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Forschungsprojekts der Uni Zürich gewesen, mit dem die «historische Kontextualisierung der Sammlung Bührle» wissenschaftlich vorgenommen werden sollte. Dort habe er sich

«erfolgreich gegen beschönigende Eingriffe der Bührle-Stiftung und der Stadt Zürich gewehrt».

Wunderbares Narrativ, der tapfere Wissenschaftler widersteht üblen Manipulationsversuchen. Die Wirklichkeit ist wie meistens prosaischer. Der von der Uni ausgewählte Historiker holte sich Keller als Hilfe. Es kam zu Konflikten, Keller «sah sich als federführender Autor und wollte sich von seinem Vorgesetzten nicht mehr hereinreden lassen. Im Dezember 2019 eskalierte die Lage so weit, dass die Leitung des Historischen Seminars der Uni vermitteln musste», schreibt Bandle.

Erstnennung im Bericht gegen kollegiales Verhalten, wurde als Schweizer Kompromiss vorgeschlagen. Dennoch verliess Keller kurz vor Fertigstellung abrupt das Projekt. Ihm wurden kollegial die Korrekturen und Anmerkungen des Aufsichtsgremiums («Steuerungsauschuss») weitergeleitet, das zuvor versucht hatte, zu vermitteln.

Daraus machte Keller dann in der WoZ: «Die Eingriffe durch Mitglieder des Steuerausschusses und die Projektleitung wollen historische Fakten zum Verschwinden bringen.» Verschreckt liess die Uni den Bericht durch gleich zwei Gutachter durchleuchten, einen davon durfte Keller bestimmen. Das für ihn vernichtende Fazit des eigenen Gutachters: «Der vorliegende Bericht ist inhaltlich substanziell und insgesamt gelungen.»

Narrativ ist stärker als Chronologie

Das konnte aber am Narrativ, dass Keller die Untersuchung verlassen habe, um gegen Eingriffe und Zensur zu protestieren, nicht mehr aufhalten. Obwohl das auch chronologisch nicht stimmte: Der Steuerungsausschuss brachte seine Änderungsvorschläge erst nach Kellers Abgang ein.

Daraus ist inzwischen ein Jekami geworden. Die Linke lobt Kellers vermeintliche Winkelried-Aktion, über die störenden Fehler in seinem Buch wird grosszügig hinweggesehen. Kellers Gutachter, der Historiker Jakob Tanner, ist aber stinksauer auf Daniel Binswanger und sägte den bei einer Podiumsveranstaltung frontal an: «Was er geschrieben habe, sei «wissenschaftsfeindlich» und ein «infamer Angriff» auf ihn. «Das hatten wir bisher von rechts, aus der ‹Weltwoche›, jetzt ist es mitten in der ‹Republik› angekommen»», zitiert ihn Brandle maliziös.

Nachtreten statt Einsicht

Herrscht wenigstens etwas Einsicht unter den Historikern? Keineswwegs; Historiker Keller beschwerte sich in einem Schreiben an den Tamedia-Oberchefredaktor Arthur Rutishauser über diesen Artikel von Bandle. Auf fast drei Seiten stapelt Keller «Bandle behauptet, richtig ist» übereinander. Dagegen antwortete Bandle mit einem trockenen Zweiseiter. Ein Beispiel:

«In Ihrer Stellungnahme steht, es sei falsch, dass Lea Haller Erich Keller als ihren Nachfolger in der Forschungsgruppe vorgeschlagen hat. Dabei sagte Lea Haller an der Buchvernissage im Theater Neumarkt wörtlich: «(Ich) habe Erich dann vorgeschlagen als meinen Nachfolger. Das hat geklappt, er hat übernommen.» Auf folgendem Video ist dies festgehalten: https://vimeo.com/625316267 (ab Minute 7:00)»

Peinlich, sehr peinlich für einen der historischen Wahrheit verpflichteten Forscher. Viele von ihm (und seinem durch ihn angefütterten Fürsprecher Binswanger) erhobenen Vorwürfe sind falsch. Sowohl gegen den vernichtenden Artikel von Bandle wie auch, was die Beschreibung des Abgangs von Keller aus dem Uni-Forschungsprojekt betrifft.

Näher an der historischen Wahrheit scheint zu liegen, dass es zu Eifersüchteleien und einem Nahkampf kam, wer denn nun die Lorbeeren für diese Untersuchung einstreichen dürfe. Trotz Vermittlungsversuchen der Uni endete das im Krach und dem Abgang Kellers. Daraus bastelte er das Narrativ, dass er sozusagen im heldenhaften Kampf gegen Eingriffe von Bord gegangen sei, obwohl die seitens der Uni definitiv nach seinem Abgang erfolgten – und laut seinem eigenen Gutachter keinesfalls grobe Probleme beinhaltet hatten.

Man sollte nicht zurückgeben, wenn’s in die Hose geht

Nun könnte man sagen: probieren kann man immer. Aber dann sollte man nicht den Fehler machen, einem kritischen Artikel an den Karren zu fahren. Das mag nämlich der Autor auch nicht – und die Replik Bandles auf die Vorwürfe von Keller ist vernichtend.

Aber so ist’s halt mit Narrativen: Die Kampfschrift «Das kontaminierte Museum» gilt in Bührle-kritischen Kreisen immer noch als aufrechte und wissenschaftliche Glanztat. Obwohl es parteiisch, unsorgfältig und mit starker ideologischer Schlagseite verfertigt wurde.

Aber dem Narrativ – jüdische Raubkunst, durch Waffengeschäfte mit dem Dritten Reich reich gewordener Käufer, also mit Blutgeld billig bezahlte Fluchtkunst – wer kann dem schon widerstehen.

Was das Kunstmuseum Bern mit dem Gurlitt-Fundus macht, schreibt nebenbei ein weiteres trübes Kapitel im Thema Raubkunst. Von über 1600 Werken aus dem Nachlass Gurlitts erwiesen sich 14 eindeutig als Raubkunst – und wurden zurückgegeben.

Bei weiteren 29 besteht ein Verdacht. Einige von denen sollen nun an die Erben der damaligen Besitzer oder Verkäufer zurückgegeben werden. Obwohl deren Anspruch juristisch gesehen mehr als wackelig ist. Aber der Reputationsschaden, das Geschrei von Keller und Konsorten?

Kollateralschaden? Na und?

Auf der anderen Seite: welcher Sammler von Werken, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts den Besitzer wechselten, will seine Kollektion noch einem öffentlichen Museum überlassen? Wo er doch befürchten muss, dass Raubkunst zu Recht, aber auch im Falle von umstrittenen Besitzverhältnissen Werke aus seiner Sammlung in private Hände gehen und meistens damit der Öffentlichkeit entzogen werden?

Auch hier gilt:

Holzgeschnitztes Schwarzweiss ist immer eingängiger als die bunte Darstellung komplexer historischer Ereignisse.

Bandle war es schon gelungen, den Sohn des damaligen Kunstberaters von Emden Junior aufzutreiben. Der widersprach der Darstellung, der Sohn habe seine Verkäufe an Bührle vor und nach seiner Auswanderung nach Chile bitterlich bereut und sei dabei vom Waffenproduzenten übers Ohr gehauen worden. Emden Junior habe sich im Gegenteil bis zu seinem Tod nur wohlwollend und dankbar gegenüber Bührle geäussert. Aber was nicht ins Narrativ passt …

 

Panoptikum der Heuchler

Verächtlicher als Putin sind nur unsere schreibenden Kriegsgurgeln.

Lassen wir aus juristischen Gründen Namen weg. Es gibt Besitzer und Benützer grosser Medienplattformen, die hemmungslos andere Menschen in den Tod schicken wollen.

Diese Sandkastenkrieger wollen NATO-Truppen in die Ukraine abkommandieren, fordern, dass das westliche Verteidigungsbündnis bei einem Nicht-Mitglied eine No-Fly-Zone durchsetze. Sie krähen mutig, dass man sich von russischen Drohungen, dass gewisse Aktionen mit einem Atomschlag beantwortet werden könnten, doch nicht in die Knie zwingen lassen darf.

Vor etwas mehr als hundert Jahren endete der Erste Weltkrieg. Es war der erste Krieg, in dem Propaganda flächendeckend eingesetzt wurde. In dem erkannt wurde, dass Erfolge auf dem Schlachtfeld durchaus wesentlich für den Kriegsverlauf sind. Aber die Beeinflussung der eigenen Bevölkerung auch.

Der Feind wird dämonisiert und entmenschlicht. Er ist grausam, barbarisch, unzivilisiert. «Jeder Schuss ein Russ», «Gott strafe England», solche Reime und Slogans wurden geboren, der Deutsche war der «Hunne», eine Bedrohung für die ganze Menschheit. Die Massenmedien wurden zu hysterischen Propagandaschleudern. Meistenteils freiwillig.

Rassistische Archetypen wurden angerufen. Jeder Angehörige einer Nation wurde kollektiv schuldig gesprochen. Nicht nur der Soldat war der Feind, jeder Russe, Deutsche, Engländer, Österreicher. Der Künstler, der Buchhalter, der Musiker. Wehe, wer auf der Strasse als Angehöriger einer feindlichen Nation erkannt wurde. Der Lynchmob drohte.

Was vor Kurzem noch fern schien, kommt näher und näher

Was für ein mutiger Mann war da John Heartfield, der Erfinder der politischen Fotomontage (Kindersoldaten: googeln). Er hiess eigentlich Helmut Herzfeld und benannte sich 1916 in Heartfield um – als Protest gegen den englandfeindlichen Nationalismus in Deutschland.

«Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen.» John Heartfield.

All dieses Geschrei, dieser Nationalismus und Patriotismus, diese Hetzer am Schreibtisch, das erschien uns bis vor Kurzem fern und unverständlich. Der russische Überfall auf die Ukraine löst aus, dass sich die Geschichte wiederholt. Wie kommen ansonsten zurechnungsfähige Schweizer Publizisten auf die perverse Idee, Soldaten in den Tod schicken zu wollen? Reicht es ihnen nicht, dass das der russische Präsident tut, den sie deswegen als wahnsinnigen Verbrecher verurteilen?

Der Unterstand im Ersten Weltkrieg.

Sind sie wirklich bereit, einen weltverschlingenden Atomkrieg zu riskieren, den ein militärischer Einsatz der NATO in der Ukraine ohne Weiteres auslösen könnte? Wollen sie sich wirklich zu «Masters of War» aufschwingen, über die schon Bob Dylan sang, dass ihnen nicht einmal Jesus vergeben würde?

In der Blutmühle von Verdun.

Sind sie einfach verantwortungslos, weil sie wissen, dass ihr Wort nicht zählt? Ist ihnen bewusst, dass ihre markigen Forderungen nach Beschlagnahmung aller «Russengelder» in der Schweiz, nach sofortigem Stopp von Handelsgeschäften an den Grundfesten unseres Rechtsstaats rütteln? An der Eigentumsgarantie und der Gewerbefreiheit?

Dass niemand seine Unschuld beweisen muss und schuldig sei, bis er das widerlegen kann? Dass das Abfordern von Bekenntnissen für und gegen ein Rückgriff in die Zeiten der mittelalterlichen Inquisition ist?

Hat natürlich niemand gewollt. Niemals.

Ist diesen Heuchlern nicht bewusst, wie wohlfeil Kriegsgeschrei aus mit russischem Gas beheizten Redaktionsstuben ist? Die Heimfahrt im mit raffiniertem russischen Öl betriebenen Schlitten? Ist ihnen nicht bewusst, wie entlarvend es ist, wenn sie auf die Frage antworten, was sie denn persönlich – ausser andere in den Tod schicken wollen – so täten, um zu helfen, dass sie dann schon mal spenden werden, irgendwann in der Zukunft?

Ist diesen Heuchlern bewusst, dass die Konzentration auf die friedliche Forderung, sofort jegliche Handelsbeziehungen mit Russland einzustellen, die wirksamste Waffe gegen den Ukraine-Krieg ist? Das wäre aber mit eigenen, nicht mit fremden Opfern verbunden.

Der Präsident der Ukraine hat alles Recht der Welt, auf dem Klavier der Propaganda, der PR, der rhetorischen Kriegsführung zu spielen. Er hat den Propagandakrieg gegen Russland haushoch gewonnen. Die Schweizer Medien, und nicht nur die, haben ihn elend verloren. Was nach Covid noch an Reputation vorhanden war, geht gerade in den Orkus.

Die Visuals dieses Artikels sind nichts für schwache Nerven. Aber sie bebildern, was in letzter Konsequenz passiert, wenn jemand den feigen Kriegsrufen in unseren Medien Folge leisten würde. Dass sich diese heuchlerischen Kriegsgurgeln damit der völligen Lächerlichkeit aussetzen, ist ihnen, das ist wahrhaft Anlass für homerisches Gelächter, nicht einmal bewusst in ihrer bedeutungsschweren Aufgeblasenheit.

Der grösste Schurke USA

Nehmt den reichen Russen ihre Jachten weg. Am lautesten schreit immer der grösste Schurke.

Die Schummeleien mit CumEx, eine Methode, sich einmal gezahlte Steuern zwei- oder mehrfach zurückzahlen zu lassen, richtete in Europa einen Schaden von geschätzten 60 Milliarden Franken an.

Über Jahre hinweg waren die Steuerämter, in erster Linie der deutsche Fiskus, nicht in der Lage eine offenkundige Gesetzeslücke zu stopfen – obwohl sie ständig darauf hingewiesen wurden. In der Schweiz wurde der Trick auch versucht – und scheiterte an eidgenössischen Steuerkommissären, die sich weder ins Boxhorn jagen, noch hinters Licht führen liessen.

Der Mastermind des Schwindels flüchtete in die Schweiz. Und sitzt in Auslieferungshaft Richtung Deutschland. Glaubte halt das Märchen der Alpenfestung, hätte sich besser in die USA abgesetzt.

Wenn man an westliche Rechtsstaaten glaubt

Über viele Jahre hinweg war das Geld von reichen Russen, aus unerfindlichen Gründen Oligarchen genannt, im ganzen Westen hochwillkommen. Die reichen Russen befeuerten den Bau von Superjachten, kauften teuerste Immobilien an bester Lage und verstauten ihr Geld auf westlichen Bankkonten.

Solche Geldflüsse sind naturgemäss sehr schwer aufzudecken, weil es durchaus im Interesse der Besitzer ist, zwar mit ihrem Reichtum anzugeben, aber nicht offenzulegen, wo sie ihn gebunkert haben. Deshalb gibt es nur Schätzungen. Eine aus dem Jahr 2017 geht davon aus, dass reiche Russen rund 800 Milliarden Dollar auf Banken in England, Zypern, der Schweiz und Offshore-Paradiesen gelagert haben.

Natürlich sind damit nur Gelder gemeint, die mehr oder minder direkt mit einem solchen reichen Russen in Verbindung gebracht werden können. Die meisten dieser Superreichen sind zwar stinkreich, aber leider auch furzdumm. Denn sie glaubten an Dinge wie Eigentumsgarantie, Rechtsstaatlichkeit und daran, dass man zwar in Russland einfach enteignet werden kann, aber doch nicht in zivilisierten, westlichen Staaten.

Am sichersten ist das Geld immer in den USA

Geschickter waren schon die, die ihr Geld im sichersten Ort auf Erden für alle Arten von dunklen Geldflüssen investierten. In den USA natürlich. Von Sunny Isles in Florida über Cleveland bis hin zu Hochhäusern in Manhattan ist das Geld der postsowjetischen Oligarchen in den letzten Jahrzehnten in die Grossstädte und das Kernland geflossen.

Das liegt daran, dass die Regierung nur sehr wenig tun kann, um herauszufinden, wem welche Immobilien in den USA gehören, die zu einem «Ziel der Wahl» für Geldwäscher auf der ganzen Welt geworden sind, sagt Louise Shelley, Direktorin für grenzüberschreitende Kriminalität und Korruption Center an der George Mason University, die als Sachverständige darüber auftrat, wie russisches Geld durch Immobilien gewaschen wird.

Auf mehr als 2,3 Milliarden Dollar wird das Geld geschätzt, dass in den letzten Jahren so gewaschen wurde.

«Es gibt dieses Missverständnis, dass Sie einfach rausgehen und diese Villen beschlagnahmen können, diese Yachten beschlagnahmen. Bei so vielen ist der Besitzer eine komplette Blackbox»,

sagt Casey Michel, der Autor von «American Kleptocracy: How the U.S. Created the World’s Greatest Money Laundering Scheme in History».

«Die USA haben den Oligarchen alle Werkzeuge der Anonymität zur Verfügung gestellt, die sie brauchten», sagt er, und es gebe keine unmittelbaren exekutiven Massnahmen, die Präsident Biden ergreifen kann, um das Problem zu beheben.

Übrigens, nebenbei, natürlich sollte auch Igor Kolomoisky auf der Liste sanktionierter Oligarchen stehen, der Förderer des ukrainischen Präsidenten und Kriegshelden Selinskyj.

Die Schweiz stellt sich selbst an den Pranger

Die ewigen Leak-Ausschlachter bei Tamedia überbieten sich gerade mal wieder in Selbstanklagen: «Die Schweiz, entblösst als Putins Geldträgerin», leitartikelt Oliver Zihlmann. Ohne sich der unfreiwilligen Komik bewusst zu sein, beginnt der Tamedia-Redaktor:

«Die USA haben zur wohl grössten Schatzsuche der Geschichte geblasen.»

Da ist was dran, denn mit rechtsstaatlicher Abklärung des korrekten Besitzes von Vermögen, Jachten oder Immobilien hat diese Schatzsuche wenig zu tun. Es geht darum, Symbole des Reichtums schlichtweg zu arretieren – auf nichts hin. Denn die gleichen Besitzer, denen heute ihre Bankkonten eingefroren werden, konnten sie jahrelang problemlos benutzen.

Was hat sich geändert? Präsident Putin hat die Ukraine überfallen, das hat sich geändert. Sonst eigentlich nichts, was die Besitzer dieser Vermögen betrifft. Aber Zihlmann geht noch einen Schritt weiter: «Doch jetzt jagen die mächtigsten Länder der Welt diesen Geldern nach, und sie werden immer wieder auf Schweizer Bankkonten stossen

Richtig, so wie sie auf Bankkonten überall auf der Welt stossen werden. Dass reiche Russen ihre Vermögenswerte nicht Banken in Angola, Cabo Verde oder Paraguay anvertrauten, sondern in erster Linie dem nach wie vor grössten Finanzplatz für Privatvermögen, nämlich der stabilen Schweiz, was Wunders.

Zihlmann sieht schwarz: «Wir riskieren, dass man uns als Geldträgerin und Gehilfen für ein Regime wahrnimmt, das für eine humanitäre Katastrophe historischer Dimensionen verantwortlich ist. Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.»

Wenn Akteure auf dem Schweizer Finanzplatz gegen Schweizer Gesetze verstossen haben, gehören sie selbstverständlich bestraft. Aber so die «Schatzsuche» verlumpender Staaten bejubeln, das ist schon nassforsch.

Moderner Imperialismus geht mit dem Big Stick Dollar

Gerade die Schweiz musste schmerzlich erfahren, wie die USA rechtsimperialistisch die Gültigkeit ihrer Gesetze innerhalb der Schweizer Grenzen durchsetzten – im sogenannten Steuerstreit. Man kann es nicht oft genug wiederholen, vielleicht kapiert’s dann auch Zihlmann irgendwann:

Die meisten Schwarzgelder der Welt liegen in den USA. Die undurchsichtigsten Firmenkonstruktionen zwecks Verschleierung des wirklichen Besitzers sind in den USA möglich. Die grössten Geldwaschmaschinen für alles kriminelle Geld der Welt, aus Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution, Sklaverei und Ausbeutung von Kindern – stehen in den USA.

Im Vergleich dazu stehen die Schweizer Gnome inzwischen mit blütenweisser Weste da. Das Land, das den Kampf gegen Steuerhinterziehung auf alle Flaggen geschrieben hat, nimmt nicht am Automatischen Informationsaustausch über ausländische Kundenvermögen teil. Wenn ein Ami in der Schweiz Geld vor dem Fiskus verstecken will, dann hat er schlechte Karten. FATCA. Und sollte sein Finanzinstitut diese Meldung unterlassen und es kommt doch heraus, dann hat es drakonische Strafen zu befürchten.

Versteckt aber ein Schweizer sein Schwarzgeld in den USA, dann hat er schlichtweg nichts zu befürchten. Genauso wenig wie der Drogenbaron, der Blutdiamantenhändler, der Kinderausbeuter. Und da macht sich Zihlmann echt Sorgen, dass das Image der Schweiz leiden könnte? Nun, wenn solche nützliche Idioten für grosse Multiplikatoren schreiben, muss man sich darum tatsächlich Sorgen machen.

Weil die ihren Beitrag dazu leisten, dass der grösste Schurke beim Verstecken, Waschen, Investieren von schmutzigem Geld, mit dem Zeigefinger auf alle anderen zeigen darf. Ohne dass alle Zeigefinger auf ihn deuten, ohne dass die USA weltweit aufgefordert werden, zuerst mal den eigenen Saustall aufzuräumen.

 

 

Von Helden und Heuchlern

In der russischen Tagesschau «No War» zu fordern, das ist Mut.

Marina Ovsyannikova hat ein Zeichen gesetzt. Die Redaktorin beim russischen Staatsfernsehen marschierte mit einem Plakat in die Abendausgabe der dortigen Tagesschau «Wremja» um 21 Uhr Lokalzeit.

«Kein Krieg» auf Englisch, «Stoppt den Krieg, glaubt der Propaganda nicht, hier werdet ihr belogen» auf Russisch. Das ist Mut. Alleine das Wort Krieg für die «militärische Spezialoperation» in der Ukraine zu verwenden, kann bis zu 15 Jahre Gefängnis bedeuten. Selbst die putinkritische Zeitung «Novaya Gazeta» des Friedensnobelpreisträgers Dmitri Muratow traute sich nur so, über diese Protestaktion zu berichten:

Wie lange es wohl dauern wird, bis Marina Ovsyannikova vergessen sein wird? Ihre Aktion wird den Krieg in der Ukraine nicht stoppen. Aber sie hat einen Mut bewiesen, ein Opfer für ihre Haltung und Überzeugung gebracht, vor dem man sich nur verneigen kann.

Umso verächtlicher wirken all die Plakatträger im Westen, in der Schweiz, die auch mal wieder ein Zeichen setzen. Endlich nicht mehr auf den Knien und «black lives matter» grölen. Auch kein Schuleschwänzen mehr fürs Klima.

Nein, jetzt muss ein neues Zeichen gesetzt werden. Blaugelb sind die Modefarben des Frühlings, auch die Fashionweek in Mailand bietet Gelegenheit, mutig ein Plakat in Kameras zu halten.

Von T-Shirts, Demonstrationen und «#IstandwithUcraine» ganz zu schweigen. Oder wie wär’s mit diesem T-Shirt, für lumpige 39.70:

Auch als Dekokissen, Käppi und Unterhose zu haben.

Natürlich kann man auch mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, also gegen Russland, den Imperialismus und die NATO demonstrieren:

Wer ein solches Plakat in der Schweiz hochhält, setzt auch ein Zeichen:

 

Ist das nicht besser als nichts? Sollte nicht jeder an seinem Platz kämpfen? Der Redaktor in seinem mit russischem Erdgas beheizten Büro, der Bürger auf der Strasse, der Boykotteur, der keine russischen Waren mehr führt, ein Zeichen setzt, indem er für den Ausschluss russischer Benindertensportler von den Paralympics ist?

Weil, das geht dann nicht, im Fall. An den Olympischen Winterspielen in Peking teilnehmen, das geht hingegen seht gut.

Ein echtes Zeichen setzen wie viele?

Nein, alle diese Manifestationen von Gutmenschentum sind lächerlich. Nicht nur im Vergleich zum Mut von Marina Ovsyannikova. Denn all das ist wohlfeil, billig zu haben. Die Aufnahme von Flüchtlingen, sinnvolle Geldspenden, selbst das Knüpfen persönlicher Kontakte in die Ukraine, das sind zählbare Taten.

Wie viele der Friedensdemonstranten in der Schweiz, wie viele der über 20’000, die sich jeweils solidaritätsbewegt durch die Strassen wälzen, wie viele von denen haben ein einziges solches Zeichen gesetzt? Wir wissen es nicht.

Aber angesichts der Tatsache, dass ja eigentlich alle in der Schweiz für die nachhaltige Produktion von Konsumgütern und Lebensmitteln und strikt gegen Kinderarbeit und unmenschliche Arbeitsbedingungen sind, während pro Kopf und Jahr für alle Bio-Produkte schlappe 450 Franken ausgegeben werden, kann man sich selbst ausrechnen, wie viele dieser Friedensbewegten anschliessend befriedigt nach Hause gehen.

Dort aufs Ikea-Sofa fallen und ihre Selfies in den sozialen Medien verteilen – dann über die hohen Benzinpreise fluchen, die es ihnen leider nicht ermöglichen, die geplante Spende auch zu realisieren.

Wumms: Daniel Binswanger

Schmachtlocken wehen im Wind. Autoren mit Schmachtlocken auch.

Daniel Binswanger sieht sich als in jedem Urteil überlegene Instanz bei der «Republik», dazu noch als Feuilletonist und moralischen Zeigefinger.

Im roten Bereich drehte Binswanger, als es um die Bombardierung der Sammlung Bührle im Neubau des Kunsthauses Zürich ging. Ein Mehrteiler über diesen Schandfleck; bei der Betrachtung der Bilder des Waffenproduzenten müsste sich eigentlich jeder Besucher schämen, wenn nicht gleich übergeben. Aus der roten Weste des ikonischen Cézanne-Gemäldes tropfe sozusagen das Blut.

Dazu stellte Binswanger völlig unkritisch die Behauptungen und Forderungen eines Nachfahren eines Sammlers, dem Bührle Kunstwerke abgekauft hatte – und der bis an sein Lebensende in den höchsten Tönen von der Generosität und Hilfsbereitschaft Bührles schwärmte.

Aber solche Widerhaken in der Realität schreibt Binswanger normalerweise mit einem verwegenen Schwung – analog zu seiner Haarpracht – einfach weg.

ZACKBUM musste schon damals Binswanger streng zurechtweisen:

«Der Leser bekommt den klaren Eindruck: Bührle selbst war ein moralisch zutiefst verworfener Mensch, die Betreuer seiner Stiftung eifern ihm darin nach. Das ist ein Eindruck, der demagogisch, inkompetent und mehr als einseitig hergestellt wird. Entweder aus Unfähigkeit – oder aus Absicht. Beide Varianten sind gleich schlimm.»

Wir möchten aus gegebenem Anlass noch hinzufügen: die schreibende Schmachtlocke ist auch noch ein Heuchler, gegen den Tartuffe (ob Binswanger dieser Name etwas sagt?) ein Anfänger war. Ein «epochales Desaster» verortete der «Republik»-Autor, nachdem selbst im Ausland aufgeregt-kritische Artikel über die Bührle Sammlung erschienen. Wie konnte Zürich, das Kunsthaus, die Stadtregierung, überhaupt alle so indolent sein und diese Sammlung von Blutbildern ausstellen. Peinlich.

Peinlich lässt sich steigern. Denn der gleiche Autor, damals noch im Sold von Tamedia, hatte anlässlich der Abstimmung über diesen Erweiterungsbau noch gegen seine Gegner geschnödet: «Zürich neigt zur etwas weniger strahlenden Variante des Laternenpfahls, gegen den wechselnde Ressentiment-Koalitionen geflissentlich das Bein heben.» Eine Ablehnung wäre «eine kulturpolitische Absurdität».

Dann im vollen Galopp:

«Erstens braucht das Kunsthaus dringend eine substanzielle Ausweitung seiner Ausstellungsfläche. Zweitens soll der Erweiterungsbau mehrere Leihkollektionen beherbergen, … auch die Bührle-Stiftung – eine der grossartigsten privaten Impressionistensammlungen, die das Kunsthaus nicht nur zum Nutzen des Tourismus, sondern auch zur Freude der schon heute jährlich 300 000 Kunsthaus-Besucher in eine völlig neue Liga katapultieren dürfte.»

So schwurbelte und blubberte der gleiche Autor Ende 2012.

Daher wissen wir: Die Verjährungsfrist für seine Ansichten, Meinungen, Positionen, Behauptungen beträgt maximal zehn Jahre. Anschliessend ist alles möglich, inklusive der genauso forschen Behauptung des Gegenteils. Ein Wendehals muss als prinzipienfester Überzeugungstäter dagegen leuchten. So jemanden nennt man in Kreisen, die so gebildet sind, wie er es sein möchte, einen Schmock. Es werden auch noch andere Ausdrücke verwendet, die leider aus rechtlichen Gründen hier nicht wiedergegeben werden können.

Vincenz. Vincenz?

Es war mal der wichtigste Wirtschaftsprozess der Schweiz.

Aus jedem «kein Kommentar» bastelte man einen Artikel. Die Anzahl der geöffneten Hemdknöpfe von Pierin Vincenz war tiefschürfende Betrachtungen des Konzernjournalisten Philipp Loser wert.

Nun fand die Fortsetzung des Prozesses gegen den gefallenen Bankstar und einige Mitangeklagte statt. Wieder im Bezirksgericht; das grosse Theater ist vorbei, deshalb braucht es auch nicht mehr den Theatersaal im Volkshaus Zürich.

Ein knappes Dutzend Journalisten verfolgten diesmal den Prozesstag. Da Tamedia die Berichterstattung aus eigenen Kräften und ohne Hilfe aus München stemmen muss, machte man einen «Ticker». Früher einmal waren das die Notizen, die sich ein Journalist während der Verhandlung machte. Anschliessend, denn wofür verlangt man Geld, machte er dann einen durchkomponierten Artikel draus. Also Einleitung, Gewichtung, Abfolge, vielleicht sogar noch eine Schlusspointe.

Das war früher; heute ist: das Geticker wird einfach ins Netz gestellt. Das ist so, wie wenn der Metzger die Schweinehälfte auf die Theke legen würde und sagte: schneidet Euch doch davon ab, was Ihr wollt; ich wieg’s dann noch und kassiere.

Wenn der Metzger tickern würde.

Immerhin macht selbst der «Blick» eine Kurzstory draus, und die NZZ wirft gleich mehrere Kräfte in die Prozessschlacht, das ist man einem gewissen Niveau schuldig. Die akkurate NZZ-Berichterstattung liefert einen weiteren Beweis dafür, dass die Betrugs- und Vorteilsnahmethese der Staatsanwaltschaft auf sehr wackeligen Beinen steht. Nicht nur, dass es allgemein sehr schwierig ist, den dafür nötigen Vorsatz, also die beweisbare Absicht, zu belegen.

Erinnert sich noch jemand an Details?

Insbesondere bei der Beteiligung an Investnet, bei der zwei Mitangeklagten Beihilfe zum Betrug und Bestechung vorgeworfen wird, zerlegte deren Verteidiger das wackelige Konstrukt der Staatsanwaltschaft. Überschattet wird dieser Teil der Anklage durch eine menschliche Tragödie. Einer der beiden hier Angeklagten ist inzwischen dement geworden und kann weder aussagen, noch an der Verhandlung teilnehmen.

Der Hauptangeklagte Vincenz glänzte durch Abwesenheit. Auch hier ein eher erstaunlicher Vorgang. Da das Gericht am Anfang viel zu wenig Verhandlungstage vorgesehen hatte, wurden zusätzliche in aller Eile dazugeklebt. Nun ist es dem Hauptverteidiger aber nicht möglich, diese Termine wahrzunehmen. Worauf das Gericht gleich das ganze Team samt Angeklagten dispensierte. Als wolle es schon möglichst viele Anhaltspunkte für eine mögliche Revision anbieten.

Umso länger der Prozess dauert, desto deutlicher wird, dass eine 368 Seiten umfassende Anklageschrift kein Ausdruck geballter staatsanwaltlicher Durchdringung eines hochkomplizierten, aber kriminellen Verhaltens der Angeklagten ist. Sondern Ausdruck eines überforderten Staatsanwalts, der jahrelang dem selbstverschuldeten Problem nachrannte, durch eine drakonische U-Haft Tatsachen geschaffen zu haben, die eine milde Anklage gar nicht zuliessen.

Ein Staatsanwalt bei der Arbeit.

Es kommt sowieso selten in einer Strafuntersuchung vor, dass ein Staatsanwalt mittendrin kehrtum marsch macht. Als er bemerkte, dass die ungetreue Geschäftsführung – mangels beweisbarem Vorsatz und beweisbarer Schädigung des Arbeitgebers – nicht haltbar war, schwenkte er auf Spesenbetrug um und zwirbelte den dann zu schwerem Betrug um, damit er auf wiederum drakonische 6 Jahre Gefängnis plädieren konnte.

Ein endgültiges Urteil ist erst in Jahren zu erwarten

Wann das Urteil verkündet wird, ist weiterhin unklar; sicherlich nicht schon am letzten vorgesehenen Prozesstag Ende März. Man kann allerdings davon ausgehen, dass weite Teile der Urteilsbegründung bereits geschrieben sind. Man kann auch davon ausgehen, dass das Gericht, wenn überhaupt, nur bedingte Strafen aussprechen wird.

Man kann sicher sein, dass das Urteil – wie auch immer es ausfällt – von mindestens einer Seite weitergezogen wird. Worauf das Ganze dann in ein paar Jahren vom Bundesgericht abschliessend beurteilt wird. Was dann noch eine SDA-Kurzmeldung ergeben wird.

Unabhängig davon, ob hier Gesetzesverstösse begangen wurden. Unabhängig davon, was man von Ausflügen ins Rotlichtmilieu auf Geschäftsspesen halten mag. Unabhängig davon, wie man moralisch das geschäftliche Verhalten der beiden Hauptangeklagten beurteilen mag: selbst ein Freispruch würde nicht wiedergutmachen, was hier angerichtet wurde.

Intimste Details aus dem Privatleben, Geschäftsgeheimnisse, strikt vertrauliche Untersuchungsakten, gar Banküberweisungen wurden öffentlich durch den Kakao gezogen. Der Ruf zweier Geschäftsleute unrettbar ruiniert. Die zudem nicht nur – einmalig in solchen Zusammenhängen – über hundert Tage in U-Haft schmorten, wobei auch eine schwere körperliche Behinderung eines der beiden keinerlei Gnade in Form einer Verschonung fand. Sondern die letzten vier Jahre damit verbringen durften, sich gegen diese Anschuldigungen zu wehren.

Es gilt die Unschuldsvermutung …

Gleichzeitig sind sie, auch so ein weitgehend unbekanntes Instrument zum Mürbemachen, weitgehend von ihren finanziellen Ressourcen abgeschnitten. Die sind nämlich, falls es zu Regressforderungen kommen sollte, präventiv arretiert. Ja, genau wie im Fall Russlands. Nur sind weder der Hauptangeklagte noch sein Kompagnon kleine Putins.

Ihre Verteidigung konnten die beiden nur dank entsprechender Versicherungen und höchstwahrscheinlich auch durch Schuldenaufnahme finanzieren. Was selbstverständlich die Reichweite, vor allem das Erstellen von Gegengutachten, deutlich begrenzte.

Die Angeklagten im Schaufenster der Medien.

Das muss man so verstehen, wie wenn ein Ringkämpfer antreten muss – mit einer Hand auf den Rücken gebunden. Während die Staatsanwaltschaft über alle Zeit der Welt und über alle finanziellen Mittel verfügt. Nur begrenzt durch Verjährungsfristen, die durch die sich jahrelang hinschleppende Untersuchung teilweise demnächst eintreten.

Was vielleicht dem Staatsanwalt in seinem letzten grossen Prozess (den er wohl wie alle vorher verlieren wird) durchaus zu pass kommt. Dann kann er nämlich behaupten, dass es sicherlich zu einer Verurteilung gekommen wäre – hätte das die Verjährung nicht verhindert.

Wo bleiben Augenmass und Verhältnismässigkeit?

Das Führen des schärfsten Schwerts, über das ein Rechtsstaat verfügt, braucht Augenmass und Verhältnismässigkeit. Ein Staatsanwalt ist mit Machtmitteln wie kein Zweiter ausgestattet. Er kann auf Verdacht drakonische Massnahmen ergreifen. Freiheitsentzug, Mittelentzug, Beschlagnahmungen, Einvernahmen unter Eid. Es ist ihm weitgehend freigestellt, wie schnell oder wie langsam er seine Untersuchung zur Anklageschrift reifen lässt.

Blick in den Maschinenraum einer modernen Redaktion.

Für ihn ist eine Niederlage vor Gericht zudem folgenlos. Er ist in keiner Form haftbar; allerhöchstens der von ihm vertretene Staat. Amtsmissbrauch, offenkundige Kunstfehler, Willkür, unverhältnismässiges Handeln, all solche Vorwürfe perlen an ihm ab. Der Staatsanwalt wird sich demnächst in die Pension verabschieden. Seine Rente ist völlig unabhängig davon, ob er jemals als Staatsanwalt Erfolg hatte – oder nicht. Und welche materiellen oder immateriellen Schäden er angerichtet hat.

Drôle de guerre

Sitzkrieg, komischer Krieg, phony war. Auch das gab’s im Zweiten Weltkrieg.

ZACKBUM gestattet sich, diesen Begriff für Randerscheinungen des Ukraine-Kriegs zu verwenden.

Denn der Krieg ist überall. Auch in der Sphäre der Kunst und Kultur. Die russische Sängerin Anna Netrebko wurde vom Opernhaus Zürich der Stecker gezogen. Hatte sie sich im Ton vergriffen, gab es künstlerische Differenzen über die Lokalisierung des hohen C?

Keineswegs, die kunstlose Begründung lautet, «dass unsere entschiedene Verurteilung von Wladimir Putin und seinem Handeln einerseits und Anna Netrebkos öffentliche Position dazu andererseits nicht kompatibel sind». Was soll mit dieser Position Netrebkos nicht kompatibel sein? «Ich möchte, dass dieser Krieg aufhört und die Menschen in Frieden leben können. Das erhoffe ich mir und dafür bete ich.»

Oder könnte es sein, dass nicht das Opernhaus auslud, sondern Netrebko ihr Statement auch auf Zürich bezog: «Es ist nicht die richtige Zeit für mich aufzutreten und zu musizieren. Ich hoffe, dass mein Publikum diese Entscheidung verstehen wird

Also der klassische Showdown. «Ich kündige», sagt der verstimmte Arbeitnehmer. «Ha, keinesfalls, Sie sind gefeuert», keift der missgelaunte Arbeitgeber zurück.

Wieso kam es überhaupt zu dieser Situation? Der Tagi weiss: «So wurde gefordert, dass ein Auftritt von Netrebko nur stattfinden sollte, wenn sie sich unverzüglich von Russland und Putin distanzieren würde.»

Wieso wird diesem Wahnsinn nicht entgegengetreten?

Welche Schiessscharten-Mentalität bringt solche Absurditäten hervor? Darf eine Sopranistin die Lady Macbeth nur singen, wenn sie vor der Arie eine kurze politische Erklärung verliest? Sind wir wirklich so weit, dass die Frage «wie hältst du es mit Putin?» von jedem in jedem Zusammenhang beantwortet werden muss? Welche moralinsaure Grossinquisitoren kommen auf solche Ideen? Und wieso wird diesem absurden Ansinnen nicht mit aller Klarheit entgegengetreten?

Der Chefdirigent der Münchner Philharmoniker wurde vom Oberbürgermeister der Stadt ultimativ aufgefordert, sich per sofort «eindeutig und unmissverständlich vom brutalen Angriffskrieg, den Putin gegen die Ukraine führt», zu distanzieren. Als  Valery Gergiev dem nicht nachkam, wurde er gefeuert. Dass deswegen der deutsche Steuerzahler wohl das streng geheimgehaltene Gehalt des Dirigenten noch drei Jahre lang bezahlen darf, nun, das muss einem Haltung doch wert sein. In diesem Fall dürfte es sich um läppische drei Millionen Euro handeln.

Flexibler ist der Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. Der Russe Vladimir Jurowski liess ausser Programm die ukrainische Nationalhymne erschallen, «während das Publikum sich von den Sitzen erhebt». Zeichen setzen, nicht schweigen können, diese Stelle scheint gerettet und gefestigt zu sein.

Kann Kunst politisch sein? Unbedingt. Sollen Künstler zu politischen Stellungnahmen aufgefordert werden mit der Drohung, dass sie sonst Auftritt oder Stelle verlieren? Unbedingt nicht. Darf man das wenigstens bei Künstlern machen, die angeblich oder wirklich «Putin nahestehen»?

«Wie hältst du es mit, bist du dafür oder dagegen?» Das ist die klassische inquisitorische Frage, die normalerweise in fundamentalistischen Religionsstaaten gestellt wird. Wer früher in Europa kein klares Bekenntnis zu Gott ablegte oder Zweifel an der Bibel äusserte, konnte unangenehm Bekanntschaft mit ingeniösen Folterwerkzeugen machen, mit denen man seine unsterbliche Seele retten musste.

Fundamentalistische Staaten fordern das bis heute ein

In vom islamistischen Wahnsinn beherrschten Staaten ist das bis heute der Fall. Im Kalten Krieg war es auch Brauch, von jedem eine Distanzierung vom damaligen roten Reich des Bösen abzufordern.

Wer nicht den Kopf neigte und tiefsten Abscheu vor den gottlosen Kommunisten beteuerte, konnte durchaus gröbere Konsequenzen gewärtigen. Eigentlich so wie heute wieder. Öffentliche Stigmatisierung, Beschimpfung, Entlassung.

Das gerade auf dem Gebiet der Kunst solche Polit-Ayatollahs unterwegs sind, beelendet. Als wäre es jemals jemandem eingefallen, von einem US-Künstler zuerst eine deutliche Distanzierung von den gesammelten Kriegsverbrechen diverser US-Präsidenten zu verlangen und davon seinen Auftritt abhängig zu machen.

Natürlich werden mit viel Hirnschmalz Gründe aufeinandergestapelt, wieso man keine Musik hören könne, sollte sie unter Beteiligung eines Künstlers aufgeführt werden, dem

a) eine gewisse Nähe zu Putin nachgesagt wird, und der

b) sich nicht entrüstet von ihm distanziert hat.

Vermeintliche Rechtschaffenheit und moralische Überlegenheit kann ganz, ganz schnell in moralinsauren Mundgeruch mit hohem Fanatismusfaktor umschlagen. Und nein, ZACKBUM will und muss sich nicht von Präsident Putin distanzieren. Wir hatten noch nie die Ehre, an diesem absurd langen Tisch sitzen zu dürfen. Wir hätten auch keine Lust, mit nacktem Oberkörper neben ihm zu reiten. Zudem will es scheinen, dass Putin ein zutiefst humorloser Mensch ist, was seine Gesellschaft sowieso als nicht erstrebenswert erscheinen lässt.

Neben dem Gesang und dem Orchester gibt es auch noch den völkerverbindenden Sport. Da beginnen am Freitag in Peking die Paralympics, also die olympischen Spiele von Behinderten. Was nun auf jeden Fall eine gute Sache ist, weil es so vielen erlaubt, trotz Einschränkungen stolz und öffentlich an Wettkämpfen teilzunehmen. Das dürfen auch die Sportler aus Weissrussland und Russland.

Dieser regelkonforme Entscheid des Internationalen Paralympischen Komitees (IPK) kommt nun aber dem militanten Sportredaktor Marco Oppliger ganz schräg rein:

Hoppla, wieso springt denn der Tamedia-Mensch in den Schützengraben und lässt sein verbales Maschinengewehr rattern? Zitieren wir eine Garbe:

«Das IPK will mit seinem Entscheid offensichtlich die betroffenen Länder bestrafen, aber nicht deren Sportlerinnen und Sportler. Das mag gut gemeint sein. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Ganz im Gegenteil: Der Entscheid des IPK ist an Feigheit nicht zu überbieten. Seit Tagen lässt Putin die Ukraine bombardieren. Dabei sterben immer mehr Menschen – nicht nur Soldaten, auch Zivilisten, Frauen und Kinder. Nun müssen ukrainische Sportlerinnen und Sportler gegen russische antreten, und dies nur, weil sich das IPK hinter Paragrafen versteckt.»

Das muss so schlimm gewesen sein, dass sogar hartgesottene Sportfunktionäre zusammenbrachen: «Geradezu fassungslos machen die Erzählungen von Karl Quade, dem deutschen Chef de Mission bei den Paralympics, in der ARD. Im Haus der russischen Delegation sei Jubel ausgebrochen, als IPK-Präsident Andrew Parsons den Entscheid verkündet habe, sagt Quade. Dann muss er das Interview sichtlich betroffen unterbrechen.»

Man stelle sich nur vor: die russischen Athleten haben gejubelt. Diese Unmenschen. Wie können die nur das wollen, was jeder Sportler will und worauf er sich vier Jahre lang vorbereitet: an den Wettkämpfen teilnehmen. Aber hätten diese Behinderten nur etwas Ehre im Leib, wären sie in Tränen ausgebrochen, hätten den deutschen Chef umarmt und darum gebeten, den Entscheid sofort rückgängig zu machen.*

Aber eben, auch auf Oppliger hört halt niemand, selbst wenn er mit Verbalinjurien um sich wirft. Feige von seinem Schreibtisch aus im mit russischem Erdgas wohlbeheizten Büro. Was für ein Schmock.

Letzter Beitrag zum drôle de guerre: Coop und Globus lassen ihre russischen Produkte auslaufen. Das wird die Russen in der Diaspora hart treffen: kein Wodka mehr, kein Kaviar? Sauf ihn doch selbst, Putin! Gemach, im Kapitalismus gibt es immer Mitbewerber, die gerne in die Lücke springen, die Verpeilte hinterlassen.

*Aktualisiert: Es ist gelungen; die Sportler sind nun doch von den Paralympics ausgeschlossen. In normalen Zeiten würde man das Diskriminierung von unschuldigen Behinderten nennen. Heute nennen es Kriegsgurgeln wie Oppliger sicher mutig und richtig.

Kleine Dollarkunde

Die mächtigste Waffe der USA ist ihre Währung.

Die USA sind (noch) die grösste Militärmacht der Welt. Der US-Dollar ist (noch) die wichtigste Währung der Welt. Im Zuge des Vietnamkriegs wurde 1973 die Golddeckung aufgegeben, aber seither hat sich der Dollar als Leitwährung für fast alle Rohstoffe gehalten.

Daher spricht man auch vom Petrodollar. Der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein durfte ungestört sein Volk terrorisieren. Seinen Angriffskrieg gegen den Iran führte er sogar mit US-Unterstützung. Aber als er ankündigte, seinen Ölhandel auf Euro umstellen zu wollen, unterschrieb er sein Todesurteil.

Schätzungsweise 70 Prozent alles Handelsgeschehens auf der Welt spielt sich weiterhin in Dollar ab. Der Euro hätte vielleicht eine Alternativwährung werden können, scheiterte aber als Fehlkonstruktion mit zu vielen unqualifizierten Benutzern. Dagegen sind und bleiben die USA die Herrin des Dollar. Das ist wörtlich zu nehmen. Jede Transaktion in dieser Währung muss den USA gemeldet werden. Im Zeitalter von Big Data Verarbeitung kein Problem.

Der Dollar ist deswegen die mächtigste Waffe der USA, weil sie seine Verwendung verbieten können. Weltweit, überall, per sofort. Für jedes beliebige Finanzinstitut. Das wird damit zum Paria, zum Ausgestossenen der Finanzwelt. Was den sofortigen Tod zur Folge hat. Denn jedes Geldhaus führt normalerweise Hunderttausende von Dollartransaktionen täglich durch. Der Devisenmarkt ist mit einem täglichen Volumen von 5 Billionen (das ist eine Zahl mit 12 Nullen) mit Abstand der grösste Handelsplatz der Welt. Zudem halten Notenbanken weltweit rund 60 Prozent ihrer Reserven in Dollar.

Es gibt Regeln und Regelwerke …

Damit der Handel nicht einen gewaltigen Aufwand verursacht, ist er einem allgemeinen Regelwerk unterstellt. Das erledigt die ISDA, die International Swaps and Derivatives Association. Diese Organisation gibt Musterverträge heraus, die den unablässigen Dollarverkehr zwischen Banken regeln und automatisieren.

Wie Schweizer Banken im Steuerkrieg mit den USA schreckensbleich erfahren mussten, gibt es in diesen Verträgen eine Ausstiegsklausel: eine Anklageerhebung in den USA gegen ein Geldhaus. Das ist der Grund dafür, wieso es keine einzige Schweizer Bank, ja überhaupt keine Bank weltweit wagte, gegen drakonische Bussen und Zahlungen, auferlegt durch die USA, aufzumucken. Wer das getan hätte, musste mit einer Anklageerhebung in den USA rechnen. Sofortiger Kündigungsgrund der ISDA-Verträge, jede Dollartransaktion hätte sozusagen von Hand abgewickelt werden müssen. Unmöglich. Schalter schliessen, Bank tot.

Das beinhaltete wohlgemerkt nicht einmal den Bannstrahl des Verbots der Verwendung der Währung. Aber eine Weiterentwicklung eines Bonmots über das Funktionieren des US-Justizsystems: give them a fair trial – and then hang them. Gebt ihnen eine faire Verhandlung – dann knüpft sie auf.

Die Weiterentwicklung war: selbstverständlich steht euch in einem Rechtsstaat der Rechtsweg gegen eine Busse offen. Nur seid ihr tot, sobald ihr ihn beschreitet. Und einem Toten nutzt ein Urteil nichts mehr.

Noch fataler wird’s, wenn die USA die Verwendung des Dollar verbieten. Diesen Bannstrahl haben sie gegen zunächst einmal zwei russische Banken verhängt, die Sberbank und VTB. Auch die Gasprombank hat eine Niederlassung in der Schweiz, in Zürich. Plus natürlich die Headquarters von Nord Stream in Zug. Angeblich werden über 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Drehscheibe Schweiz abgewickelt.

Womit die kleine Schweiz wieder ins Zentrum der grossen Weltpolitik rückt. Denn im Rahmen ihrer Neutralität hat sie sich bislang keinerlei Sanktionen gegen Russland angeschlossen. Der Bundesrat hat nur versprochen, Umgehungsgeschäfte gegen diese Sanktionen via Schweiz zu unterbinden. Wobei man gespannt sein darf, wie das funktionieren soll.

Knickt der Rechtsstaat Schweiz wieder ein?

Die andere Frage ist allerdings, ob der Rechtsstaat Schweiz ein weiteres Mal vor der Weltmacht USA einknickt. Denn das war schon im Fall Steuerstreit fatal. Denn es war ein Verstoss gegen ein fundamentales Prinzip der Rechtssouveränität. Was besonders für Kleinstaaten existenziell ist.

Was immer man von der Verwendung des Bankkundengeheimnisses zur Beihilfe zur Steuerhinterziehung halten mag: es war in der Schweiz geltendes Recht. Theoretisch ist keine Bank in der Schweiz bis heute dazu verpflichtet, den steuerlichen Zustand ihr anvertrauter Gelder abzuklären. Identität des Besitzers, Herkunft, das läuft unter kyc, Banglisch für «know your customer», kenn deinen Kunden. Aber schwarz oder weiss: das wäre einerlei. Nur traut sich das keine Schweizer Bank mehr.

Alle Schweizer Finanzhäuser, die damals im Einzugsbereich der US-Gesetze – also konkret innerhalb der USA – Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisteten, machten sich unbezweifelbar strafbar. Alle Banken, die das nur innerhalb der Schweiz, im souveränen Gültigkeitsbereich Schweizer Gesetze taten, verstiessen gegen kein Gesetz. Sie wurden dennoch bestraft.

Nach der Devise: du bist hier mit 50 durchgefahren, Busse. – Halt, wieso, ist doch eine 50er-Zone! – Ja, schon, aber in den USA wäre es eine 25-Meilen-Zone, also Busse.

Der Schlachtruf «Kampf den Steuerhinterziehern und ihren Helfershelfern» übertönte, dass die Schweiz das wichtigste Bollwerk eines Kleinstaats aufgab: die bedingungslose Verteidigung seiner Rechtssouveränität. Dass also, im Rahmen von internationalen Verträgen selbstverständlich, auf seinem Territorium keine fremden, nur eigene Gesetze gelten. Dieses Grundprinzip lässt sich tatsächlich bis auf den Kampf gegen fremde Vögte zurückverfolgen.

Darin ist kein Werturteil über Steuerhinterziehung enthalten. Soweit bekannt, erfüllen die russischen Banken und Firmen alle Vorschriften und Auflagen der Schweiz, verfügen über die nötigen Lizenzen und Bewilligungen zur Ausübung ihrer Tätigkeit. Es wird interessant sein, ob beispielsweise die sonst zahnlose Bankenaufsicht FINMA hier plötzlich Handlungsbedarf sieht. Das wäre dann sehr schräg. Alles, was die Credit Suisse tut, ist erlaubt oder höchstens Pipifax-Vergehen. Sollte aber ein Angestellter einer Russenbank vor einem Kunden ein Glas Wodka kippen, wäre das ein schwerer Verstoss gegen Regelwerke? Man ist gespannt.

 

 

Die Ballon-Geheimnisse

Pumpen, bis er platzt: das Prinzip aller Leaks, Papers und nun Secrets.

Die Trompetentöne erinnern immer an Jericho: Die Credit Suisse sei ein «Geldspeicher für korrupte Politiker, verurteilte Betrüger und mutmaßliche Folterknechte.»

Und gleich nochmal,weil’s so schrecklich ist:

«Die internen Aufzeichnungen aus der Bank belegen, dass die Credit Suisse über Jahrzehnte und über den gesamten Erdball hinweg brutalen Machthabern, korrupten Politikern, Kriegsverbrechern und anderen Kriminellen Zugang zu blickdichten Schweizer Konten ermöglicht hat, auf denen diese ihren teils illegitimen Reichtum sicher parken konnten.»

Wussten wir doch. Skrupellose Schweizer Gnome, ihre geldigierige Amoral hinter biederem Aussehen verbergend. Dabei tropft aus den Safes in den tiefen Kellern der Bahnhofstrasse jede Nacht Blut, erschrecken die Nachtwächter, wenn wieder mal die Schreie von Folteropfern aus Schliessfächern quellen.

Es ist und bleibt eine verdammte Sauerei, das ist die Message, die Schweizer Banken, zumindest die Credit Suisse, haben nichts gelernt; alle Versuche, das Aufbewahren von Geldern aus krimineller oder ungeklärter Herkunft zu unterbinden, waren umsonst, selbst der Automatische Informationsaustausch nützt nicht wirklich.

Geldwäschereigesetz, «besondere Sorfaltspflichten», PEP (politically exposed persons), alles Show. Dahinter sitzt immer noch der ethikbefreite Schweizer Banker in ehrwürdig getäfelten Räumen, serviert Sprüngli und ist servil zu Diensten, wenn ihm grössere Summen anvertraut werden. Seine Flexibiltät wächst mit der Anzahl Nullen. Sieben sind schon mal gut, acht ist fantastisch, und wird sogar das Wort Milliarde in den Raum gestellt, wäre er auch bereit, seine Krawatte zu lockern und auf dem Tisch Salsa zu tanzen.

Weltweit wird über den Finanzplatz Schweiz abgeledert

Die Empörung weltweit ist gross. Stellvertretend dafür darf Nobelpreisträger Joseph Stiglitz abledern: «Zugleich sollten sich Länder wie die Schweiz dafür schämen, dass sie einen Rechtsrahmen geschaffen haben, der solch ein System gedeihen lässt.»

Immerhin fügt er am Schluss, nachdem er sich ausführlich über die Schweiz erregt hat, hinzu: «Wie viele Geschichten, wie viele Enthüllungen wird es noch brauchen, bis die Schweiz, die USA, das Vereinigte Königreich und andere Länder ihre Gesetze zum Bank- und Immobiliengeheimnis und zu all den anderen Aktivitäten ändern, die Geldwäsche erleichtern und Verbrechen und Korruption fördern

In seiner Philippika entgeht ihm hier aber ein nicht unwichtiges Detail: Fast alle Offshore-Finanzplätze der Welt wurden von Skandalen erschüttert, die auf gestohlenen Kundendateien beruhten. Panama, Singapur, fast alle kleinen karibischen oder pazifischen Inseln. Und immer wieder die Schweiz in Sachen Steuerhinterziehung. Oder Beihilfe zum Verstecken von Blutgeldern. Nun noch selbst dabei erwischt, mit blutigen Händen in diesem Sud zu rühren.

Aber: Es gibt keine einzige Enthüllung über die beiden anderen von Stiglitz aufgeführten Geldparadiese. Man kann es nicht oft genug sagen: In den USA stehen die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, die lateinamerikanische Drogenmafia regelt dort ihren Finanzhaushalt. In diversen Bundesstaaten kann man bis heute Briefkastenfirmen gründen, ohne dass der Benficial Owner, der wirtschaftlich Berechtigte, angegeben werden muss. Dicht gefolgt werden die USA von Grossbritannien. Deutschland und Frankreich sind die Geldwäschereiparadiese in Europa. Holland ermöglicht es transnationalen Monstern, weitgehend steuerfrei davonzukommen. In der EU wurden bislang alle Versuche, mehr Transparenz bei Holdingstrukturen und Finanzvehikeln zu schaffen, abgeschmettert.

Es ist ein Konkurrenzkampf der Finanzplätze

Das heisst nun nicht: die auch, wieso dann wir nicht. Das heisst aber eindeutig: auch hier herrscht Konkurrenzkampf unter den grossen Geldanlagetöpfen. Und da spielen neben den Grossmächten USA und Grossbritannien eben Zwerge wie Panama, Singapur oder die Schweiz eine herausragende Rolle. So ist die Eidgenossenschaft immer noch die grösste Vermögensverwalterin der Welt.

Trotz allen bisherigen Attacken mittels gestohlener Kundendaten hat sich daran (noch) nichts grundlegend geändert. Ausser der ungebrochenen Lust der Medien, immer wieder einen Riesenballon aufzupumpen.

Diesmal handelt es sich offenbar um Angaben zu rund 30’000 Kunden der CS. Deren Konten wurden bis zurück in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts eröffnet; laut CS sind 90 Prozent bereits geschlossen oder im Prozess der Schliessung.

Abgesehen von vielen venezolanischen Mitgliedern der korrupten Führungsclique des Landes sind mal wieder erstaunlich wenig wirklich schlimme Finger unter den bislang veröffentlichten Kontobesitzern. Die CS hat weltweit rund 2 Millionen Kunden. Angenommen, bei allen 30’000 CS-Benützern handle es sich um ausgemacht Schweinebacken. Das wären dann 1,5 Prozent. Realistischer dürfet wohl sein, nach den sehr spärlichen Angaben über einzelne Personen, zu denen auch die üblichen Potentaten und Könige gehören, bei denen die illegale Herkunft der Gelder noch zu beweisen wäre, gehen wir vielleicht eher und grosszügig von 3000 aus. Das wären dann 0,15 Prozent.

Nun ist Vermutung und Nachweis in einem Rechtsstaat noch nicht das Gleiche. Nehmen wir also an, am Schluss, das wären aber viele im Vergleich zu den vorherigen «Enthüllungen», bleiben 300 verurteilte Straftäter übrig. Womit wir bei 0,015 Prozent wären.

Nicht signifikanter Bodensatz

Einen solchen Prozentsatz kann man mit Fug und Recht als nicht signifikant bezeichnen. Als fast unvermeidlichen Toleranzfehler. Als Bodensatz, der in jeder Bank ans Tageslicht gespült werden könnte, wenn man deren Kunden bis in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückverfolgt. Denn zu diesen Zeiten musste zum Beispiel auch Al Capone, der Duce oder Adolf Hitler ihren Finanzhaushalt irgendwo regeln.

Und welche Bank in der Schweiz hätte dem Ehrendoktor der Universität Lausanne verweigert, ein Konto zu eröffnen?

Es ist vorhersehbar, dass auch dieser Ballon sehr hässlich zusammenschnurren wird, piekst man ihn mit genaueren Analysen an. So wird es dann bald einmal heissen: Panama Papers? Pandora Papers? Swiss Leaks? Suisse Secrets? War da mal was?

Countdown zum Krieg

ZACKBUM zählt mit. Ab wann wird zurückgeschossen?

Nicht mal der böse Putin ist so böse, dass er am Valentinstag einen Krieg anfängt.

Nun muss man wissen, dass der Countdown 1929 vom Regisseur Fritz Lang erfunden wurde, um im Stummfilm spannend klarzumachen, wann eine Rakete abhebt.

Das gleiche Prinzip gilt natürlich noch heute. Nur ist der Film nicht mehr stumm, sondern wir hören eine wilde Kakophonie von Countdowns.

Wie meist unzuverlässig hat sich Tamedia aus dem Fenster gelehnt – und verloren. Unter Berufung auf «informierte Kreise» zu Bern (als ob es das dort gäbe) hat der Qualtitätsmedienkonzern den Kriegsbeginn auf den 15. Februar festgelegt. «Wenn nicht», natürlich mit Abbinder.

Da gilt seither «wenn nicht». Andere Schätzungen gingen von Mittwoch, aus. Oder Donnerstag. Oder wie wäre es mit Freitag? Dann erhebt sich die Frage, ob am Wochenende eigentlich auch Kriegsbeginn sein darf. Oder ist dann auch für Militärs Feierabend? Sonntag gar?

USA intelligenter als europäische Unken

Nein, die USA sind da wie immer cleverer als die Europäer. Sie sprechen von «unmittelbar bevorstehender Kriegsgefahr». Zügeln ihre Botschaft aus Kiew weg und fordern US-Bürger auf, das Land zu verlassen. Damit rühren sie kräftig die Kriegstrommel, verbrennen sich aber nicht die Finger mit einem fixen Datum.

Das Ganze hat auch einen Aspekt von «drôle de guerre» (googeln). Die Ukraine hatte den Mittwoch kurzerhand zum neuen Nationalfeiertag ernannt. Nach der Devise: Wir werden doch nicht an einem Feiertag überfallen. Wobei, Yom Kippur, man erinnert sich: am höchsten Feiertag, am 6. Oktober 1973, überfiel eine Koalition arabischer Staaten Israel.

Auf der anderen Seite vermeldet das «Bündner Tagblatt»: «Die Schweiz bleibt relativ entspannt.» Das bedeutet, die Botschaft bleibt, wo sie ist, Swiss fliegt. Eher kriegerisch gestimmt ist hingegen Peter Rásonyi, der Auslandchef der NZZ: «Verhandlungsdiplomatie ist gut, aber jetzt ist es allerhöchste Zeit, dass der Westen Putin die vollen Kosten eines Angriffs auf die Ukraine aufzeigt».

Während der deutsche Bundeskanzler Scholz noch im Flieger nach Moskau sass, wurde er mit guten Ratschlägen aus der NZZ überschüttet. Ratschläge? Ach was, Befehle.

«Scholz sollte deshalb noch mehr tun. Er sollte die Gelegenheit nutzen … er sollte klarmachen … scharfe Konsequenzen mit aller Klarheit aufzuzeigen …»

Denn, Rásonyi fürchtet das Schlimmste, hinter leisem Optimismus: «Es gibt noch immer Grund zur Hoffnung, dass Putin sein gewaltiges Waffenarsenal nicht dazu einsetzen wird, das Nachbarland durch einen Bomben- und Raketenhagel zu zerstören und Hunderttausende von ukrainischen «Brüdern und Schwestern» zu töten.»

NZZ gibt deutschem Bundeskanzler den Tarif durch

Scholz Mission in Moskau sieht so aus: «Deshalb muss der Westen jetzt klarmachen: Auch ein begrenzter Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen. Dieser muss die maximal möglichen Gegenmassnahmen zur Folge haben, zu denen der Westen fähig ist. Jede Relativierung und jede Nachgiebigkeit würde einen autoritären Aggressor wie Putin nur zu noch mehr Provokationen und Zumutungen einladen und ihn zu einer noch grösseren Gefahr für die langfristigen Sicherheitsinteressen Westeuropas machen

Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sich Rásonyi mit gerunzelter Stirn über den Sandkasten beugt und dort rote sowie blaue Pfeile und Bögen hin und her schiebt.

Nur der ukrainische Botschafter geht noch etwas weiter und fordert von Scholz ultimativ, der müsse Putin ein Ultimatum stellen. Ob Scholz das mit einer Besichtigung des Denkmals verbinden würde, wie weit die Nazi-Truppen beim Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg vor Moskau kamen?

Der NZZ-Falke verwechselt die Falkenstrasse mit dem NATO-Hauptquartier, hält sich nicht länger für einen Journalisten, sondern für einen Befehlshaber, dessen Ratschläge unbedingt zu befolgen sind.

Solches Gehampel hat, genau wie die Festlegung auf ein bestimmtes Datum des Kriegsausbruchs, etwas unfreiwillig Komisches, Aufgeblasenes. Das wirkt so, wie wenn der Autor vor eigener Wichtigkeit und Bedeutung kaum mehr geradeaus laufen kann. Seine Schultern gebeugt von der Last der Verantwortung, mit Buchstaben einen Krieg abwenden zu müssen.

Helm auf gilt für immer mehr Journalisten

«Helm auf», ist ein scherzhafter Journalistenspruch, um jemanden auf die Piste einer Reportage zu schicken. Das ist längst vorbei, heutzutage darf der Redaktor seine Verrichtungsbox nur noch ausnahmsweise verlassen. Aber bei Rásonyi kann man sich das lebhaft vorstellen, er schreibt mit Helm. Der ihm aber immer wieder über die Augen rutscht und den Blick verstellt.

Demnächst meldet er sich aus seinem Zivilschutzbunker. Notvorrat aufgefüllt, Filter ausgewechselt, Notstromaggregat revidiert, Zivilverteidigungsbüchlein griffbereit. Verkörperung einer militanten Tante. Obwohl das seit dem Ende des Kalten Kriegs gar nicht mehr so zur NZZ passt.