Objektive Tamedia

Schmierenjournalismus im «Landbote».

«Bässe wummerten aus den Boxen, ein Sprecher machte übers Megafon ein paar Ansagen. Sonst blieb es ruhig – bis ein überraschender Zaungast auftauchte, sich vor den Transparenten breitmachte und sich sogar einen Weg durch die Masse bahnen wollte: SVP-Nationalrat Thomas Matter. Die linken Aktivisten erkannten den Mann, der 260’000 Franken ins SVP-Wahlkampfkässeli gesteckt hat, natürlich sofort und drückten ihn bestimmt weg. Auch ein Getränk bekam Matter noch ab. «Verzieh dich!», schrie es aus der Masse.
Komischer Zufall?
Was bloss hatte Matter da gesucht, vor der Versammlung Linksautonomer? Eine gezielte Provokation

Eigentlich wäre das ein Fall für die Oberchefredaktorin Raphaela Birrer. Aber wetten wir, dass ihr das völlig schnurz ist? Was? Nun, diese Schmiere im «Landboten», Teil des Qualitätsmedienkonzerns Tamedia. Der beschäftigt Qualitätsjournalisten wie Leon Zimmermann, der nach einer solchen Entgleisung in jedem anständigen Medienhaus per sofort freigestellt und entsorgt würde. Allerdings bekam er beim Verfassen dieses Stücks Haltungsjournalismus Unterstützung von Till Hirsekorn, und der ist immerhin «Leiter der Stadtredaktion» beim «Landbote».

Selbst dem Jungredaktor Tim Wirth im «Ressort Zürich Leben» des «Tages-Anzeigers» gelingt eine objektivere Beschreibung des Vorfalls. Ausser, dass man dem SVP-Politiker natürlich «Verpiss dich jetzt, Alter» zurief:

Immerhin ist der Tagi in der Lage, die lange Liste von ähnlichen Attacken auf Exponenten der SVP oder auch den inzwischen parteilosen Regierungsrat Mario Fehr anzuführen. Die Urheber waren immer Linksradikale, deren unerschütterliche Sicherheit, für das Gute zu sein, problemlos auch böse Taten legitimiert.

Aber zurück zur «Landbote»-Schmiere. Denn das ist der Artikel von Anfang bis Ende. Schon der Lead ist an Häme und Parteilichkeit kaum zu überbieten: «Die Kundgebung zum zehnten Jahrestag der eskalierten Tanzdemo auf dem Archplatz blieb friedlich. Daran änderte auch der überraschende Auftritt eines bekannten Zürcher SVP-Nationalrats nichts.»

Es war eine unbewilligte Demo, nebenbei. Laut eigener Aussage machte sich nun der SVP-Nationalrat Matter nicht «breit», sondern wollte von einer SVP-Wahlveranstaltung ganz in der Nähe den direkten Weg zum Parkhaus nehmen, wo sein Auto abgestellt war. Er war dabei der offensichtlich falschen Auffassung, dass er keinen Umweg nehmen müsse, nur weil ein paar Linksautonome dem «System» mal wieder Saures geben wollen und «gegen die kapitalistische Stadtentwicklung», was immer das sein mag, demonstrieren.

So viel zu «sich sogar einen Weg durch die Massen bahnen wollte». Was hier dazutut, dass er ins SVP «Wahlkampfkässeli» gespendet habe? Soll er damit als widerlicher und reicher Kapitalist gebrandmarkt werden? Er wurde beschimpft, drangsaliert und ausserdem wurde ihm ein gefüllter Trinkbecher an den Kopf geworfen, was filmisch dokumentiert ist. Oder aber, wenn man dem «Landboten» glauben will, aber das sollte man besser nicht tun, er wurde «bestimmt weggedrückt» und «bekam auch ein Getränk noch ab». Ausserdem wurde ihm zivilisiert «verzieh dich» gesagt, keinesfalls «verpiss dich, Alter» gegrölt.

Dann fragt der objektive Reporter anzüglich: «Was bloss hatte Matter da gesucht? Eine gezielte Provokation?» Das «verneint er auf Anfrage», hängen sich Zimmermann/Hirsekorn ein objektives Feigenblättchen um. Dabei ist die Botschaft doch klar: Natürlich wollte Matter sich «breitmachen», einen «Weg durch die Massen bahnen», natürlich wollte er provozieren.

Die Polizei hingegen liess sich nicht provozieren und bot sogar an, auf Antrag eine Notbewilligung zu erteilen. Das kam aber bei den linken Chaoten gar nicht gut an:

«Die Demonstranten reagierten meist mit Pfiffen auf die Ankündigungen der Polizei. Zudem skandierten sie ihre Parolen und brachten einen Leiterwagen mit Musikboxen mit. «Oisi Stadt, oises Quartier, weg mit de Yuppies, weg mit de Schmier», dröhnte es in Form eines Rap-Songs über den Platz. Ein Slogan, in den auch die Anwesenden immer wieder einstimmten.»

Könnte man hier vielleicht ein kritisches Wort erwarten? Aber doch nicht bei diesem Autorenduo. Es steht zu vermuten, dass die Mehrheit der Leserschaft des «Landboten» nicht unbedingt mit den Ansichten und dem Vorgehen von rund 200 Linksautonomen sympathisiert. Was sich auch in der Mehrheit der über 100 Leserkommentare niederschlägt.

Es ist möglich, dass einen Jungspund rote Wallungen überfallen und er einen solchen Text in den Computer haut. Es ist unverständlich, dass ein leitender Redaktor mitgeschrieben hat. Es ist unglaublich, dass ein solcher Text alle angeblichen Qualität- und Kontrollstellen passierte.

Er ist ein weiterer Beweis für die These von ZACKBUM: Tamedia geht nicht an einer allgemeinen Medienkrise zugrunde, sondern durch das Missmanagement der Chefetage – und die Verbohrtheit und Unfähigkeit zur klassischen Newsberichterstattung der Redaktion.

Wenn man wie beschrieben oben – und auch in diesem Mief von Blasenjournalisten in ihrer luftdicht abgeschossenen Gesinnungswelt – kräftig aufräumen würde, hätte Tamedia noch eine Chance. Aber das wird nicht passieren.

 

 

Böse Staatsverweigerer!

Der neue Feind: Das sind die Staatsverweigerer. Inzwischen auch für die einst behördenkritische «Die Ostschweiz».

Von Stefan Millius

SRF, «20 Minuten», natürlich der «Blick», aber auch der «Beobachter» und Nischenportale wie zentralplus.ch und FM1today haben diese Gefahr für sich entdeckt und rapportieren fleissig darüber. Ihr Thema seit Wochen: Was sind das bloss für Leute, die ihre Steuern nicht mehr zahlen? Oder andere Rechnungen, deren Ertrag der Staatskasse zugedacht ist? Was fällt denen nur ein?

Seit der Coronazeit ist die Zahl derer, die nicht einfach pflichtschuldig abdrücken, wenn die Behörden gern Geld hätten, explodiert. Nun könnte man als von Natur aus neugieriger Journalist der Frage nachgehen, woran das liegt. Hat es vielleicht damit zu tun, dass der Staat es in den letzten Jahren mit den Grund- und Freiheitsrechten der Bevölkerung nicht so genau nahm? Dass er die Verfassung kurzerhand eingefroren hat? Dass er eine Rekordverschuldung anhäufte für «Schutzmassnahmen» und eine beispiellose Impfkampagne? Dass seine Repräsentanten rund um Corona immer mal wieder bei haltlosen Behauptungen bis hin zur blanken Lüge erwischt wurden?

Das könnte man alles fragen, aber darauf hat die angebliche vierte Macht wenig Lust. Man hat ja schliesslich auch Steuern zu bezahlen, wenn man mit dem Staat nicht ganz glücklich ist. Sogar dann, wenn die Landesregierung die demokratischen Spielregeln ausser Kraft setzt, sich das Parlament in verfrühte Ferien zurückzieht und der Bundesrat Volksabstimmungen dank – gelinde gesagt – reichlich kreativer Fragestellung gewinnt.

Wer das nicht tut, ist dann eben ein «Staatsverweigerer». Die Medien widmen diesen elenden Kerlen, die unseren armen Betreibungsämtern so viel Arbeit aufhalsen, lange Artikel. Dort geht es nicht etwa um die Beweggründe für die Verweigerung, sondern nur darum, wie sehr die staatlich besoldeten Leute darunter leiden. Da will man eine ruhige Kugel für überdurchschnittlich viel Geld mit absoluter Jobsicherheit schieben, und dann macht einer Ärger. Droht da allenfalls sogar eine Überstunde?

Unter den Leidenden ist beispielsweise Johannes Wagner, Leiter des Betreibungs- und Konkursamts Appenzell Innerrhoden. Unter uns gesagt: Der Kanton hat 16’000 Einwohner, der Mann und seine Funktion sind also gleichbedeutend mit dem Pendant einer Schweizer Kleinstadt. Aber jedenfalls ist er richtig sauer. Die Staatsverweigerer hängen ihm zum Hals raus. Es sei ihm – und das ist wörtlich zitiert – «Hans was Heiri», wenn jemand sich querstelle. Zahlen müsse er dennoch, basta.

Natürlich muss er das. Sonst bekäme der gute Herr Wagner ja irgendwann seinen Lohn nicht mehr. Er wird dafür besoldet, dass er Ausstände beim gemeinen Bürger eintreibt. Ihn muss es nicht interessieren, ob es dafür allenfalls gute Gründe gibt. Der Beamtenstatus in der Schweiz ist zwar abgeschafft, aber Wagner hat damit dennoch den Titel «Beamter des Jahres» verdient. Dem Staat treu bis in den Tod, und bitte einfach keine Fragen stellen.

Das alles wäre halb so wild und völlig normal, weil die meisten Medien längst so nahe zur Staatsgewalt gerückt sind, dass kein Blatt Papier mehr dazwischen Platz findet. Das Problem ist nur, dass Wagner und eine Reihe seiner Kollegen aus anderen Ostschweizer Kantonen im aktuellen Beispiel nicht etwa bei den üblichen Verdächtigen zu Wort kommen. Sondern in «Die Ostschweiz». Hier ist das gesammelte Gejammer und Gestammel der staatlichen Bürolisten nachzulesen.

Ich bin natürlich vorbelastet, weil ich «Die Ostschweiz» einst mitbegründet und mehrere Jahre als Chefredaktor geführt habe. Das mit der klaren Mission, nicht einfach mit den Wölfen zu heulen, sondern die entscheidenden Fragen zu stellen. Zu meiner Zeit galt das Motto: Ein Staat hat sich nicht über Staatsverweigerer zu empören, sondern darüber nachzudenken, warum es zu diesem Phänomen kommt und gegebenenfalls an sich selbst zu schrauben. Vor allem, wenn die Entwicklung zunimmt. Frei nach Shakespeare: «Es ist was faul im Staate Schweiz».

Mit diesem redaktionellen Kurs war die kleine Ostschweizer Onlinezeitung lange eine gefragte Adresse bei den Leuten, die eine einfache Formel verinnerlicht hatten. Der Staat? Das ist zunächst mal das Volk. Und wer dort arbeitet, ist dessen Angestellter. Und wenn die Repräsentanten dieses Staats durchdrehen, darf man ruhig darüber nachdenken, ihm die Mittel zu entziehen.

Das ist offensichtlich vorbei. Nun dürfen sich auch bei «Die Ostschweiz» Staatsangestellte über die Renitenz einiger Bürger ausweinen. Was publizistisch übrigens keinen Sinn macht, weil die Story schweizweit schon vor Wochen durch war. Aber das machen regionale Medien gern: Schauen, was andere gerade treiben und dann mal kurz die Betreffenden vor Ort telefonisch durchgehen. «Global – lokal» hiess das schon in meinen Anfängen vor über 30 Jahren. Das braucht wenig Zeit und schafft «Nähe zum Leser».

Nur hat sich die Medienlandschaft seither verändert. Wer jetzt aus der Masse hervorstechen will, muss klare Kante zeigen. Das hat «Die Ostschweiz» früher getan. Jetzt ist sie offensichtlich zum Sprachrohr von Regierung und Behörden geworden. Eines unter vielen.  Der Bürger, der sich Gedanken macht, ist der Feind.

Was bei früheren Stammlesern zur Reaktion führen könnte: «Ist das eine Zeitung – oder kann das weg

Weise Worte, leise gemüllt

Tx, Pardon, Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» hat einen Sprücheklopfer.

Wegen der Unfähigkeit der Führungsetage gefeuert zu werden, das ist unangenehm. Davor Angst zu haben, wegen der Unfähigkeit der Führungsetage gefeuert zu werden, das ist ungemein motivierend für die Arbeit.

Man müsste untersuchen, ob um das Glashaus an der Werdstrasse in Zürich der Alkoholkonsum und der Verbrauch von Beruhigungsmitteln in letzter Zeit deutlich angestiegen ist.

Denn zu all diesem Ungemach hinzu müssen sich die verbliebenden Mitarbeiter noch dumme Sprüche anhören. Wenn sie hier die gleiche Sensibilität wie gegenüber angeblicher verbaler sexueller Belästigung hätten, müsste es eigentlich ein neues Protestschreiben geben. Die anstössigen Beispiele müssten dann nicht einmal anonym sein.

Denn der Urheber ist bekannt. Es handelt sich um Mathias Müller von Blumencron (für uns einfach Müller). Der ist zurzeit «Leiter Publizistik» und eigentlich für die Digitalstrategie zuständig. Was für eine Digitalstrategie? Ein anderes, trübes Thema.

Aber hier geht es darum, wie Müller Publikum und Mitarbeiter quält. «So ärgerlich und unangenehm der neuerliche Abbau für den einzelnen Betroffenen auch ist, so bringt er letztlich keine grosse Veränderung mit sich», sagt Müller persoenlich.com. Aha, ein Abbau ohne Veränderungen, ein Wunder der Unternehmensführung.

Aber natürlich ist ein Abbau auch immer eine Chance, ganz klar. Worin liegt die? Die einzelnen Medienmarken sollen ihr publizistisches Profil schärfen und ihre Stärken noch besser und konsequenter ausspielen. Das tut nun ziemlich weh im Kopf. Also sollen diese Medienmarken, deren Profil durch ständige Zusammenlegungen und dem Abfüllen einen Einheitssauce aus der Zentralredaktion deutlich unschärfer wurde, nun wieder nachschärfen? Mit weniger Leuten? Und welche Stärken sollen nach einer neuerlichen Schwächung besser und konsequenter werden? Das ist Bullshit-Bingo, unterste Schublade.

Zudem sollen mehr Digitalabos verkauft werden, was ja bedeutet, dass Müller hier versagt. Gleichzeitig aber, so weiss er, «müssen wir die gedruckte Zeitung noch stärker auf die Erwartungen und Bedürfnisse eines älteren Publikums ausrichten». Wunderbar, das schafft man sicherlich, indem man immer mehr billige Kindersoldaten einstellt und die älteren Leser mit Themen wie Gendersternchen und inkludierende Sprache quält, von einem Kolumnisten namens Kim ganz zu schweigen.

Aber damit ist Müller mit seiner Quälerei noch nicht am Ende. Denn eigentlich ist er ja der Online-Hirsch, daher weiss er: auch hier muss – was wohl, genau – der Fokus geschärft werden. «Das geht nur, wenn man in den Redaktionen sehr sorgfältig überlegt, was der Kern des Auftrags ist.» Endlich ein überfälliger Ordnungsruf. Denn die Redaktionen sind da völlig aus dem Ruder gelaufen. Sie denken an den Verkauf von Gebrauchtwagen, Glace und Kleidern in Übergrössen. Dazu ist ein Pizzalieferdienst in der Mache, Modeshows oder Kurse für Balkongärtner. All dieser Wildwuchs muss ein Ende haben. Stattdessen alle mal sorgfältig überlegen: was macht ihr hier eigentlich? Wozu habt ihr ein Telefon und einen Computer? Und wozu dient dieses komische Programm, wo man Bilder und Texte einfüllen kann? He, schon mal drüber nachgedacht?

Aber Müller liefert noch mehr Munition für ein geharnischtes Protestschreiben: «Artikel, von denen klar ist, dass sie nur sehr wenige Leute lesen werden, kann man weglassen.» Ob das Andreas Tobler und  einige andere persönlich nehmen werden?

Auf jeden Fall muss man auf diese Idee auch erst mal kommen, nicht wahr.

ZACKBUM ist sich sicher, dass es hier genügend Unterschriften unter einem Protestbrief geben wird, der in strengen Worten zum Ausdruck bringt: kujoniert, eingespart und entlassen zu werden, das ist das eine. Aber mit solchen dämlichen Sprüchen belästigt zu werden, das ist unerträglich und muss sofort eingestellt werden. Wir fordern einen Sensibilisierungsbeauftragten (m/w/d), der solche verbalen Übergriffigkeiten unterbindet und als Ombudsstelle für gequälte Mitarbeiter dient. Aber subito, sonst fliegen Steine ins und aus dem Glashaus.

Tx xen und sparen

Bei so vielen X Men könnte man ein X machen …

Wieso eigentlich immer nur bei den armen Indianern sparen? Das Potenzial ist überschaubar, der Betrag auch, ausserdem gibt das immer schlechte Stimmung.

Viel besser (und ertragreicher) wäre es doch, mal ganz oben mit Sparen anzufangen. ZACKBUM hat da ein paar Vorschläge.

Fangen wir mal beim Verwaltungsrat an. Da ist Dr. Pietro Supino, Präsident und Verleger. Wie wäre es, ihn zum Ehrenpräsidenten zu machen, der pro bono arbeitet? Sparpotenzial: sicher über eine Million. Dann hätten wir Claudia Coninx-Kaczynski, Mitglied des Vergütungsausschusses. Jemals etwas von ihr gehört? Andere Qualifikation als der erste Nachname? Also, Sparpotenzial bei 100 Prozent. Dr. Stephanie Caspar, «Partnerin des Private-Equity-Unternehmens Summa Equity». Das sollte sie doch eigentlich völlig auslasten, wieso noch VR bei Tx? Und schliesslich Pascale Bruderer, null Ahnung von Verlegen, einfach aus Verlegenheit eine Quotenfrau aus der SP. Weg damit.

Schon hätten wir den Betrag eingespart, den fast 50 Mitarbeiter mit ihrem Job bezahlen müssen. Aber damit ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.

Wir haben noch die «Gruppenleitung». Da ist Dr. Pietro Supino Chairman & Publisher. Er trägt zwar auf dem Foto den gleichen grünen Pullover, aber diesmal darf er seine Titel auf Englisch benützen. Macht nix, you can take a leave. Dann hätten wir Daniel Mönch, «Chief Strategy Officer». Also ist er der Hauptverantwortliche für die gescheiterte Strategie. Sollte Konsequenzen haben. Dr. Ursula Nötzli, «Chief Communications & Sustainability Officer». Jemals etwas von ihr kommunikativ gehört? Und dann noch Nachhaltigkeit, das Ersatzwort für «unnötig».

Aber da ist noch Luft drin. Andreas Schaffner, CEO Tamedia. Hauptverantwortlicher für den dramatischen Niedergang. Geht dann sowieso mal. Wieso nicht jetzt? Schliesslich Davide Villa, CEO JobCloud. Braucht’s den für irgendwas?

Damit hätten wir schon viele Millionen eingespart, ohne dass es sonst wie spürbar wäre. Aber wir haben noch einen Wasserkopf, den man problemlos etwas entleeren könnte. Die Chefetage von Tamedia, Pardon «Tages-Anzeiger». Oder wie immer das heissen mag. Dass es eine Chefredaktorin und einen Stellvertreter braucht, wohlan. Vielleicht nicht diese, aber besser als nix. Hoffentlich. Aber was sollen hier Matthias Chapman und vor allem Kerstin Hasse? Raum- und Geldverschwendung.

Dann hätten wir noch, oberhalb der Ressortleiter, die «redaktionelle Steuerung». Abgesehen davon, dass hier Zurbriggen, Chapman und Hasse noch einen Zweitjob gefasst haben: braucht es da wirklich eine sechsköpfige «Printleitung»? Und wenn man diese 14 Nasen einsparen würde, käme man doch locker auf mindestens 3 Millionen Franken; Geld, das nicht einfach rausgeschmissen wird.

Dann wäre mal in einer ersten Runde das sinnvolle Sparpotenzial ausgeschöpft. Es gibt allerdings noch ein paar Häuptlinge mit vielen Federn und wenig Bedeutung. Mario Stäuble als Schweiz-Chef. Bloss, weil man seine Degradierung versüssen wollte? Wieso macht man mit ihm nicht das, was mit seiner ehemaligen Co-Chefredaktorin passierte? Projektleiter neue Märkte Antarktis, und dann tschüss?

Oder Christof Münger, Leiter Ausland, samt Enver Robelli, Stellvertreter. Der wird höchstens wach, wenn es gegen Djokovic was zu bellen gibt, Münger leitet eigentlich nix, sondern leidet darunter, dass alles von der «Süddeutschen Zeitung» angeliefert wird. Und um das ß durch ss zu ersetzen, dazu braucht es nun wirklich keine Leitung, weder eine lange, noch eine kurze.

Das «Recherchedesk». Wird meistens auffällig, wenn es um das Ausschlachten von Hehlerware geht, mit der es sich hemmungslos anfüttern lässt. Könnte man auch direkt aus München übernehmen; die Schweizer Beispiele (wie Gunter Sachs oder Jean-Claude Bastos) waren sowieso Vollflops.

Das liebe «Leben», das Sammelgefäss für Übriges und Randständiges. Das «Team Kultur» könnte gestrichen werden, ohne dass der Leser etwas davon merkt. Und bei «Daten & Interaktiv» hat der Co-Leiter Marc Brupbacher offensichtlich so viel Freizeit, um einen Hobbys und Sonderlichkeiten nachzugehen, dass er das doch auch als Privatier tun könnte.

Sonst noch was? Nun, da wäre der finanzielle Aspekt überschaubar, aber der Leser fühlte sich entschieden weniger gequält. Kahlschlag bei den Kolumnisten. Kathrin Bertschy, Markus Freitag, Kim de l’Horizon, Petra Ivanov, Cenk Korkmaz, Andri Silberschmidt. Peter Schneider als Ein-Mann-Orchester reicht völlig.

Die rückgratlose «Magazin»-Redaktion könnte ebenfalls eine Lücke hinterlassen, die sie vollständig ersetzt. Und dann hätten wir noch so tolle Funktionen wie «Chief Product Officer», Chief Revenue Officer, Head of Service, Head of Commerce Platforms und viele weitere Heads und «Teamleiter» ohne Team. Head off, oder will man da wirklich den «Blick» nachahmen?

Und last, but not least die Abteilung «Digital Technology». Das Projekt Aurora in den Sand gesetzt. Weder digital noch technologisch irgend etwas gebacken gekriegt. Vier Nullnummern, können weg.

ZACKBUM hat’s nicht im Einzelnen ausgerechnet, aber das ergäbe eine Einsparung, die weitere Sparrunden auf Jahre hinaus überflüssig machen würde. Und, um es im Management-Gequatsche auszudrücken, es wäre erst noch win-win. Denn es würden zudem massenhaft Fehlentscheidungen eingespart werden.

So sähe die Zukunft von Tx rosig und hoffnungsfroh aus. Leider ein schöner Traum.

Gottesdienst, nicht stören

Gluck, gluck, gluck. Mal wieder Untergang bei der WeWo.

Nehmen wir an, das Interview zwischen Tucker Carlson und Urs Gehriger habe stattgefunden. Leichte Zweifel sind bekanntlich erlaubt.

Wie auch immer, hier gibt es 22’000 Anschläge zum Thema Journalist interviewt Journalist. Das ist zunächst einmal Ausdruck davon, dass sich Journalisten unnatürlich wichtig nehmen. Nicht die Botschaft, der Bote ist die Message. Das ist zwar Unsinn, wird aber gerne wiederholt.

Zunächst einmal singt Carlson das Loblied auf den Diktator der VAE: «Die interessanteste und weiseste Führungspersönlichkeit, mit der ich je gesprochen habe, ist der Herrscher von Abu Dhabi, MBZ. Ich habe noch nie eine bescheidenere Führungskraft getroffen [als Scheich Muhammad bin Zayid, d. Red.].»

Blutiger Krieg im Jemen, enge Verbindungen mit dem brutalen Herrscher Saudi-Arabiens, der auch mal einen Oppositionellen in seiner Botschaft ermorden und zerstückeln lässt: sicher ein weiser Mann. Vor allem ein sehr, sehr reicher Mann.

Carlson ist überhaupt für saftige Storys gut: «Das [Joe Bidens Duschen mit der Tochter, d. Red.] ist ein Sexualverbrechen. Ich habe drei Töchter, ich kann Ihnen versichern, dass es nicht normal ist, dass ein Vater mit seinen Töchtern duscht. In ihrem Tagebuch schrieb Ashley: «Ich glaube, ich bin sexsüchtig, weil mein Vater mit mir geduscht hat.»»

Das ist nun ziemlich unappetitlich, aber Carlson kann noch einen drauflegen: «Larry Sinclair hat meiner Meinung nach auf sehr glaubwürdige Weise gesagt, dass er Sex mit Barack Obama hatte.» Sinclair ist ein verurteilter Hochstapler.

Seinen ersten grossen Coup nach seinem Rausschmiss bei Fox News landete Carlson mit einem Interview mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Er (und die «Weltwoche») sieht das sicher anders, aber dieses Interview zeigt jedem, der es schafft, es durchzustehen, dass Trump ein seniler alter Mann ist, der ständig den Faden verliert, wenn man ihn einfach quatschen lässt.

Zwei Höhepunkte aus diesem Interview:

«Und der Grund dafür ist, dass ich glaube, dass sie mich mögen, und ich weiss, dass sie meine Politik lieben. Ich hoffe, sie mögen mich auch. Wissen Sie, viele Leute sagen, sie mögen mich nicht, aber sie mögen meine Politik, ich glaube, sie mögen mich. Aber ich habe noch nie so eine Stimmung erlebt wie jetzt. Und der Grund dafür ist, dass der korrupte Joe Biden so schlecht ist.

Nun, er (Präsident Biden, Red.) kann nicht durch den Sand laufen. Weisst du, Sand ist nicht so einfach zu durchlaufen. Aber wo geht man denn hin, wenn man nicht durch den Sand laufen kann?»

Eine tolle Ausgangslage in den USA. Ein seniler Präsident und ein nicht minder seniler wahrscheinlicher Herausforderer. Und ein Interviewer, der schlimmer als Larry King seine Gäste einfach alles sagen lässt. Dass er damit Millionen von Zuschauern erreicht, sei ihm gegönnt. Aber das als Qualitätsmerkmal hochzuschreiben und Tucker zum «erfolgreichsten Journalisten der Welt» zu ernennen, das ist – nun, auch etwas senil.

Gibt es noch etwas, wo die WeWo zwanghaft gegen den Strom schwimmen muss? Richtig geraten: «Verteidigung der katholischen Kirche», so hebt Roger Köppel fromm in seinem Editorial an: «Niemand stellt sich vor die katholische Kirche. Niemand verteidigt die älteste und erfolgreichste Organisation der Welt. Wehrlos taumelt sie in den Seilen

Wir bekreuzigen uns bestürzt. Köppel versucht’s mit etwas Dialektik: «Die Absicht, Missbräuche zu rechtfertigen, habe ich nicht. Im Gegenteil. Ich verurteile sie. Aber ich beobachte einen Missbrauch des Missbrauchs

Aber wieso verteidigt der selbst ernannte Calvinist Köppel denn die katholische Kirche, die älteste Verbrecherorganisation der Welt? Kennt er Karlheinz Deschners zehnbändige «Kriminalgeschichte des Christentums» nicht? Mag sein, aber schnell kommt Köppel zum Punkt: «Ziel der Angriffe ist die Schwächung der Kirche als Bollwerk gegen den Zeitgeist. Der konservative Katholizismus steht, unter anderem, für Familie, für Tradition, für Freiheit vom Staat, für die klare Unterscheidung zwischen Mann und Frau. Den ersatzreligiösen Klimakult machen viele Katholiken nicht mit

Familie? Abtreibungsverbot, Wiederverheiratungsverbot, Mittelalter? Freiheit vom Staat? Von dem die Kirche in der Schweiz gerne die Kirchensteuer eintreiben lässt? Was für ein Bullshit. Aber wenn Köppel mal in Fahrt ist, hält ihn in seinem Lauf weder Ochs noch Esel auf: «Die Schauprozesse gegen die Katholiken und ihre Kirche erinnern an den Tugendterror der Französischen Revolution.» Gleich stalinistische Schauprozesse mit der Terreur des entfesselten Bürgertums vermischen? Wo finden denn diese Schauprozesse statt, wo arbeiten die Erschiessungskommandos, wo stehen die Guillotinen? Was für ein Bullshit.

Und wo Köppel wie Don Quijote gegen imaginäre Drachen reitet und dabei viel Wind macht, braucht er auch einen willigen Adlatus, sozusagen seinen Sancho Pansa. Den gibt Giuseppe Gracia. Der hyperaktive Kommunikationsberater stösst ins gleiche Horn. Natürlich sei jeder Fall in der katholischen Kirche einer zu viel. «Aber die entrüstete Berichterstattung zur aktuellen Missbrauchsstudie ist heuchlerisch

Weil: «Die säkulare, moralisch entgrenzte Gesellschaft von heute bringt jeden Tag so viele Opfer sexueller Gewalt hervor wie keine religiöse Gruppe in Jahrzehnten.» Moralische entgrenzte Gesellschaft, sozusagen die moderne Fassung von Sodom und Gomorra, Sittenverluderung, furchtbar. Keine Zucht mehr, keine Ordnung. Perversion und Promiskuität. Pfui.

Denn es ist doch schrecklich: «Jeder weiss, dass allein Hollywood jährlich Tausende Opfer produziert und in fast allen westlichen Metropolen täglich mehrere tausend Frauen und Kinder missbraucht werden

Auch in Bern, Zürich, Basel und St. Gallen? Wahnsinn.

Weiss das jeder? Nun, zumindest einer. Nun noch ein Sprutz Dialektik: «Wenn nun die Medien für ihre Stimmungsmache gegen die Kirche den Hauptort sexueller Gewalt ausblenden, dann schützen sie indirekt die Mehrheit der Täter, deren Verbrechen und deren Opfer nicht öffentlich aufgeklärt werden.»

Stimmungsmache, Schutz der Mehrheit der Täter? Was für ein Bullshit. Aber auch Gracia kann sich noch steigern: «Dass der Zölibat zu Missbräuchen in der Kirche führe, ist falsch.» Das habe ein Professor an der Charité mit einer Studie nachgewiesen. Ach, die widernatürliche Unterdrückung sexueller Bedürfnisse hat keine ungesunden Auswirkungen? Unglaublich, was in der WeWo für ein Stuss erzählt werden darf.

Aber auch Gracia geht’s natürlich um das Grundsätzliche: «Der Missbrauch des Missbrauchs ist Teil des gegenwärtigen Kulturkampfs. Im Zeitalter von Konsumismus und Totalverwertung muss alles verfügbar gemacht werden. Auch der Katholizismus soll durchlässig werden für die Wünsche einer Erlebnis- und Optimierungsgesellschaft, die als obersten Massstab nur noch sich selber akzeptiert. Eine Kirche, die es wagt, Unverhandelbares und Unverfügbares zu verkünden – etwa die Unauflöslichkeit der Ehe, die Priesterweihe mit Zölibat nur für Männer oder überhaupt den Anspruch der Zehn Gebote –, so eine Kirche gehört abgeschafft. Finden ihre Gegner.»

Wer hat den Missbrauch des Missbrauchs wem abgeschrieben? Der Hirte Köppel dem Schaf Gracia oder umgekehrt? Aber Gracia ist doch eher resigniert: «Gegen die machtvollen Dynamiken dieser Gesellschaft können die Hirten der Kirche wenig ausrichten.» Oh Herr, gibt es denn keine Hoffnung hienieden? Doch: «Die Liebe ist stärker als der Tod und als alle Mächte des Bösen

Wunderbar, da braucht es in dieser Ausgabe den wiedergeborener Katholiken Matthias Matussek gar nicht, der sogar aus dem finster-fanatischen Gottesmann Ratzinger eine Lichtgestalt erdichtet.

Aber so wollen wir hier auch eingedenken, milde werden und sowohl Köppel wie Gracia einen Bruderkuss auf die Wange hauchen. Denn auch sie sind doch nur Sünder vor dem Herrn, wie wir alle.

 

 

Versager 3

Ein Männerberater darf im Tagi Unsinn verzapfen.

Bei einem Interview hat der Redaktor – neben dem Stellen von möglichst intelligenten Fragen – zwei Aufgaben. Er muss den Interviewten vor sich selbst beschützen. Und den Leser vor ihm.

Edgar Schuler hat hier tapfer gekämpft. Er interviewt den «Psychologen und Männerberater» Markus Theunert. Der freut sich natürlich über so viel Gratiswerbung. Und verzapft jede Menge Unsinn.

Gleich am Anfang galoppiert Theunert los: «Übergriffiges, grenzverletzendes, gewalttätiges Verhalten von Männern wird angeprangert, auch wenn es Männer mit Macht sind. Nicht der Missbrauch ist neu, sondern das öffentliche Anprangern

Schuler wendet ein, dass sich viele dieser Vorwürfe als falsch erwiesen und Karrieren zerstört wurden, zum Beispiel beim Schauspieler Kevin Spacey und beim Sänger Till Lindemann. Papperlapapp, meint Theunert: «Die Anschuldigungen erwiesen sich ja nicht als falsch, sondern in den beiden konkret untersuchten Fällen als strafrechtlich nicht genügend. Bei beiden Männern gibt es von zahlreichen Menschen ähnliche Anschuldigungen. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass da einfach nichts dran sei.»

Will sich wirklich jemand von so einem Psychologen helfen lassen, der selbstherrlich meint, Scharfrichter sein zu dürfen und selber Schuld von Unschuld unterscheiden kann?

Auch auf die Frage, was Theunert den Männern sage, die sich nicht mehr trauen, alleine mit einer Frau im Lift zu fahren, hat der Psychologe eine knallharte Antwort: «Ich halte diese Männer für ein Phantom. Für eine Kunstfigur zwecks Schüren von Verunsicherung. Oder sind Sie schon einmal einem begegnet

Als Schuler das bestätigt, fällt der Psychologe in ein psychologisches Koma: «Echt? (zögert) Das macht mich grad etwas betroffen. Diese Angst ist mir fremd

Aber nun zum Werbespot für Theunerts neues Buch. Das hat natürlich eine Mission: «Was ich will: Männer ermutigen, ihren eigenen Weg zu finden, ohne sich von Männlichkeitsimperativen so arg beschneiden zu lassen. Das ist eine grosse Aufgabe! Wir haben da eine historische Chance.»

Er spricht da, ganz der Küchenpsychologe, natürlich aus eigenen Erfahrungen: «Wie alle Männer, die in einer patriarchalen Gesellschaft wie unserer aufgewachsen sind, habe ich toxische Männlichkeitsnormen verinnerlicht.» Deshalb habe er gedacht, er werde männlicher, wenn er mit möglichst vielen Frauen schlafe.

Aber dann hat er sich selbst entgiftet. Wie das? «Indem ich mich – auch emotional – der Einsicht gestellt habe: Das macht mich leer und letztlich einsam.»

Fehlt noch was? Aber ja, es ist Wahlkampf, da muss natürlich noch das gute, alte SVP-Bashing sein: «Ich finds eher interessant, weshalb die SVP so lange gewartet hat, bis sie auf den Anti-Gender-Zug der rechtspopulistischen Internationalen aufgesprungen ist. Das Muster ist global und leicht durchschaubar: Wer das Bewirtschaften von Ressentiments als politisches Geschäftsmodell hat, landet fast zwangsläufig beim Gender-Thema.»

Ganz im Gegensatz zu einem «Männerberater», der ein Geschäftsmodell daraus gemacht hat, Männer zu beraten, wie sie bessere Männer werden. Oder so.

Eigentlich ist im Song «Männer» von Herbert Grönemeyer mehr Erkenntnis drin als in all diesem Gequatsche.

 

Versager 2

«Ich war schon bei Tyson auf dem Sofa». Das sagt alles.

Nein, nicht ganz. Das sagt der neue «Head of Sports». Hä, Head of? Head off? Kopf ab? Nein, keine Scherze, er ist ja nur einer von vielen neuen Häuptlingen. Denn beim ehemaligen Boulevardblatt «Blick» wimmelt es nur so von Heads. Und Officers.

Eine unvollständige Liste: Chief Content Officer Steffi Buchli. Chief Digital & Distribution Officer Sandro Inguscio. Dann haben wir den Head of Newsroom, dann hätten wir noch das «audiovisuelle Production Center», gesucht wird noch ein Head of Storytelling. Das ist alles etwas verwirrlich, deshalb gibt es natürlich auch noch einen Head of Newsroom Coordination. Head of Blick.ch, schliesslich gibt es noch neu das Ressort Desk, wohl ohne Head.

Head of Product & Innovation Newsroom, Head of Product/Quality, Head of Growth Management, Head of Heads, Heads of Officers, Chiefs of Heads, da schwirrt einem der Head, Pardon, Kopf.

Man kann sich jede Menge Slapstick vorstellen, wie diese Heads, Officers und Chiefs die Köpfe zusammenstecken und herauszufinden versuchen, was dieser Scheiss eigentlich soll. Denn das muss sie sagen, und das glaubt nicht mal Steffi Buchli selbst:

«Ich freue mich auf starke Charaktere und maximale Fachkompetenz. Damit ist die Basis gelegt, um die besten multimedialen Geschichten zu erzählen und unsere Inhalte auf ein noch höheres Level zu hieven.»

Noch höher? Also die Köpfe in den Wolken? Wahrscheinlich hat es der «Blick» endlich geschafft, denn es gibt ja noch so etwas Altmodisches wie Chefredaktor SoBli, sein stellvertretendes Investigativ-One-man-Team und jede Menge weiterer Häuptlinge. Was geschafft? Die Idealvorstellung jedes Versagers in oberster Position, der sein Versagen durch unablässiges Rumschrauben an Organigrammen verstecken möchte: endlich gibt es mehr Häuptlinge als Indianer.

Der grösste Vorteil ist aber: wer Head ist, kann auch einen Kopf kürzer gemacht werden. Wer Officer ist, wer Chief ist, kann an etwas schuld sein. Denn eines ist klar: die oberste Chefin ist an überhaupt nichts schuld. denn auch sie ist dank Dreifachbonus unkaputtbar.

Also, ein kräftiges «head, head, hurra!» Wir warten sehnsüchtig darauf, die ersten Inhalte auf noch höherem Level geniessen zu dürfen. Wir warten. Wir warten und warten und warten und hoffen, dass unsere Lebenserwartung dank neuer Erkenntnisse auf weit über 100 Jahre gesteigert wird. Denn dann warten wir noch immer.

Zuvor stellen wir uns aber kurz die Entstehung eines Inhalts auf noch höherem Niveau vor.

Indianer: «Ich habe von der Polizei gehört, dass da einer seine Frau und seine Kinder umgebracht hat. Und seine Katze. Und dann sich selbst.»

Head of Sports: «Ich bin dann mal weg

Head of Newsroom Coordination: «Okay, ich übernehme dann mal.»

Head of Blick.ch: «Online first, ich übernehme dann mal

Head of Newsroom: «Das entscheide immer noch ich, okay

Chief Content Officer: «Kann ich mal kurz gebrieft werden? War gerade an einer Sitzung mit der Geschäftsleitung.»

Chefredaktor SoBli: «Wir übernehmen die Hintergründe, ich setze sofort mein Investigativ-Team dran.»

Head of Investigativteam: «Ich recherchiere gerade eine Story über den Griff ins Kässeli beim Gesangsverein Alpenglühn Unterentfelden, keine Zeit

Head of Product/Quality: «Das sollte sich doch der Head of Storytelling mal anschauen. Ups, das Ressort ist ja noch kopflos.»

Indianer: «Wenn ich auch etwas sagen darf …»

Alle Heads im Chor: «Schnauze, siehst du nicht, dass wir hier arbeiten?»

Indianer: «Ich wollte aber nur …»

Alle Heads im Chor: «Wenn du nicht unter Artenschutz stehen würdest, wärst du gefeuert

Indianer, tapfer: «Ich wollte nur sagen, dass «20 Minuten» die Story gerade online gestellt hat.»

Versager 1

Nach dem Rausschmeissen ist vor dem Rausschmeissen.

Es muss unbändig Spass machen, bei Tamedia zu arbeiten. Der Journalismus geht vor die Hunde, nur die Attitüde bleibt gleich. Ihren Bauchnabel betrachtende Wichtigtuer belästigen die flüchtenden Leser mit ihren Befindlichkeiten und Ansichten über die Welt. Vor allem über Themen wie Gendern, obwohl sie selbst einräumen müssen, dass das der Mehrheit ihrer Leser schwer am Popo vorbeigeht. Aber da sehen sie dann eine Erziehungsaufgabe. Im Journalismus gibt es nichts Schlimmeres.

Das ist das eine.

Das andere ist ein Management, das aus Versagern besteht. Wir wollen nicht vertiefen, dass diverse leitende Redakteurinnen nicht qua Kompetenz, sondern qua Geschlecht in ihre Positionen kamen. Dort können sie jede Menge Quatsch machen, denn wer würde sich trauen, freiwillig in den Sexismus-Hammer zu laufen?

Das ist das andere.

Aber noch schlimmer als das – doch, es lässt sich steigern – ist das Versagen des männlichen obersten Managements. Nach dem Hammer in der Romandie (3,5 Millionen Sparübung, wohl 28 Stellen weg, mehr als 10 Prozent!) kommen nun wie angekündigt nochmal 2,5 Millionen und rund 20 Stellen in der Deutschschweiz obendrauf.

Das findet statt, nachdem in nur drei Jahren bereits 70 Millionen eingespart werden mussten. Kurzer Zwischenstopp: 2021 spülte es 832,7 Millionen Gewinn nach Steuern (EAT) in die vielen Taschen des Coninx-Clans. Sondergewinn durch das Joint Venture mit Ringier mit den Verkaufsplattformen. 2022 schnurrte das dann auf einen Verlust von 4,6 Millionen zusammen. Natürlich gab es zuvor Champagner und Sonderdividende, im letzten Jahr dann nur Champagner. Denn Big Boss Pietro Supino ist unkaputtbar. Im Gegensatz zu seinem Konzern.

Wie wurde das schöngeredet? Ein Satz für Humoristen: «TX Group steigert den Umsatz organisch um rund 7 Prozent und schliesst das Geschäftsjahr 2022 mit einem normalisierten Betriebsergebnis von 100 Mio. CHF ab.»

Wir Beobachter können uns die Lachtränen aus den Augen wischen, für die Tamedia-Mitarbeiter ist es entschieden weniger lustig. Während Supino beim Verkünden solcher Bad News lieber segelt, müssen seine Untergebenen Andreas Schaffner und Mathias Müller von Blumencron (wir nennen den Herrn einfach Müller) den neusten Rausschmiss rundreden.

Erosion im Printmarkt, Stabilisierung des publizistischen Geschäfts, das Digitalgeschäft wachse zwar, könne die Verluste nicht kompensieren. Aber: Kostenoptimierung, zukunftsfähig, schlagkräftig, Blabla.

Realität ist: der neue Digital-Guru Müller bringt’s nicht. Er hat’s auch in seinen vorherigen Stellen nicht wirklich gebracht; man sah ihn immer lieber gehen als kommen. Die von seinem vorherigen Arbeitgeber «Tagesspiegel» abgekupferte Idee «Der Verkehrsmonitor – Mehr als nur Neuigkeiten» wird’s garantiert nicht rumreissen.

Genauso wenig die neue CEO Jessica Peppel-Schulz. Die war nach einem «Sabbatical Break» von schlappen neun Monaten für 28 Monate CEO bei Conde Nast. Dem deutschen Ableger des Lifestyle-Konzerns. Das forderte sie so, dass sie sich neuerlich ins Sabbatical Break von gleich 10 Monaten begab – bis zum Stellenantritt am 1. Oktober bei Tamedia. Das gibt Hoffnung.

Was die Fähigkeiten des obersten Chefs betrifft, wollen wir uns nicht wiederholen.

Das ist das dritte und Fatale. Natürlich gibt es im Journalismus Herausforderungen zu bewältigen. Nachdem uns das Internet erst vorgestern aus heiterem Himmel angesprungen hat, sucht das Management noch nach Antworten. Verständlich.

Oder im Ernst: wer wirklich meint, er könne deutlich weniger Leistung, deutlich weniger Angebot für deutlich angehobene Preise erfolgreich verkaufen, der ist wohl mal mit dem Kopf in die Druckmaschine geraten.

Im Ernst: Der Niedergang des Qualitätsjournalismus im Hause Tamedia, im Gebäude Tx, ist nicht in erster Linie den Umständen geschuldet. Sondern dem krachenden Versagen des leitenden Managements. Wem jahrelang nur dumme Sprüche, Gedöns und haltlose Behauptungen («Digitalisierung!») einfallen, wem in Wirklichkeit nichts anderes als Zu-Tode-Sparen einfällt, wer damit den Leser für dumm verkaufen will («noch besser, noch näher»), der hat’s nicht anders verdient.

Dabei verdient sich die Teppichetage unverdient weiterhin dumm und krumm. Ausbaden müssen dieses einmalige Versagen die Mitarbeiter. Entweder werden sie gefeuert, oder sie gehen freiwillig. Oder sie resignieren. Wer bleibt, muss – weil er zu alt oder zu unfähig ist, woanders einen Job zu finden.

Widerspruch wagt keiner, denn hier sind die Manager mal clever. Sie geben zuerst die Zahl der Gefeuerten bekannt, dann werden die in den einzelnen Redaktionen über ihr Schicksal informiert. So traut sich keiner zu offenem Protest. Denn das könnte ja die Stelle gefährden.

So soll attraktiver Journalismus entstehen, dem Leser der Mund wässrig gemacht werden, dazu animiert, das Portemonnaie weit zu öffnen und die exorbitanten Abopreise zu bezahlen?

Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, keine dritte. Entweder, die Führungscrew von Tamedia glaubt das wirklich. Dann haben sie allerdings ein Verhältnis zur Realität wie Kim Jong-un. Oder aber, in Wirklichkeit ist ihnen Journalismus schlichtweg scheissegal, wenn man damit keine Subventionen absaugen kann.

Man darf einmal raten, welche Variante es ist.

Wumms: Pietro Supino

Der Mann spart ein. Leider nicht sich selbst.

Supino ist der Mann der grossen Töne und der kleinen Taten. Er singt das hohe Lied der Verantwortung der Medien, des Qualitätsjournalismus, Wächter- und Kontrollfunktion, Blabla.

Damit sorgt er regelmässig dafür, dass die Medien im Allgemeinen, Tamedia im Speziellen, an Glaubwürdigkeit und an Lesern verlieren. Das soll ihm mal einer nachmachen: die geballte Medienmacht des Verlegerverbandes gegen ein kleines Häuflein von Unerschrockenen, die gegen die Subventionsmilliarde für reiche Verlegerclans das Referendum ergriffen hatten. Und auf die Schnauze gekriegt.

Was fällt Supino im eigenen Haus so ein, um der Misere abzuhelfen? Einen Dampfplauderer als Vorreiter für das Digitale einsetzen. Beförderungen nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz durchsetzen.

Und vor allem und immer wieder: sparen. Sparen. Sparen und sparen. Sparen, begleitet vom immer gleichen Gelaber. In der Romandie werden wohl zehn Prozent aller Mitarbeiter rausgehauen.

Warum? Geschäftsmodell unter Druck, Werbemarkt, Umsatzrückgang, Blabla. Und die guten Nachrichten? Prozesse vereinfachen, Marken stärken und – der ewige Brüller – die Nähe zum Leser erhöhen.

Nun will Tamedia schon seit der ersten Sparrunde immer näher an den Leser, das will auch der Dampfplauderer im Digitalen, das wollen alle. Da erhebt sich doch die Frage, wie nahe man denn nun beim Leser sei. Kriecht man ihm schon unters Hemd? Steckt man in seinem Rachen? Im Gehörgang? Unter den Augenlidern?

Es ist eigentlich verwunderlich, dass bei dieser Wiederholung des Ewiggleichen noch kein Gefeuerter einen Blutrausch bekommen hat. Mehr sparen, aber mehr Qualität? Weniger Geld, aber mehr Synergie? Mehr Inkompetenz, denn in erster Linie bleiben ja die Duckmäuser, aber mehr Content? Mehr zahlende Leser durch mehr Bauchnabelbetrachtungen und seichte Analysen und dummes Gerüpel aus der Gesinnungsblase? Mehr Oktoberfest, weniger Schwingfest?

Es ist erbärmlich. Es ist ärmlich. Es ist eine Bankrotterklärung des leitenden und wohlbezahlten Managements, das sich und den Besitzern gerne mal eine Sonderdividende ausschüttet.

Das sorgt dann unheimlich für Stimmung in der Mannschaft, wo immer weniger mit gleichviel Rudern die Galeere durch die Wellen treiben sollen. Nach der Devise: rudert schneller, der Käpt’n will Wasserski fahren.

Beziehungsweise mit seiner Yacht in der Karibik schippern. Oder im Mittelmeer. Heute werden dann noch die Entlassungen in der Deutschschweiz bekanntgegeben. Mit dem gleichen Blabla.

Aber mal Hand aufs Herz, Herr Supino: fällt Ihnen wirklich keine sinnvolle Sparmassnahme ein? Nein, nicht im Maschinenraum. Oben, ganz oben, zuoberst oben. Oder schützt Familie vor allem?

Die WeWo macht’s schon wieder

Sie lässt die Geschichte umschreiben. Diesmal von einem deutschen US-Politwissenschaftler.

Immerhin einen Vorteil hat das Geschwafel von Alexander Wendt: es ist dermassen langfädig, dass wohl kaum ein WeWo-Konsument es bis zum Schluss durchhält. Übernommen wurde der Text von «Publico», wo es dem Portal auch nicht gerade zur Ehre gereicht. Das kann sich aber nicht wehren, weil es von Wendt gegründet wurde.

Offenbar fiel der WeWo doch auf, dass die intellektuelle Flughöhe von Karlheinz Weissmann nicht ganz ausreichte, um überzeugend die Debatte, ob das Ende des Zweiten Weltkriegs für Deutschland eine Befreiung oder eine Niederlage gewesen sei, mit «Niederlage» zu beantworten.

Also probiert es nun Alexander Wendt. Der hat als Polemiker durchaus mehr Potenzial als Weissmann: «Die Behauptung, der 8. Mai 1945 dürfe nur als Befreiung gesehen werden, steht nicht allein. Ob DDR, Nationalsozialismus oder Kaiserreich: Erfundene Historie erlebt eine Hochkonjunktur – und dient dabei nicht dem Verständnis früherer Generationen, sondern dem moralischen Geländegewinn heute.»

Lustig, dabei sind Weissmann und Wendt genau dafür zwei Beispiele. Wendt verwendet als Einleitung einen eher dümmliche Spruch auf X eines grünen Bundestagsabgeordneten: «Der Versuch der AfD-Vorsitzenden, die Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur durch die Alliierten als Niederlage umzudeuten, ist ein weiterer Schritt der AfD, sich völlig offen gegen die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stellen.»

Das ist natürlich Unsinn. Aber das salviert Wendt nicht, wenn er eigenen Unfug dagegenstellt. Denn zweimal Minus ergibt hier nicht Plus.Zunächst trampelt Wendt auf dem Grünen Twitterer herum: «Der gesamte Zweite Weltkrieg produzierte in von Notz’ Variante zwar eine Menge Kohlendioxid und toxische Männlichkeit, besass aber alles in allem den Charakter der weiterentwickelten Bundesjugendspiele, die neuerdings auch keine Gewinner und Verlierer mehr kennen, sondern nur noch Beteiligte.»

Hört sich zwar irgendwie gut an, ist aber eigentlich blosse heisse Luft, schön gebacken. Dann arbeitet sich Wendt an der einwandfrei antifaschistischeren Geschichte der DDR ab. Die war zwar bei der Weiterverwendung einzelner Nazis auch nicht ganz auf der sauberen Seite, aber es war dann doch kein Vergleich zum Rechtsnachfolger des Dritten Reichs, der BRD. Dort überlebte fast die gesamte Richterschaft, Tausende von SS-Schergen, Nazis in der Politik und der Wirtschaft unbeschadet oder nur mit kleinen Blessuren die Befreiung – oder Niederlage. Und machte weiter, bis gelegentlich einer wie der furchtbare Richter und spätere Ministerpräsident Hans Filbinger oder der Bundespräsident Lübke oder der Bundeskanzler Kiesinger als Nazi spät enttarnt wurde.

Wie poltert dagegen Wendt: «Auf der über alle Zweifel erhabenen Seite standen von Anfang an nur die Kommunisten, die nach 1945 endlich zusammen mit den sowjetischen Instrukteuren den eigentlich schuldlosen und nur verirrten Massen den Weg in eine bessere Zukunft wiesen, im Gegensatz zu den Menschen im Westen, der noch auf seine wahre Befreiung warten musste.»

Dass die Kommunisten als Erste und lange Zeit Einzige vor der Machtergreifung des Hitler-Faschismus davor gewarnt hatten, dass Hitler wählen, den Krieg wählen bedeutet, dass die Kommunisten den grössten Blutzoll beim Widerstand gegen das Nazi-Regime leisteten, was soll’s. Die DDR ist Geschichte und kann sich gegen solche Umdeutungen nicht mehr wehren.

Dann begibt sich Wendt allerdings auf ganz dünnes Eis und versucht sich daran, den Kommunisten Bertolt Brecht in seinem Sinn umzudeuten (nachdem er schon den Kommunisten Hermlin umbog). Der kann sich auch nicht mehr wehren, weil tot:

««Seht diese Hüte von Besiegten! Und nicht als man sie vom Kopf uns schlug zuletzt, war unsrer bittern Niederlage Stund. Sie war, als wir sie folgsam aufgesetzt.»
Obwohl Emigrant, benutzte Brecht ein lyrisches Wir. Sein Vers kommt der Formel des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss sehr nah, am 8. Mai 1945 sei Deutschland sowohl «erlöst als auch vernichtet» worden.»

Gedichtinterpretation ist eigentlich ein Schulfach. Aber offensichtlich kann sich Wendt nicht mehr daran erinnern. Die Stunde der Niederlage war eben gerade nicht der 8. Mai, sondern der Tag, als sich viele Deutsche den Stahlhelm aufsetzen liessen. Kann doch nicht so schwer sein …

Vielleicht darf man Wendt an ein anderes Dichterwort von Brecht erinnern:

«Und die da reden von Vergessen und die da reden von Verzeihn
All denen schlage man die Fressen mit schweren Eisenhämmern ein.»

Wendt hingegen, dem dieses Schicksal sicher erspart bleibt, verkrümmt den toten Brecht und auch den ehemaligen Bundespräsidenten Heuss bis zur Unkenntlichkeit: «Brecht und Heuss wussten wie der damalige Bundespräsident das Selbstverständliche, nämlich, dass damals nur die allerwenigsten die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht als Befreiung empfanden.»

Nun ist es müssig, darüber zu spekulieren, wie viele Deutsche bis zum Kriegsende überzeugte Nazis waren. Dass nur die «allerwenigsten» das Ende der Herrschaft des absolut Bösesten, was die Geschichte bislang hervorbrachte, als Befreiung empfunden haben sollen, ist Unsinn. Geschichtsrevisionismus. Absurd. Ausser, man unterstellt den damaligen Deutschen, dass die allerallermeisten auch am 8. Mai 1945 immer noch in der Wolle braun gefärbte Nazis waren, die den Untergang des Dritten Reichs als bedauerliche Niederlage empfanden.

Dann wird Wendt etwas sprunghaft und prügelt nochmals auf die verblichene DDR ein, beziehungsweise auf Meinungsträger, die nun nicht alles und jedes als absolut schlecht empfanden oder darstellen. Was er hier langfädig rhabarbert, entzieht sich der rationalen Beurteilung.

Allerdings, muss man einräumen, mit einer Passage – ein blinder Polemiker findet auch mal ein Korn – hat Wendt recht: «Erst dann, wenn historische Begriffe aus ihrer Sinnverankerung herausbrechen, lassen sich Formeln wie Nazi und Faschist völlig beliebig in der politischen Tagesauseinandersetzung verwenden, nicht nur gegen Personen, sondern gegen alles Mögliche, das im wohlgesinnten Milieu auf Ablehnung stösst.»

Dann allerdings macht Wendt – im Zickzack durch die Geschichte und durch Europa, einen Abstecher nach Budapest, zu einer Gedenkstätte dort: «Vor 1945 diente das Gebäude als Quartier der Pfeilkreuzler, danach bis 1956 als Sitz des kommunistischen Geheimdienstes.»

Was die Pfeilkreuzler hier anrichteten, interessiert Wendt allerdings weniger, ihm geht es natürlich nur um die Kommunisten:

«Videoaufnahmen, in denen ehemalige Häftlinge, überlebende deportierte Zwangsarbeiter, aber auch ein früherer Offizier des Staatssicherheitsdienstes sprechen, bilden den Kern der Ausstellung. Es kommen Beteiligte an der Geschichte zu Wort.
Die grosse Leistung der Geschichtserfinder in Deutschland besteht darin, diese Stimmen gleich zweimal weitgehend verdrängt zu haben: für den Mai 1945 und für die DDR.»

Es ist schon verblüffend. Immer, wenn solche Geschichtsumschreiber zum Ende ihrer Ausführungen kommen, verlieren sie völlig den Kontakt zu Logik und Folgerichtigkeit einer Argumentation. Wendt verdrängt konsequent die Stimmen derer, die unter dem Naziterror gelitten haben. Er verschwendet kein Wort über den kommunistischen Widerstand, er hat nur Häme übrig für den Versuch der DDR, viel konsequenter als die BRD mit der Nazi-Vergangenheit zu brechen.

Dass es da genügend zu kritisieren gibt – unbenommen. Wer aber dem politischen Gegner Verdrängung vorwirft, selbst aber ein Weltmeister im Auslassen von unangenehmen historischen Tatsachen ist, disqualifiziert sich mit seinen eigenen Argumenten gleich selbst.

Welch ein Unsinn: wer den 8. Mai nicht als Tag der Niederlage, sondern der Befreiung bezeichnet, ist für Wendt, den Geschichtenerfinder, ein «Geschichtserfinder».

ZACKBUM wiederholt seine dringliche Empfehlung an die nach Deutschland expandierende «Weltwoche», solchen Geschichtsrevisionisten keine Plattform zu bieten. Nein, das ist keine Aufforderung zur Zensur. Das ist ein guter Ratschlag, damit die WeWo nicht ohne Not und aus eigener Dummheit in eine miefig-trübe Ecke gerät; denn wie sagte Brecht auch so richtig: «Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.»

Natürlich ist Wendt kein Nazi und auch kein Faschist. Aber er ist ein verantwortungsloser Geschichtsklitterer ohne Skrupel oder Moral.