Wumms: Pietro Supino

Der Mann spart ein. Leider nicht sich selbst.

Supino ist der Mann der grossen Töne und der kleinen Taten. Er singt das hohe Lied der Verantwortung der Medien, des Qualitätsjournalismus, Wächter- und Kontrollfunktion, Blabla.

Damit sorgt er regelmässig dafür, dass die Medien im Allgemeinen, Tamedia im Speziellen, an Glaubwürdigkeit und an Lesern verlieren. Das soll ihm mal einer nachmachen: die geballte Medienmacht des Verlegerverbandes gegen ein kleines Häuflein von Unerschrockenen, die gegen die Subventionsmilliarde für reiche Verlegerclans das Referendum ergriffen hatten. Und auf die Schnauze gekriegt.

Was fällt Supino im eigenen Haus so ein, um der Misere abzuhelfen? Einen Dampfplauderer als Vorreiter für das Digitale einsetzen. Beförderungen nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz durchsetzen.

Und vor allem und immer wieder: sparen. Sparen. Sparen und sparen. Sparen, begleitet vom immer gleichen Gelaber. In der Romandie werden wohl zehn Prozent aller Mitarbeiter rausgehauen.

Warum? Geschäftsmodell unter Druck, Werbemarkt, Umsatzrückgang, Blabla. Und die guten Nachrichten? Prozesse vereinfachen, Marken stärken und – der ewige Brüller – die Nähe zum Leser erhöhen.

Nun will Tamedia schon seit der ersten Sparrunde immer näher an den Leser, das will auch der Dampfplauderer im Digitalen, das wollen alle. Da erhebt sich doch die Frage, wie nahe man denn nun beim Leser sei. Kriecht man ihm schon unters Hemd? Steckt man in seinem Rachen? Im Gehörgang? Unter den Augenlidern?

Es ist eigentlich verwunderlich, dass bei dieser Wiederholung des Ewiggleichen noch kein Gefeuerter einen Blutrausch bekommen hat. Mehr sparen, aber mehr Qualität? Weniger Geld, aber mehr Synergie? Mehr Inkompetenz, denn in erster Linie bleiben ja die Duckmäuser, aber mehr Content? Mehr zahlende Leser durch mehr Bauchnabelbetrachtungen und seichte Analysen und dummes Gerüpel aus der Gesinnungsblase? Mehr Oktoberfest, weniger Schwingfest?

Es ist erbärmlich. Es ist ärmlich. Es ist eine Bankrotterklärung des leitenden und wohlbezahlten Managements, das sich und den Besitzern gerne mal eine Sonderdividende ausschüttet.

Das sorgt dann unheimlich für Stimmung in der Mannschaft, wo immer weniger mit gleichviel Rudern die Galeere durch die Wellen treiben sollen. Nach der Devise: rudert schneller, der Käpt’n will Wasserski fahren.

Beziehungsweise mit seiner Yacht in der Karibik schippern. Oder im Mittelmeer. Heute werden dann noch die Entlassungen in der Deutschschweiz bekanntgegeben. Mit dem gleichen Blabla.

Aber mal Hand aufs Herz, Herr Supino: fällt Ihnen wirklich keine sinnvolle Sparmassnahme ein? Nein, nicht im Maschinenraum. Oben, ganz oben, zuoberst oben. Oder schützt Familie vor allem?

8 Kommentare
  1. Frederic Davide
    Frederic Davide sagte:

    «-der ewige Brüller – die Nähe zum Leser erhöhen.»
    Scheint mir dem Prinzip der «Republik» nachempfunden: Die Schreiber (heute wohl korrekter «die Schreibenden») sind gleich auch die Leser, die Verleger, die Abonnenten, ….alles in einem.
    Macht doch alles gleich viel einfacher, und belästigt nicht noch andere ahnungslose Leser im Land.

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  2. Robert Holzer
    Robert Holzer sagte:

    Mein Mitgefühl hält sich in Grenzen. Für die Betrachtung des eigenen Bauchnabels, für linke, grüne Klientelschreiber, Steigbügelhalter usw. gibts heute einfach keinen Platz.

    Spannender Journalismus geht anders. CS und Financal Times lassen grüssen.
    Und wohin zieht die entlassene Schreibermeute? Einmal mehr Richtung Kantons- und Bundesverwaltung um dort ihrem „wir schreiben alles schön“ weiter und gut besoldet weiter zu fröhnen.

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  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    PERSÖNLICH heute:
    Tages-Anzeiger & Co. verlieren bis zu 20 Stellen!

    Das «nationale Leitmedium» unter der «ausgezeichneten Führungskraft der nächsten Generation» und dem Hobbysegler wird zum kläglichen Leidmedium. Sparrunde um Sparrunde, digitale Abos nehmen auch nicht im gewünschten Masse zu, da war der Müller von B etwas zu optimistisch. Divers hat wenig gebracht, der versprochene Qualitätsjournalismus lässt auf sich warten.
    Hoffnungsträgerin wie Michele Binswanger bringen auch nur Abgeschriebenes und Kalauer, heute Lippenstift und Kebab: «Körperpflege im Zug – na und?»

    Trotz allem bleibt noch Hoffnung, am 1. Oktober ein neuer Stern am Tamedia Himmel. Supino:
    «Mit Jessica Peppel-Schulz konnten wir eine bewährte Medienmanagerin mit ausgewiesener Transformationskompetenz für die Führung von Tamedia gewinnen. Sie hat uns mit Ihrer dynamischen Persönlichkeit überzeugt,…».

    Ob er sich da einmal mehr täuscht?

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  4. Karl Warth
    Karl Warth sagte:

    Eher armselig als erbärmlich, das hat die konzentrierte Aktion von letzter Woche gezeigt. Absolut seelenlose Redakteure und Journalistinnen. Abgesehen von 20 Minuten macht kein Produkt von tamedia was es soll. Die Regionalblätter sind so beliebig wie der Tages-Anzeiger selbst, der Inhalt absolut austauschbar, ohne Nachrichtenwert, mit Übermass an „Kommentaren“ und „Analysen“ nach denen niemand gefragt hat und die standardmässig daneben liegen. Dazu eine Tonne an „Kolumnen“, von Leuten, die diese Plattform weder verdient haben, noch zu nutzen wissen. Humorlos, besserwisserisch, polemisch und immer etwas realitätsfremd. Eigentlicher Gonzo-Journalismus. Vielleicht muss man Pietro Supino dankbar sein für das langsame austrocknen dieses Biotops.

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    • Victor Brunner
      Victor Brunner sagte:

      Regioalblätter? Ich lese manchmal die Zürichsee-Zeitung, purer Etikettenschwindel. Wenig lokales, die Jourmalisten haben keinen Bezug zur Region, wahrscheinlich nur zu «Bürozeiten» tätig, sind quasi auf der Durchreise und hoffen bei der Tages-Anzeiger Redaktion unterzukommen. Der 2. Bund der Zeitung Tages-Anzeiger und Süddeutsche Zeitung. Tamedia hat die Regionalzeitungen geradezu kannibalisiert!

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  5. René Küng
    René Küng sagte:

    Herr Zeyer,
    es ist keine Verschwörungstheorie mehr.
    Es geht über (eher sehr) kürzer als lang nur darum, wo eingespart wird.
    Oben oder Unten.
    Aber bis die unten dies merken, dass ‹oben› diese Geschichte schon längst nieder geschrieben hat – es sind zu Viele – sinken die Arbeitsplätze und die Abwehrkräfte der Geschichten-Gläubigen und steigt die Inflation parallel zum Reichtum der Geschichts-Visionisten.

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