Tümelnde «Weltwoche»

Es ist ein Fremdbeitrag.Aber er ist im Verantwortungsbereich Köppels.

Dem Mann mit dem bübischen Grinsen fehlt ein Korrektiv. Wer Besitzer, Herausgeber, Verleger und Chefredaktor in einer Person ist, dem fehlt die Bremse. Der Gegenpart. Jemand, der gelegentlich sagt: spinnst Du, das geht wirklich nicht.

Das Geseier von Karlheinz Weissmann aus der «Jungen Freiheit» hätte niemals auf «Weltwoche online» erscheinen dürfen. Gerade jetzt, wo sich das Magazin in Deutschland breitmachen will. Denn mit solchem Gezeusel katapultiert es sich selbst in die übelste rechte Ecke.

Eine typisch deutsche Debatte ist die Frage, ob das Ende des Zweiten Weltkriegs eine Befreiung oder eine «Niederlage des eigenen Landes» gewesen sei. Hier hackt es in der WeWo:

«Dass die Nachgeborenen es zu einer «Befreiung» umdeuten wollen, hat oft mit Dummheit, Verdrängung und dem Fehlen jedes Empfindens nationaler Würde zu tun.»

Nein, einen solchen Satz niederzuschreiben, hat immer mit Dummheit, Geschichtsrevisionismus und dem Fehlen jedes Empfindens von Anstand zu tun.

Geschichte wird immer wieder neu erzählt und umgeschrieben. Unzählig die Versuche, Hitlers Überfall auf die Sowjetunion als Präventivschlag, als Notwehr umzudeuten. Sie werden immer wieder unternommen, sie müssen immer wieder bekämpft werden, denn es war ein verbrecherischer Vernichtungskrieg. Für die sowjetische Bevölkerung in den eroberten Gebieten gab es schlichtweg kein Lebensrecht, was die Führung der Wehrmacht und jeder an diesem Verbrechen Beteiligter wusste.

Weissmann hält sich selbst für einen ganz scharfen historischen Denker, dabei ist er nur erbärmlich in seinem Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Früher seien die Zeiten, wie sonst, besser gewesen: «Denn von «Befreiung» im Hinblick auf den 8. Mai 1945 redeten in der Regel nur Kommunisten und «heimatlose Linke»».

In Weissmanns Wahrnehmung habe «der Einmarsch und die Besetzung des Reichsgebiets» etwas ganz anderes, Schlimmeres bedeutet:

«Zahllose Gewaltakte, die nie geahndet wurden, Gesetzlosigkeit, Plünderungen, Gefangenschaft der Soldaten, zum Teil unter katastrophalen Bedingungen, Festnahme und Internierung von Zivilisten. Vergewaltigungen gab es in Menge im französischen Besatzungsgebiet – nicht zuletzt durch Kolonialsoldaten –, in erheblicher Zahl in der US-Zone, hunderttausendfach im Osten. Unter sowjetischer Verantwortung kamen ausserdem Massenmord, die Vertreibung von Millionen und Verschleppung hinzu, permanenter Terror und die Schaffung eines neuen Lagersystems auf der Basis des alten.»

Einmarsch und Besetzung? In kollektiven Wahn verfallen, wollten kampfbereite Deutsche nicht einsehen, dass spätestens mit der Niederlage bei Stalingrad der Krieg verloren war. Daher mussten sie mit Waffengewalt belehrt werden, dass man nicht ungestraft fremde Länder überfällt, Millionen von Andersdenkenden und Juden umbringt, ungeheuerliche Kriegsverbrechen begeht.

Dass vor allem Soldaten der Roten Armee, nachdem sie gesehen hatten, welche unvorstellbaren, barbarischen Greueltaten die deutschen Herrenmenschen in ihrer Heimat begangen hatten, sie Gebiete befreiten, die von den endlich besiegten Deutschen zuvor verheert, zerstört, entvölkert worden waren, sich nicht an alle Regeln der Haager Landkriegsordnung hielten: das ist nicht akzeptabel, aber mehr als verständlich.

Dann zitiert Weissmann Wortfetzen anderer Verwirrter, zu denen auch der von Alkoholmissbrauch schwer gezeichnete Rudolf Augstein gehörte. Es würde sich gehören, dem gewisse Äusserungen nicht nachzutragen, bei der Lebensleistung mit dem «Spiegel».

Was waren denn nun die Ziele der Alliierten, nach Weissmann? «Tatsächlich sei es Grossbritannien, Frankreich, Russland und den Vereinigten Staaten immer – während des Ersten wie des Zweiten Weltkriegs wie der Zwischenkriegszeit – um die Ausschaltung eines Konkurrenten gegangen», paraphrasiert er George F. Kennan.

Dann sagt’s der Geschichtsverdreher noch in seinen eigenen Worten: Die Alliierten «hatten zu keinem Zeitpunkt die Absicht, die Deutschen zu befreien, und – abgesehen von den Gegnern und Opfern des NS-Regimes – fühlten sich die Deutschen 1945 nicht befreit, bestenfalls «erlöst» (Theodor Heuss) von einer Tyrannis und permanenter Todesgefahr, in jedem Fall aber besiegt.»

Tatsächlich fühlten sich die Nazis besiegt, nicht «die Deutschen». Recht geschah es ihnen. Tatsächlich fühlten sich alle, und das war hoffentlich die Mehrheit der Deutschen, die unter der Tyrannei dieses Wahnregimes gelitten hatten, davon befreit.

Und natürlich war es die Absicht der Alliierten, diese Mörderbande zu besiegen, die allen Versuchen, den Wahnwitz vor der Zerstörung Deutschlands zu beenden, widerstanden hatten. Der Führer selbst schwafelte am Schluss davon, dass das deutsche Volk ihn halt nicht verdient, sich als schwach erwiesen habe, und daher seinen Untergang verdiene.

Weissmann beginnt seinen untauglichen Versuch der Umdeutung damit, dass die AfD-Chefin Alice Weidel im üblichen Gestus der gezielten Provokation zur besten Sendezeit im Fernsehen verkündete, dass sie an den Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der russischen Botschaft nicht teilgenommen habe, weil es nicht gehe, «die Niederlage des eigenen Landes … mit einer ehemaligen Besatzungsmacht» zu feiern.

Der Denkfehler Weidels besteht darin, dass es hoffentlich nicht ihr eigenes Land war, damals. Denn was besiegt wurde, war der Hitler-Faschismus, womit nicht nur Deutschland, sondern Europa, die ganze Welt von diesem Ungeheuer befreit wurde.

Das war nicht einfach ein Krieg mit Siegern und einem Verlierer. Das war der siegreiche Kampf gegen das Böse in seiner bislang reinsten Form. Wer das relativiert, zerredet, umdeutet, verschwurbelt, der ist ein mutwilliger Brandstifter, ein hirnloser Provokateur.

Natürlich darf auch das gesagt werden, auch wenn dadurch die Meinungsfreiheit missbraucht wird. Aber doch nicht in der «Weltwoche». Die sollte sich von solchen Sumpfblüten, von solchen Rülpsern aus der ganz finsteren Ecke der deutschen Denke hüten.

Gegen den Strom als Prinzip: das geht nur, wenn ein Korrektiv vor solchen Ausrutschern schützt. Das fehlt Roger Köppel manchmal schmerzhaft.

 

 

16 Kommentare
  1. Marko J.
    Marko J. sagte:

    Glaubt Autor Zeyer etwa auch, Libyen wurde 2011 «befreit»? Wurde Irak 2003 «befreit»? Wurde Chile 1973 «befreit»? Natürlich nicht. Egal was man von Hitler hält: Deutschland wurde besiegt, erobert und umerzogen. Nach Dresden usw. noch von Befreiung zu sprechen, ist einfach nur zynisch.

    Und natürlich war Barbarossa ein Präventivkrieg, die historischen Dokumente sind da völlig klar. Aber es war natürlich *auch* ein Eroberungskrieg. Hätte Hitler nicht zuerst losgeschlagen, hätte Stalin wie von ihm geplant ganz Europa überrannt und Autor Zeyer wäre in der UdSSR aufgewachsen.

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  2. Robert Holzer
    Robert Holzer sagte:

    „Wer Besitzer, Herausgeber, Verleger und Chefredaktor in einer Person ist, dem fehlt die Bremse. Der Gegenpart. Jemand, der gelegentlich sagt: spinnst Du, das geht wirklich nicht.“
    Gemäss dieser Logik verbreiten NZZ, Ringier und Tages-Anzeiger Qualitätsjournalismus.
    Tele-Tsüri womöglich auch.

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  3. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Mit der Bezeichnung «Befreiung» kann man die Unbescholtenheit der deutschen Bürger während dem Krieg zelebrieren und es sich bequem machen in der eigenen moralischen Selbstüberhöhung. Schliesslich waren nur ein paar Terroristen für den Massenmord verantwortlich. Alle anderen waren selber Opfer oder handelten so, weil es ihnen halt einfach befohlen wurde. Nach dem Krieg waren bekanntlich plötzlich alle Oppositionelle und keiner hatte jemals etwas mit den Nazis am Hut. So einfach kann man aber die Vergangenheit mit der Umdeutung von Begriffen nicht ungeschehen machen. Viele, sehr viele sind zu mordenden Bestien und Kriegsverbrecher geworden, auch wenn sie niemals zur Rechenschaft gezogen wurden.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Leider funktioniert’s verdammt gut Herr Willens.
      ‹Aufarbeitung› ist nicht so das Ding der zivilisierten ‹Herren›.

      Das machen manchmal sogar die ‹Neger› in Afrika oder Länder der zweiten, dritten Welt besser – bei unseren Hochkulturen gilt: Geld stinkt nicht, weiter und mehr vom Gleichen. The show musst go on, the Sky is not the limit.
      Da kann es so abscheulich stinken wie es will.
      Oder wie zackbum schreiben würde: die von den Medien schminken das Stinken schon schön.

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  4. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Natürlich war die Besetzung Deutschlands zu beginn eine Befreiung, eine Befreiung vom Krieg, vom Nationalsozialismus und von der damit verbunden Schuld. Zugeich war es aber auch eine absolute und verdiente Niederlage Deutschlands, die Zweite innert 27 Jahren.

    Seit der Bush-Doktrin dürfte es aber nicht mehr so einfach sein, die Amerikaner als selbstlose Freunde und als Gäste im Land zu betrachten. Das wird seit einiger Zeit als Einstieg in die Geschichtsverdrehung benutzt. Und da bin ich voll ihrer Meinung, Herr Zeyer, dass darf nicht als historische Betrachtung für die Niederlage von 1945 her halten. Dem Revisionisums darf gerade hier kein Platz eingeräumt werden.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Waren es denn je selbstlose Freunde? Mal die Indianer fragen, oder aktuell / punktuell die Mauianer…….

      Und zum ganz heiklen, tiefen Thema von ‹Revisionismus›:
      sind denn die Salathés, Brupbacher, das BAG, oder die Kreischen aller Art in alleiniger Kollektivschuld, wenn dereinst in ferner Zukunft die Verbrechen der Gegenwart abgearbeitet werden? Oder gab’s Drahtzieher, Planungen, Think Tanks und Spekulanten, die das fein säuberlich aufgegleist haben für ihre Ziele?
      Und die berühmte Mehrheit, die alle ruck zuck mitmachten. Nicht nur in Deutschland.

      War Adolf ein ‹Naturtalent› (oder Mussolini) und hat es aus bescheidenem Umfeld dank seinem Zappeln ganz nach oben gebracht?
      Oder waren da Interessen, Umstände, Kalkül von ganz anderswo (und wo?), die Hitler und ein Nazi-Deutschland nicht nur möglich machten, sondern wollten, brauchten?
      Vielleicht ist es dann etwas aus dem Ruder gelaufen, etwas grösser geworden als geplant (und das mit Russland hat schon damals nicht richtig geklappt) – aber hey, no risk, no profit.
      Und für einige hat’s ganz viel Kohle und MACHT gebracht, mindestens noch 75 Jahre lang. Diese Mächtigen und vor allem die Gierigen haben sich schon immer einen Dreck um den Blutzoll (der anderen) gekümmert.
      Manchmal geht das Kalkül nicht nach Plan auf, aber wissen wir, wie weit die gehen würden?
      https://www.infosperber.ch/politik/welt/eskalation-ukraine-darf-mit-us-waffen-russland-angreifen/

      Damit ist niemand weiss gewaschen und ja, mitgemacht haben damals fast alle.
      In tiefster Überzeugung und mit Inbrunst. Wie jetzt in der Neuzeit wieder.
      Beim Gesundheitsamt-Zauber, bei blau-gelb, beim Klima, bei der gefühlt sinkenden Inflation und beim verpetzen & diffamieren…….
      Darum ist es wichtig, sehr genau – und sehr tief – hinzuschauen. Dabei können wir einander helfen, auch ausrutschen, und zackbum bietet dafür eine der übrig gebliebenen Plattformen.

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  5. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Jetzt weiss ich auch noch einiges über einen Herrn KW.
    Mit dem 2.WK habe ich mich dagegen sehr intensiv befasst. Habe mit Leuten
    gesprochen, die in sowjetischer Kriegsgefangenschaft waren, wie auch
    solchen,die in amerikanischen Lagern schmachteten.
    Glücklicherweise haben alle ihre Lektion gelernt!
    Lasst dem Köppel seine Weltwoche.Es gibt nur wenig Besseres und dies leider
    nur in Kleinstauflagen.

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  6. Felix Muster
    Felix Muster sagte:

    So ein Ausrutscher kann der geneigte Leser in aller Regel erkennen und man darf auch einmal solche Gedanken zur Kenntnis nehmen. Im Gegensatz zu Österreich wo der Schnauzer hergekommen ist, müssen die Deutschen das Joch der Herrenrasse für immer tragen. Da kommen nicht alle gleich mild davon. Leider ist es ja auch bei uns in grünen Klimakreisen inzwischen zur Folklore verkommen, jeden der ein wenig konservativ eingestellt ist als Nazi zu betitelten. Wenn wir da angekommen sind, verwundert mich ehrlich gesagt die Geschichtsklitterung auch nicht mehr so sehr. Totalitäre Züge zeigt unser Staatswesen ja beim Thema Covid und Klima auch erneut und wissen Sie was? Alle machen wieder mit.

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  7. Heribert Seifert
    Heribert Seifert sagte:

    Zur Ausrichtung der US-Besatzungspolitik:

    «Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrückung, sondern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen. »
    ( Direktive JCS 1067)

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  8. Martin Hefti
    Martin Hefti sagte:

    Passt schon. Für die Weltwoche sind schliesslich auch die russischen Angriffskriege lediglich präventive Operationen gegen eine hochaggressive Nato. Putin wie Hitler erscheinen in diesem Blatt als Vertreter des Guten.

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  9. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Die Kritik an Karlheinz Weissmann und der «Jungen Freiheit» ist absolut berechtigt und notwendig: Aber “Das Geseier von Karlheinz Weissmann aus der ‘Jungen Freiheit’ hätte niemals auf ‘Weltwoche online’ erscheinen dürfen”. Echt jetzt? Wer für Meinungsfreiheit ist, ist auch für Meinungsvielfalt, auch wenn die Meinungen zum Kotzen sind. Oder Zackbum schliesst sich den woken Gesinnungsmedien an und praktiziert Cancel Culture.

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    • Heribert Seifert
      Heribert Seifert sagte:

      Treffend, wenngleich Sie zu rasch über Form und Inhalt der » Kritik» hinweggleiten. Das war keine Kritik, sondern ein intellektuell völlig undisziplinierter Hassausbruch, der alle einschlägigen Denunziationsstereotypen aufruft und komplett ahnungslos ist, was die Geschichte der unsäglichen » Befreiungs»-Phrase angeht.

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Falsch. Keine Freiheit ist grenzenlos, sonst wird sie zur Willkür. Wer solchen Texten eine Plattform gibt, disqualifiziert sich selbst und trägt nicht zur Meinungsfreiheit bei. Auch islamische Wahnsinnige dürfen fundamentalistischen Schwachsinn erzählen, solange er nicht gegen das Strafgesetz verstösst. Aber zum Beispiel nicht hier …
      H. Seifert fällt hingegen unter Toleranz, obwohl er inhaltlich nichts beizutragen hat und den ganz kleinen Löffel dabei hatte, als der Herr Hirn vom Himmel regnen liess.

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