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Riecht der «Nebelspalter» einen Furz?

Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Der «Nebelspalter» hat eine gloriose Geschichte hinter sich. Hier wird ein neues Kapitel geschrieben:

Wenn einem Geschmack furzegal ist, wenn man es auf dem Weg nach unten krachen lassen will, dann schaut man sich eine solche Karikatur nicht an, um sich damit ein gewisses Körperteil abzuwischen, sondern man druckt sie.

Für diejenigen, die die Bildaussage nicht ganz verstehen sollten, legt die Zeile noch nach: «Die Schweiz unternimmt einen neuen Einlauf». Das ist nun auch brüllend komisch, aber weil es wehtut. Kriecht die Schweiz nun der EU in den Hintern oder versucht sie es mit einem Einlauf? Kranker, kaputter Humor.

Nicht mal die Beschreibung der eigenen Historie stimmt: «Während die Printausgabe bis auf weiteres unverändert erscheint, hat der neu lancierte digitale «Nebelspalter» zum Ziel, die Zukunft des älteste Satire-Zeitschrift für die kommenden hundert Jahre abzusichern.» In Originalrechtschreibung.

Das war vielleicht tatsächlich mal die Absicht, bevor es sich zeigte, dass der digitale «Nebelspalter» wohl kaum die nächsten hundert Jahre überstehen wird. Sein Oberjehudi, obwohl in seiner Jugend Trotzkist, neigt dabei zu geradezu stalinistischer Geschichtsschreibung:

Komisch, gab es da nicht auch mal einen gewissen Ralph Weibel als Chefredaktor, bis der vom Oberjehudi fristlos gefeuert wurde, als die x-te Wende im Hause «Nebelspalter» anstand?  So ging’s jedenfalls durch die Medien:

Aber das sind für den Oberjehudi wahrscheinlich Vertreter der Lügenpresse. Wer da Chefredaktor war oder ist, das bestimmt nur er. Unliebsame Personen werden getilgt, wie weiland unter Stalin.

Armer «Nebelspalter». Nachdem auch die hirnrissige Idee gescheitert ist, digital auf krachledernen Politjournalismus zu machen, während der Print-Nebi weiterhin mit leicht angestaubtem Charme die Wartezimmer ziert, wird nun das Heft führerlos umgekrempelt. Womit man sich dann vollkommen vom Stammpublikum verabschiedet.

Eigentlich wäre es umgekehrt viel besser geworden. Statt ein unfreiwilliges Witzblatt aus nebelspalter.ch zu machen, hätte man doch dazu zurückkehren können, dass im Internet einfach der gute, alte Inhalt des Nebi wiedergegeben wird.

Damit hätte man ungeheuerlich Geld gespart und Leser gewonnen.

Aber wenn die Devise ist «Geld verrösten und Leser verlieren», dann ist dieses Titelblatt natürlich konsequent. Damit sind wir bei der Aufzählung aller Gaga-Aktionen bei Nummer 31 angelangt, wobei die Liste keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

In der nicht lustigen Geschichte des Niedergangs des Nebi wurde schon mal versucht, aus ihm eine Art «Titanic» zu machen. Vergeblich. Nun also Versuch zwei, mit Volldampf auf den Eisberg zuhalten. Und dann nur noch gluck, gluck, gluck. «So sad», würde Donald Trump völlig zu Recht sagen. Zum Untergang des Humors.

Tümelnde «Weltwoche»

Es ist ein Fremdbeitrag.Aber er ist im Verantwortungsbereich Köppels.

Dem Mann mit dem bübischen Grinsen fehlt ein Korrektiv. Wer Besitzer, Herausgeber, Verleger und Chefredaktor in einer Person ist, dem fehlt die Bremse. Der Gegenpart. Jemand, der gelegentlich sagt: spinnst Du, das geht wirklich nicht.

Das Geseier von Karlheinz Weissmann aus der «Jungen Freiheit» hätte niemals auf «Weltwoche online» erscheinen dürfen. Gerade jetzt, wo sich das Magazin in Deutschland breitmachen will. Denn mit solchem Gezeusel katapultiert es sich selbst in die übelste rechte Ecke.

Eine typisch deutsche Debatte ist die Frage, ob das Ende des Zweiten Weltkriegs eine Befreiung oder eine «Niederlage des eigenen Landes» gewesen sei. Hier hackt es in der WeWo:

«Dass die Nachgeborenen es zu einer «Befreiung» umdeuten wollen, hat oft mit Dummheit, Verdrängung und dem Fehlen jedes Empfindens nationaler Würde zu tun.»

Nein, einen solchen Satz niederzuschreiben, hat immer mit Dummheit, Geschichtsrevisionismus und dem Fehlen jedes Empfindens von Anstand zu tun.

Geschichte wird immer wieder neu erzählt und umgeschrieben. Unzählig die Versuche, Hitlers Überfall auf die Sowjetunion als Präventivschlag, als Notwehr umzudeuten. Sie werden immer wieder unternommen, sie müssen immer wieder bekämpft werden, denn es war ein verbrecherischer Vernichtungskrieg. Für die sowjetische Bevölkerung in den eroberten Gebieten gab es schlichtweg kein Lebensrecht, was die Führung der Wehrmacht und jeder an diesem Verbrechen Beteiligter wusste.

Weissmann hält sich selbst für einen ganz scharfen historischen Denker, dabei ist er nur erbärmlich in seinem Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Früher seien die Zeiten, wie sonst, besser gewesen: «Denn von «Befreiung» im Hinblick auf den 8. Mai 1945 redeten in der Regel nur Kommunisten und «heimatlose Linke»».

In Weissmanns Wahrnehmung habe «der Einmarsch und die Besetzung des Reichsgebiets» etwas ganz anderes, Schlimmeres bedeutet:

«Zahllose Gewaltakte, die nie geahndet wurden, Gesetzlosigkeit, Plünderungen, Gefangenschaft der Soldaten, zum Teil unter katastrophalen Bedingungen, Festnahme und Internierung von Zivilisten. Vergewaltigungen gab es in Menge im französischen Besatzungsgebiet – nicht zuletzt durch Kolonialsoldaten –, in erheblicher Zahl in der US-Zone, hunderttausendfach im Osten. Unter sowjetischer Verantwortung kamen ausserdem Massenmord, die Vertreibung von Millionen und Verschleppung hinzu, permanenter Terror und die Schaffung eines neuen Lagersystems auf der Basis des alten.»

Einmarsch und Besetzung? In kollektiven Wahn verfallen, wollten kampfbereite Deutsche nicht einsehen, dass spätestens mit der Niederlage bei Stalingrad der Krieg verloren war. Daher mussten sie mit Waffengewalt belehrt werden, dass man nicht ungestraft fremde Länder überfällt, Millionen von Andersdenkenden und Juden umbringt, ungeheuerliche Kriegsverbrechen begeht.

Dass vor allem Soldaten der Roten Armee, nachdem sie gesehen hatten, welche unvorstellbaren, barbarischen Greueltaten die deutschen Herrenmenschen in ihrer Heimat begangen hatten, sie Gebiete befreiten, die von den endlich besiegten Deutschen zuvor verheert, zerstört, entvölkert worden waren, sich nicht an alle Regeln der Haager Landkriegsordnung hielten: das ist nicht akzeptabel, aber mehr als verständlich.

Dann zitiert Weissmann Wortfetzen anderer Verwirrter, zu denen auch der von Alkoholmissbrauch schwer gezeichnete Rudolf Augstein gehörte. Es würde sich gehören, dem gewisse Äusserungen nicht nachzutragen, bei der Lebensleistung mit dem «Spiegel».

Was waren denn nun die Ziele der Alliierten, nach Weissmann? «Tatsächlich sei es Grossbritannien, Frankreich, Russland und den Vereinigten Staaten immer – während des Ersten wie des Zweiten Weltkriegs wie der Zwischenkriegszeit – um die Ausschaltung eines Konkurrenten gegangen», paraphrasiert er George F. Kennan.

Dann sagt’s der Geschichtsverdreher noch in seinen eigenen Worten: Die Alliierten «hatten zu keinem Zeitpunkt die Absicht, die Deutschen zu befreien, und – abgesehen von den Gegnern und Opfern des NS-Regimes – fühlten sich die Deutschen 1945 nicht befreit, bestenfalls «erlöst» (Theodor Heuss) von einer Tyrannis und permanenter Todesgefahr, in jedem Fall aber besiegt.»

Tatsächlich fühlten sich die Nazis besiegt, nicht «die Deutschen». Recht geschah es ihnen. Tatsächlich fühlten sich alle, und das war hoffentlich die Mehrheit der Deutschen, die unter der Tyrannei dieses Wahnregimes gelitten hatten, davon befreit.

Und natürlich war es die Absicht der Alliierten, diese Mörderbande zu besiegen, die allen Versuchen, den Wahnwitz vor der Zerstörung Deutschlands zu beenden, widerstanden hatten. Der Führer selbst schwafelte am Schluss davon, dass das deutsche Volk ihn halt nicht verdient, sich als schwach erwiesen habe, und daher seinen Untergang verdiene.

Weissmann beginnt seinen untauglichen Versuch der Umdeutung damit, dass die AfD-Chefin Alice Weidel im üblichen Gestus der gezielten Provokation zur besten Sendezeit im Fernsehen verkündete, dass sie an den Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der russischen Botschaft nicht teilgenommen habe, weil es nicht gehe, «die Niederlage des eigenen Landes … mit einer ehemaligen Besatzungsmacht» zu feiern.

Der Denkfehler Weidels besteht darin, dass es hoffentlich nicht ihr eigenes Land war, damals. Denn was besiegt wurde, war der Hitler-Faschismus, womit nicht nur Deutschland, sondern Europa, die ganze Welt von diesem Ungeheuer befreit wurde.

Das war nicht einfach ein Krieg mit Siegern und einem Verlierer. Das war der siegreiche Kampf gegen das Böse in seiner bislang reinsten Form. Wer das relativiert, zerredet, umdeutet, verschwurbelt, der ist ein mutwilliger Brandstifter, ein hirnloser Provokateur.

Natürlich darf auch das gesagt werden, auch wenn dadurch die Meinungsfreiheit missbraucht wird. Aber doch nicht in der «Weltwoche». Die sollte sich von solchen Sumpfblüten, von solchen Rülpsern aus der ganz finsteren Ecke der deutschen Denke hüten.

Gegen den Strom als Prinzip: das geht nur, wenn ein Korrektiv vor solchen Ausrutschern schützt. Das fehlt Roger Köppel manchmal schmerzhaft.

 

 

Wo lag Auschwitz?

Geschichte wird immer wieder neu umgegraben.

Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen. Einen Beitrag zu dieser Erkenntnis leistet aktuell «20 Minuten». Denn das Gratis-Blatt veröffentlichte diese «Berichtigung»:

Dahinter steht, wie meist, eine komplexere Wahrheit. Es gibt wohl keinen anderen Begriff, der so symbolisch für das Jahrhundertverbrechen der Judenvernichtung steht wie Auschwitz. Das Wort steht für die Hölle auf Erden, für unvorstellbare Skrupellosigkeit und für die Ermordung von vermutlich 1,5 Millionen Menschen; in der überwiegenden Mehrzahl Juden.

Nun liegt Auschwitz heute unbestreitbar in Polen, heisst Oświęcim. Daher wird häufig der Begriff «polnisches KZ» verwendet, um es geographisch zu lokalisieren.

Unbestreitbar wurde das Lager von deutschen Besatzungstruppen errichtet und unter deutscher Leitung betrieben, im Generalgouvernement Polen. Das bestreitet – ausser ein paar unverbesserlichen Holocaust-Leugnern – niemand. Natürlich haben sich hier die Deutschen Schuld aufgeladen, die auch in der historischen Distanz nicht kleiner wird. Als die Rote Armee das KZ am 27. Januar 1945 befreite, traf sie auf noch 7000 Überlebende, von denen viele trotz medizinischer Hilfe in den folgenden Tagen verstarben.

Im Rahmen einer Geschichtsrevision gibt es in einigen europäischen Ländern den Versuch, die Beteiligung der eigenen Bevölkerung an der Judenverfolgung kleinzuschreiben. Denn in keinem anderen Land wurde diese dunkelschwarze Etappe der Geschichte so umfangreich aufgearbeitet wie in Deutschland.

Geschichtsklitterung in vielen europäischen Ländern

In Frankreich wiegt man sich bis heute noch in der Illusion, dass eigentlich fast jeder Franzose in der «Résistance», also im Widerstand war. Alle historischen Fakten und Tatsachen, die dieser Geschichtslüge widersprechen, werden gerne ausgeblendet.

Polen ist sogar einen Schritt weiter gegangen. Es hat Gesetze erlassen, die es untersagen, der polnischen Nation auch nur eine Mitverantwortung für den Holocaust zu geben. Wer das tut, muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

Dennoch gibt es aktuelle Untersuchungen wie die Studie «Judenjagd» von Jan Grabowski, der aufgrund historischer Forschungen in Archiven und erhaltenen Akten zum Schluss kommt, dass Polen am Tod von bis zu 200’000 Juden mitverantwortlich waren, dass es auch polnische Judenhatz gab, Stichwort «Blaue Polizei».

Damit soll die unbestreitbare Hauptschuld der Deutschen in keiner Form relativiert werden. Es ist auch eine deutsche Schuld, die Schuld einer ganzen Nation, in der sich nach dem Zweiten Weltkrieg allzu viele damit herausreden wollten, dass sie von nichts gewusst hätten. Was eine kollektive Lüge ist.

Aber gesetzlich festzulegen, was über Geschichte gesagt werden darf und was nicht, das ist von Übel. Damit wird Vergangenheit nicht bewältigt, sondern beschönigt. Das ist Ausdruck eines übersteigerten Nationalismus, eine Schuldabweisung, die den historischen Tatsachen nicht entspricht.

Polen will sich seiner Vergangenheit nicht stellen

Gegen die Verwendung des Begriffs «polnisches KZ» für Auschwitz wehrt sich insbesondere der Verein «Patria Nostra», der schon im Titel auf seiner Webseite klarstellt: «Auschwitz war deutsch». Das ist so unbestreitbar wie die geographische Tatsache, dass Auschwitz in Polen liegt.

Genauso unbestreitbar wie die Tatsache, dass es nicht nur in Polen, sondern auch in der Ukraine und anderen von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten im Osten eine mehr oder minder ausgeprägte Bereitschaft gab, sich an der Judenhatz zu beteiligen. Denn Antisemitismus war keine Geisteskrankheit, die erst von den Deutschen mitgebracht wurde. Sie grassierte in Ungarn, Rumänien, Bulgarien und selbst in der UdSSR.

Es ist genauso unbestreitbar, dass fast alle KZ von Deutschen errichtet und geleitet und betrieben wurden. Es gibt hier die Ausnahme des KZ Jasenovac in Kroatien, ebenfalls ein Vernichtungslager, das aber von den Kroaten in eigener Regie betrieben wurde. Daran möchte sich das heutige Kroatien nicht gerne erinnern lassen.

Es gibt den türkischen Völkermord an Armeniern, die Vernichtung der Kulakenklasse in der UdSSR. Ohne die Singularität des Holocaust damit relativieren zu wollen: in all diesen Fällen ist ein Weisswaschen im Nachhinein, gar Verbote, gewisse Begriffe zu verwenden, das Führen von Prozessen zum Beispiel in Deutschland gegen die Verwendung der Formulierung «polnisches KZ Auschwitz» sicherlich der falsche Weg einer Vergangenheitsbewältigung.

Eine Berichtigung, die eine Verfälschung ist

Dass, um zum Anlass zurückzukommen, «20 Minuten» sich zu einer «Berichtigung» veranlasst sah, die die falsche Tatsachenbehauptung enthält, dass Auschwitz Teil des Deutschen Reichs gewesen sei, zeugt von allgemeiner Geschichtsvergessenheit.

Denn das stimmt einfach nicht. Das Generalgouvernement Polen wurde eben gerade nicht dem Deutschen Reich einverleibt. Die Berichtigung, Auschwitz sei in Deutschland gelegen, ist deshalb schlichtweg falsch.

Wieso «20 Minuten» eine «Berichtigung» einrücken musste, die nicht berichtigt, sondern verfälscht, das wäre die interessante Frage, bzw. Antwort. Offenbar gibt es dort keinen Mitarbeiter, der über historische Kenntnisse verfügt.

Auschwitz war und ist ein deutsches Verbrechen, das KZ lag im deutsch besetzten Teil Polens. Das ist keine Haarspalterei, sondern der Versuch, komplexe historische Verhältnisse in ihrer Komplexität abzubilden. Denn nur so hilft das Verstehen von Vergangenem, Wiederholungen zukünftig zu vermeiden. Gesetze und Verbote sind untaugliche Mittel dafür.

Wenn man bedenkt, dass nur schon dieser Artikel in Polen Gefahr liefe, dem Autor eine Gefängnisstrafe einzubrocken …