Versteckspiel

Ist Anwältin Zulauf Mittelsperson oder nicht?

«Bitte nehmen Sie zu Kenntnis, dass ich Falschaussagen zu meiner Person mit einer Zivilklage beantworten werde.»

Eigentlich war der Anlass nicht sonderlich erheblich. ZACKBUM verfügte über Informationen, wer die ominöse «Mittelsperson» sei, die das Dossier von sich beschwerenden Frauen von dem Amt für Gleichstellung zur «Republik» getragen hatte. Und wie es sich im seriösen Journalismus gehört, wollten wir Rechtsanwältin Rena Zulauf Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Vor allem hätte uns interessiert, ob Zulauf hier mandatiert war und wie der Begriff «See only» auf dieses Dossier geriet. Schliesslich wollten wir noch wissen, ob Zulauf das Dossier an den SRF-Journalisten Salvador Atasoy weitergereicht habe.

Antwort: «Ihre Annahme und/oder die kolportierte Annahme ist falsch. Weder wurde mir ein Dossier von belästigten Damen zugespielt, noch habe ich dieses bzw. ein solches Salvador Atasoy weitergereicht.»

Da bekannt ist, dass Zulauf zwar nicht allzu häufig erfolgreich, aber gerne und schnell klagt, liessen wir es auf sich beruhen.

Nun ist es aber dem Chefredaktor Marcus Hebein des «Schweizer Journalist» gelungen, diese Behauptung rechtsfest zu machen. Also konfrontierte auch er die Anwältin damit. Ihre irritierende Antwort:

«Ich bin einigermassen irritiert, dass mich jemand bei Ihnen als Mittelsperson nennt, Sie mir aber nicht sagen, wer diese Person ist, und sich diese Person auch nicht mir gegenüber outet.» Und weiter: «Solcherlei ,Spiele‘ mache ich nicht mit; sie sind unlauter und haben mit korrektem Journalismus nichts zu tun. Schade!»

Nachdem sie hier offenbar darauf verzichtet, mit rechtlichen Schritten zu drohen, sollte man sie als diese «Mittelsperson» bezeichnen, will sie nun etwas, von dem sie wissen müsste, dass es absurd ist. Dass ein Journalist ihr gegenüber seine Quelle offenlege, bevor sie sich dazu äussere. Das bezeichnet der «Schweizer Journalist» zu Recht als «bizarr».

Auch Hebein hätte gerne gewusst, was es mit der «See only»-Klausel auf sich habe, von der die «Republik»-Chefetage behauptet, dass sie ihr wochenlang die Hände gebunden habe und sie zur Untätigkeit verdammte.

«Auch wären wir daran interessiert gewesen, welche „Forderungen“ denn die Anwältin an die „Republik“ im Zuge der Information über die Fälle gestellt habe, welche Schritte denn von der „Republik“- Leitung erwartet wurden», schreibt Hebein weiter.

Das sind tatsächlich entscheidende Fragen. Denn nicht nur der Fall selbst – mögliche sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen der «Republik» durch einen prominenten Reporter –, sondern auch die Handhabung durch die «Republik»-Führung hat dazu beigetragen, dass das Online-Magazin der guten Denke und Lebensart in eine durchaus existenzbedrohende Krise geraten ist.

Dabei spielt Zulauf offensichtlich eine wichtige Rolle. Es ist auch nicht klar, ob sie nun die Anwältin der sich beschwerenden Frauen ist oder eben nur eine Botin, die sich so die Option offenhalten wollte, von der Botin zur Rechtsvertreterin zu werden.

Wäre das so, hätte Zulauf einen dicken Nagel in den Sargdeckel über der «Republik» eingeschlagen. Denn das Rumgeeier, bis dort die Teppichetage überhaupt in die Gänge kam, den Vorwürfen nachzugehen, lastet schwer auf deren Glaubwürdigkeit.

Bizarr ist allerdings, dass eine Medienanwältin meint, ein Vorgang, für den es zahlreiche Zeugen und Beteiligte gibt, liesse sich unter dem Deckel halten.

Mit Klagedrohungen ist sie schnell zur Hand, aber auf eine erneute Möglichkeit zur Stellungnahme reagierte sie diesmal nicht – schweigen.

Dabei wären Antworten auf diese Fragen durchaus von öffentlichem Interesse:

In der aktuellen Ausgabe des «Schweizer Journalist» werden Sie als die Mittelsperson identifiziert, die das Dossier an die «Republik» überbracht hat. Mir gegenüber hatten Sie das abgestritten und mit Klage gedroht.

Werden Sie nun gegen den «Schweizer Journalist» rechtlich vorgehen?

Wenn nicht, wieso haben Sie es bei mir mit Klagedrohung abgestritten, gegenüber Marcus Hebein dann nicht mehr?

Sie haben mit der Begründung, dass Sie zuerst die Quelle wissen wollten, jegliche weitere Stellungnahme gegenüber Hebein verweigert. Ist Ihnen der Begriff Quellenschutz nicht geläufig?

Dem «Schweizer Journalist» ist es gelungen, in einer Ihrer Rechtsschriften den ominösen Begriff «see only» aufzuspüren, der offenbar sehr ungebräuchlich ist. Also haben Sie diesen Begriff auf das Dossier gesetzt?

Das Amt für Gleichstellung hat mir schriftlich bestätigt, dass er nicht von ihm stammt, die «Republik», dass er auf dem Dossier stand, als es von der Mittelsperson Zulauf ausgehändigt wurde. Haben Sie eine Vermutung, wie er dorthin gekommen sein könnte?

 

Abschiedsgruss

Wagt es ein ZACKBUM-Leser zu wetten, ob es eine Antwort gab?

Ein Schreiben von Redaktion zu Redaktion, auch an Geschäftsleitung und den Verwaltungsratspräsidenten der «Ostschweiz»:
Inzwischen ist der Artikel seit einer Woche auf ZACKBUM online: Jolanda Spiess-Hegglin klagt mal wieder
Natürlich hat RA Zulauf nichts dagegen unternommen. Einfach aus dem Grund, weil er – wie alle meine früheren Artikel für «Die Ostschweiz» – juristisch unangreifbar ist.
Aber wenn man weiss, wie feige und schnell Redaktionsleiter Baumgartner unter haltlosen Drohungen einknickt, dann probiert man’s halt immer wieder – mit Erfolg.
Nachgeben, löschen, den Autor erst im Nachhinein informieren, vorher nicht mal Gelegenheit zur Stellungnahme geben, frei erfundenen Vorwürfen einfach glauben, das ist Journalismus auf tiefstem Niveau.
Statt hier zu einer Abmahnung wegen erwiesener und wiederholter Unfähigkeit zu greifen, schmeisst man dann lieber das «Aushängeschild» und den Quotenbringer raus.
Ein Phänomen, das auch als Angstbeissen bekannt ist. Nach der Devise: wird uns gedroht, legen wir uns auf den Rücken und wedeln friedfertig mit dem Schwanz. Wird sich darüber beschwert, beissen wir gleich zu.
Ich weiss nicht, über wie viel Humor RA Zulauf verfügt. Aber dass sie mit der gleichen Nummer zweimal Erfolg hatte, das muss ihr ein Lächeln abgerungen haben.
Was «Die Ostschweiz» betrifft, mal Hand aufs Herz: ist das nicht erbärmlich? Peinlich? Zumindest mehr als unangenehm?
Einmal darf man sich vielleicht reinlegen lassen. Aber zweimal? Das ist nun wirklich dümmer als der Leser erlaubt.
Wenn Sie noch etwas dazu zu sagen haben: ich bin liberal; ZACKBUM steht Ihnen jederzeit für eine Erwiderung offen.
Allerdings befürchte ich fast, dass Angstbeisser und Hosenscheisser lieber schweigen …

La, La, Läderach

Wie schlägt sich Johannes Läderach im kleinen Orkan?

Klarer Fall für Krisenkommunikation. Es war ein Sturm mit Ansage. Spätestens, als die SRG Vater Läderach mit Vorwürfen konfrontierte, an der evangelikalen Privatschule «Domino Servite» habe es Gewalt gegen Zöglinge gegeben und gar einen Vergewaltigungsfall unter Schülern, wusste CEO Johannes Läderach, dass sich Gewitterwolken zusammenballten. Und konnte mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Vergangenen Donnerstag schlug dann der Blitz ein, die Doku wurde ausgestrahlt. Inzwischen zählt das SMD (Stand Montagmittag) bereits 274 Treffer für das Stichwort Läderach. Natürlich sind sehr viele Doubletten dabei, weil die Schweizer Medienszene überwiegend aus Kopfblättern von Tamedia und CH Media besteht, in denen jeweils die gleiche Einheitssauce auf die Leser geschüttet wird.

Am Donnerstag vermeldete SRF die Resultate einer zweieinhalbjährigen Recherche. Darunter diese Aussage eines M.: «Er sei dabei gewesen, als Jürg Läderach seine Mitschüler mit seinem Gurt gezüchtigt habe, erzählt M, der anfangs 2000 auf dem «Hof Oberkirch» zur Schule ging.»

Dagegen steht: «Jürg Läderach dementiert. In einer eidesstattlichen Erklärung lässt er notariell festhalten, dass er «niemals Schülerinnen oder Schüler geschlagen oder anderweitig misshandelt habe»

Das ist die Ausgangslage. Unbestritten ist wohl, dass es in der Schule zu Schlägen und körperlichen Bestrafungen kam; wieweit Sexuelles dabei eine Rolle spielte, ist unklar. Umstritten ist hingegen, ob Läderach Senior selbst auch geschlagen hat, wobei zumindest klare Indizien darauf hinweisen, dass er von körperlichen Züchtigungen wusste.

Nun ist die Firma Läderach nicht irgendwer, sondern Arbeitgeber von rund 1800 Angestellten, laut Aussage des aktuellen CEO und Sohnes des im Feuer stehenden Läderach. Zwei Produktionsstandorte, weltweit 140 Läden, ein Schoggi-Museum in Bilten, für 50 Franken kann man eine geführte Tour inkl. Degustation, Schokoladenbrunnen und selbstdekorierter Schokolade buchen. Umsatz rund 180 Millionen Franken im Jahr. Ein Zwerg im Vergleich zu Lindt & Sprüngli (rund 5 Milliarden Franken Umsatz), aber immerhin.

Also ging es am Donnerstag los: «Happige Vorwürfe gegen Ex-Schoggi-König Jürg Läderach», titelte Tamedia flächendeckend. ««Kinder gezüchtigt»: schwere Vorwürfe gegen Chocolatier Jürg Läderach», echote der «Blick». Etwas gemässigter die SDA: «Vorerst keine Untersuchung von Christlicher Privatschule». Auch CH Media stimmt in den Chor ein: «Schwere Vorwürfe gegen Ex-Chocolatier Jürg Läderach: Auch er soll «Domino Servite»-Schüler gezüchtigt haben

Dann natürlich der Sektenexperte, Fragen nach der Auswirkung auf das Image, wie steht es mit der Partnerschaft mit dem Zurich Film Festival (ZFF). Eher ausgewogen neutral meldete sich die NZZ mit etwas Verspätung zu Wort: «Vorwürfe gegen Ex-Patron von Läderach».

Während das ZFF noch am Freitag tapfer zu Läderach stand, machte es am Samstag kehrtum und beendete die Zusammenarbeit mit der Schokoladenfirma.

Das war die Ausgangslage. Es war völlig klar, dass sich CEO Läderach zwischen zwei Optionen entscheiden musste, nachdem er in einer ersten Stellungnahme die Distanz zwischen Firma und Vater betont hatte und dass die dritte Generation Läderach «keinerlei Verbindungen zu der Kirche» mehr habe.

Entweder es dabei bewenden lassen, Kopf einziehen und abwarten, dass auch dieser Sturm – wie alle anderen auch – mal vorbeigehe. Oder offensiv werden und sich in der Sonntagspresse melden. Auch da ist die Auswahl sehr überschaubar. SonntagsBlick kam eher nicht in Frage, keine angemessene Plattform. NZZaS wäre natürlich eine Option gewesen, aber offensichtlich konnte man sich nicht über die Rahmenbedingungen einigen.

Also kam Rico Bandle von der SoZ zum Handkuss, das grosse Interview. Über die Entstehungsgeschichte, die Vereinbarungen und Absprachen ist natürlich nichts bekannt. Es war aber sicherlich nicht so, dass sich Bandle und Läderach bei einer Schokolade zusammensetzten, dann drückte er auf die Aufnahmetaste, und los ging’s. Dafür stand für Läderach zu viel auf dem Spiel.

Also wurden sicherlich die Themengebiete abgesteckt, die Grenzen der Veränderung bei der Autorisierung auch. Ob das Interview mündlich oder gleich schriftlich geführt wurde, weiss man auch nicht. Auf jeden Fall sind entscheidende Antworten von einer eleganten Glätte, die es fast ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein gestresster Läderach sie so druckfertig äusserte.

Am Samstag hatte noch Tamedia nachgelegt: «Läderach und der Reputationsschaden». Ein vermeintlich schlauer «Marketingexperte» gab Flachheiten zum Besten: «Es ist nun wichtig, dass Läderach proaktiv das Vertrauen bei den Kunden und Geschäftspartnern raschmöglichst wiederherstellt.» Wie er das anstellen soll – vielleicht mit Gratis-Schoggi für alle? – verrät das Marketing-Genie aber nicht.

Aus dem fernen Peru meldet sich Pensionär Alex Baur markig in der «Weltwoche» zu Wort: «SRF betreibt mit dem Läderach-«Dok» Kloaken-Journalismus übelster Machart.». Da ist ihm beim Schreiben etwas die Klobürste in den Weg gekommen.

Dann also Läderach im Interview. Der beste Satz: «Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Im Niveau etwas liefergelegt machte sich dann auch Reza Rafi, der Mikrofonhalter vom SoBli, so seine Gedanken. Er verwies auf den Fall der Pastamarke Barilla, deren Patron gesagt hatte, dass er niemals mit einem homosexuellen Paar einen Werbespot drehen werde. Er unterschätzte etwas den Aufschrei und musste zu Kreuze kriechen und viel Geld für Schadensbegrenzung ausgeben. Und einen Spot mit einem lesbischen Paar drehen.

Was hat das mit den aktuellen Problemen von Läderach zu tun? Genau nix. Macht nix.

Am Montag war das Thema immer noch so heiss, dass es über 50 Treffer für Läderach im SMD gibt. Es wird allerdings weitgehend an alter Schokolade gelutscht. Das ZFF stellt die Zusammenarbeit ein, der Läderach-Sohn büsse für angebliche Taten des Vaters, «Inside Paradeplatz» will wissen, dass er weiter «mit umstrittenem Vater» geschäfte.

Baur legt in der WeWo noch einen drauf: «Die von SRF befeuerte Cancel-Orgie tritt so ziemlich alles mit Füssen, was uns seit der Aufklärung heilig sein sollte. Sie setzt auf Sippenhaft, hetzt gegen religiöse Minderheiten und verstösst gegen die Unschuldsvermutung. Mehr Verlogenheit, mehr Doppelmoral ist kaum noch möglich.»

Gegen den Strom schwimmen muss nicht immer zielführend sein.

Der «Blick» zieht einen weiteren «Reputationsexperten» aus dem Hut: «Die Marke ist stark beschädigt.» Vielleicht, weil sie nicht «proaktiv» vorgeht. Woher er das wissen will, wie er das misst: das bleibt Amtsgeheimnis.

Geradezu brüllend komisch ist die Schlusspointe im «Blick»: «Bleibt die Frage, ob allein der zu erwartende Umsatzrückgang in der Schweiz reicht, damit sich die Firma klar und deutlich von den Ansichten und dem Verhalten der Familie distanziert.»

Abgesehen davon, dass sich der aktuelle CEO bereits überdeutlich von den Ansichten seines Vaters distanziert hat: die Firma gehört der Familie, bzw. CEO Johannes Läderach  …

Ob Schokoladessen schlau macht, Christian Kolbe?

Ach, und das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern, die in den Kakaofarmen in Westafrika schuften müssen, denen Gegenwart und Zukunft gestohlen wird, die misshandelt werden, auch missbraucht – in all den rund 300 aufgeregten Artikeln zum Thema kein Wort dazu. Das ist echt erbärmlich.

 

 

 

Worte zum Sonntag

Nein, mal nichts Religiöses. Eher Verwirrtes.

ZACKBUM sieht in dieser Gegenüberstellung eine feinsinnige Ironie des Blattmachers. Aber wahrscheinlich täuschen wir uns, denn Ironie und Selbstkritik sind nicht die starken Seiten der überlebenden Tamedia-Journalisten.

Dann kommt allerdings echtes 08/15, obwohl der Tamedia-Journalist im Allgemeinen auch nicht weiss, woher dieser Ausdruck für durchschnittliche Massenware kommt. Der Psychologe denkt über die Ursachen der Gewalttätigkeit von Eritreern nach. Arthur Rutishauser denkt über Flüchtlinge drinnen und draussen nach. Adrian Schmid und Mischa Aebi denken über das Schicksal der Flüchtlinge auf Lampedusa und Flüchtlingsströme zwischen der Schweiz und der EU nach.

Adrian Schmid, Multitasking, die Entlassungen fordern ihren Tribut, denkt auch über den möglichen Nachfolger von Alain Berset nach. Nun ist zu diesem Thema eigentlich von fast allen fast alles gesagt worden. Also braucht es eine knackige Headline, denn darunter ist bloss Rehash, das Aufquirlen von Bekanntem. Her damit; einer, der im bürgerlichen Lager nicht wählbar ist und selbst nicht einmal erklärt hat, ob er überhaupt antreten will, wird zum «heimlichen Favoriten» ernannt. So heimlich, dass ausser Schmid niemand Cédric Wermuth auf dem Zettel hat. Aber es gilt: nur, was du selbst erfindest, ist ein schneller Primeur.

Dann hat Rico Bandle Johannes Läderach, Sohn und CEO der gleichnamigen Firma, zum Interview überredet. Zwei Kalküle haben sich bestens getroffen. Man wäre natürlich gespannt darauf zu erfahren, welche Tänze vor, während und nach dem Interview aufgeführt wurden.

Aber auch Bandle muss gleich nochmal ans Gerät. Ein Zürcher Amt, das wie viele Ämter nichts Sinnvolles zu tun hat, empfiehlt, «genderneutrale Formulierungen» zu verwenden, also «Kind, Elternteil oder Betreuungsperson». Dieser Schwachsinn ist einem Buch von Ravena Marin Siever entnommen. Der/die/das (ist etwas kompliziert) schwafelt über sich: «Sier ist Elter von drei Kindern und lebt mit siener Familie ..

Siever widmet sich dadaistischen Sprachscherzen. Das wäre lustig, würde «sier» das nicht ernst nehmen: «Mampa», «Elli» (von «Elter»), «Tankel» oder «Onte». Oder «Ompapa». Vokabular wie aus einem Kinderbuch voller Sprachverulkungen. Bei den «Mumins» war das sehr erheiternd. Aber hier …

Darüber zieht natürlich Bandle her. Wohlweislich verzichtet Bandle beim Suchen nach dem Splitter im Beamtenauge auf Hinweise auf den Balken im SoZ-Sehorgan.

So lange ist es schliesslich noch nicht her, dass Aleksandra Hiltmann (ja, die, der es bei einer Kreuzfahrt so furchtbar schlecht wurde) und Andreas Tobler (ja, der, der schon mal die Absage von Rammstein-Konzerten forderte) ganze drei Seiten des angeblichen «Kultur»-Bundes (Heute «Leben & Kultur») der SoZ darauf verschwendeten, den Leser mit korrektem Gendern zu quälen.

Dazu schwurbelte es, dass es nur so krachte: «Gendern ist also nicht einfach eine Modeerscheinung oder ein Sprachspiel – sondern ein Wirtschaftsfaktor. Diversität ist zu einer Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geworden, ähnlich wie Nachhaltigkeit oder Umwelt.»

Nimm das, Bandle.

Dann übernehmen die Deutschen das Zepter. Hubert Wetzel, schon mehrfach verhaltensauffällig geworden, macht sich zur Abwechslung mal keine Sorgen um das Sterben der Demokratie in den USA. Hier serviert die SoZ dem Schweizer Leser ein Thema, das vielleicht den Leser der Süddeutschen interessieren könnte. Aber auch nur vielleicht: «Brüssel fragt sich: Lässt die Hilfe für Kiew nach?» Soll das doch die EU mit Polen oder Ungarn ausmachen; was geht das eigentlich die Schweiz an?

Dann kommt ein Artikel zur Steigerung des Sozialneids. Eigentlich handelt es sich um eine kreative Stellenbewerbung von Chris Winteler bei der «Schweizer Illustrierten» oder der «GlücksPost»: «Das grösste und teuerste Wohnmobil der Schweiz». «Hans und Beatrice Heer» möchten gerne gekidnappt werden, Pardon «zeigen stolz ihre Landjacht, die eine Million Franken kostete».

Wer sich allerdings von solchen Themen oder Gendern mit einem absoluten Nonsenstext ablenken will, muss unbedingt die Kolumne von Gülsha Adilji lesen. Dass sie ein solch misslungen Dada zu Papier bringt, ist das eine. Dass sich mal wieder keine Qualitätskontrollstelle traut, ihr zu sagen: «wie wäre es, auf die Löschtaste zu drücken und einfach ganz ruhig nochmal von vorne»? Unglaublich.

Unter dem Gaga-Titel «Nieder mit dem Kapitalismus» blubbern Gaga-Sätze in einem zusammenhanglosem Wortbrei. Wir ersparen dem Leser nur den Anfang nicht: «Tschiises f*cking kreist! Wie kann man nur so ausrasten, weil ein kleines Kind wegen kurzer Koordinationsprobleme auf die falsche Velospur gerät? Letzte Woche war ich Teil eines absurden Schauspiels: Eine junge Frau, etwa in meinem Alter, stanzte einem kleinen Mädchen ein Fahrradtrauma ins limbische System.»

Sonst noch was? Interessiert uns das «Wohnglück unterm Dach»? Wie ein «Murmeli-Burger» schmeckt? Oder eine Lobeshymne auf eine US-Reality-Soap: «Wenn der Silikonbusen nicht ins Brautleid passt»? Wollen wir wissen, wie sich ein «Voyah»-Elektro-SUV  (neue chinesische Automarke) fährt? Oder der neue «Giotto von Bizzarini»? Das ist leider sowieso nicht möglich, der erste Prototyp käme 2024, ab 2026 werden die ersten Schlitten ausgeliefert. So, wie der Sportflitzer aussieht, muss das Portemonnaie viel dicker als der Bauch sein. Sonst kann man sich nicht reinfalten:

Gretchenfrage (nein, nicht, wie es der Leser mit der Religion halte) am Schluss: Ist das Fr. 6.40 wert? Nun, Arthur Rutishauser geht weiter gnadenlos auf die CS/UBS-Geschichte los, diesmal hat er sich die KPMG vorgenommen. Das zeigt immerhin von Mut und Ausdauer. Aber der grosse Rest? Also wer sich einen Camper für eine Million leisten kann oder ganz giggerig auf den neuen Bizzarini ist, schmeisst dieses Trinkgeld locker auf.

Eine überfällige Rubrik

Tata, ZACKBUM hebt aus der Taufe: die Leserverarschung.

In dieser Rubrik werden künftig in unregelmässigen Abständen wunderschöne Beispiele aus dem Schweizer Mediensumpf aufgespiesst; meistens erklären sie sich selbst oder durch einen angefügten Kurzkommentar.

Zum Einstieg:

Ein Angebot von «Blick+» für zahlungswillige Leser. Das ist offenbar so gut, dass es inzwischen fast eine Woche lang zuoberst in der Rubrik «Politik» beim «Blick» steht. Man sieht mal wieder: politisch ist in der Schweiz selbst im Wahlkampf nichts los. Jedenfalls in diesem Organ.

Das hatte schon so einen Bart, als der «Tages-Anzeiger» noch Schwarzweissfotos druckte. Der wichtigtuerische Aufruf an einen Politiker, einen Wirtschaftsführer, einen Trainer, einen Chef, an wen auch immer, irgend was zu «übernehmen». Das geht zwar dem Adressaten wie auch den Leser schwer am hier titelgebenden Körperteil vorbei. Aber der Journalist fühlt sich wenigstens einen Moment lang bedeutend. Sollte man ihm aber nicht gönnen.

Luzi Bernet, der abservierte Chefredaktor der NZZaS, hat den Schoggi-Job (oh, darf man ds noch sagen?) – Italien-Korrespondent der NZZ mit Sitz in Rom – gefasst. Natürlich nicht für das politische Tagesgeschäft, mehr so für das Spezielle und Schöne im Leben. Gut, auch Lampedusa und die Flüchtlingspolitik spielen eine Rolle, aber auch die zwei Intendanten der Oper von Neapel. Oder Schmonzetten wie «Räuber bringt gestohlenes Auto mit Brautkleid zurück». Oder eben das x-te Interview mit Saviano.

Diese aus «People» abgeschriebene Meldung bestätigt das Vorurteil, dass ein Gratisblatt wie «20 Minuten» halt auch nichts wert ist.

Natürlich gibt es ein digitales Blatt, das immer locker einen drauflegen kann. Passend zur Meldung aus der Welt der Schokolade ein Promotext von Fairtrade auf «watson», wie das Label Max Havelaar honduranischen Kaffeebauern helfe. Auch dazu gäbe es eigentlich einiges Kritisches zu sagen. Aber das wäre ja, pfuibäh, mit Recherche verbunden.

Schliessen wir mit dem Dreierschlag eines Blatts, das wir viel zu wenig berücksichtigen: Die «Südostschweiz». Ein Sonntagsquiz über Schlafen, eine launige Kolumne des CEO Masüger (dem halt keiner reinreden darf), und schliesslich eine Umfrage der Woche mit dem etwas kryptischen Titel «Ihr habt eure Nachbarn gern, aber verfolgt nicht die Uefa Champions League». Irgendwie ticken die Südostschweizer anders als der Rest der Welt.

 

Kein Schoggi-Job

Es gibt bei der Schokolade-Herstellung einen Skandal.

Zwei Drittel des Kakaos, der zu Schokolade verarbeitet wird, stammt aus Westafrika. Alleine in Ghana und der Elfenbeinküste arbeiten (Dunkelziffer unbekannt) mindestens 2 Millionen Kinder auf den Plantagen. Sie gehen nicht zur Schule, sie werden giftigen Pestiziden ausgesetzt, ihnen wird die Kindheit und die Zukunft gestohlen.

Ein Riesenskandal. Seit Jahren bekannt. Aber eigentlich kein Thema. Zu weit weg, schwarze Kinder, Afrika. Da interessiert ja nicht mal das Gemetzel im Sudan oder in Äthiopien. Dagegen ist Kinderarbeit doch Pipifax.

Aber nun haben wir einen richtigen Riesenskandal im Bereich Schokolade. Wie SRF in jahrelanger Recherche aufdeckte, werden Kinder in den Kakaoplantagen auch noch misshandelt, geschlagen, gar sexuell missbraucht. Ein erschütterndes Stück guter Aufklärungsarbeit.

Oh, hm, da hat ZACKBUM irgendwas falsch verstanden. Bei dem erschütternden Dokumentarfilm handelt es sich um Anschuldigungen, die ehemalige Zöglinge einer evangelikalen Privatschule gegen diese Schule und den Schokoladenfabrikanten Läderach erheben.

Überhaupt habe in der Schule ein Regime der Angst geherrscht, es sei körperlich gezüchtigt worden. Wir sprechen hier von Anfang der 90er-Jahre. Wir sprechen also davon, dass seither rund 30 Jahre vergangen sind, damals niemand Anzeige erstattete, alle mal wieder erst jetzt darüber sprechen können. Das soll natürlich nicht automatisch bedeuten, dass es sich um einen weiteren Fall von im Dunkel der Vergangenheit wurzelnden Verleumdungen handelt.

Immerhin hat offenbar eine damals in leitender Position tätige Frau solche Züchtigungen eingeräumt. Auch Jürg Läderach war an dieser Schule tätig, auch gegen ihn werden Vorwürfe erhoben, er habe Gewalt angewendet.

Sein Sohn Johannes Läderach leitet sei 2018 die gleichnamige Schokoladenfabrik. Auch er war Zögling in der Privatschule Domino Servite. 2019 wurden auf sein Betreiben die Vorfälle das erste Mal untersucht; er trat damals aus dieser evangelikalen Gemeinschaft aus. In einem offenen Interview schildert er, wie ihm der Dokfilm über die Zustände bei «Diene dem Herrn» nahegeht.

Es gibt einerseits die Aussagen im Film, die auch seinen Vater belasten. Es gibt andererseits dessen eidesstattliche Erklärung, dass er selbst niemals Gewalt angewendet habe. Zudem droht Läderach Senior jedem, der das Gegenteil behauptet, mit rechtlichen Schritten, die er in einem Fall auch eingeleitet hat.

Sein Sohn sagt: «Ich bin seit 2018 CEO, meine Eltern sind in keiner Weise mehr in der Firma involviert, sie haben auch keine Aktien mehr, sind also nicht am Gewinn beteiligt. Ich plädiere dafür, dass man das Unternehmen nach den Menschen beurteilt, die jetzt die Verantwortung tragen. Und vor allem nach den 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – sie machen den grossen Teil der Arbeit, sie sind der Grund für unseren Erfolg.»

Das ist natürlich sehr elegant und sicherlich mit kommunikativer Hilfe formuliert. Auf der anderen Seite zeigt nun das Zurich Film Festival, was es von der Formulierung hält «es gilt die Unschuldsvermutung». Hielt es noch bis am Freitag letzter Woche an seinem Partner Läderach fest, verkündete es anschliessend als Reaktion auf diesen Dokfilm das Ende der Beziehung. Schliesslich werde «das Leid der mutmasslichen Opfer doch mit dem Familien- und Firmennamen in Verbindung gebracht», meint das Festival.

Korrekter wäre gewesen: das mutmassliche, nach vielen Jahren behauptete und in den allermeisten Fällen längst verjährte Leid, wobei die Unschuldsvermutung für alle gilt, selbst für einen Läderach.

Da sind wir mal gespannt, ob das ZFF vielleicht Kevin Spacey als Special Guest Star einlädt. Der dann über die Bedeutung der Unschuldsvermutung einiges zu sagen hätte.

Sicherlich war es ungut, wenn es so war, dass in einer sektenähnlichen Umgebung christliche Nächstenliebe mit körperlicher Gewalt ausgeübt wurde. Sicherlich kann ein Unrecht nicht gegen das andere aufgewogen werden.

Es beinhaltet aber mal wieder eine ungesunde Portion von Heuchelei und Doppelmoral, wenn der medialen Öffentlichkeit das Schicksal von Millionen von Kindern in Westafrika im Vergleich schlichtweg scheissegal ist. Man es bei gelegentlichen Lippenbekenntnissen bewenden lässt. 2020 widmete die «Rundschau» eine zehnminütige Dokumentation der Kinderarbeit bei der Kakaoernte. Dabei wurde spezifisch der Frage nachgegangen ob das Label UTZ tatsächlich garantiere, dass in dieser Schokolade keine Kinderarbeit steckt. Natürlich nicht, war die Antwort.

Für die nächsten Sendungen muss man bis 2016 zurückgehen. Und dann bis 2009. Man kann also nicht sagen, dass SRG sich diesem Thema mit der gleichen Energie gewidmet hat wie der angeblich zweieinhalbjährigen Recherche über mögliche Gewalt in dieser Privatschule.

Nun kocht natürlich die Volksseele auf und über. Einige wollen nie mehr Läderach-Schokolade kaufen. Andere jetzt extra. Die einen fordern strenge Bestrafung, Schadenersatz an Betroffene und eine Umbenennung der Firma. Andere bezweifeln die Anschuldigungen.

Aber keiner, schlichtweg keiner kam bislang auf die Idee, auf einen viel, viel grösseren Skandal im Zusammenhang mit Schokolade hinzuweisen. Und sei es auch nur in einem Nebensatz. Stattdessen wird gebetsmühlenartig seit Jahren, seit Jahrzehnten wiederholt, dass die Schokoladenindustrie mehr gegen Kinderarbeit tun müsse. Und nächstes Thema. Das ist atemberaubende Doppelmoral und ganz, ganz bitter. Das hat nun überhaupt nichts mit christlicher Nächstenliebe zu tun. Aber sehr viel mit sehr unchristlichen Eigenschaften des Menschen.

Zahlen zählen

Einfach so ein kleiner Kassensturz.

Am 25. Juli 2020 erblickte ZACKBUM das Licht der Welt. Inzwischen ist es die letzte kritische Medienkontrolle, weil diverse Mitbewerber aufgegeben haben oder verflachten oder noch nie kritisch waren.

Seither sind haargenau 2800 Beiträge erschienen, davon 2384 von unserem Redaktor René Zeyer. das hat zu exakt 10’001 Kommentaren geführt, wobei ZACKBUM erfreulich wenige löschen muss.

Gelegentlich verbeisst sich ein Kommentarschreiber in den anderen, reitet sein eigenes Steckenpferd und muss mit ruhiger Hand wieder zum Zweck des Kommentars zurückgeführt werden: etwas zum Inhalt des Kommentierten zu schreiben.

ZACKBUM ist weiterhin kein kommerzielles Unternehmen, gelegentliche Spenden werden verdankt. Angesichts der Tatsache, dass sich ZACKBUM ohne Zögern und falsche Rücksichten mit allen, allem und jedem anlegt, wenn es sein muss (und manchmal auch, wenn es nicht sein muss), ist die Plattform erstaunlich unramponiert durch diese mehr als drei Jahre ihrer Existenz gesegelt.

Ein Ausdruck des allgemeinen und speziellen Niedergangs der Medien ist, dass «Die Ostschweiz» nach vielen Jahren gegenseitiger Befruchtung vor den leeren Drohungen einer Anwältin feige einknickte und sich daraufhin vom dagegen protestierenden «Aushängeschild» Zeyer trennte. Per sofort.

ZACKBUM ist besonders stolz darauf, dass wir praktisch nie erwähnt oder gar zitiert werden. Das liegt nicht daran, dass hier nur Nebensächliches erscheint. Es liegt daran, dass blanker Neid und oft auch betroffene Wut herrschen. In den Chefetagen. Und nackte Angst bei den Lohnabhängigen, dass man sie dabei erwischt, mit ZACKBUM in Kontakt zu treten.

Das hindert Autor Zeyer allerdings zunehmend, auf anderen Plattformen zu erscheinen. «Ich persönlich finde den Artikelvorschlag super, aber das kann ich nicht mal vortragen», die Standardantwort.

Gleichzeitig erreichen uns aber ständig – wohlweislich vom privaten Account geschickt – Mails von gequälten Mitarbeitern der Medienhäuser, die sich ihre Situation nicht mal mehr schönsaufen können. Interessant ist allerdings, dass die Zahl der Whistleblower deutlich abgenommen hat. Das liegt wohl daran, dass die Angst immer mehr um sich greift, so Opfer der nächsten Sparrunde zu werden. Denn nur Jasager werden überleben.

Drei Jahre sind noch keine Ewigkeit, aber es ist auffällig: die Verluderung, die Niveaulosigkeit, das Schreiben in Gesinnungsblasen, mangelnde Intelligenz und Kompetenz, von eleganter Schreibe ganz zu schweigen, das alles sind beunruhigende Entwicklungen. Sie haben rasant an Fahrt aufgenommen, in erster Linie bei Tamedia. Der «Blick» wurde kastriert und ruiniert. CH Media hält sich einigermassen, die alte Tante NZZ bleibt einsamer Leuchtturm, auch wenn sie unangenehm häufig zu Ausrutschern und Niveaulosigkeiten neigt. Aber das macht sie mit Trouvaillen wieder wett. Die NZZaS hingegen gibt zu Besorgnis Anlass. Vieles, was dort erscheint, ist weit entfernt vom Niveau, das es haben sollte.

Was auch bedauerlich zugenommen hat: die Unsitte, auf Anfragen nicht zu reagieren. Nichts bringt einen Journalisten so auf, wie wenn er selbst eine Anfrage stellt und keiner Antwort gewürdigt wird. Da zetert er los. Aber wenn er selbst das Ziel einer Anfrage wird, dann schweigt er plötzlich feige. Oder, neue Nummer, versteckt sich hinter der Antwort, dass da die Kommunikationsabteilung zuständig sei. Als ob er als Journalist nicht mehr fähig wäre, selber etwas zu sagen. Aber vielleicht ist er das tatsächlich nicht.

Die einen fragen bang, die anderen hoffnungsfroh: ist dann mal Schluss mit ZACKBUM?

Ehrliche Antwort: An Tagen, an denen die Sichtung der Medien das Gefühl auslöst, als schlucke man Schlamm und versinke im Morast der Mediokrität, ist die Versuchung da. Aber ihr wird tapfer widerstanden. Bis sie dann eines Tages übermächtig wird …

 

Objektive Tamedia

Schmierenjournalismus im «Landbote».

«Bässe wummerten aus den Boxen, ein Sprecher machte übers Megafon ein paar Ansagen. Sonst blieb es ruhig – bis ein überraschender Zaungast auftauchte, sich vor den Transparenten breitmachte und sich sogar einen Weg durch die Masse bahnen wollte: SVP-Nationalrat Thomas Matter. Die linken Aktivisten erkannten den Mann, der 260’000 Franken ins SVP-Wahlkampfkässeli gesteckt hat, natürlich sofort und drückten ihn bestimmt weg. Auch ein Getränk bekam Matter noch ab. «Verzieh dich!», schrie es aus der Masse.
Komischer Zufall?
Was bloss hatte Matter da gesucht, vor der Versammlung Linksautonomer? Eine gezielte Provokation

Eigentlich wäre das ein Fall für die Oberchefredaktorin Raphaela Birrer. Aber wetten wir, dass ihr das völlig schnurz ist? Was? Nun, diese Schmiere im «Landboten», Teil des Qualitätsmedienkonzerns Tamedia. Der beschäftigt Qualitätsjournalisten wie Leon Zimmermann, der nach einer solchen Entgleisung in jedem anständigen Medienhaus per sofort freigestellt und entsorgt würde. Allerdings bekam er beim Verfassen dieses Stücks Haltungsjournalismus Unterstützung von Till Hirsekorn, und der ist immerhin «Leiter der Stadtredaktion» beim «Landbote».

Selbst dem Jungredaktor Tim Wirth im «Ressort Zürich Leben» des «Tages-Anzeigers» gelingt eine objektivere Beschreibung des Vorfalls. Ausser, dass man dem SVP-Politiker natürlich «Verpiss dich jetzt, Alter» zurief:

Immerhin ist der Tagi in der Lage, die lange Liste von ähnlichen Attacken auf Exponenten der SVP oder auch den inzwischen parteilosen Regierungsrat Mario Fehr anzuführen. Die Urheber waren immer Linksradikale, deren unerschütterliche Sicherheit, für das Gute zu sein, problemlos auch böse Taten legitimiert.

Aber zurück zur «Landbote»-Schmiere. Denn das ist der Artikel von Anfang bis Ende. Schon der Lead ist an Häme und Parteilichkeit kaum zu überbieten: «Die Kundgebung zum zehnten Jahrestag der eskalierten Tanzdemo auf dem Archplatz blieb friedlich. Daran änderte auch der überraschende Auftritt eines bekannten Zürcher SVP-Nationalrats nichts.»

Es war eine unbewilligte Demo, nebenbei. Laut eigener Aussage machte sich nun der SVP-Nationalrat Matter nicht «breit», sondern wollte von einer SVP-Wahlveranstaltung ganz in der Nähe den direkten Weg zum Parkhaus nehmen, wo sein Auto abgestellt war. Er war dabei der offensichtlich falschen Auffassung, dass er keinen Umweg nehmen müsse, nur weil ein paar Linksautonome dem «System» mal wieder Saures geben wollen und «gegen die kapitalistische Stadtentwicklung», was immer das sein mag, demonstrieren.

So viel zu «sich sogar einen Weg durch die Massen bahnen wollte». Was hier dazutut, dass er ins SVP «Wahlkampfkässeli» gespendet habe? Soll er damit als widerlicher und reicher Kapitalist gebrandmarkt werden? Er wurde beschimpft, drangsaliert und ausserdem wurde ihm ein gefüllter Trinkbecher an den Kopf geworfen, was filmisch dokumentiert ist. Oder aber, wenn man dem «Landboten» glauben will, aber das sollte man besser nicht tun, er wurde «bestimmt weggedrückt» und «bekam auch ein Getränk noch ab». Ausserdem wurde ihm zivilisiert «verzieh dich» gesagt, keinesfalls «verpiss dich, Alter» gegrölt.

Dann fragt der objektive Reporter anzüglich: «Was bloss hatte Matter da gesucht? Eine gezielte Provokation?» Das «verneint er auf Anfrage», hängen sich Zimmermann/Hirsekorn ein objektives Feigenblättchen um. Dabei ist die Botschaft doch klar: Natürlich wollte Matter sich «breitmachen», einen «Weg durch die Massen bahnen», natürlich wollte er provozieren.

Die Polizei hingegen liess sich nicht provozieren und bot sogar an, auf Antrag eine Notbewilligung zu erteilen. Das kam aber bei den linken Chaoten gar nicht gut an:

«Die Demonstranten reagierten meist mit Pfiffen auf die Ankündigungen der Polizei. Zudem skandierten sie ihre Parolen und brachten einen Leiterwagen mit Musikboxen mit. «Oisi Stadt, oises Quartier, weg mit de Yuppies, weg mit de Schmier», dröhnte es in Form eines Rap-Songs über den Platz. Ein Slogan, in den auch die Anwesenden immer wieder einstimmten.»

Könnte man hier vielleicht ein kritisches Wort erwarten? Aber doch nicht bei diesem Autorenduo. Es steht zu vermuten, dass die Mehrheit der Leserschaft des «Landboten» nicht unbedingt mit den Ansichten und dem Vorgehen von rund 200 Linksautonomen sympathisiert. Was sich auch in der Mehrheit der über 100 Leserkommentare niederschlägt.

Es ist möglich, dass einen Jungspund rote Wallungen überfallen und er einen solchen Text in den Computer haut. Es ist unverständlich, dass ein leitender Redaktor mitgeschrieben hat. Es ist unglaublich, dass ein solcher Text alle angeblichen Qualität- und Kontrollstellen passierte.

Er ist ein weiterer Beweis für die These von ZACKBUM: Tamedia geht nicht an einer allgemeinen Medienkrise zugrunde, sondern durch das Missmanagement der Chefetage – und die Verbohrtheit und Unfähigkeit zur klassischen Newsberichterstattung der Redaktion.

Wenn man wie beschrieben oben – und auch in diesem Mief von Blasenjournalisten in ihrer luftdicht abgeschossenen Gesinnungswelt – kräftig aufräumen würde, hätte Tamedia noch eine Chance. Aber das wird nicht passieren.

 

 

Böse Staatsverweigerer!

Der neue Feind: Das sind die Staatsverweigerer. Inzwischen auch für die einst behördenkritische «Die Ostschweiz».

Von Stefan Millius

SRF, «20 Minuten», natürlich der «Blick», aber auch der «Beobachter» und Nischenportale wie zentralplus.ch und FM1today haben diese Gefahr für sich entdeckt und rapportieren fleissig darüber. Ihr Thema seit Wochen: Was sind das bloss für Leute, die ihre Steuern nicht mehr zahlen? Oder andere Rechnungen, deren Ertrag der Staatskasse zugedacht ist? Was fällt denen nur ein?

Seit der Coronazeit ist die Zahl derer, die nicht einfach pflichtschuldig abdrücken, wenn die Behörden gern Geld hätten, explodiert. Nun könnte man als von Natur aus neugieriger Journalist der Frage nachgehen, woran das liegt. Hat es vielleicht damit zu tun, dass der Staat es in den letzten Jahren mit den Grund- und Freiheitsrechten der Bevölkerung nicht so genau nahm? Dass er die Verfassung kurzerhand eingefroren hat? Dass er eine Rekordverschuldung anhäufte für «Schutzmassnahmen» und eine beispiellose Impfkampagne? Dass seine Repräsentanten rund um Corona immer mal wieder bei haltlosen Behauptungen bis hin zur blanken Lüge erwischt wurden?

Das könnte man alles fragen, aber darauf hat die angebliche vierte Macht wenig Lust. Man hat ja schliesslich auch Steuern zu bezahlen, wenn man mit dem Staat nicht ganz glücklich ist. Sogar dann, wenn die Landesregierung die demokratischen Spielregeln ausser Kraft setzt, sich das Parlament in verfrühte Ferien zurückzieht und der Bundesrat Volksabstimmungen dank – gelinde gesagt – reichlich kreativer Fragestellung gewinnt.

Wer das nicht tut, ist dann eben ein «Staatsverweigerer». Die Medien widmen diesen elenden Kerlen, die unseren armen Betreibungsämtern so viel Arbeit aufhalsen, lange Artikel. Dort geht es nicht etwa um die Beweggründe für die Verweigerung, sondern nur darum, wie sehr die staatlich besoldeten Leute darunter leiden. Da will man eine ruhige Kugel für überdurchschnittlich viel Geld mit absoluter Jobsicherheit schieben, und dann macht einer Ärger. Droht da allenfalls sogar eine Überstunde?

Unter den Leidenden ist beispielsweise Johannes Wagner, Leiter des Betreibungs- und Konkursamts Appenzell Innerrhoden. Unter uns gesagt: Der Kanton hat 16’000 Einwohner, der Mann und seine Funktion sind also gleichbedeutend mit dem Pendant einer Schweizer Kleinstadt. Aber jedenfalls ist er richtig sauer. Die Staatsverweigerer hängen ihm zum Hals raus. Es sei ihm – und das ist wörtlich zitiert – «Hans was Heiri», wenn jemand sich querstelle. Zahlen müsse er dennoch, basta.

Natürlich muss er das. Sonst bekäme der gute Herr Wagner ja irgendwann seinen Lohn nicht mehr. Er wird dafür besoldet, dass er Ausstände beim gemeinen Bürger eintreibt. Ihn muss es nicht interessieren, ob es dafür allenfalls gute Gründe gibt. Der Beamtenstatus in der Schweiz ist zwar abgeschafft, aber Wagner hat damit dennoch den Titel «Beamter des Jahres» verdient. Dem Staat treu bis in den Tod, und bitte einfach keine Fragen stellen.

Das alles wäre halb so wild und völlig normal, weil die meisten Medien längst so nahe zur Staatsgewalt gerückt sind, dass kein Blatt Papier mehr dazwischen Platz findet. Das Problem ist nur, dass Wagner und eine Reihe seiner Kollegen aus anderen Ostschweizer Kantonen im aktuellen Beispiel nicht etwa bei den üblichen Verdächtigen zu Wort kommen. Sondern in «Die Ostschweiz». Hier ist das gesammelte Gejammer und Gestammel der staatlichen Bürolisten nachzulesen.

Ich bin natürlich vorbelastet, weil ich «Die Ostschweiz» einst mitbegründet und mehrere Jahre als Chefredaktor geführt habe. Das mit der klaren Mission, nicht einfach mit den Wölfen zu heulen, sondern die entscheidenden Fragen zu stellen. Zu meiner Zeit galt das Motto: Ein Staat hat sich nicht über Staatsverweigerer zu empören, sondern darüber nachzudenken, warum es zu diesem Phänomen kommt und gegebenenfalls an sich selbst zu schrauben. Vor allem, wenn die Entwicklung zunimmt. Frei nach Shakespeare: «Es ist was faul im Staate Schweiz».

Mit diesem redaktionellen Kurs war die kleine Ostschweizer Onlinezeitung lange eine gefragte Adresse bei den Leuten, die eine einfache Formel verinnerlicht hatten. Der Staat? Das ist zunächst mal das Volk. Und wer dort arbeitet, ist dessen Angestellter. Und wenn die Repräsentanten dieses Staats durchdrehen, darf man ruhig darüber nachdenken, ihm die Mittel zu entziehen.

Das ist offensichtlich vorbei. Nun dürfen sich auch bei «Die Ostschweiz» Staatsangestellte über die Renitenz einiger Bürger ausweinen. Was publizistisch übrigens keinen Sinn macht, weil die Story schweizweit schon vor Wochen durch war. Aber das machen regionale Medien gern: Schauen, was andere gerade treiben und dann mal kurz die Betreffenden vor Ort telefonisch durchgehen. «Global – lokal» hiess das schon in meinen Anfängen vor über 30 Jahren. Das braucht wenig Zeit und schafft «Nähe zum Leser».

Nur hat sich die Medienlandschaft seither verändert. Wer jetzt aus der Masse hervorstechen will, muss klare Kante zeigen. Das hat «Die Ostschweiz» früher getan. Jetzt ist sie offensichtlich zum Sprachrohr von Regierung und Behörden geworden. Eines unter vielen.  Der Bürger, der sich Gedanken macht, ist der Feind.

Was bei früheren Stammlesern zur Reaktion führen könnte: «Ist das eine Zeitung – oder kann das weg

Weise Worte, leise gemüllt

Tx, Pardon, Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» hat einen Sprücheklopfer.

Wegen der Unfähigkeit der Führungsetage gefeuert zu werden, das ist unangenehm. Davor Angst zu haben, wegen der Unfähigkeit der Führungsetage gefeuert zu werden, das ist ungemein motivierend für die Arbeit.

Man müsste untersuchen, ob um das Glashaus an der Werdstrasse in Zürich der Alkoholkonsum und der Verbrauch von Beruhigungsmitteln in letzter Zeit deutlich angestiegen ist.

Denn zu all diesem Ungemach hinzu müssen sich die verbliebenden Mitarbeiter noch dumme Sprüche anhören. Wenn sie hier die gleiche Sensibilität wie gegenüber angeblicher verbaler sexueller Belästigung hätten, müsste es eigentlich ein neues Protestschreiben geben. Die anstössigen Beispiele müssten dann nicht einmal anonym sein.

Denn der Urheber ist bekannt. Es handelt sich um Mathias Müller von Blumencron (für uns einfach Müller). Der ist zurzeit «Leiter Publizistik» und eigentlich für die Digitalstrategie zuständig. Was für eine Digitalstrategie? Ein anderes, trübes Thema.

Aber hier geht es darum, wie Müller Publikum und Mitarbeiter quält. «So ärgerlich und unangenehm der neuerliche Abbau für den einzelnen Betroffenen auch ist, so bringt er letztlich keine grosse Veränderung mit sich», sagt Müller persoenlich.com. Aha, ein Abbau ohne Veränderungen, ein Wunder der Unternehmensführung.

Aber natürlich ist ein Abbau auch immer eine Chance, ganz klar. Worin liegt die? Die einzelnen Medienmarken sollen ihr publizistisches Profil schärfen und ihre Stärken noch besser und konsequenter ausspielen. Das tut nun ziemlich weh im Kopf. Also sollen diese Medienmarken, deren Profil durch ständige Zusammenlegungen und dem Abfüllen einen Einheitssauce aus der Zentralredaktion deutlich unschärfer wurde, nun wieder nachschärfen? Mit weniger Leuten? Und welche Stärken sollen nach einer neuerlichen Schwächung besser und konsequenter werden? Das ist Bullshit-Bingo, unterste Schublade.

Zudem sollen mehr Digitalabos verkauft werden, was ja bedeutet, dass Müller hier versagt. Gleichzeitig aber, so weiss er, «müssen wir die gedruckte Zeitung noch stärker auf die Erwartungen und Bedürfnisse eines älteren Publikums ausrichten». Wunderbar, das schafft man sicherlich, indem man immer mehr billige Kindersoldaten einstellt und die älteren Leser mit Themen wie Gendersternchen und inkludierende Sprache quält, von einem Kolumnisten namens Kim ganz zu schweigen.

Aber damit ist Müller mit seiner Quälerei noch nicht am Ende. Denn eigentlich ist er ja der Online-Hirsch, daher weiss er: auch hier muss – was wohl, genau – der Fokus geschärft werden. «Das geht nur, wenn man in den Redaktionen sehr sorgfältig überlegt, was der Kern des Auftrags ist.» Endlich ein überfälliger Ordnungsruf. Denn die Redaktionen sind da völlig aus dem Ruder gelaufen. Sie denken an den Verkauf von Gebrauchtwagen, Glace und Kleidern in Übergrössen. Dazu ist ein Pizzalieferdienst in der Mache, Modeshows oder Kurse für Balkongärtner. All dieser Wildwuchs muss ein Ende haben. Stattdessen alle mal sorgfältig überlegen: was macht ihr hier eigentlich? Wozu habt ihr ein Telefon und einen Computer? Und wozu dient dieses komische Programm, wo man Bilder und Texte einfüllen kann? He, schon mal drüber nachgedacht?

Aber Müller liefert noch mehr Munition für ein geharnischtes Protestschreiben: «Artikel, von denen klar ist, dass sie nur sehr wenige Leute lesen werden, kann man weglassen.» Ob das Andreas Tobler und  einige andere persönlich nehmen werden?

Auf jeden Fall muss man auf diese Idee auch erst mal kommen, nicht wahr.

ZACKBUM ist sich sicher, dass es hier genügend Unterschriften unter einem Protestbrief geben wird, der in strengen Worten zum Ausdruck bringt: kujoniert, eingespart und entlassen zu werden, das ist das eine. Aber mit solchen dämlichen Sprüchen belästigt zu werden, das ist unerträglich und muss sofort eingestellt werden. Wir fordern einen Sensibilisierungsbeauftragten (m/w/d), der solche verbalen Übergriffigkeiten unterbindet und als Ombudsstelle für gequälte Mitarbeiter dient. Aber subito, sonst fliegen Steine ins und aus dem Glashaus.