Münger lebt!

Der Auslandchef von Tamedia ist ein grosser Schweiger. Nicht immer. Leider.

Es gibt zwei gute Nachrichten, wegen Seltenheitswert zuerst: Christof Münger lebt. Und der Auslandchef von Tamedia überlässt das Feld nicht vollständig der «Süddeutschen Zeitung» mitsamt deren Irrwisch Stefan Kornelius, das Tiefseelot der reinen Geschmacklosigkeit.

Nein, zum Jahrestag des russische  Überfalls auf die Ukraine schmiedet Münger einen Leitartikel. Wie es sich für den Tagi gehört, besteht der Artikel ca. zur Hälfte aus Bild und Weissraum:

Schade, dass es auch noch Text dazu gibt. Der stammt von einem «promovierten Historiker». So von Kollega zu Kollega: «Gerade während der Berlin-Krise Anfang der 60er-Jahre waren die Verbündeten nicht immer einer Meinung, wie sie mit den sowjetischen Kriegsdrohungen umgehen sollen.» Es steht zu vermuten, dass Münger hier die zweite Berlinkrise meint, es handelte es sich hier um einen Versuch der damaligen Sowjetunion von 1958, endlich zu einem Friedensvertrag nach dem Zweiten Weltkrieg zu gelangen und den Status von Berlin-West zu klären.

Aber Geschichte ist meistens komplexer, als es sich Historiker vorstellen wollen. Doch das ist ja nur ein misslungener Ausflug in die Geschichte. Eigentlich will Münger Gültiges zur Gegenwart sagen. Und die ist kein schöner Anblick:

«Zwei Jahre nach dem russischen Überfall blutet die Ukraine aus. … leisten weiterhin einen heroischen Abwehrkampf, doch die Kräfte lassen nach, die Munitionsvorräte schwinden. … Inzwischen geht es nicht mehr nur um die Ukraine, sondern um einen globalen Kampf zwischen Demokratien und Autokratien.»

Aber auch hier hat Münger etwas Orientierungsschwierigkeiten. Die Ukraine sei eine Demokratie? Was hat der Mann denn geraucht? Nichts Aufhellendes, denn er sieht dunkel in die Zukunft: «Deshalb muss der Westen mit dem Schlimmsten rechnen und sich auf die grösste Reifeprüfung seit dem Ende des Kalten Kriegs vorbereiten.»

Worin besteht denn diese «Reifeprüfung»? Er meint aber nicht die mit Nastassja Kinski, vermutlich. Sondern er meint eine, bei der weiter Ukrainer für uns, für Münger, für uns alle krepieren dürfen: «Nur wenn die Ukrainer endlich die Mittel bekommen, die sie brauchen, können sie einen umfassenden russischen Durchbruch verhindern.» Allerdings hat es Münger auch nicht so mit Zahlen: «Es gibt Hunderttausende Tote an der Front und dahinter.» Die UNO zählt hingegen etwas über 10’000 zivile Opfer in der Ukraine, zur Zahl getöteter Soldaten äussern sich beide Seiten nicht.

Vielleicht ist deswegen diese Aberwitzzahl nur online in Müngers Leitartikel vorhanden. Er hat noch mehr Alpträume: «Ziehen die USA aus Europa ab, bricht die transatlantische Brücke zusammen – Putins wildeste Träume würden wahr.» Und richtig zum Fürchten: «Kehrt Trump zurück, ist nicht mehr ausgeschlossen, dass die USA ins Lager der Autokratien wechseln.» Immerhin, «nicht mehr ausgeschlossen» ist die Formulierung der Wahl, wenn jemand sagen will: ich hau› mal einen raus, aber sollte man nicht zu ernst nehmen. Gibt es Hoffnung, einen Lichtblick? Kündet Münger an, keine Leitartikel mehr zu schreiben?

Nein: «Nach Jahren trügerischen Friedens, in denen man es sich bequem unter dem amerikanischen Schutzschirm eingerichtet hat, steigen die europäischen Verteidigungsbudgets erstmals wieder. Das ist immerhin ein Hoffnungsschimmer für die Ukraine.» Nach Jahren der trügerischen Hoffnung, dass die wortbrüchige NATO-Osterweiterung keine Konsequenzen habe, vor denen Putin an der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 für jeden nachlesbar warnte, hat’s gekracht.

Könnte man auch mal so analysieren, statt den gleichen Rhabarber zum zweiten Jahrestag nochmals zu rhabarbern. ZACKBUM hätte nie gedacht, dass wir sogar einen Kommentar von Kornelius präferieren würden. Der ist immer so herrlich vollgaga, wider jede Vernunft und Logik geschrieben, dass er für Erheiterung sorgt. Münger hingegen schafft höchstens die Bleischwere, das Scheppern und Rasseln eines in der Rüstung einfältiger Gedanken gefangenen kalten Kriegers.

 

15 Kommentare
  1. C. Rickenbacher
    C. Rickenbacher sagte:

    Sobald jemand versucht beide Seiten zu beleuchten, schreit die eine oder andere Seite auf. Heute ist es «modern» sofort unreflektiert Stellung zu beziehen. Diskussion ist auf diese Art nicht mehr möglich. Wenn ich die eine Seite beleuchte, heisst das doch noch lange nicht, das ich gegen die anderen bin. Und umgekehrt.
    Woran liegt es? Mangelnder Anstand? Eigene Beschränktheit? Dummheit? Fehlendes Demokratieverständnis? …?

    Antworten
  2. Martin Hefti
    Martin Hefti sagte:

    Kommt auch draufan, wie man Demokratie und Korruption definiert. In der Ukraine hat immerhin der Präsident ein paar mal gewechselt nach Wahlen. Im Gegensatz zu anderen Staaten oder staatsähnlichen Gebilden, die auch Geld bzw Kredite bekommen. Dass im Krieg die freie Bekämpfung des Regierungskurses beschränkt wird, war und ist in jedem kriegführenden oder nur schon direkt bedrohten Land so. Dass Volksentscheide einfach unter den Tisch fallen (Alpeninitiative, MEI), ist aber wohl Kennzeichen der Musterdemokratie, die den andern sagen kann, was für Diktaturen sie seien. Dass Regierungsmitglieder gleich nach dem Rücktritt mit Verwaltungsratssitzen belohnt werden, zum Beispiel von einer Firma, die vom entsprechenden Departement einen 10-Milliarden-Auftrag erhalten hat, das fällt natürlich nicht unter Korruption. Sondern hat philanthropische oder jedenfalls ehrenwerte Gründe. Da kann die Schweiz der Ukraine auch vormachen, wie man alles besser löst.

    Antworten
  3. Kurt Blumer
    Kurt Blumer sagte:

    Punkt 1: Natürlich sind die Ukraine keine Demokratie nach helvetischen Massstäben. In diesem aufgezwungenen Kriegsgräuel des Oberzaren Putin geht es in der jungen Ukraine ums nackte Überleben. Russland ist gemäss TRANSPARENCY INTERNATIONAL gar korrupter als die Ukraine!
    Punkt 2: Putin und seine NATO-Osterweiterung anno 2007: Putin verwies in München auf eine Aussage des damaligen NATO-Generalsekretärs Manfred Wörner am 17. Mai 1990: «Schon die Tatsache, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.» Auch hier war das Gebiet der DDR gemeint. Das wird an einem weiteren Satz Wörners deutlich, den er danach sagte: «Wir könnten uns eine Übergangszeit vorstellen, in der eine verringerte Anzahl von Sowjettruppen in der heutigen DDR stationiert bleiben.» Die Wiedervereinigung fand Monate später, am 3. Oktober 1990, statt. Der Abzug der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte vom Gebiet der ehemaligen DDR zog sich bis 1994 hin. Diese ständig aufgewärmte Thesen der NATO-Osterweiterung sind somit kreuzfalsch. Die tendenziöse Darstellung von René Zeyer gar schlimmer bezüglich der journalistischen Sorgfaltspflicht. Die drei baltischen Staaten haben das einzig richtige gemacht damals; sie sind umgehend NATO- Mitglied geworden.

    Antworten
    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Der Kommentator hat das freie Wort. Auch wenn ihm entfallen ist, dass auch die Ukraine fest entschlossen war, in die NATO einzutreten. So wie das Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Nordmazedonien und Albanien taten. Kleiner Lektüre-Tipp: (Infosperber) Aber ein Kommentator muss sich auch nicht an eine Kommentar-Sorgfaltspflicht halten, sondern kann ungehemmt Gedöns publizieren. Allerdings auf eigene Gefahr …

      Antworten
      • Koni Nünlist
        Koni Nünlist sagte:

        Mit Interesse habe ich die Sichtweise von Jacques Baud im Infosperber gelesen.

        Interessant auch der nachträglich publizierte Nachspann im Artikel:

        Laut Faktenchecker der ARD Tagesschau handelt es sich bei der Aussage «Die NATO hat Russland versprochen, sich niemals nach Osten zu erweitern» um eine der häufigsten Verschwörungsmythen.

        Auch solche Aussagen haben Gewicht. Infosperber sei Dank, dies publiziert zu haben.

        Antworten
        • René Zeyer
          René Zeyer sagte:

          Dass es solches Zusagen gab, ist dokumentiert und unbestreitbar. Wie verbindlich sie waren, das ist sicherlich diskutabel.
          Dass es auf jeden Fall keine gute Idee ist, eigene Waffen im Unterbauch einer Supermacht aufzustellen, bewies die hysterische Reaktion der USA während der Kubakrise. Immerhin zogen dann beide ihre Raketen wieder ab; die UdSSR aus Kuba, die USA aus der Türkei.
          Aber Geschichtsvergessenheit ist heutzutage Volkskrankheit.
          Schliesslich die Frage, was die USA wohl täten, würde Russland mit Einverständnis des Landes Raketen in Mexiko stationieren.
          Und die Frage, wie viele Militärbasen die USA ausserhalb ihres Territoriums unterhalten – und wie viele Russland.
          Das alles ändert nichts daran, dass der Überfall auf die Ukraine ein Verträge brechendes Schurkenstück ist. Nicht minder fragwürdig ist allerdings die Politik der NATO, die Ukraine mit Milliardenunterstützung zum Schlachtfeld zu machen, auf dem Ukrainer und Russen krepieren.
          Und all diese «mehr Waffen für die Ukraine»-Krakeeler, ob die sich wohl überlegen, wer den Wiederaufbau der Ukraine finanzieren wird?

          Antworten
        • Kurt Blumer
          Kurt Blumer sagte:

          Ein ausserordentlich gutes Beispiel im oft bizarren Blog-Journalismus-Wildwuchs.

          Danke Urs Gasche von Infosperber für diese wichtige Ergänzung. Das Tummelfeld von Verschwörungsmythen im unkontrollierten www braucht dringend verantwortungsvolle, positive Beispiele.

          Antworten
        • C. Wallens
          C. Wallens sagte:

          Herr Nünlist, wenn Sie dem «Faktenchecker» der ARD vertrauen, können Sie auch gleich zur «Süddeutschen Zeitung» greifen. Da gibt’s ausser «Fakten» (…) wenigsten noch etwas Sport und eine Seite Unglücke und Verbrechen.

          Antworten
          • Rolf Karrer
            Rolf Karrer sagte:

            Natürlich ist es ihr Recht, den Faktenchecker zu diffamieren. Es wurde in den letzten 10 Jahren ein bedeutsames Instrument, um wieder etwas Ordnung (Glaubwürdigkeit) in der breiten Medienlandschaft zu erlangen. Dieses Mosaikstück auch sehr wichtig, im Wildwuchs der Blog-Kultur und seinen oft gravierenden Auswüchsen. In der Covidkrise und nun im Ukraine-Konflikt kamen diese Problematik der Interpretation gut zum Vorschein.

          • Slavica Bernhard
            Slavica Bernhard sagte:

            Der Faktenchecker, Herr Karrer, checkt nur was gebracht wird: Wer checkt die Auswahl?

    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Schaun Sie, das Gezerre um die angeblichen oder vermutlichen Versprechungen bezüglich Nato-Erweiterung oder eben nicht, ist ja nun so etwas von erbärmlich abgeranzt. So eine richtige Scheindebatte. Und kindisch obendrein: „Aber die haben doch gelogen – Nein, haben sie nicht – Doch!“ Letztlich ist der heisse Kern der, ob es im Hinblick auf eine stabile europäische Sicherheitsordnung zielführend und sinnvoll ist, in rein amerikanischem Interesse die Grenzen, Raketen und Panzer wie bereits 1941ff wieder ganz nahe an Leningrad und Stalingrad heranzurücken.
      Wo Sie einen Punkt haben: Im Gegensatz zu den Russen können die Ukrainer (bisher) ihren Präsidenten abwählen und ersetzen, was sie auch regelmässig getan haben. Ob die Wahlen von hüben wie drüben massiv beeinflusst werden, ob letztlich Marionetten das Amt verwalten, das spielt erst in zweiter Linie eine Rolle.

      Antworten
  4. Robert Müller
    Robert Müller sagte:

    Jeder halbwegs intelligente Mensch wusste von Anfang an, dass die Ukraine gegen die Russen auf lange sicht keine Chnce hat.
    Nur Auslandkorrespondenten und Kommantatoren von seriösen Tageszeitungen sahen dies komplett anders. Jetzt sucht man verzweifelt den Ausgang.
    Übrigens: Trump gewinnt zwar Vorwahl um Vorwahl, aber heh, Haley gibt nicht auf…

    Antworten
  5. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Christof Münger ist eine der grössten Witzfiguren beim Tagi. Will dort etwas heissen! Wo gibts denn sowas: Ein Auslandchef, welcher die gesamten Texte von einer linksextremen Zeitung in Deutschland importiert und trotzdem beim Tagi ein sattes Gehalt kassiert? Falls Münger dann doch etwas Eigenes absondert, besteht der „Inhalt“ lediglich aus Bla-Bla-Bla. Herr Münger, bitte gönnen Sie sich endlich ihre Pensionierung!

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert